Mittwoch, 29. April 2015

Das Rheinische Landesmuseum Bonn in der Colmantstraße bekommt Konkurrenz - in Gestalt meines Lieblingsdiscounters

Apropos Kölnstraße. Wie oft bin ich in den vergangenen Monaten an meinem Lieblingsdiscounter vorbeigefahren und habe mich gewundert, wie lange die für dem Umbau brauchen. Jetzt weiß ich es: Bei den Bauarbeiten wurden archäologische Funde aus der Römerzeit entdeckt und die Grabungsarbeiten haben sechs Monate gedauert. Zur Eröffnung gab es eine Fotoausstellung der besten Exponate mit dem Titel "Filiale auf historischem Grund", die dort dauerhaft bleiben soll. Da bekommt das Landesmuseum direkt Konkurrenz. Zur Zeit kann man ja dort die Ausstellung "Eiszeitjäger - Leben im Paradies" besuchen. Aber dass ich jetzt quasi auch beim Einkauf kulturell unterwegs bin - praktisch!

Was ich mir jetzt in diesem Zusammenhang vorstelle ...  Wenn ich mir diese unzähligen Werkzeuge zum Erhalt der Fitness anschaue, die das Werbeblättchen mir tapfer immer wieder feilbietet, also da dürfte es in unsrem Lande kein Persönchen mit auch nur einem Pfündchen zuviel auf den Rippen geben. Das ist hier wohl so wie so häufig: Ganz wenige Menschen benutzen alle diese Fitnessgeräte gleichzeitig und rund um die Uhr, und bei vielen kommen derartige Teile erst gar nicht ins Haus. Und dann gibt's da noch die zahlenmäßig nicht zu unterschätzende Gruppe derer, die alle Fitnessgeräte kaufen und glauben, dass allein das Besitzen selbiger schon fit macht. Für mich persönlich ist das ja ein Warensortiment, bei dem ich viel sparen kann, indem ich es gar nicht kaufe. Gut, auf der anderen Seite sage ich ja immer, dass Bedürfnisse erst durch Werbung gemacht werden. Sag ich auch immer noch - Ausnahme: Verkaufsartikel, die mit "Zieh es durch" angepriesen werden oder Waren, die in einem Atemzug mit Bauchmuskeln und Liegestütze genannt werden. Was sich recht positiv auf die Geldbörse auswirkt, weil dann automatisch bei mir auch kein Bedarf an einer Bodenmatte für Fitnessgeräte besteht.

Trotzdem, auch diese Seiten des Werbeblättchens gilt es genau zu studieren: Zum einen wegen der ungemein gut gebauten und durchtrainierten Körper, zum anderen für mich höchst interessant, was es immer wieder an neuem Gerät auf dem Fitnessmarkt gibt. Gut, der Bauchmuskeltrainer ist mir mittlerweile geläufig. Wobei ich bei dem eher - läge da nicht ein ausgewachsener Mann drunter und gäbe es nicht die Produktbeschreibung - an eine Aufhängevorrichtung für ein Mobile zur Bespaßung eines Säuglings denken würde. Auch Crosstrainer kenne ich, und Power-Fitnessband sowieso. Bei einem "Multifunktions-Türeck aus stabilem Stahlrohrgestänge und Handgriffen mit Schaumstoffummantelung", das sich offensichtlich für Klimmzüge recht gut eignet, dächte ich, läge es einfach so vor mir, an einen Dachgepäckträger.
Was ich persönlich so noch nicht gesehen habe, ist eine Kugelhantel. Und dazu die Produktbeschreibung, einfach unübertroffen: "Geben Sie sich die Kugel. Kettlebell-Training für Ihr perfektes Kraft - und Ganzkörpertraining, optimales Trainingstool für Ihr Home-Workout". Gut, für mich jetzt uninteressant, weil in der Produktbeschreibung das böse Wort Power einfach viel zu oft vorkommt. Aber wem's Spaß macht: Für schlappe 5,99 Euro eine Kettlebell mit komfortablem Haltegriff, Gummifüßen zum sicheren Abstellen (das Gerät, nicht den Menschen) und ein Trainingsvideo - da kann man wirklich nicht maulen.

Noch mehr fasziniert hat mich allerdings der Sling Trainer. Für mich persönlich ist der jetzt überhaupt nicht geeignet, weil er speziell die tiefer liegende Bauchmuskulatur trainiert - ich habe da nämlich gar keine. Auf der Abbildung sieht man eine Frau, die Liegestütz macht, während ihre Füße in zwei Schlaufen hängen, die ihrerseits an der Tür befestigt sind. Also diese Seite im Werbeprospekt könnte mir mein Lieblingsdiscounter jede Woche persönlich vorbeibringen - in tausend Jahren erwächst da kein Bedürfnis von meiner Seite!

Apropos in tausend Jahren. Was ich mir jetzt vorstelle: Also die Archäologen, wenn die in zehntausend Jahren auf dem Gelände an der Kölnstraße, wo jetzt mein Lieblingsdiscounter wieder eröffnet hat, also wenn die dort bei Bauarbeiten auf Überreste von solchen Fitness-Tools stoßen - ohne Produktanleitung! Werden die nicht vor ein Rätsel gestellt, was die Menschen damals mit diesen Artefakten angestellt haben?  
Aber noch mehr hätte mich die Meinung der Eiszeitjäger interessiert. Also wenn die Überreste von einem Hometrainer fänden, rein hypothetisch. Wie lange bräuchten die um herauszufinden, dass sich da Menschen drauf müde strampeln, ohne auch nur einen Zentimeter vorwärts zu kommen? Da kämen die doch nie drauf!
Oder so eine Kettlebell (ich liebe dieses Wort). Die Kettlebells der Eiszeitjäger waren die Keule und der Pfeil. Die brauchten ihre "Tools" aber zum nackten Überleben. Die Eiszeitjäger hatten Bauchmuskulatur, das wussten die nur nicht. Und angenommen - wieder rein hypothetisch, weil die ja vor uns gelebt haben ("Science Fiction" in die andere Richtung quasi) - also angenommen, es würde sogar ein Werbeprospekt gefunden. Wie sollten sich die Eiszeitjäger erklären, warum die Frau ihre Füße in zwei Schlaufen hängt, die wiederum an einer Tür hängen, und sich dann vom Boden abstemmt? Es ist wirklich so was von hypothetisch zu überlegen, was die Menschen vor zehntausend Jahren beim Anblick dieser Fotos in meinem Werbeblättchen gesagt hätten. Denn wie, bitteschön, sollten sie sich das Wort "Freizeit" erklären?

Apropos erklären. Ins Auge ist mir dieser Tage die Anzeige von PMPG gesprungen: Ein Mann, athletisch gebaut, Oberkörper tätowiert, wirft mir einen Handkuss zu. Darunter in großen Lettern "Wir haben noch Stellen frei." Die PMPG sucht Bilanzbuchhalter und Steuerfachwirte. Gute Anzeige, denke ich, weil größer könnte der Kontrast nicht sein. Erst auf den zweiten Blick verstehe ich den Witz: Im Gegensatz zu dem ganzkörper-tätowierten Mann, der keine einzige freie Körperstelle mehr für ein neues Tattoo hat, hat besagtes Unternehmen noch Stellen frei.
Auch da frage ich mich, was dieses Foto in hunderten von Jahren über uns aussagt. Warum die Menschen unserer Zeit angefangen haben, sich flächendeckend zu tätowieren. Vielleicht wird es Forscherteams geben, die sich mit der Frage beschäftigen, in wie weit die Größe des Tattoos in unmittelbarem Zusammenhang mit dem IQ steht.

Wo ich gerade bei Anzeigen in meinem "Schaufenster" bin. Ich hoffe zutiefst, dass die Anzeige vom Media Markt in der Geschichte der Menschheit nie mehr auftaucht. Da ging es um Folgendes: Bei der "Bang YurHead"-Challenge versprach ein Hersteller, dass seine neuen Kopfhörer dank ihres neuen Designs perfekt sitzen und auch dem wildesten Kopfschütteln widerstehen. Wer es schaffe, die Kopfhörer innerhalb von zehn Sekunden durch Kopfschütteln von den Ohren zu befördern, der dürfe ein brandneues Paar davon gleich mit nach Hause nehmen.

Ganz davon abgesehen, dass ich ja dann ein Produkt bekomme, was den Versprechungen nicht standhält - was würden die Eiszeitjäger dazu sagen? 

Dienstag, 14. April 2015

Die Schaufenster und nicht das "Schaufenster" - So viele Bilder im Kopf

So gegen halb zehn an einem Donnerstag in meiner Stadt. 
Die ersten Geschäfte schon geöffnet, noch sind keine Kunden da. Deshalb wird hier noch eben gesaugt und dort im Eingangsbereich geputzt. Hinter vielen Schaufenstern ist es noch dunkel, kein Lebenszeichen von drinnen, kein Licht. Ich fahre mit dem Fahrrad von meinem Auerberg über die Kölnstraße in meine Stadt - wie seit Jahrzehnten. Und seit Jahrzehnten am BLUMENHAUS ENGELS vorbei - auf der rechten Seite kurz vor dem Martinsplatz gegenüber dem ehemaligen Krankenhaus. Und wieder erfreue ich mich an den geschmackvoll dekorierten hohen Schaufenstern des alten Eckhauses, genieße vorbeifahrend die Blumenpracht, werde eingestimmt auf Jahreszeiten und anstehende Feste. Dieses Mal sind es die Tulpen und Narzissen, die Krokusse und das Osterfest (ein zarter Wehmutsstich: Noch nie habe ich hier einen Blumenstrauß gekauft!).

Am Berta-von-Suttner-Platz schwenke ich nach links, lasse den Peter, den KASTENHOLZ, rechts liegen, kaufe in der Bäckerei SCHELL zwei unverschämt leckere Mailänderhörnchen. Weiter geht's mit Blumen im Kopf und Mandelhörnchen in der Tasche kurz Richtung Kennedy-Brücke, dann aber rechts und sofort wieder rechts in die Friedrichstraße.
Und wieder das Eckhaus ein HAUS DER BLUMEN, steige ab, wunderschöne Osterdekoration (-50% Rabatt). Ranunkeln stehen dreist im Freien, verlangen nach Aufmerksamkeit, nehmen Raum ein, Platz weg, brauchen keine Angst zu haben, weil Fußgängerzone. So friedlich die Friedrichstraße um diese frühe Tageszeit, so blumig am Ende die Straße (und, ja, auch hier habe ich noch nie Blumen gekauft!).

Will schon weiter, weil verabredet, um zehn Uhr im neuen Kirchenpavillon der Kreuzkirche am Kaiserplatz. Entdecke jedoch zwei Häuser weiter im Schaufenster des Geschäfts KISS THE INUIT bizarre, tierähnliche Skulpturen - und ein großes Plakat: 21.3. - bis 30.4. Material World Georg Wittner "Wenn aus alten Dingen Neues entsteht, kann es Kunst sein. Oder Mode." Gott sei Dank hat der Laden noch geschlossen, hätte mich sonst in der Zeit verlaufen!
Weiter die Friedrichstraße entlang und links in die Wenzelgasse. Komme rechts an KULT vorbei, Schaufenster beklebt mit RÄUMUNGSVERKAUF WIR SCHLIESSEN APRICOT TOM TAYLOR ONLY -70%. Mein Gott, wie jung war ich, als in diesem Ladenlokal BLÖMER war. Und wiederum wie viele Jahre gibt es dort nun schon BUTLERS und KULT?

Wehmut mischt sich zwischen Blumen und Mailänderhörnchen. Bin auf dem Marktplatz angekommen. Obst und Gemüse zwischen den Schaufenstern von HUT WEBER und ALLERMANN. Diese Schaufenster aus einer anderen Zeit? ALLERMANN, weiße Lettern auf dunkelgrüner Markise, goldene Buchstaben auf Glas. Und plötzlich Traurigkeit. Erinnerung an einen lieben, verstorbenen Freund, mit dem ich hier viele Jahre den Rosenmontagszug geschaut habe. Bei KASTENHOLZ habe ich immerhin schon einen Nadeleinfädler gekauft, aber HUT WEBER und Herrenausstatter ALLERMANN? - Fehlanzeige. Können alle nicht von mir als Kundin leben! Plötzlich sehe ich mich im Schaufenster lächeln: Aber mein verstorbener Freund war Stammkunde bei ALLERMANN, das zählt auch. Hat schon geöffnet, neben der Eingangstür ein Pappkarton mit ausrangierten Kleiderbügeln zum Mitnehmen. Nehme mir drei.

Lasse das alte Rathaus links liegen, vorbei am klitzekleinen DESIGUAL-Laden, der immer im Schatten liegt, zu einem anderen Eckhaus: BEATE UHSE. Was haben das Hutgeschäft, der Herrenausstatter und der Erotikshop gemeinsam? Es gibt sie, solange ich in Bonn wohne (und ich wohne schon sehr lange in Bonn) und ich war in allen drei Läden noch nie Kundin. Fahre an DEITERS vorbei, immer noch daneben die Buchstaben BOUVIER. Dass BOUVIER geschlossen hat, liegt definitiv nicht an mir, habe dort viele Bücher gekauft, aus Papier.

Biege links ab Richtung Kaiserplatz. Auf der linken Seite das Schaufenster von J.M.H.WALTZINGER, Mode in Bonn. Kann mich noch gut daran erinnern, als WALZINGER in der Kaiserpassage war. Das war zu der Zeit, als Bonn noch Bundeshauptstadt war: Die Diplomatengattinnen kauften dort ein und draußen parkten die schwarzen Limousinen mit ihren 00-Kennzeichen im absoluten Halteverbot. Ich vermisse sie nicht!
Noch habe ich ein paar Minuten, bevor die Glocken mit ihrem 10-Uhr-Läuten beginnen - also Zeit für die Schaufenster von VOLLMAR & SÖHNE, Feine Waren seit 1861! Gediegenes Eckhaus in grau und schwarz Ecke Kaiserplatz/Am Neutor. SCHMUCK SILBER PORZELLAN prangt es in großen Lettern am Haus. In den Schaufenstern nur Feinstes von Fürstenberg, Christian Lacroix und KPM. Auch hier habe ich noch nie etwas gekauft. Aber das stundenlange vor den Schaufenstern Stehen und Bewundern muss auch in die Waagschale geworfen werden! Die Glocken der Kreuzkirche läuten, auf dem Kaiserplatz, in meiner Stadt, um zehn Uhr.

PS: Habe mir übrigens die Ausstellung von Georg Wittner angesehen - toll! Läuft noch bis zum 30. April im KISS THE INUIT. Nicht verpassen!
Habe überlegt, wo ich in Zukunft Geld lassen werde. Habe mich mittlerweile damit abgefunden, dass ich auch in Zukunft nicht bei HUT WEBER und Herrenausstatter ALLERMANN einkaufen werde. Habe dafür aber beschlossen, ich hatte es immer schon mal vor, damit man auch weiß, wovon man spricht: Also "Dschungel Camp" zum Beispiel, da hab' ich auch schon mal zehn Minuten reingeschaut, damit ich auf dem Laufenden bin und weiß, worüber sich die Welt erregt. Oder damals "Dallas" - keiner sah sich die Serie regelmäßig an, aber als in der Bonner Oper eine Persiflage auf "Dallas" aufgeführt wurde, gab es Standing Ovations. Hab' mich damals gefragt, wie ich eine Persiflage so bejubeln kann, wenn ich doch das Original nicht kenne. Also wie dem auch sei, diese Beate ist irgendwie Zeitgeschichte, also Geschichte, also Bildung im weiteren Sinne. Immerhin war sie eine der einflussreichsten deutschen Frauen, hat 1962 in Flensburg den ersten Sexshop der Welt eröffnet. Und es gibt über sie eine Fernseh-Biographie aus dem Jahr 2011 mit dem Titel "Beate Uhse - Das Recht auf Liebe". 

Und Blumen werde ich kaufen, viele Blumensträuße, viele Blumen, viele Sträuße, viele!

Mittwoch, 8. April 2015

Der perfekte Abi-Ball

"Der perfekte Abi-Ball" - so lautet die Überschrift eines Zeitungsartikels. Und in dem Artikel heißt es: Damit sich die Abiturienten neben der Erstellung von Gästelisten, der Auswahl von Musik und der Buchung der Location nicht auch noch Gedanken um die Finanzierung machen müssen, vergeben die IUBH School of Business and Management und die IUBH Duales Studium mit dem "Abi Event Award 2015" einen Zuschuss von insgesamt 3.500 Euro. Prämiert werden die kreativsten Veranstaltungskonzepte. 
Eine Jury aus Eventprofis sowie Medien - und Industrievertretern bewertet die Konzepte nach den Kriterien Kreativität, Markenbildung und Professionalität. "Eine sorgfältige Planung ist für eine einzigartige, unvergessliche Abschlussfeier unerlässlich", erklärt die Projektkoordinatorin des Abi Event Awards. "Bei der Organisation eines Abi-Balls gibt es viele Aufgaben: Die Schüler müssen ein Eventkonzept erstellen, ein Motto umsetzen, Sponsoren finden und sich um das Finanz - und Zeitmanagement sowie den Personalplan kümmern." Das Abi-Event-Handbuch der IUBH soll bei der Planung des Abi-Events einschließlich der Vorabi-Fete helfen.
Soweit der Artikel.

Ich habe 1978 in Mechernich Abitur gemacht. Der offizielle Teil fand wie heutzutage in der Schule statt. Ein Mitschüler unseres Jahrgangs war der Sohn eines Landwirts. Dort auf dem Hof haben wir an dem Samstag darauf in Jeans und T-Shirt gefeiert. In unserem Jahrgang war auch der Sohn des Direktors unserer Schule. Und so spielte der Sohn auf dem Anhänger eines Traktors auf dem Klavier, ja, begleitete seinen Vater auf dessen letzten Weg mit beschwingten Melodien, während er, der Vater, in Gestalt einer liebevoll hergestellten Strohpuppe zusammen mit dem einen oder anderen Schulbuch verbrannt wurde.
Das war unser Abi-Ball. Noch Jahrzehnte später sucht diese Feier ihresgleichen.   

Die Frage, die sich mir jetzt stellt: Wie haben wir eigentlich damals ohne das Abi-Event-Handbuch der IUBH School of Business and Management so ein einzigartiges Fest auf die Beine gestellt, einfach so?


Offensichtlich gibt es hier einen riesigen Markt, der noch zu erschließen ist. Und viele reißen sich um diesen Kuchen.