Apropos Kölnstraße. Wie oft bin ich in den vergangenen Monaten
an meinem Lieblingsdiscounter vorbeigefahren und habe mich gewundert, wie lange
die für dem Umbau brauchen. Jetzt weiß ich es: Bei den Bauarbeiten wurden
archäologische Funde aus der Römerzeit entdeckt und die Grabungsarbeiten haben
sechs Monate gedauert. Zur Eröffnung gab es eine Fotoausstellung der besten
Exponate mit dem Titel "Filiale auf historischem Grund", die dort
dauerhaft bleiben soll. Da bekommt das Landesmuseum direkt Konkurrenz. Zur Zeit
kann man ja dort die Ausstellung "Eiszeitjäger - Leben im Paradies"
besuchen. Aber dass ich jetzt quasi auch beim Einkauf kulturell unterwegs bin -
praktisch!
Was ich mir jetzt in diesem Zusammenhang vorstelle ... Wenn ich mir diese unzähligen Werkzeuge zum
Erhalt der Fitness anschaue, die das Werbeblättchen mir tapfer immer wieder
feilbietet, also da dürfte es in unsrem Lande kein Persönchen mit auch nur
einem Pfündchen zuviel auf den Rippen geben. Das ist hier wohl so wie so
häufig: Ganz wenige Menschen benutzen alle diese Fitnessgeräte gleichzeitig und
rund um die Uhr, und bei vielen kommen derartige Teile erst gar nicht ins Haus.
Und dann gibt's da noch die zahlenmäßig nicht zu unterschätzende Gruppe derer,
die alle Fitnessgeräte kaufen und glauben, dass allein das Besitzen selbiger
schon fit macht. Für mich persönlich ist das ja ein Warensortiment, bei dem ich
viel sparen kann, indem ich es gar nicht kaufe. Gut, auf der anderen Seite sage
ich ja immer, dass Bedürfnisse erst durch Werbung gemacht werden. Sag ich auch
immer noch - Ausnahme: Verkaufsartikel, die mit "Zieh es durch"
angepriesen werden oder Waren, die in einem Atemzug mit Bauchmuskeln und
Liegestütze genannt werden. Was sich recht positiv auf die Geldbörse auswirkt,
weil dann automatisch bei mir auch kein Bedarf an einer Bodenmatte für
Fitnessgeräte besteht.
Trotzdem, auch diese Seiten des Werbeblättchens gilt es
genau zu studieren: Zum einen wegen der ungemein gut gebauten und
durchtrainierten Körper, zum anderen für mich höchst interessant, was es immer
wieder an neuem Gerät auf dem Fitnessmarkt gibt. Gut, der Bauchmuskeltrainer
ist mir mittlerweile geläufig. Wobei ich bei dem eher - läge da nicht ein ausgewachsener
Mann drunter und gäbe es nicht die Produktbeschreibung - an eine
Aufhängevorrichtung für ein Mobile zur Bespaßung eines Säuglings denken würde. Auch
Crosstrainer kenne ich, und Power-Fitnessband sowieso. Bei einem "Multifunktions-Türeck
aus stabilem Stahlrohrgestänge und Handgriffen mit Schaumstoffummantelung",
das sich offensichtlich für Klimmzüge recht gut eignet, dächte ich, läge es
einfach so vor mir, an einen Dachgepäckträger.
Was ich persönlich so noch nicht gesehen habe, ist eine
Kugelhantel. Und dazu die Produktbeschreibung, einfach unübertroffen: "Geben
Sie sich die Kugel. Kettlebell-Training für Ihr perfektes Kraft - und
Ganzkörpertraining, optimales Trainingstool für Ihr Home-Workout". Gut,
für mich jetzt uninteressant, weil in der Produktbeschreibung das böse Wort
Power einfach viel zu oft vorkommt. Aber wem's Spaß macht: Für schlappe 5,99
Euro eine Kettlebell mit komfortablem Haltegriff, Gummifüßen zum sicheren
Abstellen (das Gerät, nicht den Menschen) und ein Trainingsvideo - da kann man
wirklich nicht maulen.
Noch mehr fasziniert hat mich allerdings der Sling Trainer.
Für mich persönlich ist der jetzt überhaupt nicht geeignet, weil er speziell
die tiefer liegende Bauchmuskulatur trainiert - ich habe da nämlich gar keine.
Auf der Abbildung sieht man eine Frau, die Liegestütz macht, während ihre Füße
in zwei Schlaufen hängen, die ihrerseits an der Tür befestigt sind. Also diese
Seite im Werbeprospekt könnte mir mein Lieblingsdiscounter jede Woche persönlich
vorbeibringen - in tausend Jahren erwächst da kein Bedürfnis von meiner Seite!
Apropos in tausend Jahren. Was ich mir jetzt vorstelle: Also
die Archäologen, wenn die in zehntausend Jahren auf dem Gelände an der
Kölnstraße, wo jetzt mein Lieblingsdiscounter wieder eröffnet hat, also wenn
die dort bei Bauarbeiten auf Überreste von solchen Fitness-Tools stoßen - ohne
Produktanleitung! Werden die nicht vor ein Rätsel gestellt, was die Menschen
damals mit diesen Artefakten angestellt haben?
Aber noch mehr hätte mich die Meinung der Eiszeitjäger
interessiert. Also wenn die Überreste von einem Hometrainer fänden, rein
hypothetisch. Wie lange bräuchten die um herauszufinden, dass sich da Menschen
drauf müde strampeln, ohne auch nur einen Zentimeter vorwärts zu kommen? Da
kämen die doch nie drauf!
Oder so eine Kettlebell (ich liebe dieses Wort). Die
Kettlebells der Eiszeitjäger waren die Keule und der Pfeil. Die brauchten ihre
"Tools" aber zum nackten Überleben. Die Eiszeitjäger hatten Bauchmuskulatur,
das wussten die nur nicht. Und angenommen - wieder rein hypothetisch, weil die
ja vor uns gelebt haben ("Science Fiction" in die andere Richtung
quasi) - also angenommen, es würde sogar ein Werbeprospekt gefunden. Wie
sollten sich die Eiszeitjäger erklären, warum die Frau ihre Füße in zwei
Schlaufen hängt, die wiederum an einer Tür hängen, und sich dann vom Boden
abstemmt? Es ist wirklich so was von hypothetisch zu überlegen, was die
Menschen vor zehntausend Jahren beim Anblick dieser Fotos in meinem Werbeblättchen
gesagt hätten. Denn wie, bitteschön, sollten sie sich das Wort "Freizeit"
erklären?
Apropos erklären. Ins Auge ist mir dieser Tage die Anzeige
von PMPG gesprungen: Ein Mann, athletisch gebaut, Oberkörper tätowiert, wirft
mir einen Handkuss zu. Darunter in großen Lettern "Wir haben noch Stellen
frei." Die PMPG sucht Bilanzbuchhalter und Steuerfachwirte. Gute Anzeige,
denke ich, weil größer könnte der Kontrast nicht sein. Erst auf den zweiten
Blick verstehe ich den Witz: Im Gegensatz zu dem ganzkörper-tätowierten Mann,
der keine einzige freie Körperstelle mehr für ein neues Tattoo hat, hat
besagtes Unternehmen noch Stellen frei.
Auch da frage ich mich, was dieses Foto in hunderten von
Jahren über uns aussagt. Warum die Menschen unserer Zeit angefangen haben, sich
flächendeckend zu tätowieren. Vielleicht wird es Forscherteams geben, die sich
mit der Frage beschäftigen, in wie weit die Größe des Tattoos in unmittelbarem
Zusammenhang mit dem IQ steht.
Wo ich gerade bei Anzeigen in meinem "Schaufenster"
bin. Ich hoffe zutiefst, dass die Anzeige vom Media Markt in der Geschichte der
Menschheit nie mehr auftaucht. Da ging es um Folgendes: Bei der "Bang
YurHead"-Challenge versprach ein Hersteller, dass seine neuen Kopfhörer
dank ihres neuen Designs perfekt sitzen und auch dem wildesten Kopfschütteln
widerstehen. Wer es schaffe, die Kopfhörer innerhalb von zehn Sekunden durch Kopfschütteln
von den Ohren zu befördern, der dürfe ein brandneues Paar davon gleich mit nach
Hause nehmen.
Ganz davon abgesehen, dass ich ja dann ein Produkt bekomme,
was den Versprechungen nicht standhält - was würden die Eiszeitjäger dazu
sagen?