Mittwoch, 30. September 2020

Brauchen wir die eigentlich noch, die 30er Schilder?

 

Diese Sprüche wie "60 ist das neue 50 oder 40 oder - ne, klar! - 30". Hallo, ich sag dazu nur Folgendes. Es gibt Handcreme mit 5% Urea ( also Pipi!) für sehr trockene Haut und es gibt Fußcreme mit 10% Urea. Und wenn du dir aus Versehen die Fußcreme auf die Hände schmierst, du das aber gar nicht mitbekommst, weil die so was von schnell einzieht - dann bist du alt. Also ich. Stellt sich mir jetzt nur die Frage, was nehme ich in Zukunft für die Füße? Ich tippe da mal auf Schrundencreme.

Ich komm deshalb drauf, weil, ich hatte ja gesagt, dass ich ins Stadthaus komme. Und da hatte ich im Vorfeld schon mal meine Hände sorgsam gepflegt. Nicht dass es nachher an mir gelegen hat. Und wo wir gerade bei der Körperkultur sind. Neulich hörte ich von Menschen, die auf ihre Weise versuchen, den Wegfall vieler kultureller Veranstaltungen mit umso mehr Körperkultur auszugleichen: Wenn die nach Hause kommen, waschen sie sich die Hände (klar!), schmeißen sämtliche Klamotten in die Waschmaschine und duschen. Würde mich nicht wundern, wenn die auch Mäntel und Blazer bei 60 Grad waschen. Und es würde mich nicht wundern, wenn ich demnächst in Kleidungsstücken Etiketten finde mit den Lettern "Nein, dieses Teil darfst du Vollpfosten nicht auf 60 Grad waschen!"

Ein wenig zurecht gemacht fürs Stadthaus hatte ich mich natürlich schon. Das dauert auch immer länger. Weil, das muss ich schon sagen, das ist ja ganz anders gekommen, als ich gedacht hatte. Ich hatte ja gedacht, dass die Nachfrage nach Make-up drastisch zurückgehen würde, weil die Maske eh fast das ganze Gesicht verdeckt. Was ich mir trotz Maske aber nicht nehmen lasse, ist der Lippenstift, falls ich die Maske denn doch mal abnehme. Meist ist der dann aber so was von verschmiert, dass ich aussehe wie ein Clown. Was ich aber eigentlich sagen wollte, ich brauche mittlerweile mehr Make-up als vor Corona, und zwar in jeglicher Form. Ob als Kompaktpuder oder Cover Stick, Hauptsache mit perfekter Deckkraft! Und zwar für die Unterarme und Ellenbogen. Da habe ich vom Einkaufswagen-Schubsen, vom Ampel-Drücken und Türklinken-Öffnen so unglaublich viele blaue Flecken, dass mein Traummann echt in Verdacht geraten könnte.

 Ich habe auch versucht, wo ich schon mal näher an denen da oben dran war, an den Entscheidungsträgern, habe ich mal versucht herauszubekommen, wie es eigentlich zur Zeit um die Schulpflicht in Deutschland bestellt ist. Ich komm deshalb drauf, weil, neulich kam ich ins Gespräch mit einer Mutter, die mir erzählte, dass sie ihr Kind aktuell nicht in die Schule schicke. Und wie ich dann so bin, so blöd, habe ich gefragt, warum. Hätte ich besser gelassen. Weil, ich wusste gar nicht, wie mir geschieht. Ich bekam den Mund gar nicht mehr zu. Sie meinte nämlich, demnächst stünde bei ihnen ein Familienfest an und da wolle sie kein Risiko eingehen, dass ihr Kind durch die Schule das Corona-Virus in die Familie trägt.

Das zieht ja noch größere Kreise. Ein Kind geht nicht in die Schule, weil der alte Opa zu Besuch ist oder die Oma bald kommt. Wenn ich davon ausgehe, dass fast alle Schüler eine Oma oder einen Opa haben, was machen wir dann eigentlich mit den vielen 30er Schildern vor, hinter und neben den Schulen? Wenn immer weniger Kinder, eigentlich keine, aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr in die Schulen gehen, stehen die ja leer. Da braucht's die Schilder doch wirklich nicht mehr. Werden die dann abmontiert und womöglich für neue 30iger-Zonen benutzt - womöglich auf Autobahnen, nachts?

Ich war so was von aufgeregt am Wahlsonntag. Ich war stellvertretende Briefwahlvorsteherin. Eine der schwierigsten Aufgaben für mich: zu meinem Einsatzplatz, Etage 8 A, Säulen 1 + 2 zu gelangen. Das Konzept mit den zwei Aufzugsgruppen hat mich schon zu Beginn vollkommen überfordert. Ja, und was soll ich sagen? Es gab wirklich viel zu tun, und das bitteschön alles mit größter Genauigkeit und vollster Konzentration: die Wahlurne verschlossen, in aller Beisein geöffnet, die Wahlbriefe entnommen, Selbige zugelassen, wenn sie die Kriterien erfüllten, die Briefwählenden gezählt, Stimmzettelumschläge geöffnet, Stimmzettel sortiert, Stimmen ausgezählt. Es wurden Häufchen gebildet, 5er, 10er, 20er-Häufchen, es wurde gestapelt, noch einmal gezählt, zusammengerechnet, gegengerechnet, subtrahiert, kontrolliert. Es wurden Beschlüsse, selbstredend einheitlich, gefasst und dokumentiert. Es wurde überhaupt alles dokumentiert. Es wurde das Gesamtergebnis ermittelt und geprüft, die Schnellmeldung abgegeben und die Briefwahlniederschrift vervollständigt. Und, ja, meine Hände waren nicht zu rau, das Zählen ging zügig von der Hand, sie haben sich tapfer geschlagen, die Hände.

Und wo ich gerade beim Schlagen bin, ich habe eine ganz neue Seite an mir entdeckt - eine zutiefst martialische. Ich weiß nicht, ob ich mir da Sorgen machen muss. Weil, ich hatte so was von Spaß, und das doch immerhin bei einer zerstörerischen Tätigkeit. Ich hatte vorher noch nie, da sieht man mal, jetzt bin ich schon so alt und entdecke immer noch eine neue Facette an mir. Ich hatte vorher noch nie so einen langen Brieföffner aus Metall in der Hand gehalten. Mit so einer langen, ja ich möchte fast sagen, Klinge, einen Brief nach dem anderen aufzuschlitzen - eine ganz neue Erfahrung für mich. Und wenn man sich jetzt vorstellt, dass wir erst alle Briefe aufgeschlitzt und gestapelt haben, bevor wir uns mit deren Inhalt befasst haben. dann hat man vielleicht eine Ahnung, in was für einen Rausch ich da beim Aufschlitzen gekommen bin!

Ich habe übrigens null Zeit gefunden, die Fenja und den Jürgen zu fragen, was genau damals mit der Skulptur "Mother Earth" gelaufen ist.

Mittwoch, 9. September 2020

Ich ziehe ins Rathaus ein!

Neulich sah ich in der Innenstadt einen kleinen Jungen auf einem kleinen Roller mit seinen Eltern. Auf dem kleinen Köpfchen ein großer, schwerer, massiver Helm. Spontan in meinem Kopf: Ist der Helm gegen Corona? Und - ich habe bei meinem Lieblingsdiscounter als Sonderposten Toilettenpapier mit Blümchenmuster gesehen. Spontan in meinem Kopf: Es ist alles wieder in Ordnung.

Nein, Spaß beiseite, ich erwähnte ja schon, dass dieses Virus sämtliche Facetten einer Persönlichkeitsstruktur ans Tageslicht bringt. Mein Traummann und ich waren ja in diesem Corona-Sommer mit dem Rädchen in Tschechien und Polen unterwegs. Wir sind ohne Corona über die Grenzen und mit noch weniger von Selbigem zurückgekommen. Ich wüsste auch beim besten Willen nicht, wie wir es hätten uns einfangen können. Zuerst sind wir von Prag bis Dresden entlang der Moldau und  Elbe geradelt und dann eine Woche in Polen in Krakau und Breslau entlang der Oder und Weichsel. Jeden Tag ein neues Hotel mit Frühstück - schon in Zeiten ohne Corona immer wieder ein neues Abenteuer. In Zeiten von Corona um so mehr! Was sich das Personal für Mühe gibt, gemäß der Hygieneregeln alles richtig zu machen, damit der "Laden" nicht wieder geschlossen wird! Nur eine Stilblüte: Im Hotel "Lwowska 1" in Krakau hatten die eigens für mich eine Person abgestellt, die mir an dem unglaublich leckeren Büffet folgte und mir meine Wünsche auf meinen Teller legte - natürlich mit Handschuhen und Maske!

Und auf der anderen Seite erfahre ich justamente zur selben Zeit in den Nachrichten, dass auf Mallorca am Ballermann wieder richtig zünftig gefeiert wird - drinnen! Wie verlogen ist das denn! Seit Jahren höre ich ständig, dass Mallorca die Schnauze voll hat vom Ballermann-Touristen und grundlegend eine Kehrtwende einleiten möchte. Hallo, wäre das nicht die Chance gewesen, das Virus? Von wegen, da hängen doch Arbeitsplätze dran. Das war doch klar, dass es nicht ohne Einbußen geht! Und in den Nachrichten erklärt eine österreichische Verantwortungsträgerin, man könne natürlich nicht nachvollziehen, welche schon abgereisten deutschen Touristen sich jetzt in einem bestimmten Hotel angesteckt hätten. Hallo, gerade die Hotels haben doch meine Adresse!

Apropos Hotels. Also ich kann mich ja auf vieles einstellen: zu weiche Matratze, oder vielmehr nur eine Matratze für mich und meinen Traummann, funzelige Nachttischlampe, ein fest montierter, nicht abnehmbarer Duschkopf mit null Wasserdruck - kann ich mit leben. Was mich aber total kirre macht, wo ich nicht weiß, wohin mit mir, sind Kleiderbügel, die fest im Schrank installiert sind.

Wo ich gerade bei Kleidern bin - ich ziehe ja demnächst ins Stadthaus um. Und wenn ich da sowieso schon mal bin, will ich nochmal den Jürgen und die Fenja fragen. Weil, da hieß es neulich in meinem SCHAUFENSTER unter den Lettern "Zum 75-jährigen Bestehen der UN wurde die 4,20 Meter hohe Stahlskulptur 'Mother Earth' enthüllt": Das Kunstwerk, ein Geschenk des Künstlers und Umweltaktivisten Barton Rubenstein, sollte bereits 2017 in Bonn installiert werden. Anlässlich der Enthüllung meinte der Jürgen Repschläger (Bündnis LINKE und Mitglied des Kulturausschusses des Rates der Stadt Bonn), das Kunstwerk in Form eines menschlichen Profils, das aufgrund seines jetzigen Standortes auf der Sonnenseite Bonns stehe, richte den Blick auf den UN Campus. Eigentlich habe der Künstler 2017 gewollt, dass sein Werk als Schenkung am Platz der Vereinten Nationen aufgestellt wird. Die Stadt Bonn habe aber damals seine Schenkung nicht haben wollen. Leider. Auch die Frau SPD Stadträtin Fenja Wittneven-Welter sprach von einem Versäumnis der Stadt und von einer großartigen Bereicherung für die Kunst im öffentlichen Raum. Es sei gut, dass Jörg Haas das Kunstwerk erworben und auf seinem Grundstück vor der "Rohmühle" aufgestellt habe. Auf Anfrage habe das Presseamt der Stadt Bonn geantwortet: Im Jahr 2017 hat sich die Kunstkommission des Rates der Stadt Bonn mit der Skulptur "Mother Earth" befasst. Der Künstler hatte 2017 konkret eine Aufstellung am Platz der Vereinten Nationen vorgeschlagen. Die Kommission hatte sich mit Blick auf die im Umfeld bereits vorhandenen, hochkarätigen Kunstwerke und auch aus künstlerischen Gründen gegen eine Aufstellung ausgesprochen.

Ich muss da mal im Stadthaus genau nachfragen. Dann sollen die mir auch mal erklären, was es mit dem Hare-Niemeyer-Verfahren auf sich hat. Darauf verwies nämlich das Presseamt der Stadt Bonn in dem Artikel. So wie ich das verstanden habe, ging es mal wieder nur darum, wer wem den Schwarzen Peter zuschieben kann. Dass diejenigen, die sich heute im Jahr 2020 über die Entscheidung vom Jahr 2017 beschweren, genau die sind, die damals genau diese Entscheidung gefällt haben. Und ich weiß immer noch nicht, wer genau, also mit Namen, das damals verbaselt hat. Dann waren ja der Jürgen und die Fenja damals auch mit von der Partie.

Weil ich gerade beim Stadthaus und der Stadt Bonn bin. Hallo, da hätte die Stadt ja mal locker 500.000 Euro sparen können. Genau so viel hat nämlich das neue Übungshaus für  die Feuerwehr gekostet. Und ob der immensen Ersparnis hätte sie dann die 30 Km/h-Blitze auf der Josefshöhe entfernen können. In einem anderen Artikel berichtete mein SCHAUFENSTER nämlich über die Fertigstellung eines Übungshauses für die Berufs- und Freiwillige Feuerwehr. Es wurde so geplant, dass dort möglichst viele unterschiedliche Einsatzszenarien bei der Brandbekämpfung simuliert werden können. Die schlichte Bauweise (ohne Innenputz, Estrich und Heizung) wurde bewusst gewählt, damit bei Einsatzübungen nichts beschädigt werden kann, das im Anschluss neu beschafft oder installiert werden muss. So sei es zudem möglich, die Schläuche, wie im realen Einsatz auch, mit Wasser zu füllen und verschiedene Löschtechniken zu üben. Dies sei bei vielen privaten Übungsprojekten aufgrund möglicher Wasserschäden nicht durchführbar (stimmt, sag ich da nur!).  Und ich sag nur, einfach das hässliche Stadthaus räumen und als Übungshaus verwenden! Da kann man wenigstens begründen, warum es so aussieht wie es aussieht. Und wie es da so war, im Stadthaus (ich meinte natürlich Stadthaus und nicht Rathaus), erzähle ich nächstes Mal.

Mittwoch, 19. August 2020

Eins für alle oder jeder eins?

Bei mir im Klassenraum macht sich ein Schülerhandy bemerkbar. Und es entspinnt sich folgender Dialog: "Fritz (nennen wir ihn Fritz), Fritz, mach dein Handy aus." Fritz pusselt am Handy: "Hab ich." Einige Sekunden später meldet sich sein Handy wieder. "Du solltest doch das Handy ausmachen." "Hab ich doch." "Kann nicht sein, ich höre es." "Ich habs aber auf lautlos gestellt." "Ich höre es aber." Fritz pusselt an seinem Handy herum. Sekunden später meldet sich das Handy wieder. "Fritz, dein Handy klingelt!" "Ich habs aber wirklich auf lautlos gestellt." "Fritz, dein Handy klingelt." "Ich habs aber auf lautlos gestellt." "Fritz, du schaltest dein Handy jetzt aus." "Hab ich doch, auf lautlos." (Fritz' Handy klingelt immer weiter.) "Du machst jetzt sofort dein Handy AUS!" "Hab ich doch." "Nein, hast du NICHT. Du behauptest, du hättest das Handy auf lautlos gestellt. Hast du aber nicht. Deshalb machst du es jetzt ganz aus." "Versteh ich nicht, lautlos ist doch aus." "NEIN, AUS IST OFF!" Dann ist die Stunde vorbei.  

Und kürzlich habe ich mich mit einer Bekannten verabredet. Weil die aber noch nicht genau wusste, wann sie aus dem Büro kommt, habe ich das Handy angelassen. Als sie anruft, geht mein Traummann ran und reicht dann weiter an mich. Am anderen Ende die Stimme meiner Bekannten: "Warum, bitteschön, geht dein Mann an dein Handy?" Darauf ich: "Wir haben zu zweit nur eins." Darauf  betretenes Schweigen am anderen Ende. Da wurde mir schlagartig klar: Mein Mann und ich sind die einzigen Menschen auf diesem Planeten, die sich ein Handy teilen.

Ich komm deshalb drauf, weil letzte Woche meine Tochter zu mir sagte, dass man sein Handy nie ausschaltet. Und klar, wo ich jetzt sechzig geworden bin, hab ich natürlich die nackte Panik, dass sich bei mir der Altersstarrsinn breit macht. Logisch, dass ich da jetzt nachgegeben habe. Ich vergaß zu erwähnen, die Diskussion kam nur auf, weil ich ihr abgelegtes Handy geerbt habe. Ja, und was soll ich sagen, mein Traummann und ich waren in der Stadt - mit dem Handy und in Geschäften, die es noch gab. Auch nicht selbstverständlich! Wie oft ich schon in die Stadt gefahren bin, auf dem "Stadtzettel" die ein oder andere Besorgung, und stehe dann vor einem neuen Fresstempel oder vor abgeklebten Schaufenstern, hinter denen gerade ein neuer Fresstempel eingerichtet wird.

Also mein Traummann und ich waren bei Deichmann, das Smartphone eingeschaltet in der Tasche. Und als wir uns einige Minuten später auf dem Marktplatz auf der Gebäudekante vom Görtz-Schuhladen so richtig gemütlich eingerichtet haben und eine Fischfrikadelle verkasematuckeln, macht's plötzlich Pling. Ich hol das Handy raus und schau aufs Display. Da fragt mich doch tatsächlich der Herr Google, wie es mir bei Deichmann gefallen hat! Hallo, geht’s noch? Es gab dann Aufklärungsgespräche mit meinem Betreuungspersonal, also mit meinem Traummann und meinen Töchtern. Das sei nun auch kein Weltuntergang, man könne nicht bei jeder Kleinigkeit alles grundsätzlich in Frage stellen. Überhaupt sei alles nur eine Frage der Einstellung - der Grundeinstellung am Smartphone, und die könne man ja so ändern, dass der Herr Google über meinen Aufenthalt im Dunkeln tappe. Langer Rede, kurzer Sinn: Ich trau dem Braten nicht. Ich schalte mein Handy lieber wieder aus.     

Apropos Grundeinstellung. Meine ist ja nach wie vor die: Wenn ich draußen bin, also weg, bin ich weg. Was ja auch kein Wunder ist, wenn man bedenkt … Zeitreise, vor fast 50 Jahren: Eine Doppelhaushälfte in der Eifel, genauer gesagt, in Vussem, im Rosenweg. In der anderen Hälfte wohnt der Pastor mit seiner Haushälterin. Ich erinnere mich, dass meine Mutter sagte, ich solle mir beim Sonnen auf der Terrasse ein Bikinioberteil anziehen, ich wisse ja, wer neben uns wohnt. Damals habe ich schon als Teenager gedacht, soll der doch nicht rausgucken.

Was ich aber eigentlich sagen will, als ich im jugendlichen Alter war, also in der Pubertät, hing bei uns zuhause das Telefon an der Wand, fest (daher das Wort Festnetz!), im Wohnzimmer, an der Schnur! Es erübrigt sich, Gründe zu nennen, warum ich mit diesem Telefon gefühlt nie kommuniziert habe - während mein Vater vor dem Fernseher saß. Wie lange ist das her, als mehrere Menschen sich einen Festnetzanschluss teilten? Während heute jeder Mensch ein eigenes Handy hat. Wobei, ich höre ja immer mal wieder in den Medien, dass es auf dem Land (also in der Eifel?)  Probleme mit dem Digitalen gibt. Ich stelle mir jetzt vor, dass ich immer noch in dem Haus wohne, der Festnetzanschluss im Wohnzimmer. Um mich herum die Nachbarn haben alle nur noch Handys und keinen Festnetzanschluss - und immer wieder keinen Empfang - auf dem Land, in der Eifel, im Tal, am Hang. Und dann stehen die alle bei mir Schlange, um zu telefonieren.

Apropos Smartphone. Neulich las es sich in meinem SCHAUFENSTER folgendermaßen: Welche Vorteile hat ein Smartphone? Die BEA lade zu dem Vortrag "Smartphone" ein, um alles Wissenswerte über sinnvolle Einsatzmöglichkeiten von modernen Steuerungssystemen im Haus zu erfahren. Aus welchen Gründen sollte man sich heute damit auseinandersetzen, die Wohnung oder das Haus - hallo, Konzentration beim Lesen! - als Smart Home zu gestalten oder zumindest "Smart Home-ready" zu machen? Welche Vorteile bringt die neue Technologie? Wie kann man konkret Wohn- und Lebensqualität, Sicherheit und effiziente Energienutzung verbessern? Was passiert mit meinen Daten? Im Anschluss an den Vortrag haben die Zuhörer ausführlich Gelegenheit, eigene Fragen zu stellen (welche auch sonst, wenn nicht die eigenen Fragen?) Dazu gab es die Abbildung eines Hauses im Querschnitt und um das Haus herum Piktogramme. Man sah eine Waschmaschine, einen Computer, eine Heizung und ein Garagentor. Gut, ich hätte da jetzt hingehen und Fragen stellen können. Da wäre dann aber außer mir keiner mehr zu Wort gekommen. Weil, wenn ich im Urlaub bin, warum sollte ich gerade dann Wäsche waschen oder das Garagentor öffnen?

Mittwoch, 22. Juli 2020

Die zwei großen B's - Beethoven und Brüste


Was ist eigentlich aus der Beethovenhalle geworden? Wie ist da der aktuelle Stand? Ich komm deshalb drauf, weil, neulich fahr ich mit dem Rad am Rhein entlang und da springen mich doch die Lettern "Baywatch" an.
Und da fiel mir in dem Zusammenhang das Starmodel Chrissy Teigen ein, über das ich in der Bunten gelesen hatte: Sie habe sich im Alter von 20 Jahren die Oberweite vergrößern lassen. Heute bereue sie diesen Eingriff und wolle sich nun ihre Brüste verkleinern lassen. Dazu wurde eine Expertin befragt, warum Brustverkleinerungen derzeit im Trend seien. Ihre Antwort: "Ein kleinerer Busen ist ein neues Schönheitsideal. Die Brust muss nicht mehr so riesig sein. Viele Frauen leiden unter großen Brüsten und dem Gewicht. Der Trend geht weg von der großen Brust." Frage: "Von wie vielen Fällen sprechen wir?" Antwort: "In den letzten fünf Jahren gab es eine Zunahme von 20% an Brustverkleinerungen. Inzwischen gibt es 1,5 Millionen Eingriffe pro Jahr. Fast so viele wie im Falle einer Brustvergrößerung." Frage: "Welche Vor- und Nachteile hat die Operation?" Antwort: "Die Vorteile bestehen darin, dass die Brust besser aussieht (!!), alle Sportarten wieder möglich sind und das Brustkrebsrisiko reduziert wird. Die Nachteile liegen in der Narbenbildung." Was soll ich fragen? Sind die Frauen, die sich jetzt die Brüste verkleinern lassen, dieselben, die sie sich vor Jahren haben vergrößern lassen? Und, was soll ich zu mir sagen? Alles richtig gemacht! Einfach nichts gemacht!

Wie komm ich jetzt drauf? Ach ja, weil ich auf der Höhe der Beethovenhalle an dem Wort "Baywatch" vorbeigefahren bin. Irgendwie hat Corona ja auch was für sich. Wir würden uns sonst über unser marodes Opernhaus ärgern, darüber, dass die Beethovenhalle nicht in die Pötte kommt, darüber, dass die Stadthalle droht einzustürzen. Es würde eh nichts stattfinden!
Wo ich gerade dabei bin , beim Nicht-Stattfinden. Der ESC fand ja wegen Corona auch  nicht statt. Was muss das für die Barbara Schöneberger ein Wechselbad der Gefühle gewesen sein! Jahrelang hat sie den deutschen Vorentscheid moderiert. Den gab's dieses Jahr gar nicht, was aber nichts mit Corona zu tun hatte. Dann stand sie früher immer am Abend des ESC in Hamburg bis tief in die Nacht auf der Open Air Bühne -  und das meist im Regen. Und dieses Jahr hatte sie einen ganzen Samstagabend die Elbphilharmonie für sich - allein! Wahnsinn!

Apropos Wahnsinn. Was ja auch das wirklich Interessante an dem Virus ist: Wenn ein Mensch ohnehin schon Tendenzen zum Abseitigen hatte, Corona bringt's jetzt in seiner ganzen Gänze zum Vorschein. Als Beispiel: eine Warteschlange vor einem Gemüsestand, alle mit Masken, alle mit viel, viel Abstand, drum herum viel frische Luft - so wie es sich gehört. Ich stelle mich an, ans Ende. Und im selben Moment, wie von der Tarantel gestochen, zuckt der bis zuletzt Letzte  so zusammen, als ob ich ihm auf den Rücken gesprungen wäre und nun an ihm klebe wie ein Frosch. Offenbar meinte der Bedenkenträger, hinter ihm sei nicht auf ausreichend genügend Abstand geachtet worden. Was definitiv nicht stimmte. Für meine Begriffe kein Einzelfall. Und weil ich das nun recht häufig beobachtet hatte, habe ich mich mal kundig gemacht. Nicht dass ich da etwas nicht mitbekommen habe! Ich habe dann mal im Internet kurz quer gelesen:

Abstand - kein Muss mehr (?). Nun gibt es einen neuen Plan. Mit einer Lockerung der geplanten Regel für einen Mindestabstand will Wirtschaftsminister Peter Altmaier (??) im Streit vorankommen. Das Ministerium des CDU-Politikers hat einen neuen Vorschlag erarbeitet. Die Bundesländer sollen demnach selbst entscheiden, wie viel Abstand bei ihnen eingehalten werden muss. Bisher sollten die 1000 Meter grundsätzlich bundesweit gelten (kein Wunder, dass ich das Verhalten vieler Menschen nicht verstehe, wenn sie sich so was von aufregen, weil ich ihnen zu weit auf die Pelle gerückt bin. 1000 Meter!!!). Länder und Kommunen, die das nicht wollen, hätten dann beschließen müssen, diese Regel nicht anzuwenden. Studien warnen vor den negativen Folgen der Abstandsregel. Diese ursprünglich geplante Regelung, genannt Opt-out, hätte aus Sicht von Kritikern in den Ländern und Gemeinden dazu führen können, dass bereits gefundene Kompromisse neu verhandelt werden müssten. Nun könnte eine sogenannte Opt-in-Regelung kommen: Wer 1000 Meter Abstand will, muss sich dann aktiv dafür entscheiden. Eine Sprecherin sagte: "Daher haben wir einen Vorschlag vorgelegt: Die 1000 Meter Abstandsregelung gilt und bildet den Grundsatz, aber die Länder können abweichen und die Auslegung bestimmen." Das gebe Ländern und Kommunen den nötigen Planungsspielraum, um Flächen für den Windausbau zu sichern und gleichzeitig die Akzeptanz vor Ort für die Windräder zu sichern.

Das kommt vom Querlesen. Wenn man es nicht kann, soll man es lassen! Ich war so auf die Worte Abstand und Meter fixiert. Und wo ich gerade dabei bin, ich bin neulich wieder  unterhalb der Beethovenhalle mit dem Rad gefahren und - klar - einfach wieder falsch gelesen. Es heißt dort natürlich BauWatch und nicht Baywatch! BauWatch Baustellenüberwachung: "BauWatch schützt Ihre Baustelle effektiv und nachhaltig vor Diebstahl & Vandalismus!" Ich mein, das macht ja auch durchaus Sinn, so lange wie da die Baustelle schon im Gange ist. Und justamente stand doch ganz aktuell in meinem SCHAUFENSTER unter den Lettern "Die neue alte Halle ist im Werden": Sie sei sicherlich Bonns anspruchsvollste Baustelle. Das Chaos vergangener Tage, Monate und Jahre sei nunmehr einer professionellen Ordnung gewichen. Man glaubt den Handwerkern, wenn sie sagen, sie wissen, was sie tun (!). Die Frage nach den Schuldigen für das Baudesaster bleibt unbeantwortet. Lutz Leide ist seit dem 1. November 2019 im Amt. Er ist nicht da für Vergangenheitsbewältigung. Er ist da, um eine Mehrzweckhalle fertigzustellen. Die groben Fehler der Vergangenheit sind offenbar überstanden. Es gibt eine seriöse Planung, Es gibt seriöse Projektpläne. Und man baut nicht einfach drauf los, was in der Vergangenheit nach Meinung der heute Verantwortlichen der Kardinalfehler gewesen ist.

Als ich den Artikel gelesen hatte, fielen mir spontan alle Zahnärzte ein, die ich im Laufe meines Lebens bedingt durch Umzüge durchlaufen habe. Nie, wirklich nie, hat einer gesagt, dass sein Vorgänger ein ordentliches Gebiss hinterlassen hatte. Der vorherige Zahnarzt war immer schlecht, kein guter, aber jetzt war ich Gott sei Dank in besten Händen!

Mittwoch, 24. Juni 2020

Wenn wir dann später zurückblicken … (Fortsetzung)

Wenn wir dann später zurückblicken auf Corona, werden wir uns lachend in den Armen liegen und sagen: "Das waren vielleicht verrückte zwölf Jahre!"

Und genau so ist es heute im Sommer 2032! Auch der teilweise Shutdown im Jahr Eins von Corona hatte ja durchaus viel Positives. Ich hätte es damals nicht vermutet, wenn ich nicht in meinem SCHAUFENSTER ein Interview mit dem damaligen Polizeipräsidenten Frank Hoever gelesen hätte. Er meinte, dass es während des Shutdowns weniger Wohnungseinbrüche gegeben habe. Die Fallzahlen seien um rund 40 Prozent gesunken: "Die Menschen haben sich mehr als sonst zu Hause aufgehalten und damit das Entdeckerrisiko für potentielle Einbrecher deutlich erhöht." Wäre ich nie drauf gekommen, dass das der Grund war. Was aber auch ein Grund gewesen sein könnte, warum die Einbrecher sich gar nicht mehr körperlich angestrengt haben.

Weil, hatte es doch an anderer Stelle in meinem SCHAUFENSTER unter den Lettern "Kleiderspenden mit Augenmaß" geheißen: Mehr Zeit, sich in der Corona-Krise den eigenen Kleiderschrank vorzunehmen, sorgt für derzeit volle Kleidercontainer. So voll, dass die Menschen gebeten werden, die aussortierten Hosen, Hemden, Blusen und Schuhe mit Augenmaß abzugeben. Nikolas Derwahl, Kreisgeschäftsführer der Bonner Malteser, sagt: "Bitte stellen Sie keine Säcke neben den Kleidercontainer, wenn er voll ist." So, jetzt war in vielen Haushalten der Kleiderschrank leer, aber wohin mit den Säcken? Und weil der Kleiderschrank ausgemistet war, wurde wieder online geshoppt. Und jetzt gaben sich die Paketboten die Klinke in die Hand. Und natürlich gefiel dir vieles nicht oder passte nicht oder beides. Und dann hatte es ja zunehmend immer mehr Fälle gegeben, wo ganze LKW-Ladungen von Retouren einfach in die Walachei gekippt worden waren. Da lag es doch auf der Hand, alles einfach vor die Haustür zu stellen und so dem Einbrecher unnötige Klettereien zu ersparen.

Was der Polizeipräsident Hoever damals im Jahr 2020 auch noch festgestellt hatte, dass nämlich bei den Taschendiebstählen der deutlichste Rückgang mit circa 70 Prozent zu verzeichnen gewesen sei. Warum? (genau so stand's in dem Artikel) Also, warum? Und auch da war ich damals so was von froh, dass der Herr Polizeipräsident mir das erklärt hat: Die von Trick- und Taschendieben bevorzugten Tatgelegenheiten (tolles Wort!) in Bussen und Bahnen, an Rolltreppen, in Gaststätten, Geschäften oder bei Veranstaltungen waren deutlich reduziert bzw. schlichtweg gar nicht vorhanden. Damals, im Jahr Eins von Corona gingen dann die Überlegungen dahin - ich mein, sind wir mal ehrlich, viele Rolltreppen waren ohnehin defekt. Die, die noch liefen, hat man einfach abgestellt. Die alten Menschen trauten sich mit ihren Rollatoren eh nicht auf Rolltreppen.

Apropos Rollatoren. Es waren verrückte Zeiten! Ich erinnere mich an eine Fernsehwerbung von "rehashop.de" mitten im Shutdown. Ein Werbefilmchen, Zielgruppe alte Menschen (ich weiß jetzt gar nicht, darf ich heutzutage im Jahr 2032 überhaupt von alten Menschen sprechen oder ist das eine Diskriminierung?), also Menschen mit Altershintergrund. Angepriesen wurden unter anderem Rollatoren mit dem Satz. "Machen Sie das Beste draus." Und was halt eben so witzig war, justamente in der Zeit gingen die alten Menschen nicht vor die Tür oder durften nicht!

Apropos alte Menschen. Was natürlich auch sofort, weil, es war in meinem SCHAUFENSTER unter den Lettern "Mehr Bänke für den Marktplatz"  mehr Bänke für den Marktplatz gefordert worden. Es gebe nur sehr wenige Bänke, noch dazu ohne Rückenlehne, hatte es von Seiten der Linken geheißen. Jüngere setzten sich auf die Gebäudekante beim Görtz-Schuhladen, für weniger Bewegliche sei eigentlich keine Ersatzfläche vorhanden. Kaum vorstellbar, dass in einer anderen europäischen Stadt, die etwas auf sich hält, auf einem solch zentralen Platz einer Innenstadt das Angebot an Sitzflächen so gering sei. Die Linksfraktion habe daher beantragt, an sechs Stellen des Marktplatzes neue Bänke mit Rückenlehnen zu installieren. Und da hat man damals ganz klar zu gestanden, dass das genau das Projekt war. Das also kein Versehen war oder so. Die Welt gehörte ab jetzt den Jungen - und die brauchen keine Rückenlehne! Wer alt ist - selbst schuld!

Und dann hatte der Herr Polizeipräsident in meinem SCHAUFENSTER auch darauf hingewiesen, dass während der Einschränkungen rund 30 Prozent weniger Verkehrsunfälle gemeldet worden seien. Da hatte er es sich allerdings verkniffen, den Grund dafür zu nennen. Für die Jüngeren unter euch, in diesem Zeitraum fuhren so gut wie keine Autos. Was gab es damals in Bonn dann für Rangeleien: Die Grünen forderten, weil es lege ja auf der Hand, kein Verkehr, keine Verkehrsunfälle! Gleichzeitig eröffnete aber die Bonner City Parkraum nach zweijähriger Bauzeit ihr neues Parkhaus an der Rabinstraße mit 258 Parkplätzen.

Der Herr Polizeipräsident hatte auch erwähnt, der positive Trend bedeute aber nicht, keine Geschwindigkeitsüberwachungen mehr durchzuführen: "Wir setzen weiterhin unseren mobilen Radarwagen ein. Allein in der vergangenen Woche mussten wir bei Messungen an zwölf unterschiedlichen Orten feststellen, dass sich viele nicht an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten. Von den bei diesen Kontrollen festgestellten 700 Temposündern erwarten 230 Fahrzeugführer Fahrverbote von mindestens einem Monat."

Dass das ein fataler Fehler war, wurde schnell klar. Ich mein, wie blöde muss ich sein, dass ich mir selbst den Geldhahn zudrehe? In diesem Monat verdienst du doch als Kommune an diesem Autofahrer nichts. Nein, man hat das mit dem Führerscheinentzug ganz schnell korrigiert und stattdessen ein richtig saftiges Bußgeld auferlegt. Und statt dass der jetzt einen Monat kein Geld einbringt, wird der jetzt weiter geblitzt, wenn er im Auerberg An der Josefshöhe schneller als 30 fährt. Weil, das war schon augenfällig. Von dem Tag an, als du da nur noch 30 fahren durftest und eine Blitze aufgestellt worden war, waren die öffentlichen Kassen voll.

Mittwoch, 27. Mai 2020

Wenn wir dann später zurückblicken …

Wenn wir dann später zurückblicken auf Corona, werden wir uns lachend in den Armen liegen und sagen: "Das waren vielleicht verrückte zwölf Jahre!"

Und genau so ist es! Heute, im Sommer 2032, kann ich das nur bestätigen! Wenn ich bedenke, wie schwierig es in diesen Zeiten alleine schon war, in meinem SCHAUFENSTER einen Artikel zu finden, der nichts mit Corona zu tun hatte. Hier, der, zum Beispiel, wie lange musste ich da suchen - nach solch Lettern: "Pyramide aus Baumscheiben, Unterschlupf für Tiere in Bonn-Gronau".  Darunter ein feines Foto von der Pyramide, hübsch eingezäunt mit einem Jägerzaun. Darunter: "Auf einer kleinen Grünfläche in der Adalbert-Stifter-Straße in Bonn-Gronau hat das Amt für Stadtgrün eine Baumscheiben-Pyramide angelegt. Das Umweltprojekt leistet einen Beitrag zur naturnahen Gestaltung städtischer Grünflächen."   

Und dann erst der Artikel: "Die Totholzpyramide wurde aus Baumscheiben von Laub- und Nadelgehölzen gefertigt, die den extrem warmen und trockenen Sommer 2019 nicht überstanden haben. Die Holzscheiben wurden versetzt und überlagernd aufgeschichtet. Die entstandene Pyramide ist etwa drei Meter hoch und dreieinhalb Meter breit. In den Gängen und Hohlräumen der Pyramide können sich Tiere verstecken, wohnen oder überwintern. Die Holzscheiben bieten zudem vielen Insekten, Pilzen und Flechten einen Lebensraum. Rechts und links der Pyramide stehen die verbliebenen Stämme zweier abgestorbener Birken. Auch sie bleiben vorerst erhalten, um als Biotopbäume noch einigen Arten als Lebensraum zu dienen. Die Totholzbäume werden jährlich auf ihre Standfestigkeit kontrolliert. Falls diese nicht mehr gegeben ist, müssen sie entfernt werden."
So ein feiner, ausführlicher Artikel. Ja, das war eine verrückte Zeit, damals, als ich solche Artikel bis zum Ende gelesen habe, nur um mal etwas anderes zu lesen. Und was soll ich sagen, obwohl das Wort Corona nicht vorkam, war ich nach der Lektüre total durch den Wind, denn es ging ja auch hier um den Tod - um eine Totholzpyramide und abgestorbene Birken. Ja, so waren die Zeiten damals.

Was sich aber wirklich über die langen Jahre hinweg zum Besseren gewendet hat. Ich mein, man hatte es ja in den Jahren zuvor schon mitbekommen. Da gab es einen Trump in den USA, einen Boris Johnson in England, einen Erdogan in der Türkei. Männer, die - wohl gemerkt -  demokratisch gewählt worden waren. Schon da gab es ja Stimmen, ob Wahlen überhaupt anzuerkennen seien. Ob das Internet die Wahlen nicht ad absurdum führe. Immer häufiger war die Rede von Manipulationen, Bots und Algorithmen.
Und dann, ich erinnere mich noch, die Streitereien im Jahr Eins von Corona um die Präsidentschaftswahlen in Polen, dieses elende, langwierige Hickhack um einen neuen Wahltermin. Und auch in meinem SCHAUFENSTER auf der Titelseite die Lettern "Kommunalwahlen - ja oder nein". In Bonn standen Kommunalwahlen an und vier Kandidaten standen parat, die gerne Oberbürgermeister werden bzw. bleiben wollten. Es gab den Ashok Sridharan, die Katja Dörner, die Lissi von Bülow und den Dr. Michael Faber. Es gab die Meinung, dass eine Verschiebung zwingend sei, keine Verschiebung nötig sei, der Wahltermin möglichst zu halten sei und reiner Online-Wahlkampf unfair sei.
Ich weiß gar nicht mehr, wie es damals ausgegangen ist. Und es war ja schon abzusehen, es hatte sich ja bereits abgezeichnet, es gab ja auch wirklich Wichtigeres. Was brauchte es eigentlich Wahlen, absolut überbewertet, damals. Was ich sagen will, dass wir uns irgendwann mal von diesen althergebrachten Ritualen verabschiedet haben, dass wir die Wahlen abgeschafft haben, war schon ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Was auch ein weiterer Schritt in die richtige Richtung war, weil auch so was von überbewertet. Ich mein, es hatte sich ja bereits schon in Finnland abgezeichnet. Die Finnen hatten bereits im Jahre 2016 entschieden, die Schreibschrift abzuschaffen. Und dann diese ewige Diskussion um Eulen und Lerchen. Der Herr Neurobiologe Peter Spork mit seiner Forderung, der Präsentismus in Büro und Schule müsse einer Berücksichtigung von Chronotypen weichen. Der Herr Neurobiologe Peter Spork mit seinem Plädoyer für eine Gleitschulzeit: Der Schüler entscheidet, wann er morgens zur Schule kommt. Kommt er später, bleibt er an diesem Tag entsprechend länger.
Ich bin damals schon - lange Zeit vor Jahr Eins von Corona - einen Schritt weitergegangen und habe empfohlen, dass der Schüler, der selbst um die Mittagszeit noch so gar keinen Bock verspürt, sich jetzt endlich mal auf den Weg zur Schule zu machen, es doch bitteschön auch lassen soll für diesen Tag oder auch für den folgenden. Denn, sind wir mal ehrlich, für die meisten Schüler hätte das Leben ja so was von schön sein können, wenn es damals die Schule nicht gegeben hätte.
Dank Corona haben wir dann aber wirklich Gas gegeben. Weil, Präsentismus, den gabs ja dann beim Lockdown erst mal nicht mehr. Und, man muss es doch mal deutlich sagen, die Schulgebäude waren im Jahr 2020 so was von heruntergekommen, so was von in desolatem Zustand. Die Zeit war einfach reif. Jeder Schüler hatte doch in der Verwandtschaft einen alten Menschen, den er der Gefahr einer Ansteckung nicht aussetzen wollte. In die Schule zu gehen und Corona mit nach Hause zu bringen - wofür, bitteschön? Und dann gab es ja auch viele Lehrer, die durchaus der Meinung waren, dass man die Öffnung der Schulen mal ganz langsam angehen sollte. Es wurde sogar schon vom Notabitur 2021 gesprochen - im April 2020! Es passte einfach alles, es gab viele erdrückende Argumente, nicht zuletzt, dass Bildung ja auch vollkommen überbewertet war. Und deshalb wurde sie abgeschafft.

Heute, im Jahr 2032, wir vermissen sie nicht, die Bildung und die demokratischen Wahlen. Könnte damit zusammenhängen, dass das eine das andere bedingt. 


Mittwoch, 6. Mai 2020

Darf sie das? Ja, ich darf!


Ich hatte ja neulich den Artikel aus meiner Cosmopolitan vom Sommer 2019 erwähnt. Dass damals mein Augenmerk nicht auf dem Klopapier war, sondern auf den Power-Schultern. 
Und dann fiel mir der Artikel "Ist das die Zukunft unserer Innenstädte" aus meinem SCHAUFENSTER in die Hände. Man sieht auf einem recht großen Foto mehrere leere Geschäftslokale nebeneinander, auf jeder Schaufensterscheibe der Schriftzug "Geschäftsaufgabe" und die Straße menschenleer: "Gähnende Leere in unseren Einkaufsstraßen? Diese Fotomontage könnte trostlose Realität werden." In dem Artikel geht es darum, dass die Verbraucher ein Gleichgewicht zwischen Onlinekauf und Shoppen vor Ort finden müssen, wenn sie nicht eines Tages verwaiste Innenstädte haben möchten. Der Artikel stammt vom 29. August 2018. Niemand hätte sich damals einen anderen Grund für menschenleere Innenstädte denken können.
Und wo ich gerade dabei bin, ein anderer Artikel aus meinem SCHAUFENSTER behandelt auch die Situation in der Bonner Innenstadt: Die Innenstadt wäre verödet, der Einzelhandel siech, die Unternehmen ohne Zukunft. Insgesamt befürchtet Dirk Vianden einen "Super-Gau". Es geht in dem Artikel aber nicht um die aktuellen Folgen durch Corona, sondern die Verbände warnen vor einem "Stau-GAU": Ist Bonn auf dem Weg zum Verkehrsinfarkt? Sie treibt die ernste Sorge um Bonns Verkehrsprobleme um. Das city-marketing, der Einzelhandelsverband, Haus & Grund sowie die IHK sehen ein Verkehrschaos voraus.
Das mit dem Verkehrsinfarkt hat sich ja jetzt erst einmal erledigt. In dem Artikel geht es aber um ein fehlendes umfassendes Mobilitätskonzept, die Rede ist vom offensichtlichen Planungschaos bei den unprofessionell handelnden Verantwortlichen, das Nichtvorhandensein eines durchdachten Planes. Und es werden Zweifel an der Kompetenz der städtischen Gesprächspartner geäußert. Und wo wir da jetzt bei, wie soll ich sagen, ich will jetzt nicht von Parteiengezänk, Partikularinteressen der Kommunalpolitik oder auch einfach nur Beschränktheit sprechen. Aber ich hoffe nur zutiefst, dass die unglaublich kompetenten Verantwortlichen im Stadthaus jetzt nicht meinen, das Problem sei gelöst. Nur weil sie momentan nach draußen schauen und wenige Autos sehen.

Heute, im Mai 2020, verbinden wir womöglich mit dem Wort GAU etwas ganz anderes als damals im Dezember 2018, als dieser Artikel erschien. Womit ich wieder in der Gegenwart bin. Und, ja, ich hatte bereits erwähnt, dass auch ich Biberkäufe in Form von Prosecco getätigt habe. Und, ja, ich habe auch erstmals eine Packung Klopapier gekauft, obwohl es noch nicht so ganz dolle pressierte, klorollenvorratstechnisch. Was mich aber zutiefst verunsichert hat, was meine Psyche betrifft: Kürzlich komme ich in meinen Lieblingsdiscounter zur Tür rein und stehe unvermittelt vor einer komplett gefüllten Palette mit Mehl - vor einer komplett gefüllten Palette mit Mehl! (Das soll so - zweimal) Bestimmt seit acht Wochen hatte ich kein Mehl mehr gesehen. Nicht dass ich aktiv danach gesucht hätte. Ich weiß das nur deswegen, weil Mehl normalerweise neben den Eiern liegt und da jetzt immer gähnende Leere herrschte. Was ich aber eigentlich sagen wollte. Wie ich da so stehe, vor dem gigantischen Mehlhaufen, ertappe ich mich doch tatsächlich bei dem Gedanken, Mehl kaufen zu wollen. Und das, obwohl ich Mehl überhaupt nicht vermisst habe. Und, was das Ausschlaggebende ist, ich backe gar nicht, ich kann und ich will gar nicht backen! Was das Klopapier betrifft, fällt mir da jetzt natürlich ein passender Reim ein - zum Backen.

Das frag ich mich sowieso oft, wenn ich hier so an meinem Blog tüftel: Darf sie das? Das hat mir damals sehr gut gefallen, bei dem Komiker Chris Tall, obwohl ich definitiv nicht seine Zielgruppe bin. Immer wenn er Witze über Randgruppen machte, fragte er sich danach selbst, das war der Running Gag: "Darf er das?" Und seine Antwort war selbstredend immer: "Ja, das darf er!" Fand ich gut, dieses "Darf er das?" Ich komm deshalb drauf, ich frag mich eben auch häufig: "Darf sie das? Darf ich das?" Darf sie jetzt, wo sie beim Backen ist, auf Kacken kommen? Sie darf! Ein 1-a-Paarreim!

Wo ich gerade beim Mehl war. Du kannst ja an Hand eines Hasenkaufs ziemlich genau den IQ des Käufers bestimmen. Hieß es doch in meinem SCHAUFENSTER: Kartoffeln zu hamstern ist nicht nötig. Thomas Herkenrath, Präsident des Deutschen Kartoffelhandelsverbandes und internationaler Kartoffelhändler: "Wir bemerken seit Mitte März einen sprunghaften Absatz von Kartoffeln, die Supermarktregale sind zum Teil leergefegt. Der Frühling ist aber nicht die richtige Jahreszeit, um Kartoffeln zu hamstern. Sie keimen schnell, wenn sie ins Warme kommen. Und Frühkartoffeln, die im Mai in den Handel kommen, sind generell nicht lagerfähig." Das bedeutet: Wer die Kartoffeln zu Hause nicht sachgemäß lagern kann oder die Kartoffeln nicht rechtzeitig verbraucht, riskiert, sie umsonst gekauft zu haben.
Und das ist ja in meinem Fall das Tolle: Die Prosecco-Flaschen kann ich auch zur Not unter das Bett legen. Hauptsache, eine steht immer im Kühlschrank. Und abgesehen von der weitaus leichteren Lagerung. Also dass bei mir Prosecco umkäme, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Was aber auch so was von toll und erfräulich (ich habe mich übrigens entschlossen, ab jetzt erfräulich mit ä zu schreiben, um dem Wort dämlich mal was entgegenzusetzen!), was aber so was von erfräulich ist: Nachdem vor Jahren die letzte Folge von "Desperates Housewiwes" ausgestrahlt worden war, fiel ich ja bekanntlich in ein tiefes Loch. Wurde dann kurzfristig wieder aufgefangen von den "Vorstadtweibern" aus Österreich und dann - nichts mehr! Bis mich kürzlich die Fernsehserie "The Marvelous Mrs. Maisel" rettete. Und wo ich schon mal dabei bin: "Die Erfindung der Wahrheit", ein fintenreicher Politthriller mit der tollen Jessica Chastain!