Mittwoch, 24. Februar 2021

Kleines Glück: Mit Glühwein vor der Postfiliale

Ich hatte ja letztens erwähnt, dass ich mir erst mal den Rest Glühwein aus der Thermoskanne hinter die Binde gekippt habe. Hatte aber vergessen zu erklären, warum da oftmals noch ein Rest drin ist. Weil, normalerweise habe ich eigentlich keine Probleme, den mir zur Verfügung stehenden Alkohol einer durchschnittlichen Thermoskanne komplett zu verkasematuckeln. Gut, kein Wunder, ich mache das ja auch jeden Tag. Übung macht eben den Meister. Es hat ja schon vor Wochen angefangen, dass ich komplett den Überblick verloren hatte. Jetzt nicht, was meinen Alkoholkonsum betraf, sondern die Kontaktregelungen: Darf ich oder darf ich nicht - oder muss ich vielleicht sogar? Bin ich ein Sozialschwein, wenn ich den mir erlaubten Rahmen ausschöpfe? Wie viele Menschen dürfen auf öffentlichen Plätzen wie lange in welchem Abstand stehen? Und über was dürfen die sich unterhalten? Alkohol, zum Beispiel, ist es überhaupt erlaubt, öffentlich über das Thema Alkohol zu sprechen, geschweige denn zu trinken? Und wenn das Thema im öffentlichen Raum kein Tabu ist, wie viele dürfen sich darüber unterhalten - über Alkohol? Gibt es genaue Versammlungsanweisungen, die eingehalten werden müssen? Ist zum Beispiel Stehen im Kreis oder Oval verboten, Stehen in einer Geraden erlaubt? Parabolisches Stehen hatte ich selbstredend von vorne herein ausgeschlossen.

Wie schon erwähnt, ich bin so was von verunsichert. Nicht umsonst trage ich zwischenzeitlich immer einen Zollstock bei mir, um den korrekten Abstand auf Parkbänken zu gewährleisten. Was jetzt nicht immer gut ankommt. Weil, wenn du dem schon sitzenden Unbekannten zu verstehen gibst, er solle doch gefälligst so rücken, dass jeder immerhin mit einer Arschbacke auf der Bank sitzen kann - kommt nicht gut. Wobei, meistens löst sich die angespannte Situation dergestalt, dass ich die Bank dann für mich allein habe. Wie gesagt, ich war so was von verunsichert. Irgendwann hieß es auch, mein Traummann und ich dürften jetzt nur noch eine Person zu uns nach Hause einladen. Wobei, ich glaube, das war das erste Mal, dass mir eine Einschränkung so was von zu pass kam. Weil, da gibt es bei uns im Freundes- und Bekanntenkreis schon das ein oder andere Pärchen, wo ich nur die eine oder den anderen mag. Den Partner - und hier meine ich selbstredend wieder mein Lieblings-generisches Maskulinum - den Partner hast du halt immer mehr oder weniger in Kauf genommen. Jetzt kannst du sagen: "Das tut mir so was von leid, dass ihr nicht beide kommen könnt. Aber einer ist ja besser als keiner, nicht wahr? Und es kommen ja bestimmt wieder bessere Zeiten." Ich hab mir da wohl vorgenommen, dass ich es damit dann ganz langsam angehen lasse, dass ich den Partner wieder mit einlade. Ich mein, das könnte man ja auch ganz gut begründen, dass man sich über die Jahre jetzt wirklich nichts mehr zu sagen hat. Was ja auch nicht schön für den Partner ist, mit dem ich weiterhin Kontakt habe. Der muss dann bei den Treffen alles seinem Liebsten, wenn's um bestimmte Themen geht, noch einmal im Schnelldurchgang zusammenfassen. Oder es geht den ganzen Abend "Das hatte ich dir aber gesagt" oder "Du hörst mir nie zu, wenn ich etwas erzähle". Und, schwuppdiwupp, habe ich hier auf meinem Sofa die Ehekrise. Hab ich keine Lust drauf!  

Was ich aber eigentlich erzählen wollte, war ja die Sache mit dem Sich-im-öffentlichen-Raum-Treffen. Weil, das hat man ja schon bemerkt: Je länger der Lockdown war, desto länger war die Schlange vor meiner Postfiliale im Auerberg. Oder, weil wir oben schon mal bei der Parabel waren: Proportional zur Länge des Lockdowns verhält sich der Graph der Warteschlange. Bei all der Unsicherheit, die mich umtrieb, wusste ich also: Sich-mit-vielen-Menschen-Treffen, also Schlangestehen, vor der Postfiliale ist erlaubt. Ich habe mir dann um der Authentizität Willen entweder ein Päckchen unter den Arm geklemmt oder so getan, als ob ich eins abholen wollte. Ich mein, so einen Abholschein hat man ja schnell mal kopiert. Und dann kramst du, während du in der Warteschlange stehst, nach deinem Personalausweis und schon wirkt's glaubwürdig. Aber was sag ich, einmal habe ich mich einfach ohne jegliche Vorbereitung angestellt und bin kurz bevor ich hätte reingehen müssen wieder ausgeschert: Hat sich keiner drum geschert!

Bis zum Ausscheren (wo ich gerade bei Scheren bin, aber das ist ein anderes Thema, meine Frisur. Wobei Frisur in dem Zusammenhang fehl am Platze ist. Es geht um das, was bei mir auf dem Kopf wächst, um meine Haare. Und das muss ich ja auch sagen, die ganzen zwischenmenschlichen Kontakte beim Frisör fallen ja auch weg), wenn ich also die Warteschlange verließ, was hatte ich da so was von nette Begegnungen gehabt, Gespräche geführt mit dem Vorder- und Hintermann*in. Manchmal habe ich Leute vorgelassen, weil's gerade so lustig war. Alles, was mir so an sozialem Kontakt gefehlt hat, konnte ich da ausgleichen. Und schon im Januar hatten wir ja den ein oder anderen kalten Tag, ganz zu schweigen vom Kälteeinbruch im Februar. Und was mir ja auch gefehlt hatte, in diesen Tagen, war der ein oder andere Glühweinstand. Sei es auf dem Weihnachtsmarkt oder beim Weihnachtsbaumkauf im Wald. Und auch Karneval gab es ja kein Am-Zug-Stehen-mit-einem-Piccolöchen-in-der-Hand. Und da habe ich eben das eine mit dem anderen verbunden. Ich habe mir für die Warteschlange in meiner Auerberger Postfiliale eine kleine Thermoskanne Glühwein mitgenommen. Und allein schon deshalb war ich sofort im Gespräch. Das ging von "Das ist aber eine gute Idee" bis "Schon früh am Morgen Alkohol?". Ich bin dann deshalb vom Vormittag auf den späten Nachmittag umgestiegen, mit dem Anstellen.

Was übrigens auch immer super funktioniert, um ins Gespräch zu kommen. Wenn ich in diesen Zeiten einfach mal dringend Bedarf nach menschlicher Zuwendung habe. Und das muss ja gar nicht mal immer unbedingt positiv konnotiert sein. Hauptsache zugewandt: Ich schiebe einen Einkaufswagen meines Lieblingsdiscounters mit zig Familienpackungen Klopapier die Kölnstraße entlang und schaue, wo die Geschichte hin läuft. Ich muss nicht explizit erwähnen, dass ich da so was von ins Gespräch komme- mit allen gesellschaftlichen Schichten!

Mittwoch, 3. Februar 2021

Nur mit Hochprozentigem zu ertragen

Ich hatte ja neulich den Artikel meines SCHAUFENSTERS zitiert, in dem es hieß, dass der gesamtstädtische Haushalt, was den Winterdienst anbelangt, entlastet wird, ich aber deshalb nicht weniger für die Straßenreinigung bezahlen muss sondern mehr. Und wie ich so gerade dabei war, diesen Artikel intellektuell zu verdauen, hörte ich im Radio Folgendes: Es sei weniger los in der Bonner Innenstadt. In der Bonner Innenstadt seien im letzten Jahr deutlich weniger Menschen unterwegs gewesen. Die Stadt Bonn habe jetzt Messergebnisse des Unternehmens Hystreet ausgewertet. Die Firma habe mehrere Messanlagen in der Stadt aufgebaut, die rund um die Uhr die Passanten messen. Im Jahr 2019 waren demnach in Post-, Remigius- und Sternstraße mehr als 31 Millionen Menschen unterwegs. Im letzten Jahr waren es nur etwas mehr als 22 Millionen Menschen. Das ist ein Rückgang von 29 Prozent. Vor allem nach dem ersten Lockdown im März waren die Besucherzahlen in der Stadt stark gefallen. Auch im Sommer lagen sie weit unter denen des Vorjahres - so die Stadt Bonn. Vor allem die Touristen seien ausgeblieben.

Ich gebe zu, das war zu viel für mich, gerade noch die Zeilen in meinem SCHAUFENSTER im Hirn verarbeitet und dann das Gehörte im Radio. Ich habe mir dann erst mal den Rest Glühwein aus der Thermoskanne hinter die Binde gekippt. Und während ich stimmungs- und alkoholtechnisch so am Kippen bin, vertiefe ich mich in mein neues SCHAUFENSTER und lese da diese Lettern: Deutlich weniger Menschen in der City - so das Fazit des Amts für Wirtschaftsförderung der Stadt Bonn … Ich gebe zu, ich hatte schon gewaltig einen hängen, weshalb mir erst zeitverzögert klar wurde, dass ich gerade dabei war, das so eben Gehörte nun noch einmal zu lesen.

Habe dann selbstredend die Lektüre dieses Artikels abgebrochen, bin auf Höherprozentiges umgestiegen, hatte jetzt schon ob des  kontinuierlich disziplinierten Alkoholkonsums dermaßen wirre Gedanken im Kopf. Gedanken einer halbwegs Betrunkenen eben: Bekommt dieses Unternehmen Hystreet Geld dafür, dass es feststellt, dass eine Innenstadt leer ist, wenn alles geschlossen ist? Und wenn ja, bezahle ich die dann indirekt? Weil, wenn das was kostet bei Hystreet, dann …

Ich hab dann mal einfach im Stadthaus angerufen und denen folgenden Vorschlag gemacht - um den gesamtstädtischen Haushalt zu entlasten. Ich habe denen angeboten, dass ich das für einen Bruchteil von dem mache, was sie Hystreet bezahlen. Was ich denen natürlich nicht gesagt habe, dass ich da gar keinen Aufwand betreiben muss. Hallo, was gibt es denn da zu messen? Die haben sich bei mir aber nicht mehr gemeldet. Vermute, weil ich doch allzu deutlich gelallt habe.

Nach meinem Telefonat bin ich bei folgenden Zeilen hängen geblieben: Fahrradparkhaus, gut gemeint, nicht gut gemacht. Das ist das erste Fazit des ADFC Bonn/Rhein-Sieg zum neuen Parkhaus am Hauptbahnhof, in dem auch 200 Fahrradstellplätze untergebracht sind. Der ADFC lobt, dass die Stadtverwaltung überhaupt den Investor "Die Developer" angehalten hat, in dem Parkhaus mit Verbindung zu Gleis 1 auch Parkplätze für Fahrräder einzuplanen. Doch die Ausführung lässt erheblich zu wünschen übrig, urteilt der Verkehrsreferent des ADFC, Martin Weiser. "In gute Fahrradparkhäuser wie in Utrecht, Amsterdam und Kopenhagen rollt man komfortabel hinein, im neuen Bonner Parkhaus geht man durch einen Hintereingang mit rechtem Winkel und muss dann das Rad über drei Rampen nach oben schieben - Fahrradfahren nicht nur verboten, sondern gar nicht möglich."

Ich hatte es mir zwischenzeitlich etwas gemütlicher gemacht. Wobei das ja heutzutage auch immer schwieriger wird, es sich so richtig gemütlich zu machen. Früher bist du nach Hause gekommen, hast erst mal die unbequemen Schuhe in die Ecke gepfeffert, den Bauchspeck einquetschenden Rock ausgezogen (wobei, ich bin ehrlich, meist habe ich den oberen Knopf schon damals von vorne herein offen gelassen) und dir dann ein Teechen gemacht. Teechen machst du dir jetzt doch im Homeoffice gefühlt den ganzen Tag. Und ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal einen Rock getragen habe. Seit Monaten - Lockdown hin oder her, also ja oder nein - trage ich an den Füßen wahlweise Birkenstock oder Wollstrümpfe, dazu eine Jogginghose und Sweatshirt. Karl Lagerfeld hat ja lediglich gesagt, wer mit Jogginghose nach draußen geht, hat sein Leben nicht im Griff. Aber wer, bitteschön, geht denn noch raus?

Was ich aber eigentlich sagen wollte, ich lag mittlerweile auf dem Sofa wegen erheblicher Gleichgewichtsproblemen. Ich schwankte. Ja, auch wegen des nicht von der Hand zu weisenden immensen Alkoholkonsums, aber auch, was denn nun witziger war: Unser neues Parkhaus für Radfahrer oder die Tatsache, dass der Martin mein Bonn mit Amsterdam verglich. Die einzige Verbindung, die mir da einfiel, eine Frau (nicht mehr ganz fangfrisch, eher in Richtung Verfallsdatum), auf deren Agenda Folgendes steht: In Amsterdam in solch einem kleinen Lädchen ein paar von diesen allseits bekannten Keksen zu kaufen und schauen, wohin die Geschichte führt.

Apropos Kekse und das Radio lief immer noch. Wie viele Kekse werden sich denn da gelegentlich bei den Verantwortlichen im Radio genehmigt? In Zeiten, wo es immer wieder heißt, doch als Städter nicht in Scharen aufs Land zu fahren und dort den Einheimischen mangels Einkehrmöglichkeiten vors Gartentor zu kacken. In Zeiten, wo wir nicht zu Hauf wandernd und rodelnd in Ausflugszielen unterwegs sein sollen. In diesen Zeiten beschreibt mir gerade in aller Ausführlichkeit der Sprecher im Radio die wunderschöne Winterlandschaft, die Fritz aus der Eifel gepostet hat - um mir dann zu sagen, dass ich da aber nicht hinfahren darf. Und das nicht zum ersten Mal! Oder doch, vom Fritz wars das erste Mal, vorher, glaube ich, wars ein Foto von der Bettina aus Winterberg. Was soll das - die Nase lang machen?