Mittwoch, 25. Mai 2022

Im Trend: Shabby-Sein

 Ab und an gehe ich ehrlicherweise auch mal fremd, sonst halte ich es einfach nicht aus - immer denselben Trott. Gut, was du hast, das hast du, und willst es auch behalten, keine Frage. Aber Abwechslung, egal von welchen Gelüsten wir sprechen, ist für mich das A und O. Quasi Lebensphilosophie. Mal die Eissorte wechseln, statt Stracciatella Haselnuss, mal die Lippenstiftfarbe wechseln, statt Rot Pink, und auch nicht immer dieselben Nudeln essen, statt Spagetti auch einmal Penne! Auch das andere Begehren will gestillt, will befriedigt werden. Und deshalb schaue ich ab und an auch einmal nach rechts und nach links. Schaue, was und wer sich mir da anbietet, ja förmlich aufdrängt. Und dann ziehe ich da auch dran, ja, reiße sogar auf. Manchmal ist es ein klein wenig mühevoll, sich zu entscheiden. Weil, Angebote gibt es viele, die Konkurrenz schläft ja nicht und vieles wird feilgeboten.

Und du kannst es drehen und wenden, wie du willst, selbst wenn das andere nicht besser ist, ist es aber eben neu. Und deshalb schaue ich ab und an nicht nur in mein SCHAUFENSTER, weil da sammelt sich ja doch im Laufe der Zeit noch der ein oder andere Lesestoff in meinem Briefkasten. Deshalb meinte ich ja, dass ich da dran ziehe, dass es manchmal recht mühevoll ist, diese vielen Werbeheftchen aus dem Briefkasten zu fischen, zu ziehen, ja, zu reißen.

Die feine Broschüre "30 Jahre Kunstmuseum Bonn an der Museumsmeile" zum Beispiel. Ein Lesegenuss, allein schon die Titel der Ausstellungen. "Welt in der Schwebe" oder auch "Sound and Silence - Der Klang der Stille in der Gegenwart der Kunst." Und dazu folgende bewegende Worte: Der Klang der Stille wird in ganz unterschiedlicher Weise fassbar: als Monotonie, Wiederholung und Speicher; als Pause oder Überlagerung, als dröhnende Stille oder zerstörter Klang; im Wechselspiel zwischen meditativer Versenkung, erzwungenem Schweigen und stillem Widerstand" - ganz so wie auf meiner Verkehrsinsel!

Oder auch fein, ein kleiner Beitrag aus dem Ideenbuch namens "Selfmade" für Näher*innen: Ausdrucksstarke Individualist*innen. Genderaktivist*innen und Umweltschützer*innen. Politisch, exzentrisch und surreal. Prall gefüllt mit Second-Hand-Funden, abstrakter Folklore, Kunsthandwerk und Designlooks. Selbstgemacht, cooler Kitsch, einzigartig und einmalig. Der Look befreiend, bunt, kreativ. Fehler sind ein ästhetischer Glücksfall. denn Form und Gefühle übertrumpfen die Funktion. Aus der Vergangenheit lernen, um die Zukunft neu zu erfinden, das ist Retro-Cool. Hallo, wie wortgewaltig ist das denn?

Apropos, wo ich gerade beim Look bin. Welcher Look ja wohl auch wieder ganz im Trend liegt, oder eigentlich immer up to date war, ist ja dieser Shabby-Look oder Shabby Chic. Und da meine ich jetzt nicht diesen Einrichtungsstil, diese gekonnte Mischung aus Erbstücken, Flohmarkt-Schnäppchen und Selbstgemachtem. Shabby Chic bedeutet zwar wörtlich übersetzt "schäbiger Schick", in Wahrheit ist dieser Stil aber alles andere als schäbig. Nein, ich spreche von diesem Trend, ganz cool schäbig zu sein. Schäbig, ein Wort, das bei mir total in Vergessenheit geraten war. Was ich zutiefst bedaure! Ich hab auch nochmal extra nachgeschaut, was schäbig denn nun genau bedeutet. Als ich das Wort schäbig eingab, bot mir die Maschine sofort Synonyme zu "schäbiges Verhalten" und "schäbiger Mensch" an. Und genau diese Bedeutungen von schäbig meine ich: arglistig, boshaft, bösartig, böse, fies, garstig, gehässig, gemein, hinterfotzig, hundsgemein, niederträchtig, perfide, ruchlos, schuftig, schurkisch, schädlich, tückisch, verabscheuenswert, verabscheuungswürdig, verwerflich. Verstehst du, warum ich mich so was von ärgere, dass mir das Wort schäbig irgendwann abhanden gekommen ist? Ist das nicht ein feines Wort? Für so viele schlechte Charaktereigenschaften nur ein Wort: effizienter geht’s wirklich nicht.
Was genau sagen solch Zettel "Abgabe nur in Haushaltsmengen" oder "Maximal 3 Stück pro Einkauf" über unsere Gesellschaft, über uns Menschen, über jeden Einzelnen von uns aus? Was zeichnet diese Menschen aus, die, sobald sie hören, dass ein Produkt Mangelware ist, davon mehr kaufen statt weniger? Uns allen ist doch Folgendes klar: Wenn wir alle, wenn jeder Einzelne versuchen würde, mit diesem Gut sparsamer umzugehen, kämen wir alle trotz Mangel wunderbar über die Runden. Wenn alle etwas weniger von einem Mangelgut kaufen, ist für jeden genug da. Was genau sagt es über mich aus, wenn ich vor Monaten, nachdem es bei meinem Lieblingsdiscounter wochenlang kein Mehl gab. Dass ich dann beim Anblick einer riesigen Palette voll mit Mehlpackungen überlege, Mehl zu kaufen - obwohl ich kein Mehl brauche, weder zum Backen noch zu irgendetwas anderem.

Und so stehe ich dieses Mal auf meiner Verkehrsinsel und schäme mich. Schäme mich für all diejenigen, die in diesen Zeiten asoziales Verhalten an den Tag legen. Aber da, Gott sei Dank wieder ein schöner Gedanke: Hinnerk Schönemann in der Rolle als Jürgen Simmel verfolgt einen Verdächtigten per Pedes. Dieses Mal sogar, ohne vorher sein Jackett auszuziehen. Der Täter entkommt ihm. Sein Versagen erklärt mein Hinnerk seiner Kollegin Marie Brand entwaffnend einleuchtend: "Frau Brand, was soll ich sagen? Nicht gefangen, so zerronnen." Das wird er wohl nicht noch einmal machen - mit Jackett die Verfolgung aufnehmen.


Mittwoch, 4. Mai 2022

Blinken, Hupen und Partyhupen


Ich hab mich wieder mal auf meiner Verkehrsinsel eingefunden. Anders krieg ich das zur Zeit nicht in den Griff, das mit der dings. Im Hier und Jetzt sein kann ich am allerbesten hier und jetzt auf meiner Verkehrsinsel! Und schwuppdiwupp, schon der erste Gedanke - Was ich schon bemerkt habe, dass diese Briefe an die Eigentümer zwecks Verkauf ihrer Immobilie, dass die sich schon unterscheiden. BSR Immobilien zum Beispiel schreibt einfach nur "An die Eigentümer des Hauses" und IREA Immobilien macht sich immerhin die Mühe, "An die Eigentümer Lissaboner Str. 21" zu schreiben. Was das mit mir macht, anderes Thema. -

Das Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters bietet Hemdjacken feil. Früher haben wir einfach nur über dem T-Shirt das Hemd offen gelassen und die Ärmel hoch gekrempelt. -   Pfannen- oder Geschirrschutz für die Schublade brauche ich immer noch nicht, aber was ich noch viel weniger brauche sind Topfwächter. Hab ich nachgeschaut, weil ich nicht wusste, worüber der Wächter wacht: Der Topfwächter wird zwischen Topf und Topfdeckel gelegt, so dass ein Abstand entsteht und der Wasserdampf entweichen kann. Die Topfwächter haben eine "Beinbreite" von ca. 0,8 cm und sind somit nicht geeignet für Töpfe mit besonders breiten oder gebogenen Kanten. -

Wo ich hier gerade inmitten von Autos stehe und viele Autofahrer ihre Autos an der roten Ampel abwürgen. Was sie natürlich nicht machen, weiß ich, soll so. Seit November haben wir ja ein neues Autochen. Bis ich da mal ans Fahren komme, bis ich da mal losfahren kann. Weil, zunächst muss ich IMMER, jedes Mal muss ich die Sicherheitsdings mit OK bestätigen. Dann der Knopfdruck auf Off, damit der Motor an der Ampel nicht ausgeht. Ich weiß, das soll so, aber mich alte Frau irritiert das so was von. Zu meiner Zeit bedeutete das nichts Gutes, wenn das passierte! Gut, könnte frau sagen, reg dich ab, geh mit der Zeit, ist halt so. Aber neulich dann, und da hört der Spaß jetzt wirklich auf! Als ob mir einer dermaßen ins Lenkrad greift. Ich hab mir das dann erklären lassen, trotzdem, geht gar nicht! Da bin ich über eine längere Zeit auf der Autobahn gefahren, wo noch Fahrbahnmarkierungen von anderen temporären Fahrspuren auf der Fahrbahn klebten, die Baustelle aber schon längst nicht mehr da war. Und die haben meinen - hallo, da kann der doch nicht einfach rüberziehen. Diese alten Fahrbahnmarkierungen haben meinen, oder sagen wir passender, den des Autos, also haben den Spurhalterassistenten so was von irritiert. Hallo, ich bin natürlich vollkommen zu Recht innerhalb der jetzt wieder aktuellen Fahrstreifen gefahren. Weil ich gehört hatte, dass man mit Blinken den ausstellt, habe ich den Blinker gesetzt. Aber fahr du mal gefühlt Minuten lang auf der Autobahn mit Blinker. Da machst du dir viele Freunde. Mein Traummann hat mir dann erklärt, wie ich den ausschalten kann. Leider immer nur für jede einzelne Fahrt, weil der immer per Default eingeschaltet sei, hat mein Traummann mir erklärt. Und ich habe dann nur noch schnell nachgeschaut, was das heißt, per Default. Es heißt per Voreinstellung. Und so schraube ich, bevor ich losfahre, an drei Köpfen herum und schwuppdiwupp, eh du dich versiehst, kanns auch schon losgehen.  

Das Parken in Bonn soll ja demnächst teurer werden, wenn ich da meinem SCHAUFENSTER Glauben schenken darf. Da hieß es, ab 1. Juli steigen die Parkgebühren auf bis zu 4 Euro pro Stunde. Und ich las, dass die derzeit geltende Regelung für das kostenfreie Parken von Elektrofahrzeugen bis zum 31. Dezember 2022 befristet ist, E-Fahrzeuge aber weiterhin während des Ladevorgangs kostenlos parken dürfen. Kein Witz, genau so stand es in meinem SCHAUFENSTER. Mensch, dachte ich spontan, toll, jetzt haben wir gleichgezogen mit Köln.  Ja, ich hab im Internet geschaut: Die Parkgebühren in Köln variieren zwischen den verschiedenen Parkzonen. Generell kostet das Parken in der Innenstadt 4 € pro Stunde und in allen anderen Vierteln 2 € pro Stunde. Toll, wir brauchen den Vergleich nicht zu scheuen, was die Parkgebühren anbelangt. Zumindest was die Höhe der Parkgebühren anbelangt können wir es mit Köln aufnehmen. Wie es um die Attraktivität unserer Stadt im Vergleich bestellt ist, ist ein anderes Thema. Aber wenn die Höhe der Parkgebühren ein Indikator für eine Metropole ist, dann sind wir ab dem 1. Juli eine Metropole.

So, wieder genügend dings auf der Verkehrsinsel getankt und ab nach Hause und bei einem Aperol mein SCHAUFENSTER studiert! Da lese ich unter den Lettern "Zensus 2022: Interviewer fehlen" Folgendes. Die Stadt Bonn sucht noch 50 Erhebungsbeauftragte, die von Mai bis August 2022 bei der Befragung von Haushalten und Wohneinheiten im Rahmen des Zensus 2022 mitarbeiten möchten. Mit dem Zensus ermitteln die statistischen Bundes- und Landesämter, wie viele Menschen in Deutschland leben, wie sie wohnen und arbeiten. Volljährige interessierte Bürger können sich melden unter der Telefonnummer … Da sollte ich mich wirklich melden! Da hätte ich dann so was von die Möglichkeit, unter dem Deckmäntelchen Statistik gleichzeitig auch einmal die ein oder anderen Dinge zu erfragen, die mich persönlich interessieren. Von wegen "Kaufe Ihre Immobilie und auch gleich Ihr Auto dazu. Sie setzen sich doch in Ihrem Alter nicht etwa noch selbst hinters Steuer?" Wer denn auch ständig solch Briefe im Briefkasten findet. Da könnte ich einmal meine eigene Statistik erstellen.  In dem Zusammenhang könnte ich auch herausfinden, wie viele Menschen solch Topfwächter gekauft haben und tatsächlich benutzen.

Wo ich gerade bei Autos war. Beim Blinken und Hupen. Dysfunktionale Partyhupe. So nannte in einem Beitrag ein Sohn seine Mutter. Was für ein Wort, oder? Ich ahne, dass es nicht wirklich als Kompliment gemeint war.