Als ob sie in meinem Garten stünde, die Skulptur, die
monumentale! So nah hat sie mir mein "Schaufenster" gebracht! Schon
letztes Jahr wurde ja haarklein darüber berichtet, was sich der Künstler dabei
gedacht hat - oder auch nicht. Und im April hieß es dann, dass unser
Oberbürgermeister die Skulptur am 5. Juni öffentlich an die Bonner übergeben werde.
Wie aufregend! Ja, und was soll ich sagen? Am 8. Juni dann die erlösende
Überschrift "ARC 89 übergeben". Wie mir da das Herz aufgegangen ist!
Ich hab mich dann sofort ins Auto gesetzt und mir die mal so richtig von der
Nähe angeschaut. Was jetzt das Blöde war, ich hatte vollkommen vergessen, vor
lauter Begeisterung, dass ich da auf dem großen Trajektkreisel an der B9, dass ich
da jetzt nicht einfach das Auto abstellen kann. Gut, als dann Polizei mit
Blaulicht vor mir stand und der Kreisel vollständig abgesperrt war, hab ich
dann auch gemerkt, dass es um mich ging. Dafür weiß ich jetzt, was so eine
Absperrung kostet, weil, die gesamte Aktion war ja mein Privatvergnügen und
Punkte gab's obendrein.
Apropos teuer und Punkte. Ich mein, es hätte ja auch anders
laufen können. Dass da jetzt an dem Trajektkreisel so ein Pilotprojekt gestartet
wird für die "Generation Zombies", also für mich. Wenn vor mir schon
der ein oder andere spontan vor lauter Begeisterung ob des tollen Kunstwerkes
sein Auto auf dem Trajektkreisel geparkt hätte. Da hätte es dann ja sein
können, dass da jetzt große Anzeigetafeln mit "Parken und Aussteigen
verboten" aufgestellt worden wären.
So ganz weit hergeholt ist das nicht. Weil, in Köln gibt es seit
etwa einem Jahr ein Pilotprojekt, das die sogenannte "Generation Kopf
unten" jetzt vor weiteren Unfällen schützen soll: In den Boden eingebaute
LED-Lichtleisten, sogenannte Bodenampeln, leuchten dort an neuralgischen Orten,
wenn sich Straßenbahnen nähern. Was ich in dem Zusammenhang da jetzt nicht
verstehe. Also wenn ich als Fahrradfahrerin ein Gläschen Rotwein getrunken habe
und mich dann anders verhalte, als es die Straßenverkehrsordnung vorsieht, kann
das bis zum Entzug meines Führerscheins führen. Oder wenn ich auf dem Fahrrad mein
Handy benutze. Wenn der Smombie mit seinem Blick nach unten auf sein Handy auf
dem Fahrradweg oder über den Zebrastreifen geht, nimmt er am öffentlichen
Straßenverkehr teil. Und wenn der nicht richtig schaut, ist er eine Gefährdung
für sich und andere, und was für eine! Was liegt da näher, als dieses Verhalten
mit Bußgeld zu belegen - statt für ihn auch noch LED-Lichtleisten anzulegen?
Apropos Smombies, apropos Blick nach unten. Seit Jahren geht
das zwischen meinem Traummann und mir so: "Wollten wir nicht mal in den
Süden, in die Toskana reisen?" "Ja, aber du weißt doch, ich kann doch
nicht ..." "Ich fahre nicht über steile und kurvige Passstraßen und bin
dafür auch noch Stunden länger unterwegs!" "Aber ...!" "Du
musst dich deiner Angst stellen. Fang doch einfach mal klein an und mit jedem
Mal, wenn du gut und sicher durch den Tunnel kommst, steigern sich die
positiven Erlebnisse." Wie gerne würde ich mit dem Auto in die Toskana
fahren! Das eine Blöde ist nur - Tunnel. Ohne Tunnel geht da gar nichts. Und
das andere Blöde ist - ich habe Tunnelangst, aber so was von.
Man glaubt ja gar nicht, was es da im Internet alles gibt: seitenweise
"Angst vor Tunneln - Was tun?", "Tunnelangst ist
überwindbar". Ich hab's dann gemacht, wie die Therapeuten sagen, mich
meiner Angst gestellt. Und bin immer wieder vom Norden, vom Auerberg, nach
unten Richtung Süden durch den Godesberger Tunnel gefahren. Und was soll ich
sagen: Nach Italien mit dem Auto durch den Tunnel kommt für mich persönlich nie
in Frage! Weil, erst vor ein paar Tagen habe ich es wieder versucht, zum
Kinopolis: Ich fahre, ich merke es ja selbst, da brauchen die hinter mir gar
nicht so penetrant zu hupen, ich fahre mit gefühlten zehn Stundenkilometern auf
den Tunneleingang zu. Dieses Mal bin ich mit allem bewappnet, was geht: Links
an der Windschutzscheibe das Navi, rechts auf dem Beifahrersitz mehrere Din-A4-Blätter
mit richtungweisenden Informationen in riesigen Lettern und vor mir die Anzeige
über dem Tunneleingang - und justamente als ich hinein fahre, mit schweißnassen
Händen und Schnappatmung, weiß ich, dass es wieder die falsche Röhre ist.
Wie wir nach "Alice im Wunderland" zurückfahren,
im Dunklen, auf der B9, stehen wir irgendwann an einer roten Ampel. Nebenbei,
wir wären auch ohne die Kölner Kampagne stehen geblieben. Bei der 2014
gestarteten Kampagne "Köln steht bei Rot!" machen an
Verkehrsknotenpunkten rot und grün gekleidete Pantomimen den Menschen klar,
dass die Verkehrsregeln auch für sie gelten. Dazu gibt es Plakataktionen und
die Polizei macht Sonderkontrollen. "Wir wollen daran erinnern, dass
Ampeln eine Sicherheitsfunktion haben", sagt der Herr Stephan Anemüller
von den Kölner Verkehrs-Betrieben. Wo er Recht hat, hat er Recht, der Stephan.
Wie ich da also so stehe bei Rot, merke ich plötzlich, dass ich
in der ersten Reihe sitze: Vor mir in seiner vollen Größe, in seiner unfasslichen
Erhabenheit der "ARC 89"!
Apropos unfasslich: Wenn man an dem Kunstwerk vorbeifahre,
schienen die Bogen zum Jahr der Wiedervereinigung zu tanzen. Die Skulptur führe
vor Augen, wie sehr die Wiedervereinigung uns und unsere Nachbarn verändert
habe. Unfasslich, was der Heiko, unser Justizminister, in dieses Gestänge
hineininterpretiert! Ich bin immer wieder um den Trajektkreisel gefahren und
habe mehrere Rotphasen mitgenommen: Ich bin ein Kunstbanause!