Mittwoch, 23. Dezember 2020

Einen Stress weniger! oder Das Riesenrad

 

Zeilen in meinem SCHAUFENSTER: Ja, die Tage werden immer schneller immer kürzer - aber jetzt beginnt für viele Menschen die schönste Zeit des Jahres. Zur Vorfreude auf die Adventszeit darf man sich schon in wenigen Tagen auf Plätzchenduft, Geschenkideen für Weihnachten, Reibekuchen und vielleicht auch einen leckeren Glühwein mit Freunden und Familie einstimmen. Denn: Am Freitagabend lädt der Bonner Weihnachtsmarkt wieder Besucher von Nah und Fern ein, um in die besinnliche Zeit zu starten… Stimmt: Zeilen aus dem letzten Jahr.

Bin ich froh, dass das Thema Weihnachtsmarkt durch ist! Für mich: immer wochenlanger Dauerstress und, vor allem, Dauerärger. Egal, wie ich mich entschieden habe! Immer dieser Zwiespalt, in dem ich war. Jedes Mal, wirklich jedes Jahr, immer wieder dasselbe Wechselbad der Gefühle. Das Wissen, egal, wie ich mich entscheide, am Ende bereue ich meine Entscheidung. Egal, wie sorgfältig ich abgewogen habe, das Für und Wider. Es spricht alles dafür und alles dagegen: der Besuch bei Käthe Wohlfahrt. Bin ich nicht einmal drinnen die Runde gegangen, sah ich alle mit glücklich verklärtem Blick aus dem Haus kommen, waren alle außer mir in die wunderschöne Weihnachtswelt eingetaucht. Stand ich drinnen und ging nichts mehr wegen Überfüllung, wusste ich ob des Hitzestaus nicht, wohin mit mir. Gut, ich gebe zu, es gab auch das ein oder andere Erfreuliche. Diese Tierchen aus Mineralien zum Beispiel oder die Holzbrettchen, in die ich mir meinen Namen hätte eingravieren lassen können! Auch die Stände mit dem ausgesprochen beeindruckend vielfältigen Angebot an Accessoires aus Filz: einfach fein! Aber unterm Strich für mich ein einziges Fiasko, der Weihnachtsmarkt.

Ich nenne nur die Standnummer 34, ja, den Stand, wo es den frischen Flammlachs auf Buchenholz gab. Jedes Mal, wenn ich mich aufgemacht habe, mit Vorfreude und Hunger im Bauch, war da immer eine dermaßen überzeugend lange Schlange, die mir vom Anstellen abriet. Oder Thema Zuckerwatte. Nicht, dass ich die je gekauft hätte. Aber wie oft ich die hinten auf meinem Mantel kleben hatte, weil irgendjemand hinter mir es nicht gebacken bekommen hatte.

Und dann diese unheimlich originellen Sollen-wir-Kollegen-uns-nicht-alle-einmal-auf-dem-Weihnachtsmarkt-treffen?-Verabredungen! Hatte ich zweimal! Das eine Mal, ein wunderschöner Wintertag, kalt und trocken, so wie ich es liebe - offensichtlich wie es viele Menschen lieben. Weil, da war es an der Weihnachtspyramide so was von voll. Da habe ich anfangs in der sechsten Reihe gestanden, um an ein Glas Glühwein zu kommen - und nach einer gefühlten Stunde in der gefühlten neunten. Dieses Sich-an-einer-runden-Theke-Anstellen-und-Drankommen, bevor der Stand dichtmacht: habe ich bis heute nicht verstanden, wie da die richtige Strategie ist. Egal, jedenfalls erinnere ich mich an dieses Treffen deshalb, weil, als ich endlich meinen Glühwein in der Hand hielt, mich von der Theke jetzt wieder nach hinten gekämpft hatte (nicht, ohne selbstredend die Hälfte zu verschütten!), als auch die letzte Schulter mich angerempelt hatte, war weit und breit kein bekanntes Gesicht mehr zu sehen. Was auch durchaus nicht verwunderlich war, hatten wir uns ja für zwei Stunden verabredet, also bis 19:00 Uhr, und nun zeigte das Ührchen kurz vor acht. Ich habe dann übrigens im Nachgang meine Winterjacke in die Reinigung bringen müssen.

Das zweite Wäre-doch-toll-wenn-wir-mal-was-außerhalb-des-Jobs-unternähmen-Weihnachtsmarkttreffen verlief komplett anders. Alle hatten zugesagt, nur drei - mit mir - waren dann erschienen. Im Nachhinein war klar, warum. Weil, schon als ich mich aufs Rad setzte, hatte es leicht angefangen zu nieseln, und dann nahm der Regen kontinuierlich Fahrt auf. So, nun steh mal zu dritt auf dem Weihnachtsmarkt und trau dich zu sagen: "Also, wenn nur ihr zwei da seid, und ihr zwei gerade die seid, mit denen ich sowieso wenig anfangen kann, fahr ich jetzt einfach wieder nach Hause." Machst du nicht! Also haben wir zunächst einmal im strömenden Regen auf noch weitere Kollegen gewartet, die nicht kamen. (Darf ich eigentlich, wenn ich über ein Ereignis in der Vergangenheit schreibe, darf ich da einfach Kollegen schreiben, ohne Kolleginnen, meine ich? Weil, damals war das ja noch so, dass damit alle gemeint waren.) Irgendwann haben wir dann ob des üsseligen Wetters versucht, zu dritt wenigstens irgendwo reinzukommen - wie alle anderen auch. Ja, und irgendwann haben wir uns unverrichteter Dinge, total durchgefroren und gefrustet verabschiedet. Am anderen Tag war das für alle anderen doch so was von klar, dass das Treffen bei dem Wetter doch wohl ausfallen würde (da sieht man, wie lange das schon her ist. Mit Handy wär das nicht passiert). Wenn ich mich recht erinnere, gab es noch ein drittes Treffen - ohne mich. Das war ganz, ganz toll: super, super Wetter und bei Weitem nicht so voll, wie man hätte annehmen können, dass man hätte lange an der Weihnachtspyramide anstehen müssen.

Was ich übrigens total verdrängt hatte: Einmal waren mein Traummann und ich nach dem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt für Tage außer Gefecht gesetzt. Weil, wir waren zufällig zu einer Zeit an der Weihnachtspyramide vorbeigekommen, als offensichtlich noch kein Mensch Lust auf Alkohol verspürte oder sich nicht traute, das öffentlich zu dokumentieren. Ich sah nur kein Schlangestehen, kein Drängeln, keine spätere Reinigung: Ich weiß bis heute nicht, wie wir nach Hause gekommen sind! Unschön, das Ganze.

Einen klitzekleinen Wermutstropfen gibt’s da doch: das Riesenrad. Betonung liegt auf dem Riesen. Vor vielen, vielen Jahren war das mit den Kindern ein Ritual: die zuvor gekauften gebrannten Mandeln auf dem Riesenrad genießen. Diese Zeit ist schon lange vorbei, aber mein Traummann und ich haben dieses Ritual zu zweit aufrechterhalten. Es gab ein einziges Mal vor gar nicht allzu langer Zeit, als die Töchter dann doch noch einmal mit dabei waren. Was für sie so unfassbar war: In ihrer Erinnerung war das Riesenrad ein riesiges Rad. Und als sie jetzt darauf zusteuerten, wunderten sie sich schon, dass sie es von Weitem nicht sehen konnten. Sie sahen es erst, als wir quasi davor standen - kein Wunder, es war ein ganz kleines Riesenrad! Es war das erste Mal, dass meinen Kindern bewusst wurde, wie alt, wie groß, wie erwachsen sie sind! Wie die Zeit, wie ihre Zeit vergeht!

Mittwoch, 2. Dezember 2020

Und immer diese Angst im Nacken!

So, auch das wäre geschafft! Selbstredend ging es nicht ganz ohne Anfeindungen und Drohungen ab. Und zeitweise habe ich mich auch ein ganz klein wenig unter Druck gesetzt gefühlt. Dass es da sogar eventuell um Gefahr für Leib und Leben gehen könnte, wär ich ja im Traum nicht drauf gekommen. Gut, ich hätte es mir denken können. Weil, das ging ja vorher schon durch die Medien, dass … 

Aber fang ich doch erst mal am Anfang an. Ich hatte ja schon mal erwähnt, dass ich dabei bin, mir ein zweites Standbein aufzubauen, was das Geldverdienen betrifft. Gut, da kann ich jetzt keine großen Sprünge mit machen, aber immerhin. Und mein Traummann hat dann am Wochenende auch mal ein paar Stunden für sich. Ich war ja schon zweimal als stellvertretende Briefwahlvorsteherin tätig. Und da muss ich wohl recht fix und akkurat gearbeitet haben, denn die haben sich ganz lieb für meine Unterstützung bei der Kommunalwahl und Stichwahl bedankt. Und sofort nachgefragt, ob ich ihnen denn auch bei der Auszählung zum Bürgerentscheid "Rettet das Melbbad" helfen könne. Kein Problem, aus oben erwähnten Gründen. Und es hieß ja auch dann in meinem SCHAUFENSTER: Bonns dritter Bürgerentscheid. Abstimmen über Wohnbebauung am Melbbad. Per Briefabstimmung entscheiden die Bonner im November 2020 darüber, ob am Rande des Melbbades geförderter Wohnraum entstehen soll oder nicht. Bis 6. November erhalten die rund 249.000 Abstimmungsberechtigten ihre Unterlagen, die bis spätestens Freitag, 27. November, zurückgeschickt werden können. Ausgezählt wird am 28. November. Zum dritten Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt Bonn kommt es, weil die Bürgerinitiative "Rettet das Melbbad" ein erfolgreiches Bürgerbegehren gegen den geplanten Wohnungsbau am Melbbad durchgeführt hat und der Stadtrat sich diesem Bürgerbegehren nicht angeschlossen hat. Abgestimmt wird über die durch die Bürgerinitiative formulierte Frage: "Soll das Melbbad in seiner jetzigen Form ohne eine Wohnbebauung erhalten bleiben?" 

Zunächst einmal war ich nach der Lektüre dieser Zeilen so was von traurig. Ich meine, das wäre doch wirklich mal wieder die Gelegenheit gewesen. So oft bietet die sich doch nun wirklich nicht. Aber ich musste mich damit abfinden, dass in diesem Artikel in diesem Zusammenhang das Wörtchen Quorum nicht gefallen ist. Wo, wenn nicht in diesem Artikel, hätte man Quorum unterbringen können? Und dann habe ich mich allerdings als Auerbergerin gefragt: Wo genau kommt der geförderte Wohnraum denn dann hin, wenn nicht da am Melbbad? Doch wohl nicht auch noch zu uns in den Auerberg. Habe mich aber sofort beruhigt, weil, bei uns ist jetzt wirklich alles zugebaut. Auch schön, da musst du dir darüber schonmal keine Gedanken mehr machen. Ich weiß noch, als mein Traummann und ich vor 30 Jahren in den Auerberg zogen. Da gab es viel freie Fläche und immer wieder hast du dich gefragt, was wird da wohl hingebaut. Jetzt weiß ich es. Aber zurück zum Melbbad. Ehrlich gesagt, unterm Strich hatte ich zu dieser Frage gar keine Meinung. Erinnerte mich aber, dass da doch ein Unwetter seine Hände mit im Spiel hatte. Gibt’s da überhaupt noch was zu erhalten? 

Was ich aber eigentlich sagen wollte, ich hatte mir bei der Kommunalwahl und der Stichwahl hinsichtlich, also dass ich da irgendwie in die Bredouille komme, überhaupt keine Gedanken gemacht. Ja, ich habe lustvoll Briefe aufgeschlitzt. Ja, und es gab selbstredend Stimmen, über die hinsichtlich ihrer Gültigkeit per einheitlichem Beschluss abgestimmt werden musste. Wenn zum Beispiel kein Kreuz gemacht wurde, also nichts, dann war die Stimme ungültig. Oder wenn jemand überall ein Kreuzchen gemacht hatte, auch ungültig. Wenn jemand noch einen Bewerber hinzugefügt und den gewählt hatte, auch ungültig. Oder wenn jemand hinter jedem Bewerber statt eines Kreuzchens ein Frage- oder Ausrufezeichen gesetzt hatte, auch ungültig. Oder wenn jemand statt des Stimmzettels das Foto seines Kandidaten beigelegt hatte, auch ungültig: Habe ich alles mit Bravour gemeistert. 

Und dann kamen die Bilder aus den USA. Und ich habe auch mal bei Wikipedia vorbeigeschaut. Da hieß es: Wahlhelfer beziehungsweise Stimmenzähler sind Mitglieder eines Wahlvorstands, welche Stimmzettel in den Wahllokalen ausgeben und die ordnungsgemäße Wahl der Bürger sicherstellen, nach Beendigung der Wahlzeit die Wahlzettel auszählen und für das jeweilige Wahllokal das Wahlergebnis feststellen. Hallo, "welche die ordnungsgemäße Wahl der Bürger sicherstellen". Und, da bin ich ehrlich, wurde mir doch im Nachhinein ein wenig blümerant. Gut, nutzte alles nichts, ich hatte meine Hilfe angeboten und bin dann hin, am 28. November. 

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die von der Stadt mich nicht mehr anrufen. Weil, ich schob, wie gesagt, jetzt so was von Panik, war Nächte zuvor triefnass in Schweiß gebadet aufgewacht, dass ich da jetzt nichts falsch mache. Ich hatte es ja bei den US-Wahlen gesehen, wie da die Wahlhelfer unter Druck geraten waren, bedroht worden waren. Und ständig die Wahlbeobachter im Nacken. Deshalb habe ich vermutlich einfach zu langsam ausgezählt und bei eindeutiger Sachlage zu lange debattiert. Es ist dann ein wenig eskaliert, als es um einen Stimmzettel ging, wo jemand mit größter Akribie das Melbbad gezeichnet, aber kein Kreuzchen gemacht hatte. Da hat mein Team - wegen meiner - einfach zu lange gebraucht, um den Stimmzettel für ungültig zu erklären. Um die Sache abzukürzen, mein Abstimmungsteam hat bis tief in die Nacht malocht. Und das, wenn man bedenkt, dass wir um 7:00 morgens angefangen haben und die anderen Teams schon um 10:00 wieder durch die Tür waren. Aber ich hatte so was von Angst, dass man mir im Nachhinein Wahl- also Abstimmungsbetrug vorwerfen könnte - bei so einer wichtigen Sache. 

Wie gesagt, ich bin mir ziemlich sicher, dass die mich von der Stadt nie mehr anrufen. Weil die genau wissen, dass keiner in meinem Team arbeiten will, weil du da erst um Mitternacht aus dem Stadthaus kommst.