Mittwoch, 30. September 2020

Brauchen wir die eigentlich noch, die 30er Schilder?

 

Diese Sprüche wie "60 ist das neue 50 oder 40 oder - ne, klar! - 30". Hallo, ich sag dazu nur Folgendes. Es gibt Handcreme mit 5% Urea ( also Pipi!) für sehr trockene Haut und es gibt Fußcreme mit 10% Urea. Und wenn du dir aus Versehen die Fußcreme auf die Hände schmierst, du das aber gar nicht mitbekommst, weil die so was von schnell einzieht - dann bist du alt. Also ich. Stellt sich mir jetzt nur die Frage, was nehme ich in Zukunft für die Füße? Ich tippe da mal auf Schrundencreme.

Ich komm deshalb drauf, weil, ich hatte ja gesagt, dass ich ins Stadthaus komme. Und da hatte ich im Vorfeld schon mal meine Hände sorgsam gepflegt. Nicht dass es nachher an mir gelegen hat. Und wo wir gerade bei der Körperkultur sind. Neulich hörte ich von Menschen, die auf ihre Weise versuchen, den Wegfall vieler kultureller Veranstaltungen mit umso mehr Körperkultur auszugleichen: Wenn die nach Hause kommen, waschen sie sich die Hände (klar!), schmeißen sämtliche Klamotten in die Waschmaschine und duschen. Würde mich nicht wundern, wenn die auch Mäntel und Blazer bei 60 Grad waschen. Und es würde mich nicht wundern, wenn ich demnächst in Kleidungsstücken Etiketten finde mit den Lettern "Nein, dieses Teil darfst du Vollpfosten nicht auf 60 Grad waschen!"

Ein wenig zurecht gemacht fürs Stadthaus hatte ich mich natürlich schon. Das dauert auch immer länger. Weil, das muss ich schon sagen, das ist ja ganz anders gekommen, als ich gedacht hatte. Ich hatte ja gedacht, dass die Nachfrage nach Make-up drastisch zurückgehen würde, weil die Maske eh fast das ganze Gesicht verdeckt. Was ich mir trotz Maske aber nicht nehmen lasse, ist der Lippenstift, falls ich die Maske denn doch mal abnehme. Meist ist der dann aber so was von verschmiert, dass ich aussehe wie ein Clown. Was ich aber eigentlich sagen wollte, ich brauche mittlerweile mehr Make-up als vor Corona, und zwar in jeglicher Form. Ob als Kompaktpuder oder Cover Stick, Hauptsache mit perfekter Deckkraft! Und zwar für die Unterarme und Ellenbogen. Da habe ich vom Einkaufswagen-Schubsen, vom Ampel-Drücken und Türklinken-Öffnen so unglaublich viele blaue Flecken, dass mein Traummann echt in Verdacht geraten könnte.

 Ich habe auch versucht, wo ich schon mal näher an denen da oben dran war, an den Entscheidungsträgern, habe ich mal versucht herauszubekommen, wie es eigentlich zur Zeit um die Schulpflicht in Deutschland bestellt ist. Ich komm deshalb drauf, weil, neulich kam ich ins Gespräch mit einer Mutter, die mir erzählte, dass sie ihr Kind aktuell nicht in die Schule schicke. Und wie ich dann so bin, so blöd, habe ich gefragt, warum. Hätte ich besser gelassen. Weil, ich wusste gar nicht, wie mir geschieht. Ich bekam den Mund gar nicht mehr zu. Sie meinte nämlich, demnächst stünde bei ihnen ein Familienfest an und da wolle sie kein Risiko eingehen, dass ihr Kind durch die Schule das Corona-Virus in die Familie trägt.

Das zieht ja noch größere Kreise. Ein Kind geht nicht in die Schule, weil der alte Opa zu Besuch ist oder die Oma bald kommt. Wenn ich davon ausgehe, dass fast alle Schüler eine Oma oder einen Opa haben, was machen wir dann eigentlich mit den vielen 30er Schildern vor, hinter und neben den Schulen? Wenn immer weniger Kinder, eigentlich keine, aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr in die Schulen gehen, stehen die ja leer. Da braucht's die Schilder doch wirklich nicht mehr. Werden die dann abmontiert und womöglich für neue 30iger-Zonen benutzt - womöglich auf Autobahnen, nachts?

Ich war so was von aufgeregt am Wahlsonntag. Ich war stellvertretende Briefwahlvorsteherin. Eine der schwierigsten Aufgaben für mich: zu meinem Einsatzplatz, Etage 8 A, Säulen 1 + 2 zu gelangen. Das Konzept mit den zwei Aufzugsgruppen hat mich schon zu Beginn vollkommen überfordert. Ja, und was soll ich sagen? Es gab wirklich viel zu tun, und das bitteschön alles mit größter Genauigkeit und vollster Konzentration: die Wahlurne verschlossen, in aller Beisein geöffnet, die Wahlbriefe entnommen, Selbige zugelassen, wenn sie die Kriterien erfüllten, die Briefwählenden gezählt, Stimmzettelumschläge geöffnet, Stimmzettel sortiert, Stimmen ausgezählt. Es wurden Häufchen gebildet, 5er, 10er, 20er-Häufchen, es wurde gestapelt, noch einmal gezählt, zusammengerechnet, gegengerechnet, subtrahiert, kontrolliert. Es wurden Beschlüsse, selbstredend einheitlich, gefasst und dokumentiert. Es wurde überhaupt alles dokumentiert. Es wurde das Gesamtergebnis ermittelt und geprüft, die Schnellmeldung abgegeben und die Briefwahlniederschrift vervollständigt. Und, ja, meine Hände waren nicht zu rau, das Zählen ging zügig von der Hand, sie haben sich tapfer geschlagen, die Hände.

Und wo ich gerade beim Schlagen bin, ich habe eine ganz neue Seite an mir entdeckt - eine zutiefst martialische. Ich weiß nicht, ob ich mir da Sorgen machen muss. Weil, ich hatte so was von Spaß, und das doch immerhin bei einer zerstörerischen Tätigkeit. Ich hatte vorher noch nie, da sieht man mal, jetzt bin ich schon so alt und entdecke immer noch eine neue Facette an mir. Ich hatte vorher noch nie so einen langen Brieföffner aus Metall in der Hand gehalten. Mit so einer langen, ja ich möchte fast sagen, Klinge, einen Brief nach dem anderen aufzuschlitzen - eine ganz neue Erfahrung für mich. Und wenn man sich jetzt vorstellt, dass wir erst alle Briefe aufgeschlitzt und gestapelt haben, bevor wir uns mit deren Inhalt befasst haben. dann hat man vielleicht eine Ahnung, in was für einen Rausch ich da beim Aufschlitzen gekommen bin!

Ich habe übrigens null Zeit gefunden, die Fenja und den Jürgen zu fragen, was genau damals mit der Skulptur "Mother Earth" gelaufen ist.

Mittwoch, 9. September 2020

Ich ziehe ins Rathaus ein!

Neulich sah ich in der Innenstadt einen kleinen Jungen auf einem kleinen Roller mit seinen Eltern. Auf dem kleinen Köpfchen ein großer, schwerer, massiver Helm. Spontan in meinem Kopf: Ist der Helm gegen Corona? Und - ich habe bei meinem Lieblingsdiscounter als Sonderposten Toilettenpapier mit Blümchenmuster gesehen. Spontan in meinem Kopf: Es ist alles wieder in Ordnung.

Nein, Spaß beiseite, ich erwähnte ja schon, dass dieses Virus sämtliche Facetten einer Persönlichkeitsstruktur ans Tageslicht bringt. Mein Traummann und ich waren ja in diesem Corona-Sommer mit dem Rädchen in Tschechien und Polen unterwegs. Wir sind ohne Corona über die Grenzen und mit noch weniger von Selbigem zurückgekommen. Ich wüsste auch beim besten Willen nicht, wie wir es hätten uns einfangen können. Zuerst sind wir von Prag bis Dresden entlang der Moldau und  Elbe geradelt und dann eine Woche in Polen in Krakau und Breslau entlang der Oder und Weichsel. Jeden Tag ein neues Hotel mit Frühstück - schon in Zeiten ohne Corona immer wieder ein neues Abenteuer. In Zeiten von Corona um so mehr! Was sich das Personal für Mühe gibt, gemäß der Hygieneregeln alles richtig zu machen, damit der "Laden" nicht wieder geschlossen wird! Nur eine Stilblüte: Im Hotel "Lwowska 1" in Krakau hatten die eigens für mich eine Person abgestellt, die mir an dem unglaublich leckeren Büffet folgte und mir meine Wünsche auf meinen Teller legte - natürlich mit Handschuhen und Maske!

Und auf der anderen Seite erfahre ich justamente zur selben Zeit in den Nachrichten, dass auf Mallorca am Ballermann wieder richtig zünftig gefeiert wird - drinnen! Wie verlogen ist das denn! Seit Jahren höre ich ständig, dass Mallorca die Schnauze voll hat vom Ballermann-Touristen und grundlegend eine Kehrtwende einleiten möchte. Hallo, wäre das nicht die Chance gewesen, das Virus? Von wegen, da hängen doch Arbeitsplätze dran. Das war doch klar, dass es nicht ohne Einbußen geht! Und in den Nachrichten erklärt eine österreichische Verantwortungsträgerin, man könne natürlich nicht nachvollziehen, welche schon abgereisten deutschen Touristen sich jetzt in einem bestimmten Hotel angesteckt hätten. Hallo, gerade die Hotels haben doch meine Adresse!

Apropos Hotels. Also ich kann mich ja auf vieles einstellen: zu weiche Matratze, oder vielmehr nur eine Matratze für mich und meinen Traummann, funzelige Nachttischlampe, ein fest montierter, nicht abnehmbarer Duschkopf mit null Wasserdruck - kann ich mit leben. Was mich aber total kirre macht, wo ich nicht weiß, wohin mit mir, sind Kleiderbügel, die fest im Schrank installiert sind.

Wo ich gerade bei Kleidern bin - ich ziehe ja demnächst ins Stadthaus um. Und wenn ich da sowieso schon mal bin, will ich nochmal den Jürgen und die Fenja fragen. Weil, da hieß es neulich in meinem SCHAUFENSTER unter den Lettern "Zum 75-jährigen Bestehen der UN wurde die 4,20 Meter hohe Stahlskulptur 'Mother Earth' enthüllt": Das Kunstwerk, ein Geschenk des Künstlers und Umweltaktivisten Barton Rubenstein, sollte bereits 2017 in Bonn installiert werden. Anlässlich der Enthüllung meinte der Jürgen Repschläger (Bündnis LINKE und Mitglied des Kulturausschusses des Rates der Stadt Bonn), das Kunstwerk in Form eines menschlichen Profils, das aufgrund seines jetzigen Standortes auf der Sonnenseite Bonns stehe, richte den Blick auf den UN Campus. Eigentlich habe der Künstler 2017 gewollt, dass sein Werk als Schenkung am Platz der Vereinten Nationen aufgestellt wird. Die Stadt Bonn habe aber damals seine Schenkung nicht haben wollen. Leider. Auch die Frau SPD Stadträtin Fenja Wittneven-Welter sprach von einem Versäumnis der Stadt und von einer großartigen Bereicherung für die Kunst im öffentlichen Raum. Es sei gut, dass Jörg Haas das Kunstwerk erworben und auf seinem Grundstück vor der "Rohmühle" aufgestellt habe. Auf Anfrage habe das Presseamt der Stadt Bonn geantwortet: Im Jahr 2017 hat sich die Kunstkommission des Rates der Stadt Bonn mit der Skulptur "Mother Earth" befasst. Der Künstler hatte 2017 konkret eine Aufstellung am Platz der Vereinten Nationen vorgeschlagen. Die Kommission hatte sich mit Blick auf die im Umfeld bereits vorhandenen, hochkarätigen Kunstwerke und auch aus künstlerischen Gründen gegen eine Aufstellung ausgesprochen.

Ich muss da mal im Stadthaus genau nachfragen. Dann sollen die mir auch mal erklären, was es mit dem Hare-Niemeyer-Verfahren auf sich hat. Darauf verwies nämlich das Presseamt der Stadt Bonn in dem Artikel. So wie ich das verstanden habe, ging es mal wieder nur darum, wer wem den Schwarzen Peter zuschieben kann. Dass diejenigen, die sich heute im Jahr 2020 über die Entscheidung vom Jahr 2017 beschweren, genau die sind, die damals genau diese Entscheidung gefällt haben. Und ich weiß immer noch nicht, wer genau, also mit Namen, das damals verbaselt hat. Dann waren ja der Jürgen und die Fenja damals auch mit von der Partie.

Weil ich gerade beim Stadthaus und der Stadt Bonn bin. Hallo, da hätte die Stadt ja mal locker 500.000 Euro sparen können. Genau so viel hat nämlich das neue Übungshaus für  die Feuerwehr gekostet. Und ob der immensen Ersparnis hätte sie dann die 30 Km/h-Blitze auf der Josefshöhe entfernen können. In einem anderen Artikel berichtete mein SCHAUFENSTER nämlich über die Fertigstellung eines Übungshauses für die Berufs- und Freiwillige Feuerwehr. Es wurde so geplant, dass dort möglichst viele unterschiedliche Einsatzszenarien bei der Brandbekämpfung simuliert werden können. Die schlichte Bauweise (ohne Innenputz, Estrich und Heizung) wurde bewusst gewählt, damit bei Einsatzübungen nichts beschädigt werden kann, das im Anschluss neu beschafft oder installiert werden muss. So sei es zudem möglich, die Schläuche, wie im realen Einsatz auch, mit Wasser zu füllen und verschiedene Löschtechniken zu üben. Dies sei bei vielen privaten Übungsprojekten aufgrund möglicher Wasserschäden nicht durchführbar (stimmt, sag ich da nur!).  Und ich sag nur, einfach das hässliche Stadthaus räumen und als Übungshaus verwenden! Da kann man wenigstens begründen, warum es so aussieht wie es aussieht. Und wie es da so war, im Stadthaus (ich meinte natürlich Stadthaus und nicht Rathaus), erzähle ich nächstes Mal.