Mittwoch, 22. Februar 2023

Darf sie das? Ja, das darf ich!


Holla die Waldfee, sag ich da nur. Was sich da bei mir in den letzten Jahren stapelweise an SCHAUFENSTER-Ausschnitten angesammelt hat! Ich, die Spontan-Ausschneiderin, denke immer, den kann ich bestimmt mal für meinen Blog verwenden. Beispiel folgende Lettern:

Müllsünder müssen zahlen - 39 Mitarbeiter des Ordnungsamtes bitten zur Kasse. Mit einem neuen Konzept rückt der Ordnungsdienst der Stadt Bonn den gedankenlosen Zeitgenossen zu Leibe, die ihre Zigarettenkippen in der freien Natur entsorgen, die nicht wissen, dass ihre Pappbecher für den Coffee-to-go in den Mülleimer gehören, die ihren Privatmüll der Öffentlichkeit in schöner Regelmäßigkeit präsentieren, kurzum: Die nicht wissen, was sich gehört. Die Mitarbeiter werden ab Januar 2019 (auf dem Foto zu dem Artikel siehst du noch den alten OB Ashok Sridharan!) gelegentlich ihrer Streifengänge die Leute verwarnen, die etwa die Hundekothaufen ihrer vierbeinigen Lieblinge der Öffentlichkeit überlassen. Zunächst gilt ab Januar noch die sanftere Welle. Die Müllis bekommen die gelbe Karte gezeigt. Auf der steht, was sie zahlen müssen, wenn sie weiterhin den Müll auf die Straße kippen. Nach einer Übergangszeit von 4 bis 6 Wochen wird es dann ernst: Dann greift das Ordnungswidrigkeitenrecht. Die Ordnungshüter bitten gleich an Ort und Stelle kräftig zur Kasse: 25 Euro kostet die weggeworfene Zigarettenkippe, 35 Euro die Getränkedose, bei Kaugummi ist man mit 50 Euro dabei. Wer Sperrmüll auf die Straße oder ins Gebüsch kippt, zahlt 100 Euro. Ob sich das dann wirklich lohnt? Die speziell geschulten Ordnungskräfte versprechen derweil, höflich und ruhig mit den Betroffenen ( ich hätte jetzt so aus dem Bauch raus "mit den Betreffenden" geschrieben) umzugehen: "Wir arbeiten immer deeskalierend."

 Als ich vor Jahren diesen Artikel las, dachte ich spontan, dass wir, also die Stadt Bonn, jetzt aber so was von schnell aus den roten Zahlen sein werden. Weil, an Menschen, die ihren Scheiß einfach unter sich fallen lassen, herrscht ja wirklich kein Mangel. Ich war schon dabei, die monatlichen Einnahmen zu überschlagen, abzüglich der Personalkosten für die neuen Mitarbeiter, als ich mich fragte, wann ich das letzte Mal einen Menschen gesehen hatte, der extra auf Publikum gewartet hat, um dann unter Beifall seinen Sperrmüll ins Feld zu kippen. Ich stellte fest, ich hatte noch nie einem Menschen dabei zugesehen. Vermutlich weil ich unaufmerksam bin, vielleicht aber auch, weil diese Menschen es eher bevorzugen, unbeobachtet zu sein.

Und so stelle ich mir vor, wie so eine Situation aussehen könnte: Mehrere männliche Jugendliche, mit oder ohne Gewaltpotential, mit und ohne Migrationshintergrund, lassen abwechselnd mal hier und mal da ihre Kippen fallen, wahlweise zusätzlich Kaugummi ausspuckend. Dies beobachten zwei Mitarbeiter des Ordnungsdienstes (2019 hieß es noch Mitarbeiter. Heute heißt es natürlich MitarbeiterInnen oder Mitarbeitende). Die beiden speziell geschulten Ordnungskräftigende sprechen freundlich besagte Mitmenschen an: "Dürfen wir Sie darauf aufmerksam machen, dass das Entsorgen von Zigarettenkippen und das Ausspucken von Kaugummi in der freien Natur eine Ordnungswidrigkeit ist?" Darauf tritt ein Jugendlicher, der sich spontan als Sprecher der Gruppe versteht, vor: "Darf ich mich vorstellen. Mein Name ist Justin Müller. Wo sie recht haben, haben Sie recht. Kürzlich erst habe ich einen Artikel im SCHAUFENSTER dazu gelesen. War es nicht so, dass eine Kippe 25 Euro und ein Kaugummi 50 Euro kostet?" Und sich an seine Kumpels hinter ihm wendend: "Jungs, denkt nach, wer hat was gemacht. Kevin, du hast keine Diskalkulie, rechne das mal eben für die Herren zusammen." Mustafa und Juri sind kurz ein wenig verstimmt, weil Justin nur Kevin angesprochen hat. Schließlich sind auch sie sehr wohl in der Lage zu rechnen. Hallo, wenn du deinem Kunden ein Päckchen für 100 Euro verkaufen willst, der aber nur 50 Euro bei sich hat, gibst du ihm doch nur die Hälfte, oder? Egal, sie kriegen sich schnell wieder ein, schließlich wollen sie ja die beiden Ordnungshüter nicht zu lange warten lassen. Nach geraumer Zeit steht die recht stattliche Summe von 410 Euro fest. Justin, unser Wortführer, schon ein wenig schwitzend, denn ihm ist diese Situation total unangenehm: "Wenn ich den Artikel im SCHAUFENSTER richtig in Erinnerung habe, bestehen Sie auf Barzahlung. Sie werden verstehen, dass wir so viel Bargeld nicht mit uns rumtragen. Ich müsste also kurz an einen Bankautomaten. Ich hätte da noch zwei Fragen: Sieht Ihr Kostenkatalog auch Mengenrabatte vor? Und, ist das Aufheben und fachgerechte Entsorgen der Kippen im Preis inkludiert?" So stelle ich mir die Dialoge vor. 

Weil ich gerade so dermaßen gedankenlos das Wort Migrationshintergrund benutzt habe. In den Medien hieß es: Auch in Bonn kam es in der Silvesternacht zu schweren Krawallen. Nach Angaben der Polizei verabredeten sich Jugendliche und Heranwachsende zu Angriffen auf die Polizei. Die Gruppe im Alter zwischen 16 und 19 Jahren soll sich den Angaben der Bonner Polizei zufolge in einer WhatsApp-Gruppe zu Angriffen auf Polizei und Einsatzkräfte der Feuerwehr zum Jahreswechsel im Problem-Viertel Medinghoven verabredet haben. Die Gruppe von zirka 20 Personen hatte Müllcontainer angezündet. Anschließend hatten die Chaoten die Feuerwehr bei ihrem Einsatz mit Steinen und Böllern beworfen. Als die Polizei die Einsatzkräfte schützen wollte, ging ebenfalls ein Hagel aus Böllern und Steinen auf die Beamten nieder. Die Tatverdächtigen verfügen laut Polizei alle über einen Migrationshintergrund. Zur Chatgruppe zählen zwei Deutsch-Syrer, zwei Deutsch-Jordanier, ein Deutsch-Marokkaner, ein Iraker, ein Rumäne sowie ein junger Mann mit rumänisch-somalischen Wurzeln. Teilweise besitzen die Beschuldigten die doppelte Staatsbürgerschaft ...

Als ich diesen Artikel las, mein erster Gedanke (nicht etwa, wie schrecklich, die armen Einsatzkräfte), nein, mein erster Gedanke: Darf er das ( denkst du auch an den Comedian Chris Tall), der Schreiber? Darf er schreiben Deutsch-Syrer, Deutsch-Marokkaner? Mein zweiter, ja, er darf - allerdings.

Mittwoch, 1. Februar 2023

Wenn ich Einbrecher wär …

Sind jetzt alle drin? Oder muss ich nochmal nachhelfen? Aber da macht die Zeit ja keinen Unterschied. Im Angesicht der Zeit sind wir alle gleich: die Guten und die Schlechten, und auch die Klugen und die Blöden. Auch die Bekloppten dürfen rüber ins neue Jahr. Apropos bekloppt, ich weiß auch nicht, warum mir da jetzt diese drei Frauen einfallen. Da hieß es in den Medien: Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat entschieden: Die Corona-Infektion von drei Klägerinnen aus NRW wird nicht als Dienstunfall anerkannt. Eine Grundschullehrerin aus Hünxe, eine Oberstudienrätin aus Moers und eine Finanzbeamtin aus Remscheid hatten gemeint, sie hätten sich beim Arbeiten mit dem Coronavirus infiziert. Die Grundschulpädagogin auf einer Lehrerkonferenz, die Gymnasialkollegin bei zwei Schülern und die Finanzbeamtin bei einem Treffen mit Personalräten. Laut Verwaltungsgericht konnte auch nicht bewiesen werden, dass die Frauen im Dienst - wie zum Beispiel Pflegekräfte - einer besonderen Gefahr ausgesetzt seien. Kontakte zu anderen, betonte die Richterin, gehören zum allgemeinen Lebensrisiko. Somit stehen den Frauen keine monatlichen Zusatzzahlungen zu. Die Klägerinnen leiden ihren Angaben zufolge bis heute unter den Folgen. Eine von ihnen soll seit Ende 2020 krankgeschrieben sein. Das Land NRW sagt, die Corona-Infektionen seien keine Dienstunfälle. Die Klägerinnen hätten sich überall infizieren können.

Holla, die Waldfee! Da musst du erst mal drauf kommen. Einfach mal sacken lassen: zwei Lehrerinnen und eine Finanzbeamtin. Wo ich gerade bei der Finanzbeamtin bin. Kürzlich habe ich für einen Nachbarn beim Finanzamt Bonn-Innenstadt die Formulare "Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts" in Papierform besorgt. Der Nachbar hat keinen Computer, kein Internet. Deshalb habe ich das für ihn gemacht. Im Finanzamt an der Pforte fragte ich die Dame hinter der Corona-Trennwand, ob ich die ausgefüllten Formulare dann einem Menschen abgeben könne, um kurz abzuklären, ob ich alle Felder ausgefüllt habe. Dies sei nicht möglich, wurde mir erklärt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Beifügen der "Anleitung zur Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts (Vordruck GW-1)" und der "Anleitung zur Anlage Grundstück zur Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts (Vordruck GW-2)" und das Bereitstellen einer Telefon-Hotline unter Bürgernähe verstehe.

Apropos Bürgernähe. Was mir wiederum viel zu nah ist und - vor allem - total überflüssig erscheint: Vor Kurzem hat die Stadt Bonn ein 3D-Modell der Stadt Bonn veröffentlicht. Dort sieht man - im Gegensatz zu Google Maps und Google Earth - in gestochener Schärfe die Grundstücke von oben. Freunde meinten: "Ein Service der Stadt Bonn für Einbrecher und & Co.? Wie reizend." Ich hatte an die Stadt Bonn geschrieben, dass wir von unserem Recht Gebrauch machen möchten, unser Grundstück verpixeln zu lassen. Und erhielt folgende Antwort: Die unter dem Titel „Bonn in 3D“
(URL https://3d.bonn.de) am 16.6.2021 veröffentlichte 3D-Visualisierung der Gesamtstadt, positioniert sich im Rahmen der Smart-City-Strategie als eine erste Grundlage für zukünftige Anwendungen, die hauptsächlich zu mehr Transparenz in der Partizipation des Bürgers in Planungsprozessen führen soll. Diese Zeilen hätte ich jetzt gerne mal ins Deutsche übersetzt! Ich verstehe sie nicht! Ich weiß immer noch nicht, wofür dieses Modell zusätzlich gebraucht wird.

Weiter heißt es in der Antwort: Das Land NRW, zahlreiche Kommunen und auch die Stadt Bonn veröffentlichen seit vielen Jahren 2D-Luftbilder mit Auflösungen von 10 cm und darunter. Die rechtliche Grundlage zur Anfertigung von Luftbildaufnahmen ist im Vermessungs- und Katastergesetz verankert. In Anlehnung an 3D-Mesh Veröffentlichungen anderer Kommunen wie z.B. Stadt Bielefeld, Kreis Unna und dem Produkt Google Earth hat sich die Stadt Bonn zu einer Veröffentlichung entschlossen, die den Blickwinkel und Detailierungsgrad jener bereits breit im Einsatz befindlichen Dienste imitiert. So wurde daher in Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten für die Veröffentlichung in „Bonn in 3D“ der Zoom Level einer Boden- und Fassaden-Auflösung von ca. 10 cm angepasst und auch der Blickwinkel im unteren Spektrum limitiert, sodass nicht zu flach in Dachgärten und Balkone Einblick genommen werden kann. Personenidentitäten und Fahrzeug-Kennzeichen sind in den Darstellungen nicht erkennbar, auch ist eine maschinenlesbare Verbindung der Darstellungen mit Adressen und somit wiederum anderen Personen bezogenen Datenquellen nicht gegeben.

Wir werden aber aufgrund der von Ihnen vorgetragenen Bedenken nochmals die Schutzinteressen von Ihnen als Bürger gegenüber dem Nutzen von Stadtmodellen für den Bürger in den Eingangs skizzierten Anwendungsfeldern prüfen und abwägen.

Wie ich schon erwähnte, ich verstehe den zusätzlichen Nutzen für mich als Bürgerin nicht. Ich habe so ein 3D-Modell bisher nicht vermisst. Worüber ich aber froh bin, dass Personenidentitäten und Fahrzeug-Kennzeichen in den Darstellungen nicht erkennbar sind! Hallo, das wäre ja noch schöner! Gut, dass wir darüber mal gesprochen haben. Die Prüfung und Abwägung scheint offensichtlich noch voll im Gange zu sein. Ich habe bis jetzt noch nichts Weiteres gehört.

Da lob ich mir doch den Bonner Generalanzeiger. Da verstehe ich jedes Wort, da werden mir die Zusammenhänge einmal ganz klar und deutlich verklickert. So hieß es dort: Radunfälle im Zusammenhang mit Bahnschienen betreffen in Bonn vor allem Straßen, auf denen in Bonn Straßenbahnen verkehren. Aha! Stimmt.