Mittwoch, 27. Oktober 2021

Neuer Trend: Popel-Zahncreme und Ohrenschmalz-Frikadellen

Versteh ich nicht! Neulich hatte ich von Immobilien Scout 24 ein Schreiben im Briefkasten, dabei ist unser Garten jetzt in einem 1a-Zustand: Da heißt es in dem Schreiben: "Sehr geehrte Immobilieneigentümer, wussten Sie, dass sich die Nachfrage nach Häusern und Eigentumswohnungen in NRW auf einem Rekordhoch befindet? Das führt dazu, dass Eigentümer zurzeit besonders hohe Preise für Ihre Immobilien verlangen können." Was mich, ehrlich gesagt, ein wenig irritiert hat: Dass irgendwelche Eigentümer für meine Immobilie einen hohen Preis verlangen können. Hat bei denen vermutlich tatsächlich etwas mit dem Alter zu tun, dass die das Wort "Ihre" groß schreiben.

Apropos Alter. Hatte ich schon erwähnt, dass ich in Zeiten von Corona so was von draufgesattelt habe? IT-mäßig, schon wegen der Schule. Ich sag nur TEAMS. Was ich da an Humor draufsatteln musste. Nun hatte ich noch Glück mit meinen kleinen Gruppen. Ich habe da immer drauf bestanden, dass die Schüler die Kamera anmachen. Und da sagt doch einer: "Ich fühle mich beobachtet." Und ich: " Das soll so." Der war das gar nicht mehr gewohnt, dass der Lehrer mitbekommt, wenn er zwischenzeitlich zu REWE geht oder zu NETTO. Dann gabs einen, der so was von konzentriert war. Aber jetzt nicht, dass der mir aufmerksam zugehört hätte, nein, er schaute konzentriert aus dem Fenster. So was von konzentriert, dass ich wusste, für mich bleibt da null an Konzentration übrig. Ich hab dann mal nachgefragt, was es denn so Spannendes draußen zu sehen gab. Antwort: "Ich glaub, da kommt der DHL-Mann." Ich: "Dann geh endlich." Oder ich hatte den ein oder anderen, der so was von gedankenverloren in der Nase popelte und das Gefundene dann verzehrte. Was für mich jetzt kein Problem ist, weil ich irgendwann mal gelesen habe, dass der Verzehr der eigenen Popel durchaus gesund ist.

Ich hab das auch nochmal im Internet. Und da finde ich doch sofort die Lettern "Popel essen ist gesund": Als Kinder lernen wir von Eltern und Erziehern: Schleim aus der Nase gehört ins Taschentuch. Eine Studie der amerikanischen Elite-Forschungseinrichtung MIT zeigt allerdings: Das ist falsch. Popel essen ist gesünder. Nicht alle Forschungsergebnisse sind leicht verdaulich und die folgende Erkenntnis ist nichts für zart besaitete Seelen. Da sie aber der Gesundheit von Kindern dient, sollte sie nicht verschwiegen werden: Fingern die Kleinen in der Nase und gehen ihre Hände danach zum Mund, sollte man sie nicht davon abhalten. Popel zu essen ist gesund, sagt unter anderem Biochemie-Professor Scot Napper von der Universität Saskatchewan in Kanada. Dem Fernsehsender CBC-News zufolge beobachtete Napper seine beiden Töchter beim Popeln und fragte sich, ob das Verhalten der Mädchen womöglich ihrem Immunsystem nutzt. Nappers These: Die Körperabwehr nutzt die Bakterien aus dem Schleim, um zu trainieren und zwischen guten und schlechten Mikroorganismen zu unterscheiden. Unterbindet man diesen Kontakt und pflegt man insgesamt ein zu hohes Maß an Hygiene, kann das zu Allergien und Autoimmunerkrankungen führen. In eine ähnliche Richtung gehen Erkenntnisse von Forschern der amerikanischen Eliteeinrichtung Massachusetts Institute of Technology (MIT). Sie haben untersucht, was Bakterien aus dem Popel im Mund und Rachenraum bewirken. Dabei zeigte sich, dass die Mikroben wiederum andere, schädliche Mikroorganismen in Schach halten. Wen es innerlich graust, die eigenen Popel zu verspeisen, für den haben die MIT-Forscher demnächst eine Alternative parat. Sie wollen eine Zahncreme entwickeln, die auf synthetischem Nasenschleim basiert. Bis die auf dem Markt ist, reicht es vielleicht einfach aus, die eigenen Kinder in Ruhe popeln zu lassen.

Wie ich schon sagte, Popel sind gesund. Wo ich gerade dabei war, hatte ich kurz überlegt, ob ich auch mal in Richtung Ohrenschmalz recherchieren sollte. Ich habe dann aber davon abgesehen, weil ich den ohnehin immer zum Braten verwende. Und ich verarbeite den auch in Frikadellen, da macht der sich auch recht gut.

Ich war aber ja beim Nachlegen. Wo ich auch noch so was von nachgelegt habe: Apps! Nur nochmal am Rande, ich erwähnte ja schon, dass mein Traummann und ich nur EIN Handy haben, dass wir GEMEINSAM EIN Handy benutzen. Im Sommer hattest du ja immer Hände zu wenig. Wenn wir auf unseren Radtouren unterwegs waren und in einen Biergarten gehen wollten: Fahrräder abschließen, Maske über Nase und Mund, in meinem Fall auch Brille vor die Augen, und bitte nicht umgekehrt (hatte ich auch schon!). Dann Handy zwecks luca-App zwecks Check-in zwecks QR-Code. Es gab Biergärten, da musstest du das direkt am Eingang machen, da hing der QR-Code direkt am Eingang. Und dann gab es Biergärten, da hast du das am Tisch gemacht. Da klebte also auf jedem Tisch ein QR-Code-Zettelchen. Hab ich geübt und geübt und konnte ich - dachte ich! Weil, in einem Biergarten (ich gebe zu, ich hatte vorher schon in einem anderen Biergarten einen Aperol getrunken), in einem Biergarten haben wir gefühlt an jedem einzelnen Tisch Platz genommen, weil das mit der luca-APP nicht funktionierte. Wir sind dann aber trotzdem irgendwann mal einfach sitzen geblieben. Als mein Traummann und ich dann im Aufbruch waren, haben wir Neuankömmlinge darauf hingewiesen, dass die QR-Codes für die luca-App offensichtlich fehlerhaft seien. Die teilten uns dann mit, dass das ja auch QR-Codes für die Speisekarte seien. Der QR-Code für die luca-App sei vorne am Eingang.

Stimmt, da war doch was - ich mein, es wär nach dem ersten Lockdown gewesen. Da hatten viele Restaurants keine Speisekarte mehr zum Anfassen von wegen Desinfizieren und so. Da klebte dann auf jedem Tisch ein QR-Code-Zettelchen und du konntest dir die Speisekarte auf deinem Handy. Hab ich damals geübt, immer wieder geübt, konnte ich dann auch.

Mittwoch, 6. Oktober 2021

Die Geschichte der Ute S. aus O.

Kann ich nur jedem empfehlen, diese Hanfkekse. Was vielleicht nur ein wenig blöde ist, du kriegst das ein oder andere nicht mehr so ganz auf die Reihe. Zum Beispiel, da ging es doch neulich um das Illuminieren des Münchner Stadions anlässlich des Fußballspiels Deutschland gegen Ungarn. Ob das in Regenbogenfarben leuchten durfte. Weil der Orban hatte sich, was Toleranz und Gleichstellung anbelangt, danebenbenommen. Und jetzt habe ich doch gehört, dass Ungarn, was die deutschen Rüstungsexporte betrifft, unser größter Einzelempfänger ist.

Aber da habe ich mich bestimmt verhört.

Wie gesagt, die eine Seite ist die, dass du total relaxt bist. Die andere Seite, das muss ich wohl zugeben, du verlierst ein klitzeklein wenig den Überblick. Apropos Überblick, bin ich froh, dass ich das wieder einigermaßen im Griff habe. Ich hatte ja erwähnt, dass das Unkraut unseren Garten so was von  im Griff hatte, dass mein Traummann und ich uns nach dem Urlaub erst mal den Weg zur Haustür mit der Machete freikämpfen mussten. Mich hätte das ja ob meiner Kekse gar nicht mal gestört, wenn nicht der Briefkasten täglich so was von voll gewesen wäre. Und was mir auch auffiel, vermehrt wurde ich von vollkommen fremden Menschen unverhältnismäßig freundlich gegrüßt. Ich weiß gar nicht, mit wie vielen Menschen ich in diesen Tagen gesprochen habe. Freundliche Menschen, ohne Zweifel, aber irgendwie wurde ich zunehmend den Eindruck nicht los, dass die mir regelrecht auflauerten, quasi hinter der Mauer hervorsprangen. Eines Morgens bildete ich mir sogar ein, dass die Person, die mir einen wunderschönen Tag wünschte, hinter ihrem Rücken so etwas wie einen nicht vollständig zusammengerollten Schlafsack vor mir verbarg. Keine Frage, dachte ich mir, solch Verfolgungswahn ist eindeutig meinen Hanfkeksen geschuldet. Ich habe das dann meinem Traummann erzählt, und der meinte natürlich auch, ich sollte jetzt tatsächlich mal meinen Cannabiskonsum einschränken. Komisch kam's ihm dann aber doch vor, als auch ihn in zunehmenden Maße, wie gesagt, wildfremde Menschen. Keine Frage, absolut freundlich, aber eben doch übergriffig. Dann lagen vermehrt kleine Aufmerksamkeiten vor unserer Haustür oder wurden mir direkt übergeben. Durchaus zum Teil geschmackvolle, sicherlich mit Liebe ausgesuchte Büchlein. Diese Büchlein von der Sorte "Das kleine Buch der Stille" oder "Lebensquell Stille" mit diesen feinen, kurzen Weisheiten. Auch Blumensträuße wurden mir in die Hand gedrückt. Was auch bemerkenswert war, alle Menschen, die mit mir in diesen Tagen in Kontakt traten, steckten mir beim Abschiedsgruß ihr Visitenkärtchen zu. Und auch jedem Geschenk, ich bildete mir übrigens auch ein, das die von Tag zu Tag größer und wertvoller wurden, war eine Visitenkarte beigefügt.

Und irgendwann hats bei mir geschnackelt - und bei meinem Göttergatten auch. Kennst du das, plötzlich hast du überhaupt keine Erklärung dafür, warum du nicht sofort draufgekommen bist. In meinem Fall jetzt nicht ganz sofort wegen. Aber andererseits hat ja solch Droge auch durchaus was Bewusstseinserweiterndes. Will sagen, es hätte auch durchaus sein können, dass ich gerade um so schneller draufgekommen wäre. Jedenfalls, es dämmerte mir so langsam. Wenn ich die unzähligen Zettel in meinem Briefkasten nicht einfach nur in Nachbarstonnen entsorgt, sondern einfach mal gelesen hätte. Aber ich dachte natürlich, diese Fülle an Papier sei der Bundestagswahl geschuldet.  

Ist doch wahr, mit was da immer vor den Wahlen der Wähler überflutet wird! Ich sag nur Verfolgungswahn! Wenn du da in dieser Richtung schlecht drauf bist. Wochen vorher lächeln dich Scholz und Konsorten auf der Kölnstraße an. Unten an der Kreuzung grüßen dann Laschet und Co in beängstigendem Großformat. Also wo du gehst und stehst hast du das Gefühl, da guckt dich jemand an, da will jemand was von dir (denk nur dran, bei mir kamen noch die unzähligen leibhaftigen Menschen an meinem Haus hinzu!). Und schon seit Wochen bei mir rund ums Haus die kleinen Wahlplakate mit Kandidaten an jeder Straßenlaterne. Das müsste ich eigentlich den Linken mal sagen. Weil wenn ich auf dem Klo saß, also vom Klo aus, da hing da wochenlang ein Wahlplakat von denen. Auf dem Plakat siehst du eine sehr nette, ich sags einfach wie es ist, alte Frau. So Typ liebe Omi. Holla die Waldfee, denke ich, das ist aber mutig, sich in dem Alter aufstellen zu lassen, aber warum eigentlich nicht. Was mich nur wunderte, ich mein, sonst liest du doch einen Namen. Die hatten vergessen, den Namen der Kandidatin draufzuschreiben, dachte ich. Bis ich das dann verstanden hatte. Den Linken ging es darum, dass diese liebenswürdige ältere Dame, dass die eine höhere Rente bekommt. Da hieß es nämlich auf dem Plakat neben der Frau: Gerecht. Rente hoch, Rentenalter runter. Jetzt.     

Was ich aber eigentlich sagen wollte, und dann müllen dir die Parteien noch deinen Briefkasten zu! Und deshalb habe ich mir auch nichts von all dem durchgelesen, was da aus dem Kasten quoll. Hätte ich besser mal! Da hieß es nämlich in einem Schreiben: Wir sind eine kleine Familie mit zwei Söhnen, Max und Paul. Max und Paul freuen sich auf ihr Schwesterchen, das in zwei Monaten das Licht der Welt erblickt. Falls Sie daran denken, Ihr Haus zu verkaufen … Oder: Liebe Erben, wir sind uns bewusst, dass Sie zur Zeit in der Trauerphase sind. Nehmen Sie sich alle erdenkliche Zeit. Falls Sie dann daran denken, diese Immobilie zu veräußern …

Und da fiel es mir auch wieder ein: Vor Monaten hatte mir meine Freundin erzählt, dass diese Art der Haussuche mittlerweile Usus ist. Dass die Haussuchenden in ihrer Umgebung nach Häusern Ausschau halten, wo der Garten total verwildert ist. Weil man dann davon ausgeht, dass da alte Menschen drin wohnen, die das nicht mehr geregelt bekommen. Dass da also bald gestorben wird oder bereits wurde.