So aufregend wie in diesen Tagen war es schon lange nicht
mehr - für mich! Neulich komm' ich mit dem Fahrrad oben auf dem Venusberg an,
fertig mit der Welt, nach Luft ringend, da seh' ich ihn, ganz ohne Vorwarnung steht
er plötzlich vor mir: souverän, selbstverständlich, stattlich. Mein Gott, was war ich aufgeregt. Er, so
unaufgeregt, sich seiner Wirkung bewusst. In dem Moment wusste ich nicht, wohin
mit mir - wie ein Teenager. Kamen das Herzklopfen und der rote Kopf noch vom
Hochradeln oder von der Aufregung ob seines plötzlichen Erscheinens? Schwer
auch, meine Gefühle zu beschreiben. Wie soll ich, wie kann ich, Gemengelage
trifft es wohl am ehesten. Endlich kann ich dieses Wort auch einmal benutzen.
In meinem "Schaufenster" habe ich es kürzlich gelesen und war sofort
hin und weg. Nichts wie in den aktiven Wortschatz übernehmen, dachte ich. Kaum
auszudenken, wo ich sprachlich ohne mein "Schaufenster" stünde.
Apropos, wo stand ich? Bei ihm! Und in mir eine berauschende
Gemengelage aus Aufgeregtheit, Faszination, Anziehung und - das vor allem -
Stolz. Ich bin ehrlich, ich hab kurz überlegt, ob ich mit ihm, aber ich bin
dann doch ... Ab dann war ich den ganzen Tag so was von beflügelt. Hinunter geflogen
bin ich den Venusberg. Wobei das jetzt wohl eher nichts mit ihm zu tun hatte. (Woran
mag es liegen, dass ich, den Venusberg hoch strampelnd, so gar nichts von der
Leichtigkeit des Seins verspüre?) Vielleicht lag's aber doch daran, dass er mir
folgte. Ja, tatsächlich, ich bildete mir das nicht ein! Ich spürte seine Nähe,
und als ich mich umsah, war er tatsächlich hinter mir! So ging es den ganzen Venusberg
hinunter, mal ich vor ihm, mal er vor mir. In Poppelsdorf verloren wir uns dann
leider aus den Augen. Ich weiß gar nicht, wie ich es an diesem Tag noch in den
Auerberg geschafft habe, so aufgedreht, wie ich war! Und gerade hatte ich mich
einigermaßen beruhigt, da seh' ich ihn doch wieder, im Auerberg, bei mir in
meinem Stadtteil. Er hatte mich doch in Poppelsdorf verlassen! Woher wusste er,
dass ich im Auerberg wohne? Seine Bewegungen, geschmeidig, einer Schlange
gleich. Ich tat so, als bemerkte ich ihn nicht. Aber von diesem Tag an wartete
ich jeden Tag auf ihn. Jeden Tag trafen wir uns an derselben Stelle. Bis zu
einem Samstag. Da wartete ich lange Zeit auf ihn, vergeblich. Es dauerte lange,
bis ich einsah, dass er nicht mehr kommen würde. Tage später sah ich ihn noch
einmal zufällig auf dem Venusberg, von weitem. Aber ich hatte verstanden, es
war aus. Nun habe ich ihn schon länger auch nicht mehr auf dem Venusberg
gesehen.
Was täte ich nur ohne mein "Schaufenster". Es
rettete mich aus meiner größten Not, meiner tiefsten Verzweiflung. So las ich, warum
ich an besagtem Samstag umsonst auf ihn gewartet hatte. Der schnittige,
gelenkige, weiße Elektro-Gelenkbus fuhr auf der Linie 601 die Strecke vom
Venusberg bis Tannenbusch - über Auerberg (!). Samstags aber bediente er die
Linie 608, und die fährt nicht im Auerberg. Ich erfuhr auch, dass er sich nur
bis zum 30. November in Bonn aufgehalten hatte. Und dann fiel mir auch wieder
das Projekt ZeEUS (Zero Emission Urban Bus System) ein, bei dem in Städten wie
Stockholm, London, Paris und Bonn (!) Erkenntnisse über die Wirtschaftlichkeit
und Einsatztauglichkeit von Elektrobussen gesammelt werden. Jetzt erst verstand
ich meine Aufgeregtheit. Es war dieses internationale Flair, das ihn umgab,
dieser Hauch von Metropole und Glamour.
Mittlerweile, nun, das Leben geht weiter. Hätte ich auch nur
annähernd geahnt, dass mich das so mitnimmt, ich hätte Trost bei Norman Langen
gesucht. Weil, das muss ich schon ehrlich zugeben, der Michael Wendler und der
Mickie Krause sind jetzt nicht wirklich meine erste Wahl. Deshalb fühlte ich
mich auch von der ersten Ankündigung in meinem "Schaufenster" für die
Hallengaudi im Telekom Dome nicht angesprochen. Als es mir dann aber zum
zweiten Mal das "Who is who" der Mallorca- und Partyszene ans Herz
legte und darauf hinwies, dass auch der Norman Langen für mich sänge. Ich hab's
dann aber verbaselt, weil ich ja immer an der Bushaltestelle stand. Was ja wohl
auch etwas Besonderes war, wenn ich das so nebenbei richtig mitbekommen habe:
Im Telekom Dome gibt's auf dem Gebiet des Basketballs in der letzten Zeit nicht
so viel Anlass zur Gaudi, oder?
Indes hat sich meine Gefühlswelt wieder stabilisiert und ich
kann mich wieder voll auf die Dinge des Alltags konzentrieren. Was auch unbedingt
lebensnotwendig ist, wenn ich als Pedalritter (auch dieses Wort hat mir mein
"Schaufenster" geschenkt - danke!) unterwegs bin. Im Dunkeln auf der
Kölnstraße, zwischen nassen Gleisen und stauenden Autos. Darin der ein oder
andere Autofahrer, der mich beneidet, weil ich schneller zur Käthe komme als er,
mich deshalb rechts ein ganz klein wenig abdrängt. Trotzdem bin ich früher auf
den Marktplatz als er, zwar klitschnass aber früher!
Apropos Marktplatz. Da las ich unter der Überschrift
"Tannenschmuck in der Stadt": Das Amt für Stadtgrün stellt an den
zentralen Plätzen der Stadt große Tannen auf, um seinen Teil zur
stimmungsvollen Dekoration in der Vorweihnachtszeit beizutragen. Für die
Beleuchtung sorge erneut SWB Energie und Wasser. Am Alten Rathaus und am
Münster ... Stimmt. Toll. Ich hätt's jetzt nicht besser hingekriegt.
Und während die Autofahrer noch auf der Kölnstraße in die
Stadt stauen oder in einer langen Schlange vor dem Beethoven-Parkhaus stehen.
Weil, das Thema hat sich ja jetzt auch erledigt, das mit dem Beethoven-Parkhaus
als Geheimtipp, so viel wie da in meinem "Schaufenster" für geworben
wird. Ich also, leicht fröstelnd ob nasser Knie vom Fahrradfahren und wohl
wissend, dass die meisten Weihnachtsmarktbesucher noch im Auto ausharrten,
hab's dann mal gewagt, mich getraut. Jetzt oder nie, hab ich mir gedacht. Seit
Jahren schon träume ich davon, immer wieder habe ich es versucht, immer wieder
bin ich kläglich gescheitert. Einmal in meinem Leben (und einmal hat mir jetzt
auch gereicht) in aller Ruhe durch Käthes Haus zu gehen. Nur ein einziges Mal
Käthes Schätze bestaunen, ohne anderer Leute Ellenbogen in den Rippen. Freier
Blick ohne den Rucksack des Vordermanns im Gesicht. Und, ich hab's geschafft,
einmal in der ersten Reihe zu stehen und mir Käthe Wohlfahrts Verkaufssortiment
in seiner unfasslichen Gänze anzuschauen - und nebenbei habe ich mich aufgewärmt!