Mittwoch, 6. Februar 2019

Das Urkännchen und der Kawenzmann

Passend zur Jahreszeit lautete neulich die Überschrift in meinem SCHAUFENSTER: "Recht so?! Tipps für Karneval." Und weiter, Karneval mache Freude - doch manchem könne es auch zu bunt werden. Der Roland-Partneranwalt Frank Braun von der Kanzlei Rechtsanwälte Braun & Partner in Köln gibt Tipps für ein närrisches Treiben ohne rechtlichen Ärger. Zunächst einmal ging es in dem Beitrag ums Kostüm: Clown, Pirat oder Cowboy. Mit diesen Dauerbrennern könne man natürlich nichts falsch machen. Manch einer mag's kreativer und greift zum besonders ausgefallenen Kostüm. Aber wie sieht es aus, wenn das gewählte Kostüm zu freizügig oder gar angsteinflößend ist? Wenn man sich als Schwerverletzter, Gruselclown oder Nackedei verkleidet? "Regelrechte Einschränkungen für Kostüme gibt es selbstverständlich nicht. Aber es gibt eine Reihe von Schutzvorschriften im öffentlichen Raum", so der Jurist. Sein Tipp: "Kostüme sollten fröhliche Übertreibung sein - aber nicht zu viel negative Realitätsnähe zeigen oder gar anstößig sein. Das vermeidet Schwierigkeiten, nicht zuletzt mit der Polizei", so der Jurist.

Safety first, sage ich da nur, da bist du auf der sicheren Seite! Was für tolle Tipps vom Herrn Braun! Was war ich froh ob dieser Tipps des Herrn Braun. Klar war, Trump-Maske stand jetzt nicht mehr zur Disposition - und Löw-Maske ging auch nicht. Ich hab dann einfach mal in Online-Shops geschaut, was überhaupt so an Kostümen angeboten wird. Praktisch, die hatten das nach Kategorien geordnet. Kategorie "Horror" hab ich selbstredend erst gar nicht angeklickt. Bei "Aus aller Welt: Asien, Orient und Folklore" und "Religionen" war ich mir aber jetzt auch sehr unsicher in diesen Zeiten, dass ich da vielleicht von wegen "zu viel negative Realitätsnähe". Wo ich schon mal dabei war, hab ich auch mal bei "Schulmädchen & Bunnys" reingeschaut. Hallo, das müssen wir Frauen vorab aber noch mal ganz deutlich kommunizieren. Also den jungen, testosterongesteuerten, überaus integrierwilligen Männern (wobei ich natürlich nicht weiß, ob es sich um Frauen, eingesperrt in einem männlichen Körper, handelt) müssen wir das noch mal ganz deutlich sagen, dass das nur Kostüme sind. Dass so ein Kostüm nichts, aber auch wirklich gar nichts mit unseren geheimen Fantasien und Wünschen zu tun hat. Und dass wir da in keinster Weise auf die niedrigen Instinkte der Männer abzielen. Sonst kommen die noch ganz durch den Tüdel, die Männer mit und ohne Migrationshintergrund.

Ich war jetzt jedenfalls so was von paralysiert nach der Lektüre, dass ich mich noch nicht mal traute auf "Wilder Westen" zu klicken. Das mit den Cowboys und Indianern liegt zwar schon etwas länger zurück, aber ich muss da ja jetzt nicht mit einem Cowboy-Kostüm alte Wunden aufreißen. Insofern gehe ich da sogar noch einen Schritt weiter als unser Jurist. Blieb noch die Kategorie "Sport". Und da muss ich jetzt sagen, soll ein Mann (ein heterosexueller Mann, der sich damit abgefunden hat, dass er einen Penis hat), soll ein Mann das mal verstehen! Dass die Frau sich für das Kostüm "Sexy Cheerleader", "Sexy Formel 1 Pilotin" oder "Sexy Boxenluder" entscheidet und sich nichts dabei denkt! Holla, die Waldfee! Also wenn da nicht doch der psychologische Psychotherapeut dran ablesen kann, was wir Frauen wirklich wollen, dann weiß ich es nicht. Ich war kurz davor, mir das "Cosy Suit Sumoringer"- Kostüm in den Einkaufskorb, bin dann aber noch mal auf "Tiere". Was soll ich sagen, völlig anderes Sortiment: "Freche Fledermaus", "Sexy Bienenkönigin" und "Hinreißendes Häschen".

Wie gesagt, ich war so was von verunsichert, dass ich mich dann, und da kann jetzt meiner Meinung nach keiner was gegen haben. Neulich las ich nämlich in der Zeitung (okay, jetzt ist es raus, ich schmökere nicht nur ausschließlich in meinem SCHAUFENSTER) Zipperts Wort zum Sonntag. Er schrieb, dass das international gültige Maß für ein Kilogramm neu definiert worden sei. Das in Paris gelagerte "Urkilogramm" aus eitel Platin habe ausgedient, ab jetzt werde alles mit einer, natürlich hoch komplizierten Formel berechnet, und jeder könne sich sein Urkilogramm selbst herstellen. Sehr große Gewichte müssen außerdem mit der neu geschaffenen Einheit "Kawenzmann" ("L'homme du Kawenz") bestimmt werden. Mittelschwere Gewichte werden dagegen mit dem "Oschi" definiert, hier gilt: 10 Oschis = 1 Kawenzmann. Ganz genau lässt sich nun auch der Grad der Beschränktheit einer Person festlegen, und zwar mit der neu geschaffenen Einheit "Vollpfosten" (L'idiot). Der Urvollpfosten aus Teakholz wird im Internationalen Büro für Maß und Gewicht (BIPM) trocken gelagert. Doch nicht alles wurde geändert. Eine Messgröße ist nach wie vor gültig und wird in einem geheimen Tresor in der Kaffeeküche der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig aufbewahrt: das Urkännchen - Maßeinheit für warme Getränke, die nur im Außenbereich serviert werden dürfen.       

Wie komm ich jetzt auf den Vollpfosten? Ich war ja eigentlich beim Herrn Braun, dem Roland-Partneranwalt Frank Braun von der Kanzlei Rechtsanwälte Braun & Partner. Da sieht man mal wieder, was eine gute Ausbildung - beim Frank jetzt das Jurastudium - wert ist. Weil, in dem Beitrag hieß es weiter: Wer verkleidet zur Arbeit erscheinen möchte, sollte grundsätzlich vorsichtig sein: "In vielen Unternehmen gibt es eine Kleiderordnung, die häufig auch Teil des Arbeitsvertrages ist." Sein Tipp: "Klare Absprache mit dem Chef vor dem Kostümeinsatz, um ein Abmahnung zu vermeiden." Gleiches gelte übrigens auch, wenn man nur mit einem Gläschen Sekt anstoßen möchte: "Man sollte das immer mit dem Vorgesetzten klären. Andernfalls riskiert man eine Abmahnung durch den Arbeitgeber, die leicht zu vermeiden gewesen wäre." Heißt für mich jetzt, einfach immer den Chef vorher fragen, da bist du auf der sicheren Seite.

Ich hab mich entschieden, ich gehe als Vollpfosten. Für mich zwar die allzu negative Realität, aber ich seh' mich ja selbst nicht. Hauptsache, ich verstoße nicht gegen die Schutzvorschriften im öffentlichen Raum und mein Arbeitgeber hat es abgesegnet - nicht wahr, Herr Frank?