Ich sag nur, studier das "Schaufenster" und du
kannst dich vor lauter Bildung gar nicht mehr retten! Gerade war ich noch dabei,
das für mich vollkommen neue Wort PechaKucha zu verarbeiten, da fällt mir die
Überschrift "Lumen und Kevin" ins Auge. Okay, denke ich, dieses Mal
zeigt mir aber mein "Schaufenster", wo der Frosch die Locken hat.
Erst Trajektkreisel, dann PechaKucha und jetzt noch der neue Favorit bei den
Mädchennamen: Lumen. Gut, ich hab dann bei näherer Betrachtung auch
mitbekommen, dass es um Energiesparlampen und LEDs ging und dass Lumen etwas
mit dem Maß an Helligkeit zu tun hat - und dass der Kevin in Wahrheit Kelvin
heißt und die Lichtfarbe beschreibt.
Apropos Licht. Immer wieder schön ist die
Martinsfackel-Ausstellung im Foyer unseres Stadthauses! Wie friedlich die da so
hängen, geschützt vor Wind und Wetter. Neulich ging bei uns im Auerberg auch
wieder der Martinsumzug, bei schönem Wetter. Wenn ich da an manche Martinszüge
denke, an denen mein Traummann und ich als Papa und Mama teilgenommen haben! Die Laternen, eben noch
die reinsten Kunstwerke höchstbegabter Kinder, keine zwei Minuten später
wahlweise von der eigenen Kerze abgefackelt, von einer Sturmböe mitgerissen
oder vom Regenguss bis zur Unkenntlichkeit aufgeweicht. Okay, ich übertreibe, so
war es ja nicht immer. Ab und an war das Wetter uns auch gewogen - wie sich im
Nachhinein herausstellen sollte. Ja, am Ende des Zuges stand fest, dass es
vollkommen unnötig gewesen war, das einzigartige Kunstwerk von Laterne in einem
Müllbeutel zu verstecken.
Laternenruine hin, Fackelrest her, gefühlte Stunden später
war der Martinszugweg abgegangen, das Ziel erreicht. Schon brannte das
Martinsfeuer lichterloh, St. Martin teilte seinen Mantel, noch mal ein Lied
gesungen - und immer standest du genau so, dass der Wind die Feuerfunken genau
in deine Richtung wehte.
Und wenn alles vorbei war, fing's erst an - das Schnörzen. Dann
hast du dir als Profieltern die Beine in den Bauch gestanden, immer hübsch im
Hintergrund. Hast dein Kind gecoacht, das natürlich Süßigkeiten wollte, aber
nicht allein singen wollte, und überhaupt sich nicht sicher war, auf jeden Fall
auch schon müde war, das aber selbstredend nie zugegeben hätte. Du hast deinen
Liebling daran erinnert, dass es doch gerade das Schnörzen war, auf das er sich
so gefreut hatte (obwohl du am liebsten gesagt hättest, dann halt nicht und ab
nach Hause).
Du bestärktest den Schatz darin, auch alleine zu singen, wo
er doch so toll singen kann, wenigstens ein Lied. Das tat dann der Schatz. Und
wenn du Pech hattest, verlangte die ältere Dame an der Haustür noch weitere
Strophen dieses Liedes. Und wenn es ganz blöde lief, noch ein weiteres Lied. Und
dann hatte sich dein Wunschkind so was von eingesungen und wollte gar nicht
mehr aufhören, genoss den Auftritt vor Publikum. Dann, endlich, kam Bewegung
rein, will sagen, die Frau an der Tür bewegte sich, Beutel auf, Bonbons rein
und weiter! So haben wir uns jahrelang so gaaaanz langsam nach Hause
geschnörzt.
Was habe ich damals die Menschen beneidet, die im Warmen auf
uns warteten, deren Aufgabe lediglich darin bestand, die Haustür zu öffnen, das
Ende des Abgesanges abzuwarten und dann eine Süßigkeit in den aufgehaltenen
Beutel zu werfen.
Doch, ich bin ehrlich, seitdem ich aus dem aktiven Martinsumzugsgeschehen
ausgeschieden bin, habe ich grundlegend meine Meinung geändert - wegen
folgender zwei Naturgesetze: Erstens, du erwartest viele schnörzende Kinder,
hast dementsprechend tonnenweise Mandarinen, wahlweise auch Clementinen,
eingekauft, es kommt kein S... und dein Körper erleidet in Folge einen
Vitamin-C-Schock. Deswegen kaufst du im folgenden Jahr weitaus weniger ein -
und kannst den Massenansturm nur bewältigen, indem du Kartoffeln in die
aufgehaltenen Beutel schmeißt. Zweitens, schon länger hat es nicht mehr
geklingelt, deshalb schmeißt du dich in dein
Wohlfühl-da-muss-mich-jetzt-aber-nicht-unbedingt-jemand-sehen-Dress und du
kannst drauf gehen, dass ab jetzt doch noch die gesamte Nachbarschaft klingelt
(einschließlich das Kind jenes Nachbarn, den du recht attraktiv findest).
Deshalb sitzt du nächstes Jahr bis Mitternacht steif gestriegelt und
geschniegelt auf dem Sofa - und keine S... klingelt mehr. Ja, ich nehme alles
zurück, das Geschnörztwerden ist auch stressig - auch, und vor allem, unter dem
Gesichtspunkt Blase. Weil, das ist eh klar, du hältst so lange ein und es
klingelt nicht an der Tür, und kaum sitzt du auf der Brille ...
Noch stressiger als St. Martin ist für mich mittlerweile allerdings
Halloween: "Mama, haben wir ein T-Shirt zum Zerschneiden?", die Brut
kostümiert sich, "Mama, wo ist der Spitzer für den Kajalstift?", die
Töchter schminken sich, die Wunschkinder glühen vor. Dann ein "Tschüss,
wir sind weg" und zurück "Viel Spaß". Und erst jetzt fällt
meinem Traummann und mir ein, dass an selbigem Abend "Süßes oder
Saures" von uns erwartet wird, wir aber nichts eingekauft haben (wir Alten
sind ja die Martinsfraktion) und wir
nichts vorhaben. Und weil rohe Eier in
Rollladenritzen nicht schön sind, tun wir so, als wären wir nicht da. Das
Tollste an Halloween, der Morgen danach - wenn kein rohes Ei am Haus klebt.
Was natürlich praktisch ist, an solch einem Abend kann ich
viel für meine Bildung tun, also mein "Schaufenster" lesen - wenn
auch mit Taschenlampe unter der Bettdecke. So habe ich wieder ein neues Wort
gelernt: Bauernglatteis. Das bildet sich, wenn landwirtschaftliche Fahrzeuge
nach dem Einsatz auf dem Acker die Straße verschmutzen. Feuchte Lehm- und
Erdklumpen können die Fahrbahn dann schnell in eine Rutschbahn verwandeln. Ich
las auch, dass der ADAC an die Landwirte appelliert, die Straßen nach getaner
Arbeit zu säubern. Recht so, ADAC, diese Bauern haben ja sonst nichts zu tun.