Mittwoch, 24. Oktober 2018

Kreuzchen machen oder Haken dran?


Was der Bürgerentscheid in diesem Jahr mir auf jeden Fall gezeigt hat: Ich muss aufmerksamer lesen. Weil, ich hatte ja letztens angemerkt, ich sei mir so was von sicher, dass ich dieses Mal beim Bürgerentscheid alles richtig gemacht habe, genau nach Merkblatt, Schritt für Schritt. Was jetzt aber das Problem ist, ich weiß gar nicht mehr, ob ich an der richtigen Stelle mein Kreuzchen gesetzt habe. Ich bin dann nämlich im Nachgang in aller Ruhe durch Bonn gefahren und habe die Plakate noch einmal auf mich wirken lassen. Da hieß es „NEIN im Bürgerentscheid, denn Bonn braucht ein modernes und attraktives Bad!“ oder „Dein Bad in Deiner Nähe  Ja beim Bürgerentscheid“. Und ganz lange habe ich vor folgendem Plakat gestanden: „Spaßbad für Bonn! Rettet die Seepferdchen! Stimmt mit NEIN! Bürgerentscheid: Mit Ihrem Nein auf dem Stimmzettel für Spaß im neuen Schwimmbad“. Und auf genau demselben Plakat darunter „Ja! Zum Erhalt der Stadtteilbäder“. Bis ich das erst mal verstanden hatte, dass das „Ja! Zum Erhalt der Stadtteilbäder“ von den Gegnern drübergeklebt war! Weil, ich war da schon so was von in Schweiß wegen der Seepferdchen, hatte überlegt, wie mir die Seepferdchen bei meiner Meinungsfindung hätten helfen können.

Apropos wählen und ankreuzen. Weil, auf den Plakaten hattest du ja immer neben dem Ja oder Nein den Kreis mit dem Kreuz. Neulich las ich in meinem SCHAUFENSTER als Überschrift die Lettern „Grundkurs Schlafen“. Mensch, dachte ich da spontan, ich wusste gar nicht, dass Schlafen mittlerweile als Unterrichtsfach angeboten wird. Weil, zu meiner Zeit galt das eher als unangebracht, wenn du da im Unterricht vor dich hingeratzt hast. Aber, Gott, die Zeiten haben sich ja so was von geändert. In Zeiten, in denen der Neurobiologe Peter Spork die Schüler in Eulen und Lerchen einteilt und eine Gleitschulzeit für Schüler fordert. Der Schüler also entscheidet, wann er morgens zur Schule kommt. Da machte für mich auch das Schulfach „Schlafen“ Sinn. Und spontan fielen mir da auch überraschend viele meiner Schüler ein, die offensichtlich dieses Fach belegen und da auch recht gut sind. Es würde mich so gar nicht wundern, wenn die bei der Wahl der Leistungskurse ihr Kreuzchen hinter Schlafen setzen statt hinter Mathematik oder Geschichte. Aber hätte ich mal sofort weitergelesen. Stand doch direkt im ersten Satz, der „Grundkurs Schlafen“ starte für Menschen mit Ein- und Durchschlafproblemen am Weiterbildungszentrum Alanus Werkhaus in Alfter (dass „Richtig schlafen können“ im Weiterbildungszentrum gelehrt wird, wäre ich so aber auch nicht drauf gekommen).

Wo ich gerade beim Kreuzchenmachen bin. Oft sieht mein Kreuzchen eher wie ein großes X aus. Ich geh aber mal davon aus, dass das auf die Gültigkeit meiner Stimme keine Auswirkung hat. Dass das vollkommen egal ist, ob X oder Kreuz. Was neuerdings ja auch vollkommen egal ist, welches ... Ich mein, mir kommt das so was von zupass. Ich weiß nicht, wie oft ich schon in meinem Leben in einer Schlange vor der Frauentoilette gestanden habe. Wenn es einfach nur um geduldiges Warten ginge, wäre schon unangenehm genug. Aber nein, meist kommen ja zum Druck auf die Blase noch andere Unannehmlichkeiten hinzu. So stehe ich zum Beispiel vor der ersten verschlossenen Tür zum Frauenklo und muss jeder neuen Kloaspirantin hinter mir erklären, dass ich sehr wohl in der Lage bin, eine Tür selbstständig zu öffnen, die Schlange vor mir im Zwischenraum das aber nicht zulässt. Oder aber ich haue um ein Haar eine Frau, die sich an mir vorbeischiebt. Gerade noch rechtzeitig kann sie mir zu verstehen geben, dass sie lediglich neues Make-up auflegen will.

Was auch immer so was von richtig übel ist, wenn ich endlich dran bin, sich in dem Spalier von Toilettentüren endlich eine öffnet und ich mich Sekunden später vor einer total versifften Kloschüssel befinde. So viel Klopapier und Desinfektionsmittel gibt’s gar nicht, um da mal Grund reinzubekommen. Aber selbstredend verlasse ich nicht unverrichteter Dinge diesen Ort. Nein, ich erleichtere mich in Hockposition, dankbar ob meiner strammen Oberschenkel. Und jedes Mal denkt meine Nachfolgerin, dass ich die Wutz bin. Aus diesem Grund, damit es keine zweite Begegnung zwischen uns an den Waschbecken gibt, fällt meine Handwäsche sehr kurz aus. Ich sag nur, alles in allem ist der Klogang eine Zumutung. Was sind wir Frauen da dankbar, wenn wir manchmal auf eine Behindertentoilette ausweichen können, uns aber deshalb auch ein winzig bisschen schlecht fühlen. Und neben uns Frauen das Männerklo, keine Schlange, die Männer schlendern einfach durch - beneidenswert! Was habe ich mir da als Frau schon Gedanken gemacht: Sollst du aufs Männerklo, kannst du noch so lange einhalten? Bist du gut drauf, traust du dir das zu, auszuscheren?

Das Thema ist für mich aber jetzt so was von durch. Das X ist jetzt aber so was von angekommen, bei mir, im Alltag. Las ich doch neulich in meinem SCHAUFENSTER eine Stellenanzeige meines Lieblingsdiscounters: Kommissionierer (m/w/x) Teilzeit. Wenn das nächste Mal vor einem Frauenklo eine Schlange ist und vor dem Männerklo keine, werde ich zu den Männern gehen. Und wenn mir da einer blöde kommt, kreuze ich mit meinen beiden Zeigefingern das X. Das X für divers, für das dritte Geschlecht. Solange es noch keine Toilette für das dritte Geschlecht gibt, gehe ich aufs Männerklo - oder aufs Frauenklo, wenn da keine Schlange ist.

Wie gesagt, dieses Thema, da mach ich kein Kreuzchen, sondern da mach ich einen Haken dran.