Was der Bürgerentscheid in diesem Jahr mir auf jeden Fall
gezeigt hat: Ich muss aufmerksamer lesen. Weil, ich hatte ja letztens
angemerkt, ich sei mir so was von sicher, dass ich dieses Mal beim
Bürgerentscheid alles richtig gemacht habe, genau nach Merkblatt, Schritt für
Schritt. Was jetzt aber das Problem ist, ich weiß gar nicht mehr, ob ich an der
richtigen Stelle mein Kreuzchen gesetzt habe. Ich bin dann nämlich im Nachgang
in aller Ruhe durch Bonn gefahren und habe die Plakate noch einmal auf mich
wirken lassen. Da hieß es „NEIN im Bürgerentscheid, denn Bonn braucht ein
modernes und attraktives Bad!“ oder „Dein Bad in Deiner Nähe Ja beim Bürgerentscheid“. Und ganz lange habe
ich vor folgendem Plakat gestanden: „Spaßbad für Bonn! Rettet die Seepferdchen!
Stimmt mit NEIN! Bürgerentscheid: Mit Ihrem Nein auf dem Stimmzettel für Spaß
im neuen Schwimmbad“. Und auf genau demselben Plakat darunter „Ja! Zum Erhalt
der Stadtteilbäder“. Bis ich das erst mal verstanden hatte, dass das „Ja! Zum
Erhalt der Stadtteilbäder“ von den Gegnern drübergeklebt war! Weil, ich war da
schon so was von in Schweiß wegen der Seepferdchen, hatte überlegt, wie mir die
Seepferdchen bei meiner Meinungsfindung hätten helfen können.
Apropos wählen und ankreuzen. Weil, auf den Plakaten hattest
du ja immer neben dem Ja oder Nein den Kreis mit dem Kreuz. Neulich las ich in
meinem SCHAUFENSTER als Überschrift die Lettern „Grundkurs Schlafen“. Mensch,
dachte ich da spontan, ich wusste gar nicht, dass Schlafen mittlerweile als
Unterrichtsfach angeboten wird. Weil, zu meiner Zeit galt das eher als
unangebracht, wenn du da im Unterricht vor dich hingeratzt hast. Aber, Gott,
die Zeiten haben sich ja so was von geändert. In Zeiten, in denen der
Neurobiologe Peter Spork die Schüler in Eulen und Lerchen einteilt und eine
Gleitschulzeit für Schüler fordert. Der Schüler also entscheidet, wann er
morgens zur Schule kommt. Da machte für mich auch das Schulfach „Schlafen“
Sinn. Und spontan fielen mir da auch überraschend viele meiner Schüler ein, die
offensichtlich dieses Fach belegen und da auch recht gut sind. Es würde mich so
gar nicht wundern, wenn die bei der Wahl der Leistungskurse ihr Kreuzchen
hinter Schlafen setzen statt hinter Mathematik oder Geschichte. Aber hätte ich
mal sofort weitergelesen. Stand doch direkt im ersten Satz, der „Grundkurs
Schlafen“ starte für Menschen mit Ein- und Durchschlafproblemen am
Weiterbildungszentrum Alanus Werkhaus in Alfter (dass „Richtig schlafen können“
im Weiterbildungszentrum gelehrt wird, wäre ich so aber auch nicht drauf
gekommen).
Wo ich gerade beim Kreuzchenmachen bin. Oft sieht mein
Kreuzchen eher wie ein großes X aus. Ich geh aber mal davon aus, dass das auf
die Gültigkeit meiner Stimme keine Auswirkung hat. Dass das vollkommen egal
ist, ob X oder Kreuz. Was neuerdings ja auch vollkommen egal ist, welches ...
Ich mein, mir kommt das so was von zupass. Ich weiß nicht, wie oft ich schon in
meinem Leben in einer Schlange vor der Frauentoilette gestanden habe. Wenn es
einfach nur um geduldiges Warten ginge, wäre schon unangenehm genug. Aber nein,
meist kommen ja zum Druck auf die Blase noch andere Unannehmlichkeiten hinzu.
So stehe ich zum Beispiel vor der ersten verschlossenen Tür zum Frauenklo und
muss jeder neuen Kloaspirantin hinter mir erklären, dass ich sehr wohl in der
Lage bin, eine Tür selbstständig zu öffnen, die Schlange vor mir im
Zwischenraum das aber nicht zulässt. Oder aber ich haue um ein Haar eine Frau,
die sich an mir vorbeischiebt. Gerade noch rechtzeitig kann sie mir zu
verstehen geben, dass sie lediglich neues Make-up auflegen will.
Was auch immer so was von richtig übel ist, wenn ich endlich
dran bin, sich in dem Spalier von Toilettentüren endlich eine öffnet und ich
mich Sekunden später vor einer total versifften Kloschüssel befinde. So viel
Klopapier und Desinfektionsmittel gibt’s gar nicht, um da mal Grund
reinzubekommen. Aber selbstredend verlasse ich nicht unverrichteter Dinge
diesen Ort. Nein, ich erleichtere mich in Hockposition, dankbar ob meiner strammen
Oberschenkel. Und jedes Mal denkt meine Nachfolgerin, dass ich die Wutz bin. Aus
diesem Grund, damit es keine zweite Begegnung zwischen uns an den Waschbecken
gibt, fällt meine Handwäsche sehr kurz aus. Ich sag nur, alles in allem ist der
Klogang eine Zumutung. Was sind wir Frauen da dankbar, wenn wir manchmal auf
eine Behindertentoilette ausweichen können, uns aber deshalb auch ein winzig
bisschen schlecht fühlen. Und neben uns Frauen das Männerklo, keine Schlange,
die Männer schlendern einfach durch - beneidenswert! Was habe ich mir da als
Frau schon Gedanken gemacht: Sollst du aufs Männerklo, kannst du noch so lange
einhalten? Bist du gut drauf, traust du dir das zu, auszuscheren?
Das Thema ist für mich aber jetzt so was von durch. Das X
ist jetzt aber so was von angekommen, bei mir, im Alltag. Las ich doch neulich
in meinem SCHAUFENSTER eine Stellenanzeige meines Lieblingsdiscounters:
Kommissionierer (m/w/x) Teilzeit. Wenn das nächste Mal vor einem Frauenklo eine
Schlange ist und vor dem Männerklo keine, werde ich zu den Männern gehen. Und
wenn mir da einer blöde kommt, kreuze ich mit meinen beiden Zeigefingern das X.
Das X für divers, für das dritte Geschlecht. Solange es noch keine Toilette für
das dritte Geschlecht gibt, gehe ich aufs Männerklo - oder aufs Frauenklo, wenn
da keine Schlange ist.
Wie gesagt, dieses Thema, da mach ich kein Kreuzchen,
sondern da mach ich einen Haken dran.