Mittwoch, 16. Oktober 2024

Ich habe mit den Toten gesprochen

Ich bin immer noch beim Aperol. Nein, keine Angst, gerade schlürfe ich keinen, ich kann auch mal eine halbe Stunde ohne. Aber thematisch bin ich noch bei Selbigem. Du erinnerst dich, ich war ja bei Preisvergleichen Bonn mit dem Rest der Welt. Und jetzt kommt’s. Ich sag nur Schweiz. Was fällt dir da zuerst ein, abgesehen von der Tatsache, dass dieses Land mit seinem Bankgeheimnis sich so was von daneben benimmt? Genau, teuer wie Sau. Der Schweizer macht in Österreich Urlaub und kauft in Deutschland ein. Aber horch: In Brunnen am Vierwaldstättersee hab ich in der Apero-Bar einen Aperol Spritz für 9 Franken getrunken. Eine super Location! Und dazu gab es zwei Schälchen Käsebällchen. Du liest richtig, zwei. Weil kaum hatten mein Göttergatte und ich uns die erste Schale so was von schnell intravenös reingezogen (du kennst das? Wenn solch Nahrungsergänzungsmittel an einem Stück ist, so was von lecker!), stand auch schon die zweite vor uns. Und das Paar, das diese Bar betreibt, so was von sympathisch! Wir waren an unserem vorletzten Abend dort und kamen ins Gespräch, erzählten auch, dass das unser vorletzter Abend in Brunnen sein würde. Am letzten Abend waren wir wieder da und ich „kippte“ meine letzten Franken als Münzen auf die Theke. Dafür bekam man – das wussten wir - laut Getränkekarte einen Aperol und ein großes Bier. Und dann würde es noch für ein kleines Bier für meinen Göttergatten reichen. Während wir genüsslich die Käsebällchen schnabulierten, stellte er vor meinen Göttergatten ein großes Bier und vor mich einen kleinen Aperol mit der Bemerkung: „Das Leid kann ich mir nicht ansehen.“ Wissentlich, dass wir nie mehr kommen würden!

So, ich glaube, Thema Kaltgetränk ist erst mal durch – natürlich nur thematisch! Wo ich aber gerade bei der Schweiz bin. Mit was man dieses Fleckchen Erde ja aber auch noch verbindet, das sind das Bergpanorama, die Bergseen, saftige Bergwiesen und grüne Almen. Ich komm deshalb drauf, weil neulich las es sich in meinem SCHAUFENSTER folgendermaßen: Nur noch halb so viele Abfuhrtermine – Änderung der mobilen Grüncontainerabfuhr. Nachdem der saisonale Service der mobilen Grüncontainerabfuhr seit seinem Start am 1. März nicht planmäßig angeboten werden konnte, wird das Intervall ab sofort reduziert. Die neuen Anfahrtszeiten werden wie folgt organisiert: Standorte, die bisher wöchentlich angefahren wurden, werden alle 14 Tage angefahren. Standorte, die bis zum letzten Jahr alle 14 Tage angefahren wurden, werden nun alle 4 Wochen bedient. So können alle Bonner alle vierzehn Tage beziehungsweise alle vier Wochen ihr Grüngut an den gewohnten Sammelstellen entsorgen. Die bonnorange AöR bittet außerdem alle Bonner, zusätzlich das ebenfalls kostenlose Angebot der stationären Grüncontainer auf Friedhöfen zu nutzen und ggf. hier Grüngut anzuliefern. – Was für eine geniale Strategie, dachte ich mir. Welch schlauer Stratege unter den Entscheidungsträgern im Stadthaus hat sich das ausgedacht? Wenn übergangslos aus wöchentlich alle 14Tage geworden wäre. Wenn aus 14 Tagen von jetzt auf gleich vier Wochen geworden wären: Welch großen Aufschrei hätte es gegeben! Aber so, wenn die Alternative eher nie gewesen wäre. Ja, da freust du dich ja jetzt so was von, dass überhaupt noch abgeholt wird. Es ist eben alles eine Frage der Relation.

Als ich diese Zeilen las, erinnerte ich mich, dass es vor Jahren auch mal eine mobile Grüncontainerabfuhr am Bonner Berg neben den Sportstätten gab. Für den alten Mann in unserer Nachbarschaft gerade noch einigermaßen mit Schubkarre zu erreichen. Dreimal gegangen, da hingen ihm die Arme aber so was von auf dem Boden! Dann wurde das gesamte Areal umgebaut, mit Schranke und so, rechtliche Gründe, neue Plattierung, die für solch ein Fahrzeug nicht geeignet sei: Die Abfuhrstelle gab es nun nicht mehr. Die nächste mobile Abfuhrstelle war für den alten Mann mit Schubkarre absolut zu weit. Was also machen? Du kannst natürlich auch immer dein Auto anschmeißen. Der alte Mann hat aber kein Auto. Deshalb hat der alte Mann sich damals für sein Fahrrad extra einen Anhänger gekauft, um die Grünabfälle mit dem Fahrrad zum stationären Grüncontainer auf dem Nordfriedhof zu bringen. Letztens erzählte er, er schaffe es kräftemäßig nicht, um den ganzen Friedhof herumfahren. Deshalb fahre er immer ganz langsam, schnell könne er ohnehin nicht mit der Last fahren, über den Friedhof. Gleichzeitig würde er dann immer bei einem alten Freund Halt machen, der vor einigen Monaten verstorben sei. Er, der alte Mann, sei letztens von einem Friedhofsmitarbeiter dazu angehalten worden, abzusteigen.

Ich habe mich daraufhin mal kundig gemacht, bei der Stadt. Die schrieb mir Folgendes: Friedhöfe sind Orte des Gedenkens und des Erinnerns. Jeder hat sich auf den Friedhöfen der Würde des Ortes und der Achtung der Persönlichkeitsrechte der Angehörigen und Besucher entsprechend zu verhalten. Auf Friedhöfen ist es darum unter anderem nicht gestattet, die Wege mit Fahrzeugen aller Art und Sportgeräten (zum Beispiel Fahrrädern, Rollschuhen, Inline-Skatern, Skateboards) zu befahren (vgl. § 5 (3) a. der Satzung der Bundesstadt Bonn über das Friedhofs- und Begräbniswesen). Ausnahmen davon gelten ausdrücklich nur für unter § 5 (4) Friedhofssatzung genannten Gründen. Die Entsorgung von Gartenabfällen an den dafür vorgesehenen Sammelstellen der bonnorange AöR gehört eindeutig nicht dazu. An den Zugängen der Friedhöfe wird ausdrücklich darauf hingewiesen. Zuwiderhandlungen können mit Geldbußen bis zu 500 € geahndet werden. Die Mitarbeitenden auf den Friedhöfen sind angewiesen, Menschen, die auf Friedhöfen ordnungswidrig handeln, auf diese Verstöße hinzuweisen.

Dazu meine Meinung: Es ist ein Unterschied, ob jemand mit seinem Rad über den Friedhof düst, oder ein alter Mann langsamst mit dem Rad seinen Grünabfall ordnungsgemäß wegbringt. Ich habe mit einigen Toten, die ich zu Lebzeiten kannte, Zwiesprache gehalten. Und nein, sie fühlen sich nicht von diesem alten Mann belästigt. Im Gegenteil! Wie schön und unverzichtbar, dass er etwas für unser Mikroklima tut!

Und als Steuerzahlerin: Selbstredend muss das Angebot kostenlos sein. Wir wollen doch nicht ernsthaft die Menschen bestrafen, die durch ihren Garten, ihre Gartenarbeit für ein gesundes Klima sorgen. Wir wollen doch nicht wirklich, dass wir demnächst auf grüne Steine schauen statt auf grüne Wiesen, grüne Gärten. Und vor allem wollen wir nicht, dass Menschen demnächst einfach ihre Grünabfälle wild in der Natur entsorgen oder auf die Straße werfen.

Und manchmal gilt es auch, eine Verordnung zu verifizieren – wenn man mit der Zeit geht.