Mittwoch, 8. Mai 2024

"Achtung Rütschgefahr"


So, damit du dir nicht gar so passiv meine Zeilen reinziehst, damit die kleinen grauen Zellen überhaupt noch merken, dass sie nicht nur da sind, sondern auch gebraucht werden. Hier mal für dich ein Rätsel. Aber nicht fuddeln, kein Internet! Was hat der Fruhtrunk mit Aldi zu tun?

Und wo ich gerade wieder einmal bei meinem Lieblingsdiscounter bin (wobei, eigentlich sind es ja mittlerweile zwei Lieblingsdiscounter). Neulich war ich doch kurz davor, mich mal so was von mit, der Einkaufswagen schon randvoll, also quasi Totalausverkauf für dieses Produkt, als ich Gott sei Dank in allerletzter Minute feststellte. Ich stell mir nur vor, ich hätte das meinen Schulern ausgeteilt. Da wurde ich jetzt nicht so gemutlich in meinen vier Wänden sitzen. Womöglich wäre ich sogar eingefahren, säße ein. Auf jeden Fall hätten sie mich sofort aus dem Verkehr gezogen. Aber es hatte sich im Werbeblättchen folgendermaßen gelesen: Motivationssnacks – Soft-Happen, Soft-Herzen. Okay, ich gebe zu, bei Soft-Knöchelchen hätte ich fruher drauf kommen können. Egal, ist ja noch mal gut gegangen. Ich hatte halt übersehen, dass es auf der ganzen Seite des Werbeblättchens nur um Produkte für Hunde ging.

Eigentlich wollte ich aber uber etwas ganz anderes sprechen: Uber Kunst. Weil, das liegt mir schon lange am Herzen. Fur wen, fur wie viel Prozent der Menschheit sind denn bitteschön folgende Worte? „Ihre großformatigen, ungemein kraftvollen Gemälde unterlaufen die konventionellen Beziehungen von Vorder- und Hintergrund, Oberfläche und Untergrund, Bildfläche und Bildrand und eröffnen neue Vorstellungswelten innerhalb und außerhalb des Kunstwerks. In einem ergebnisoffenen, schöpferischen Prozess, in dem die Malerei performative Züge annimmt, überdenkt sie grundlegende Fragen, die die Geschichte der Malerei lange Zeit definiert haben.“ Und dann hältst du die Einladung eines Museums zur Eröffnung einer Ausstellung in der Hand und siehst, dass vier Redner zu Wort kommen werden. Und wenn du Pech hast, kommt einer von denen auf die Idee, sich jedes einzelne Kunstwerk vorzunehmen.

Da lob ich mir doch mal eine Vernissage in der Endenicher Burg, bei der ich neulich war. Ich hatte nichts anderes zu tun, Wetter super. Heißt, ich konnte ohne Ganzkörperkondom mit dem Rädchen fahren. Und ich hatte mich tatsächlich auf einen Vortrag einer Kunsthistorikerin eingestellt, die sich in aller Ruhe jedes Kunstwerk vorknupft. Deshalb hatte ich schon mal im Ausstellungsraum vorab selbstständig Hand an eine ungeöffnete Sektflasche gelegt, will sagen geöffnet. Du kannst dir sicherlich vorstellen, wie das ankam. Weil, das Gläschen Sekt musst du dir ja erst verdienen: Erst die Arbeit, dann das Vergnugen. Erst musst du die Rede über dich ergehen lassen, dann darfst du trinken. Ja, du hast naturlich Recht. Ich hätte zuhause schon mal leicht vorgluhen können. Nur leicht wegen Rädchenfahren. Und dann hätte ich, um dem Vortrag der Kunsthistorikerin gewachsen zu sein, bei Ankunft noch eben schnell ein Piccolöchen. Egal, die Zeit lief, Worte wurden gesprochen, als plötzlich, ich denk, ich seh nicht richtig, eine Putzfrau auftaucht. Also richtig mit Kittel (so was Hässliches, ich wusste gar nicht, dass es so was noch gibt), Staubtuch, Schrubber, das volle Programm. Die stellt diesen gelben Warnaufsteller „Achtung Rutschgefahr“ auf und fängt tatsächlich von hinten an, den Raum durchzufeudeln, während vorne gesprochen wird. Ich mir erst mal noch einen Sekt nachgeschenkt, die Flasche war ja schon entkorkt. Was soll ich dir sagen, ich hatte ja schon leicht einen hängen. Dachte kurzfristig, ich halluziniere. Die Putzfrau stellt das „Achtung Rutschgefahr“ um und erkennt plötzlich, dass sie quasi neben der Kunstlerin steht. Und sogleich fängt sie an, der Kunstlerin zu sagen, wie toll, wie herrlich sie deren Bilder und Figuren findet: „Sie glauben ja gar nicht, was unsereiner hier sonst so vorfindet. Fett in der Ecke, Dinge, wo du dich fragst, ist das Kunst oder der Feuerlöscher. Aber hier diese Figuren, so was von wunderbar. Und wo ich Sie gerade zu packen kriege, ich hätte da noch ein paar Fragen. Haben Sie kurz Zeit? Hier geht es eh noch nicht weiter.“ Und zu den Umherstehenden: „Noch ein bisschen müssen Sie sich gedulden. Safety first. Hier ist es noch nass.“ Und dann ging die Putzfrau in aller Ruhe mit ihren Fragen und der Kunstlerin durch die Ausstellung und es entwickelte sich quasi ein Kunstlerinnengespräch, dem alle ganz aufmerksam lauschten. Du ahnst es sicherlich schon. Die Putzfrau war nicht echt, der Boden nicht nass und die Kunstlerin war eingeweiht. Schau dir unbedingt das Video an – so was von witzig! Da siehst du, es geht auch mal anders: Vernissage mit der Putzfrau.

So, wie ist es jetzt? Hast du das Rätsel gelöst? Welches Rätsel? Hallo: Was hat der Fruhtrunk mit Aldi zu tun? Also erst einmal. Es heißt tatsächlich Fruhtrunk und nicht Frühtrunk. Ich hab mir den Spaß draus gemacht und alle Üs als Us geschrieben. Ich fands witzig. Ich komm deshalb drauf, weil es ja heute um Kunst geht. Und der Günter, der Günter Fruhtrunk ist ein Künstler, genauer gesagt ein Maler und Graphiker. Und der hat Folgendes abgesondert: „Zur Genüge ist ja bekannt, dass meine Intentionen, meine Augen etwas von der Schärfe der Konturen brachten, die bequemerweise aber fälschlich als Geometrie bezeichnet worden sind; die durch die Schärfe entstehenden Grenzirritationen und Schwingungen. In Wirklichkeit schlägt dies ja geradezu Geometrie mit einem Teil ihrer formalen Bedingungen auf ihrem eigenen Feld …“ Der Hammer, oder? Ach so, das Rätsel. In dem Leporello über Günter ist Folgendes zu lesen: 1970 entstand auch das ikonische blau-weiße Diagonalmuster der Aldi Nord Plastiktüte, das Fruhtrunk als Auftragsarbeit für den Aldikonzern entwarf.

Hast du dir vorher noch nie Gedanken drüber gemacht, stimmt’s? Jetzt weißt du es. Und wenn du mich in Düsseldorf auf der Kö mit einer Aldi-Plastiktasche flanieren siehst, dann weißt du, dass das so soll. Bleibt noch die Frage, vor welcher Kunst ich da oben auf dem Foto posiere. Zur Zeit gilt das noch nicht als Kunst, kann aber ja noch werden. Das ist der Absperrzaun am Akademischen Kunstmuseum im Hofgarten.


Mittwoch, 17. April 2024

Karussellpferde brauchen Seeluft

Ich sprach doch neulich über Schäden – im Allgemeinen und neurologisch und brückentechnisch im Speziellen. Wo ich aber so was von froh bin, und das muss man ja auch mal ehrlich, wie heißt es heute so schön, kommunizieren. Wo ich mich immer so was von freue, wenn bei Lidl oder Aldi ein Einkaufswagen „kaputt“ ist, also nicht angeleint ist, und ich den einfach ohne Chip nehmen kann. Und wo ich gerade beim Aldi bin. Es gibt ja schon einiges, wo ich mich frage, wie schafft das Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters, dass da bei mir ein Bedürfnis geschaffen wird, was es vorher noch gar nicht gab. Olivenschiffchen zum Beispiel. Hab ich zwei im Schrank stehen. Ich glaub, ich hab die erst einmal benutzt, hab mit meinen Fingern (ich weiß gar nicht, ob ich die mir vorher gewaschen habe) jede einzelne Olive in dieses schmale Gefäß aus weißem Porzellan gesetzt. Oder diese Pfannentrenner zum Schonen aufeinander liegender Pfannen. Kannst du noch so viel Werbung in deinem Werbeblättchen machen. Was gibt’s noch? Ach ja, die elektrische Pfeffermühle mit LED-Licht - auch toll! Was aber mit Abstand so was von an allererster Stelle steht, unfasslich so ein Schrott! Aber Hauptsache, es hat was mit USA zu tun.

Ich bin extra während meines Urlaubs im Februar am Dornumersiel mit dem Rädchen einige Kilometer gefahren, um mir das Teil von Nahem anzuschauen. Wobei ich jetzt auch dazu sagen muss, so hatte ich wenigstens ein Ziel. Unter uns, ich weiß beim besten Willen nicht, warum es zur Sommerzeit da so viele Menschen hinzieht. Gemessen an der immensen Anzahl an leeren Ferienwohnungen und der noch größeren Anzahl an geschlossenen Restaurants müssen da in der Hochsaison Trauben von Urlaubsgästen unterwegs sein. Also das Meer oder das, was du von ihm siehst, kann es jedenfalls nicht sein, warum du da hinfährst. Wobei, je nachdem wie klein deine Kinder oder Enkelkinder sind: Also dass die da ertrinken, eher unwahrscheinlich. Der einzige Grund, also die Luft dort am Dornumersiel muss so was von unglaublich gesund sein. So öde, wie das da ist. Da ist ja wirklich nichts. Und das genau scheint der riesige Vorteil dieser Gegend zu sein. Ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal: keine Wälder, wenig Flora, dafür viel Seeluft. So was von gesund muss da das Klima sein, wenn du Allergie hast oder Lunge – du oder dein Pferd. Weil, das haben wir dort viel gesehen: Pferdepensionen. Und damit das Pferd kein Heimweh kriegt, verbringen Herrchen und Frauchen (sagt man das so bei Pferden?) dort auch ihren Urlaub. Und die wollen natürlich abends auch einmal nett essen gehen – im Februar, so wie wir. Und da gab es jetzt von den vielen, vielen Restaurants nur drei, die geöffnet hatten: Mein Traummann und ich sind jeden Abend in das Restaurant „Dusend buddel huus“ gegangen. Was soll ich dir sagen: Das Gläschen Rotwein so was von preislich in Ordnung. Beim Blick in die Speisekarte ging dir jeden Abend das Herz auf. Was für eine Vielfalt an Fisch! An typisch norddeutschen Gerichten! Und rate mal, von wem das Restaurant geführt wurde. Genau, von einem Inder, und seine Frau war die Köchin.


Wo ich gerade bei Pferden war. Da konntest du ja neulich in der Presse Folgendes lesen:
Die Tierschutzorganisation PETA kritisiert die Darstellung von Tieren in Karussells, auch wenn sie nicht echt sind. Ein Medienwissenschaftler betrachtet die Diskussion kritisch. Pferde, Kamele oder Elefanten - der Ritt auf Tierfiguren gehört zu den Klassikern, wenn man einen Freizeitpark oder Jahrmarkt besucht. Das sieht PETA Deutschland kritisch: "Wir sind der Meinung, dass solche Karussellfiguren mit Tiermotiven die Vorstellung verstärken, dass Tiere als empfindungsfähige Wesen vermeintlich nur zu unserer Unterhaltung da sind."
PETA Deutschland ist eigenen Angaben zufolge landesweit die größte Tierschutzorganisation, die sich für die Rechte von Tieren einsetzt. Auf ihrer Homepage schreiben sie: "Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten." Der Vorstoß gegen Tierfiguren in Fahrgeschäften kam von PETA USA. Die Tierschutzorganisation hatte sich vergangene Woche an einen großen Hersteller gewandt, der unter anderem solche Karussellfiguren mit Tiermotiven produziert. Die Tierschützer hatten an das Unternehmen appelliert, auf solche Tierdarstellungen bei Fahrgeschäften zu verzichten. Alternativen für Tiermotive seien der Fantasie überlassen.
Yvonne Würz, Fachreferentin für den Bereich Zoo und Zirkus bei PETA Deutschland, sagt auf SWR-Anfrage: "Auch wenn es keine lebenden, echten Tiere auf den Karussells sind, die da leiden. Es transportiert trotzdem ein bestimmtes Bild in der Gesellschaft von unserem Umgang mit Tieren." In vielen Bereichen der Gesellschaft sei es immer noch so, dass Tiere ausgebeutet würden, etwa beim Elefantenreiten im Tourismus oder beim Einsatz von Pferden an Karneval.
Als Alternative zu Tiermotiven auf dem Karussell schlägt Yvonne Würz Fahrzeuge verschiedenster Art vor und Raketen, Raumschiffe und Sternschnuppen, auf denen man sitzen kann. Georg Spreuer vom Schaustellerverband Mainz erzählt, er habe erst mal in den Kalender schauen müssen, ob denn der erste April sei, als er von der Forderung erfahren habe. „Als nächstes kommen die Umweltschützer und verbieten die Motorräder und Autos auf dem Karussell, weil das Verbrenner sind. Wo kommen wir denn da hin?“. Ich lass das jetzt einfach mal auf dich wirken!

Ich hab total vergessen, dir zu sagen, von welchem neuen Produkt beim Aldi ich spreche. Ich mein, du ahnst es sicherlich schon. Ich hab ja nicht umsonst das Foto gewählt: der „NFL-Snackhelm – Zum Servieren von Chips, Dips und anderen Snacks, mit herausnehmbarer Schale und Eimer“. Was ich total toll fand: Als ich im Aldi im Dornumersiel war (die Super Bowl Live Übertragung war tags drauf am Sonntag – da hat Aldi geschlossen!), waren da noch viele, viele Restanten. Vermutlich ist keiner dieser bekloppten Snackhelme verkauft worden.

Sonntag, 14. April 2024

Vernissage mit der Putzfrau

Wie jetzt? Da wird noch gefeudelt und gewischt, obwohl die Besucher schon versammelt sind? Und dann will die Reinigungsfrau auch noch wissen, wie diese hyperrealistischen Bilder gemalt sind und warum eine verbrannte Skulptur hier ausgestellt ist! Künstlerin Birgit Brandt-Siefart erklärt geduldig, was es mit ihrer Kunst auf sich hat. Eine köstliche Überraschungs-Performance vom Feinsten - mit Adi Bennemann in der Rolle der begeisterten Putzfrau. So originell kann eine Ausstellungseröffnung sein...



Mittwoch, 27. März 2024

Ergänzung: Ertüchtigung des Standstreifens

Ja, ich weiß, hatte ich schon. Aber immerhin habe ich mir die Mühe gemacht und nach einem

Synonym für „Nachtrag“ gesucht. Weil, neulich hatte ich ja über das Kölner Husarenstück berichtet. Dass die uns Bonnern erlauben, auf der Adenauerallee, du weißt, worum es geht. Was war und bin ich da so was von froh, dass ich Folgendes in meinem SCHAUFENSTER lesen konnte: Verkehrsversuch in der Adenauerallee – die Stadt Bonn hat mit den Markierungsarbeiten für die Einrichtung des Verkehrsversuchs auf der Adenauerallee begonnen (wenn du jetzt ganz konzentriert bei der Sache bist, kümmere dich gefälligst selbst drum, ob es in oder auf der Adenauerallee heißt. Wofür hast du denn das Internet!). Die Arbeiten sollen im Laufe der nächsten Tage beendet sein. Ein Unternehmen wird für den Radverkehr in beiden Fahrtrichtungen eine Breite von 2,70 Meter (ich bin mir nicht sicher, ob das reicht. Weil, schau dir doch mal an, was neuerdings unter der Bezeichnung Fahrrad so alles unterwegs ist. Diese immer breiter werdenden Lastenfahrräder. Ganz zu schweigen von den Fahrradfähnchen, diese Sicherheitswimpel, die so was von eine Spannbreite haben. Also wenn du da zu knapp dran vorbei. Und dann muss ja auch jederzeit die Möglichkeit bestehen, dass zwei Fahrradfahrer nebeneinander fahren können). Also 2,70 Meter der jeweils rechten Fahrspur werden mit beleuchteten Leitbaken im Abstand von fünf bis zehn Metern (ja was denn nun? Da möchte ich bitte für mich Planungssicherheit, ganz genaue Zahlen!) sowie einer durchgezogenen gelben Markierung abgetrennt. Für den KFz-Verkehr bleibt eine Fahrspur mit einer Breite von 3,50 Metern. Die abgetrennte Spur wird mit Fahrradpiktogrammen versehen. Grundstückszufahrten, Einmündungen und Parkplätze bleiben erreichbar. (Gut, dass das noch mal erwähnt wird.) Zusätzlich werden Bushaltestellen und Ladezonen eingerichtet.

Was mir dazu einfällt, überall wo du hinguckst gibt es Arbeitskräftemangel und so Vieles liegt im Argen. So viele Baustellen, wo du denkst, geht’s da gar nicht weiter, erlebe ich das noch, dass die fertig werden? Könnte man da nicht, weißt du wie ich meine. Weil, im Zusammenhang mit dem Adenauerallee-Projekt scheint es ja genügend oder sogar zu viele Beschäftigte zu geben, so wie die on time sind. Könnte man die nicht geschickt abwerben und wo anders, wo es dringend notwendig wäre, einsetzen? Und was ja das Tolle wäre. Du hättest zwei Fliegen mit einer Klappe. Das Adenauerallee-Projekt bleibt selbstredend ein Projekt, aber eben für die Zukunft, und gleichzeitig geht es an anderer Stelle zügiger weiter. Apropos Arbeitskräftemangel. Überall brennt ja die Bude. Überall werden Quereinsteiger gesucht. Sogar fachfremd! Mir auch egal. Wobei ich mir da jetzt bei einer Operation am offenen Herzen schon jemand wünschen würde, der das schon mal gemacht hat oder zumindest mal zugeschaut hat – entweder live im Operationssaal oder Arztserie vom Sofa aus. Ich komm deshalb drauf, weil ich doch neulich auf der Internetseite einer neurologischen Gemeinschaftspraxis folgende Lettern las:  ACHTUNG: AKTUELLE STELLENANZEIGE - MFA und Mitarbeiter*in mit fachfremder Qualifizierung in Voll- oder Teilzeit und auch auf Minijob-Basis AB SOFORT GESUCHT. Da weißt du am Ende des Tages auch nicht hundertprozentig, ob du da mit jemandem gesprochen hast, dessen Aufgabe eigentlich Rezept- und Terminvergabe und Mail-Bearbeitung ist, oder mit dem Neurologen (wobei das nicht zwingend schlechter sein muss).

Wo ich gerade beim Neurologen bin. Du kennst das, vollkommen zusammenhangslos, und da kannst du dich noch so oft fragen, wie du da jetzt drauf kommst. Ich sag nur Synapsen. Ich muss gerade an meinen Hinnerk Schönemann denken (du weißt, ich mag den). Wie der zu seiner Kollegin in der Fernsehserie „Nord bei Nordwest“ sagt: „Wissen Sie, ich glaube, dass die Kekse bei Frau Christiane einfach einen Knick in die Synapsen gefaltet haben.“ Übrigens, da läuft er auch – wie bei der Marie Brandt. Ist aber langsamer als seine Kollegin. Und fragt die dann: „Machen Sie eigentlich Sport?“ Reg dich nicht auf, merk ich selber, kommt nicht richtig rüber, Stichwort Situationskomik.

Wo ich gerade bei neurologischen Baustellen, oder nenn es meinetwegen auch Schaden, war. Neulich ist ja tatsächlich mal was fertig geworden. Die erste neue Teil-Brücke der Autobahn A1 bei Leverkusen wurde eröffnet und für den kompletten Straßenverkehr, also auch für Lastkraftwagen, freigegeben. Was ich mich in dem Zusammenhang immer wieder frage, wenn ich auf der Autobahn unterwegs bin. Nicht, dass du mich falsch verstehst. Ich kann schon lesen. Beispiel: Hinweisschild roter Kreis, schwarze Hundert auf weißem Untergrund heißt ich darf nicht schneller als 100 fahren. Ob ich mich jetzt daran halte, andere Sache.

Aber was ich jetzt meine, ist dir sicherlich auch schon begegnet, das Hinweisschild „Brückenschäden“. Was genau mache ich denn mit dieser Information? Soll ich auf der Autobahn wenden und es anderenorts versuchen? Soll ich das Auto vor der Brücke abstellen und meine Reise weiter zu Fuß fortsetzen? Das einzige, was dieses Hinweisschild doch im Zweifelsfall schafft, ist, dass ich mir vor Angst in die Hose mache. Und wo ich gerade auf der Autobahn bin. Kürzlich las es sich dort auf einem Hinweisschild „Ertüchtigung des Standstreifens“. Da sag ich nur, da war aber mal jemand so was von gut drauf. War bestimmt ein Kölner, dem das eingefallen ist. Ein Kölner, verkleidet als Clown am Mittwoch vor Weiberfastnacht. Quasi noch kein Straßenkarneval, aber schon mal ein Straßenkarnevals-Hinweisschild. Die haben ja immer Grund, gut drauf zu sein. Wenn es nicht der Karneval ist, dann ist es ihr Fußballverein. Und das finde ich das Tolle an dem Kölner. Das ist dem quasi so was von egal, ob der 1. FC gewinnt oder verliert. Hauptsache, du hast eine Superjeilezick im Stadion mit allen anderen Fans, quasi Familie. Warum kriegen wir anderen das nicht hin, quasi Familie? Hallo, warum nicht an einem Samstagabend zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr? Quasi Lagerfeuer. Und was da ja noch so was von besser ist, als (wie) wenn der 1. FC spielt: Wir gewinnen auf jeden Fall! Beim deutschen Vorentscheid zum ESC 2024 konnte Deutschland gar nicht verlieren. Es gab viele gute und sehr gute Beiträge und wieder eine fulminante Barbara Schöneberger. (Ich persönlich war ja für den Ryk mit seinem Song „Oh Boy“). Aber vollkommen egal. Aber was genau soll diese späte Sendezeit 22:05 Uhr?

Nebenbei, den ESC schau ich mir natürlich auch an – wie die Kölner ihren 1. FC. Hauptsache Event, Hauptsache „Da simmer dabei“!

Donnerstag, 7. März 2024

Was heißt hier Nachtrag? Und A555 wird Fahrradstraße


Ja, ich weiß, mit einem Nachtrag kann ich nicht anfangen. Nachtrag bedeutet Ergänzung, Zusatz am Schluss einer schriftlichen Arbeit. Sonst hieße es ja Vortrag. Weiß ich ja selbst. Oder selber ? Ich hab mal nachgeschaut: Da die beiden Wörter "selber" und "selbst" gleichbedeutend sind, kann man beide Wörter verwenden. Jedoch gehört "selbst" der Standardsprache an und "selber" eher der Umgangs- bzw. Alltagssprache. In einem Gespräch ist "selber" so gut wie "selbst", beim Schreiben ist "selbst" die bessere Wahl. Was ich dir eigentlich sagen will, sieh es doch einfach als Nachtrag zu meinen vorigen Sermonen.

So hatte ich dir ja letztens erzählt, dass die Adenauerallee zu Zeiten, als Bonn Bundeshauptstadt war, Diplomatenrennbahn genannt wurde. Was ich nicht wusste, die Bundesautobahn 555 von Bonn nach Köln nannte man auch so. Und da bin ich jetzt so ans Sinnieren gekommen: Wenn da bei der Bezirksregierung Köln jetzt jemand so ganz gut drauf ist, also einen Clown gefressen hat, dass der meinen Bonner Entscheidungsträgern vorschlagen könnte, die gesamte A 555 zwischen Köln und Bonn zur autofreien Zone zu erklären, sprich zur Fahrradstraße. Einfach nur mal als Idee. Apropos, so das Internet: Weil es zur Zeit der Bonner Republik auf der A 555 keine Geschwindigkeitsbegrenzungen gab, konnten Regierungsbeamte, die in Köln wohnten, mit hohen Geschwindigkeiten zur Arbeit in die damalige Bundeshauptstadt Bonn gelangen. Zudem sollen ausländische Diplomaten und Staatsbesucher bei ihren Aufenthalten in der damaligen Hauptstadt Bonn mit ihren Limousinen den Weg nach Köln und zurück mit Höchstgeschwindigkeit zurückgelegt haben. Begünstigt wurde die Entstehung dieses Spitznamens durch die hohen Motorleistungen der Regierungsfahrzeuge und den geringen Lkw-Anteil auf der Städteverbindung.

Und da hättest du geschmeidig mal die Möglichkeit gehabt zum. Ah, du erinnerst dich nicht mehr. Fragst dich, wo die Geschichte hingehen soll. Ich hatte mich mal darüber ausgelassen, dass ich das Nomen Selbstmord nicht mehr im deutschen Sprachgebrauch haben möchte. Und kurz danach las ich im Zusammenhang mit Van Gogh das Wort Freitod. Was für ein schönes Wort, kann ich da nur sagen. Wie komm ich drauf? Ach ja, wegen der Autobahn 555: Hohe Motorleistung und keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Also wenn das damals kein Angebot war!

Ja, und wo ich ja erst letztens bei der Kunst im öffentlichen Raum war, wollte ich jetzt doch noch mal auf die Kunst an der Autobahn aufmerksam machen. Dort installierte der Künstler Lutz Fritsch am 12. und 13. September 2008 an den Endpunkten der Autobahn jeweils eine 50 Meter hohe rote Stahl-Stele, um Bonn und Köln in einen künstlerischen Dialog zu bringen. Hört sich gut an, oder? Also ich als Kölner Entscheidungsträger würde den Bonner Entscheidungsträgern ganz ernsthaft die Sache mit der Autobahn 555 als Fahrradstraße verkaufen, quasi als ein Zeichen setzendes Kunst- und Klimaprojekt. Ich glaub, die Bonner Verantwortlichen würden das glatt machen.

Wo ich gerade mit Bonn und Köln zugange bin. Also das können die Kölner ja. Ich vermute, es hat damit zu tun, dass der Kölner das schon mit der Muttermilch aufsaugt: Erst wartet er stundenlang in der gefühlt elften Reihe auf den Rosenmontagszug und dann begrüßt er jede einzelne Tanzgruppe, jeden Mottowagen mit einem donnernden Alaaf. So lange bis am Ende der Prinz kütt. Wobei mir da einfällt, dass man heutzutage gar nicht mehr von Muttermilch sprechen darf. Schau, so liest es sich: Statt Muttermilch („Breastmilk“) sind Hebammen und Ärzte demnach gemäß neu eingeführter Sprachpolitik dazu angehalten, zukünftig auch „Milch vom Menschen” („Human Milk“) oder „Milch vom stillenden Elternteil“ zu sagen. Ich sag da mal jetzt nichts zu. Ich lass das einfach mal auf dich wirken. Also was die Kölner da auf die Beine gestellt haben, als es darum ging, gegen die AFD, gegen Rassismus, zu demonstrieren!

Wobei wir Bonner uns ja auch nicht verstecken müssen, was die Beteiligung anging. Was mir nur da so durch den Kopf ging, während ich da so stand und hörtechnisch nichts von den Reden mitbekommen habe. Wobei ich noch recht günstig stand. Schon im Vorfeld hatte ich mir die Frage gestellt, warum die Wahl auf den doch recht kleinen Marktplatz für diese Demonstration gefallen war. Ich stellte mir auch die zum Marktplatz führenden doch recht engen Zugangsstraßen vor. Später habe ich gehört, dass viele Menschen tatsächlich in den verstopften Nebenstraßen hängen geblieben sind und nichts, aber auch gar nichts von den Rednern mitbekommen haben. Der Münsterplatz ist doch um einiges größer (ist der nicht fast doppelt so groß?). Dann eine richtige Bühne mit einer perfekt ausgesteuerten Beschallungsanlage, damit möglichst alle Menschen den Reden folgen können. Ich habe mir sagen lassen, es gibt Veranstaltungstechniker, die so etwas können. Ich hörte dann oft, dass man sicherlich nicht mit so einer regen Beteiligung gerechnet hätte. Ich verstehe dieses Argument nicht. Was genau wäre im worst Case so schlimm gewesen, wenn sich auf dem Münsterplatz eventuell nicht ganz so viele Menschen eingefunden hätten wie erwartet?

Und, was der Marktplatz zu klein war, war das Programm zu lang. Nach 60 Minuten muss der Drops gelutscht sein, muss der letzte Redner durch die Tür sein. Ich mein, das muss man ja auch mal sagen. Erstmal musst du ja da hinkommen. Entweder stehst du erst an der Haltestelle und dann in der Bahn oder du gehst zu Fuß. Da geht ja mal ganz schnell ein halbes Stündchen ins Land. Dann reihst du dich in den Strom ein (um nichts zu hören) und stehst dicht gedrängt. Und danach dasselbe nur umgekehrt. Und wenn du dir mal angeschaut hast, wer da alles demonstriert hat. Ja, hallo, auch viele alte Männer! Und was fällt dir zu einem so langen Zeitraum spontan ein? Richtig, Prostata. 

Mittwoch, 14. Februar 2024

Die Bertha und der Adenauer


Neulich war ich doch beim Thema Entscheidungsträger in Bonn, bei der Kunstkommission. Und da fiel mir im Zusammenhang mit Entscheidungsträgern in Bonn folgender Artikel in meinem SCHAUFENSTER in die Hände: Grünes Licht für den Verkehrsversuch – weniger Platz für Autos auf der Adenauerallee. Der ab Februar geplante Modellversuch in Sachen Verkehrsführung auf der Adenauerallee (B9) kann starten. Die Bezirksregierung Köln hat nach Angaben der Stadt die Planungen der Stadt für die Umgestaltung unfassend geprüft und hat keine Beanstandungen. Damit bestätige die Bezirksregierung die Analyse der Stadt Bonn, betonen die Verantwortlichen im Stadthaus. So biete der heutige Fahrradschutzstreifen keine Sicherheitsabstände zu parkenden Autos und in großen Teilen keine ausreichenden Abstände zum fließenden Verkehr, die für ein sicheres Überholen notwendig wären. Die Pläne für die Umgestaltung der Adenauerallee auf Basis der aktuell geltenden Regelwerke sehen vor, eine der bisher zwei Kfz-Spuren je Fahrtrichtung in eine eigene Radspur umzuwandeln. Die Bezirksregierung Köln habe diese Planung sowohl verkehrsrechtlich als auch auf verkehrliche Belange geprüft und bestätigt, dass die Umgestaltung von der Stadt korrekt geplant wurde. Laut Bezirksregierung seien die Pläne nicht zu beanstanden (das habe ich jetzt verstanden, dass nichts, aber auch gar nichts zu beanstanden ist!). Diese Neuaufteilung testet die Stadt in einem Verkehrsversuch zwischen Februar und April 2024. Je nach Ergebnis des Versuchs nimmt die Stadt anschließend Verbesserungen an der Planung vor, beispielsweise an Kreuzungen oder bei der Ausweisung von Park- oder Ladeflächen. Die Stadt Bonn begleitet den Versuch mit Informations- und Dialogangeboten.

Ich habe ja den Verdacht, dass Köln aus ganz anderen Gründen, als in dem Artikel angegeben, grünes Licht gegeben hat. Dass die sich da in Köln so was von ins Fäustchen lachen. Dass die alles durchwinken, was hier in Bonn dazu beiträgt, den einen oder anderen Autofahrer davor abzuschrecken, Bonn zu besuchen. Weil, wenn du den Bonner Entscheidungsträgern bei solchen Themen immer alles durchgehen lässt. Hallo, welcher Tourist kommt dann noch mit dem PKW nach Bonn? Und welcher mit der Bahn – so oft wie da gestreikt wird? Da bist du ja als Tourist froh, wenn du es bis nach Köln schaffst. Warum es dann noch weiter unter Aufbietung aller Strapazen bis nach Bonn zum Bertha-von-Suttner-Platz schaffen wollen, um vor Beethovens Geburtshaus zu stehen? Ich mein, sind wir doch mal ehrlich, ich als Japanerin, wenn ich den Beethoven so verehre, kann ich doch auch nach Wien fahren. Dort hat er ja immerhin die meiste Zeit seines Lebens gewirkt und ist dann dort gestorben. Ob jetzt Geburtshaus oder Sterbehaus – Hauptsache, ich komme ohne allzu großen Aufwand dorthin. Und wenn ich mich zwischen Bonn und Wien entscheiden müsste. Ich mein, in Wien habe ich immerhin noch das Sisi-Museum in der Hofburg!

Weil ich, die ich auf Beethovens Spuren unterwegs bin, gerade am Bertha-von-Suttner-Platz stehe. (Wobei das ja eigentlich kein Platz ist. Es ist ja eigentlich nur eine größere Haltestelle mit einer stark befahrenen Straße drum herum – und ausnehmend hässlichen Häusern.) Neulich war ich ja im Stadtgarten zur Beethoven-Hommage unterwegs. Und dann habe ich auch noch auf der Hofgartenwiese die Macke-Hommage bestaunt. Was ich mich in dem Zusammenhang gefragt habe: An der Ecke Bertha-von-Suttner-Platz/Sandkaule steht ja die 2,50 Meter hohe Edelstahlskulptur, die an die Friedensaktivistin, die Bertha, erinnern soll. Diese Stehle, die die Konturen eines stilisierten weiblichen Körpers zeigt. Was ich mich da immer schon gefragt habe, ob es da nicht einen schöneren Platz gegeben hätte, für diese Stehle.

Ich bin aber vom Thema abgekommen. Wenn jetzt die Kölner Entscheidungsträger auch noch so schlau wären und würden die Beethoven-Skulptur von dem Lüpertz bei sich in Köln aufstellen (wenn sie hier in Bonn keiner haben will). Was genau gäbe es dann überhaupt noch für einen Grund nach Bonn zu kommen – und in ein Parkhaus zu fahren, was ja mittlerweile auch nicht gerade wenig kostet. Was mir da als geniale Lösung einfällt. Erinnerst du dich noch an die Zeit, als Bonn Bundeshauptstadt war? Damals nannte man das Teilstück der Bundesstraße 9 zwischen Bonn und Bonn-Bad Godesberg scherzhaft die „Diplomatenrennbahn“. Weil Bad Godesberg wenig zerstört war, schlugen gut zwei Drittel der Eminenzen ihr Domizil in diesem noblen Stadtteil kurfürstlicher Gründerzeithäuser auf. Umgeben von prachtvollen Parkanlagen residierten sie in einem beschaulichen Umfeld der kurzen Wege. So benötigten sie über die sogenannte Diplomatenrennbahn – ein Teilstück der B9 - nur rund zehn bis 15 Minuten, um mit ihren großen schwarzen Limousinen zur Machtzentrale im Regierungsviertel zu gelangen. (Da wäre der Vorschlag für nur eine Fahrspur nie durchgekommen.)

Jetzt stell dir mal vor, du machst aus der gesamten Adenauerallee ein Gesamtkunstwerk. Das Haus der Geschichte steht dort ja schon, sowieso die Museumsmeile. Sämtliche Skulpturen, bei denen wir nicht sicher sind, ob wir sie toll finden, stellen wir entlang der Adenauerallee auf, damit der flanierende Tourist was zu gucken hat. Selbstredend wird die Bertha auch umgebettet, ich meine natürlich, umgestellt. Da ist es nämlich viel ruhiger als dort, wo sie jetzt steht. Natürlich lädt auch das aus dem Jahr 1957 stammende Bundesbüdchen, ein als Baudenkmal unter Denkmalschutz stehender ovaler Kiosk, zum Verweilen ein.

Wenn du das jetzt als Stadt Bonn richtig vermarktest, als landschaftliches historisches Gesamtdenkmal. Wenn du mit Schlagwörtern wie „Entschleunigung“, „Zeitreise in die Vergangenheit“, „zu Fuß auf der ehemaligen Rennbahn“ arbeitest. Das kannst du so was von als Gesamtevent für ein verlängertes Touristen-Wochenende anbieten.

Stören eigentlich nur noch zwei Dinge: die zwei KFz-Spuren, die zur Zeit noch – rechtens (!), abgesegnet von Köln (!) – für den Autoverkehr bleiben sollen. Weil, wer überhaupt möchte denn nach Bad Godesberg fahren, in den Tunnel?

Mittwoch, 24. Januar 2024

War’s das mit dem Bonner „Walk of Arts“?

Neulich las es sich in meinem SCHAUFENSTER folgendermaßen: In einem offenen Brief haben die Mitglieder des Vereins „Bürger für Beethoven“ die Bezirksvertretung Bonn gebeten, nicht der Empfehlung der Bonner Kunstkommission zu folgen, den Leihvertrag für die Skulptur „Hommage an Beethoven“ von Markus Lüpertz auslaufen zu lassen. „Auch wenn die Lüpertz-Skulptur von Anfang an Diskussionen ausgelöst hat, halten wir es für falsch, ausgerechnet aus der Beethovenstadt Bonn ein Kunstwerk zu entfernen, das sich mit dem Komponisten auseinandersetzt.“ Im Übrigen solle man das bürgerschaftliche Engagement des Vereins „Stiftung für Kunst und Kultur“ nicht gering schätzen: „Immerhin wird dadurch die Beethoven-Darstellung eines international renommierten Künstlers in der Geburtsstadt des Komponisten gezeigt, ohne dass es die Stadt Geld kostet.“ Jeder wisse, dass für den Fall des Abbaus an diesem Standort kein Kunstwerk ähnlichen Ranges aus dem städtischen Haushalt finanziert werden könne.

Lies dir unbedingt hier den vollständigen Brief durch! Am Ende wird es noch mal richtig interessant. Danach haben von den 13 Mitgliedern der Kunstkommission nur fünf an der entsprechenden Abstimmung teilgenommen. Nur drei haben die Verlängerung des Leihvertrages abgelehnt. Wenn du dir dann den vollständigen Brief durchgelesen hast, mal ganz platt gefragt: Was genau gibt es für einen Grund, die Skulptur abzubauen? Wobei ich zugebe, dass ich noch nicht bewusst davor stehen geblieben bin. Und das, obwohl sie schon seit 2014 dort steht. Das werde ich jetzt aber selbstredend nachholen.

Ich habe übrigens hier einmal nachgeschaut, was sich der Lüpertz bei seiner Skulptur gedacht hat: Lüpertz geht es in diesem Werk weniger um das ehrende Abbild, sondern um ein intensives Sinnbild der inneren Kämpfe, der Zerrissenheit und der dramatischen Interpretation des künstlerischen Genies. Und wo ich gerade dabei war. In Bonn gibt es ja von dem Lüpertz noch ein Kunstwerk. Und zwar vor dem Hochhaus des Post-Towers. Dort steht die zehn Meter hohe Bronzeskulptur des „Mercurius“, der auf einer blauen Weltkugel balanciert.

Apropos Kunst in Bonn. Da fiel mir doch justamente ein Artikel meines SCHAUFENSTERS aus dem Jahre 2018 (!!) in die Hand. Ja, hab ich mir aufgehoben! Die Lettern dort lauten: Die Welt von morgen ist bunt – Macke-Hommage am Hofgarten enthüllt. Der Blick zurück, hier in die Zeit des großen Bonner Expressionisten August Macke, ermöglicht eine Vision für die Welt von morgen. Wenn es nach der Vorstellung von Stephan Balkenhol geht, ist die bunt und vielfältig. Das vermittelt jedenfalls das Standbild des Bildhauers, das nunmehr eine Ecke des Hofgartens ziert. Die Bronzefigur guckt ohne sichtbare Regung in den in farbigem Glas dargestellten Himmel, der als eine Art von Baldachin auf einer Empore steht und von vier Streben gehalten wird. Zur Einweihung gab es damals Festreden vom damaligen OB Ashok Sridharan und von Walter Smerling, dem bis heute Vorsitzenden der „Stiftung für Kunst und Kultur“. Auf dem Foto lächelt der Altkanzler Gerhard Schröder mit seiner Ehefrau Kim (die wievielte eigentlich?) in die Kamera und neben ihm der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, dem das Lachen ja in der Zukunft vergehen würde. Weiter heißt es in dem Artikel: Walter Smerling kündigte einen „Walk of Arts“ für Bonn an. Im Laufe der Jahre bis 2030 will er 17 Kunstwerke in Bonns öffentlichem Raum aufstellen. „Kunst ist dafür da, dass wir uns weiterentwickeln“, meinte er. Und die ersten vier Werke dieser Sammlung, also der Lüpertz-Beethoven, der Cragg am Remigiusplatz, der Bogen am Trajekt-Kreisel und jetzt die Macke-Hommage seien ein guter Anfang.

Wenn ich das alles richtig verstanden habe (ich habe auch noch einen Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger gefunden), teilt Walter Smerling den Wunsch der Kommissionsmitglieder nach anderer Kunst auf Bonns Straßen und Plätzen. Deshalb habe sein Verein ja in den vergangenen Jahren auch kontinuierlich weitere Künstler nach Bonn eingeladen, die dem Stadtbild Werke hinzugefügt haben. Und wenn ich das weiter richtig verstehe, hat die Stadt Bonn seit 20 Jahren in Sachen Kunst überhaupt nichts unternommen. Jetzt will man die Skulpturen abräumen, aber weiß noch gar nicht, wo Alternativen herkommen sollen. Schließlich habe die Oberbürgermeisterin klargestellt, dass es kein Geld für solche Projekte in der klammen Stadtkasse gebe. Ja, du hast richtig gelesen, die Rede ist von Skulpturen, Plural. Weil es wohl auch um das Schicksal der Skulptur „Mean Average“ von Tony Cragg geht. Wenn ich jetzt die aktuelle Situation von Kunst im öffentlichen Bonner Raum mit den Visionen aus dem Jahr 2018 vergleiche: Unter „Walk of Arts“ Bonn  findest du im Internet nichts. Stattdessen sollen jetzt auch noch zwei von den vier genannten Skulpturen verschwinden. 

Wenn mir hier in Bonn die Sache zu blöde wird, wenn mir die Bonner Entscheidungsträger ganz blöde kommen. Wenn die mir den Tony wegnehmen, fahre ich einfach. Nein, nicht nach Köln und auch nicht nach Hamburg oder München oder Berlin. Nein, ich fahre nach Wuppertal. Las sich doch kürzlich im Feuilleton einer Zeitung ein seitenlanger Artikel unter der Überschrift „Das neue Berlin heißt Wuppertal – Die Industriestadt wird zum Kraftzentrum der Künste“. Wobei ich das auch ohne diesen Artikel schon lange wusste. Schon seit Jahren ist Wuppertal meine heimliche Geliebte. Und so sieht mein alljährlicher Tag in Wuppertal aus: Zuerst geht es zu Tony Craggs Skulpturenpark. Da schaue ich mir dann nach Herzenslust seine Skulpturen an. Dann eine lange Fahrt durch – oder sollte ich lieber sagen über - Wuppertal  mit der Schwebebahn, um die ich die Wuppertaler so was von beneide. Und dann zu Fuß durch die Innenstadt zum Brauhaus, das in einem ehemaligen Hallenbad beheimatet ist. Was für eine Location! Übrigens, dort in der Fußgängerzone, also im öffentlichen Raum, gibt es ganz viele Kunstobjekte.