Mittwoch, 13. Januar 2021

War mir neu: Käthe und Beethoven, ein Traumpaar

Diese Zeilen fanden ihren Weg in mein SCHAUFENSTER: Beethoven gratuliert persönlich zur Geburt. Die Stadt Bonn begrüßt ihre im Dezember geborenen Babys auf besondere Weise: Beethoven selbst - der bekanntlich im Dezember vor 250 Jahren in Bonn das Licht der Welt erblickte - gibt sich die Ehre und heißt die neuen Erdenbürger mit "Für Elise" herzlich willkommen. Die rund 20 Zentimeter großen Flauschpüppchen ähneln vom Äußeren her dem Großmeister der Musik und tragen sinnigerweise den Schriftzug "Born in Bonn".

500 Neubonner werden im Durchschnitt pro Monat geboren. Vorsichtshalber hat Hersteller Käthe Kruse 1.000 "Baby Beethovens" gefertigt. Die sind aktuell nicht verkäuflich. Vielmehr gibt es sie mit einem Willkommensschreiben der OB Katja Dörner einen Brief des Standesamts, bei dem die Babys als Neubürger Bonns angemeldet werden.

Die charmante Idee stammt von Claudia Weller. Die ist im Projektteam der Beethoven-Jubiläumsgesellschaft. "Drei Jahre haben wir konzipiert und probiert", erzählt sie. Dann aber waren Puppe und die darin integrierte "Für Elise-Spieluhr" produktionsreif. Die Puppe ist selbstverständlich waschbar. Und die Spieluhr kann man vor dem Waschgang entfernen und nachher wieder in die Puppe aufnehmen.

"Ein aufgeschlossenes Miteinander, Kindertagesstätten und Schulen, in denen man viel erlebt und gerne lernt" wünscht die OB den Neugeborenen in ihrem Anschreiben zur Übersendung der Puppe. Mit ihr hoffen die stolzen Eltern und alle Bonnerinnen wie Bonner, dass die guten Wünsche in Erfüllung gehen.

Ich sage nur "mögen", dass die guten Wünsche in Erfüllung gehen mögen! Dies Wörtchen fehlt mir am Ende dieses wundervollen Artikels. Ein Artikel, der mich, hätte ich ihn verfassen müssen, so was von an meine schriftstellerischen Grenzen gebracht hätte! Und nicht nur mich, wie man unschwer an dem Satz "Vielmehr gibt es sie mit einem Willkommensschreiben der OB Katja Dörner einen Brief …" erkennen kann. Als Verfasserin dieses Textes wäre auch ich so was von emotional aufgewühlt gewesen, die Sätze wären mir davon galoppiert. Und dann wieder die Käthe. Hallo, jetzt ist mir der Stress erspart geblieben, ob oder ob nicht ins Käthe Wohlfahrt-Haus auf dem Weihnachtsmarkt, und jetzt das! Also da bin ich ehrlich, diese ganze Diskussion über Gendersternchen, Innen und Co steht bei mir jetzt nicht auf Position eins. Aber bei den Worten "Hersteller Käthe Kruse" hab sogar ich gezuckt. Ich hätte vielleicht eher geschrieben "Vorsichtshalber wurden in den Käthe Kruse Werkstätten … gefertigt". Selbst wenn ich das Unternehmen gemeint hätte, also die Käthe Kruse GmbH, selbst dann wäre es ja die Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewesen. (Und wo wir schon mal dabei sind, sich die Diskussion eh nicht aufhalten lässt, hätte ich mir schon gewünscht, dass im Zuge dieser Diskussionen endlich auch einmal aus Heulsuse Heulsusende geworden wäre. Und Zimtzicke und blöde Kuh werden dann bitte auch konsequent Zimtzickende und Kuhende.) Überhaupt, vielleicht würde in das konkurrenzlos famose Traktat sogar "die Herstellende Käthe Kruse" besser passen.  

Auch bei den "Baby Beethovens" bin ich mir nicht ganz sicher. Ich weiß nicht, ob ich da den Plural verwendet hätte oder doch eher von 1.000 Baby-Beethoven-Puppen gesprochen hätte. All das, all diese Herausforderungen der deutschen Sprache, was die Grammatik betrifft, hätten mich allein schon schlaflose Nächte gekostet - aber kein Vergleich zu dem, was danach kommt.

Hut ab vor dem Autor! Drei Jahre (!) wurde an dieser Puppe und an der darin integrierten Spieluhr konzipiert! Dafür ist das Püppchen aber auch waschbar. Und man kann die Spieluhr vorher entfernen - muss man aber nicht. Wenn man sie vorher entfernt hat, kann man - muss man aber nicht - die Spieluhr wieder in die Puppe aufnehmen. Wenn man die Spieluhr nicht entnommen hat, ist sie nach dem Waschen kaputt (reintun und raustun als Verben gehen selbstredend nicht!). Und dann die Wünsche der Katja für die Neugeborenen und die Hoffnungen der stolzen Eltern und aller Bonnerinnen wie Bonner! Dramaturgisch nicht zu toppen. Ich war so was von emotional durch den Wind, habe mir vorgestellt, wie es wäre, wenn ich während des ersten Lockdowns schwanger geworden wäre ... Mein Traummann hat mich dann ganz schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und Bedenken hinsichtlich meines Alters geäußert. Möchte ich jetzt nicht näher drauf eingehen.

Hätte er gar nicht machen müssen, mich aus meiner Traumwelt herausreißen, weil, in meinem SCHAUFENSTER lasen sich auch diese Lettern: Gebühren sollen steigen. Weniger Winterdienst führt zu höheren Kosten für Anlieger. Weil Bonn Orange wegen des Klimawandels offenbar weniger mit Winterdienst beschäftigt ist, bleibt mehr Zeit, um die Straßen zu reinigen. Und das führt zu höheren Kosten für die Anlieger. Hintergrund ist, dass der Winterdienst, für den keine Gebühren bezahlt werden müssen, aufgrund der veränderten Wetterprognosen um 213.000 Euro niedriger kalkuliert wird und damit den gesamtstädtischen Haushalt entlastet. Wenn die bonnorange AöR Winterdienst leistet, dann verschiebt sie Kapazitäten aus der Straßenreinigung dorthin, um prioritär für Sicherheit im Straßenverkehr zu sorgen. Leistet sie weniger Winterdienst, dann verbleiben die Kapazitäten und die damit verbundenen Kosten in der Straßenreinigung. Daher führt der für das Jahr 2021 erwartete geringere Bedarf für den Winterdienst zu einer prognostizierten Steigerung des Gebührenbedarfs in der Straßenreinigung um 138.000 Euro. Das wird auf die Gebührenzahler umgelegt. 

Einfach nur wirken lassen! Zu diesem Artikel ist mir beim besten Willen nichts eingefallen - außer vielleicht das Wörtchen "prioritär" aufgefallen. Fein!

Mittwoch, 23. Dezember 2020

Einen Stress weniger! oder Das Riesenrad

 

Zeilen in meinem SCHAUFENSTER: Ja, die Tage werden immer schneller immer kürzer - aber jetzt beginnt für viele Menschen die schönste Zeit des Jahres. Zur Vorfreude auf die Adventszeit darf man sich schon in wenigen Tagen auf Plätzchenduft, Geschenkideen für Weihnachten, Reibekuchen und vielleicht auch einen leckeren Glühwein mit Freunden und Familie einstimmen. Denn: Am Freitagabend lädt der Bonner Weihnachtsmarkt wieder Besucher von Nah und Fern ein, um in die besinnliche Zeit zu starten… Stimmt: Zeilen aus dem letzten Jahr.

Bin ich froh, dass das Thema Weihnachtsmarkt durch ist! Für mich: immer wochenlanger Dauerstress und, vor allem, Dauerärger. Egal, wie ich mich entschieden habe! Immer dieser Zwiespalt, in dem ich war. Jedes Mal, wirklich jedes Jahr, immer wieder dasselbe Wechselbad der Gefühle. Das Wissen, egal, wie ich mich entscheide, am Ende bereue ich meine Entscheidung. Egal, wie sorgfältig ich abgewogen habe, das Für und Wider. Es spricht alles dafür und alles dagegen: der Besuch bei Käthe Wohlfahrt. Bin ich nicht einmal drinnen die Runde gegangen, sah ich alle mit glücklich verklärtem Blick aus dem Haus kommen, waren alle außer mir in die wunderschöne Weihnachtswelt eingetaucht. Stand ich drinnen und ging nichts mehr wegen Überfüllung, wusste ich ob des Hitzestaus nicht, wohin mit mir. Gut, ich gebe zu, es gab auch das ein oder andere Erfreuliche. Diese Tierchen aus Mineralien zum Beispiel oder die Holzbrettchen, in die ich mir meinen Namen hätte eingravieren lassen können! Auch die Stände mit dem ausgesprochen beeindruckend vielfältigen Angebot an Accessoires aus Filz: einfach fein! Aber unterm Strich für mich ein einziges Fiasko, der Weihnachtsmarkt.

Ich nenne nur die Standnummer 34, ja, den Stand, wo es den frischen Flammlachs auf Buchenholz gab. Jedes Mal, wenn ich mich aufgemacht habe, mit Vorfreude und Hunger im Bauch, war da immer eine dermaßen überzeugend lange Schlange, die mir vom Anstellen abriet. Oder Thema Zuckerwatte. Nicht, dass ich die je gekauft hätte. Aber wie oft ich die hinten auf meinem Mantel kleben hatte, weil irgendjemand hinter mir es nicht gebacken bekommen hatte.

Und dann diese unheimlich originellen Sollen-wir-Kollegen-uns-nicht-alle-einmal-auf-dem-Weihnachtsmarkt-treffen?-Verabredungen! Hatte ich zweimal! Das eine Mal, ein wunderschöner Wintertag, kalt und trocken, so wie ich es liebe - offensichtlich wie es viele Menschen lieben. Weil, da war es an der Weihnachtspyramide so was von voll. Da habe ich anfangs in der sechsten Reihe gestanden, um an ein Glas Glühwein zu kommen - und nach einer gefühlten Stunde in der gefühlten neunten. Dieses Sich-an-einer-runden-Theke-Anstellen-und-Drankommen, bevor der Stand dichtmacht: habe ich bis heute nicht verstanden, wie da die richtige Strategie ist. Egal, jedenfalls erinnere ich mich an dieses Treffen deshalb, weil, als ich endlich meinen Glühwein in der Hand hielt, mich von der Theke jetzt wieder nach hinten gekämpft hatte (nicht, ohne selbstredend die Hälfte zu verschütten!), als auch die letzte Schulter mich angerempelt hatte, war weit und breit kein bekanntes Gesicht mehr zu sehen. Was auch durchaus nicht verwunderlich war, hatten wir uns ja für zwei Stunden verabredet, also bis 19:00 Uhr, und nun zeigte das Ührchen kurz vor acht. Ich habe dann übrigens im Nachgang meine Winterjacke in die Reinigung bringen müssen.

Das zweite Wäre-doch-toll-wenn-wir-mal-was-außerhalb-des-Jobs-unternähmen-Weihnachtsmarkttreffen verlief komplett anders. Alle hatten zugesagt, nur drei - mit mir - waren dann erschienen. Im Nachhinein war klar, warum. Weil, schon als ich mich aufs Rad setzte, hatte es leicht angefangen zu nieseln, und dann nahm der Regen kontinuierlich Fahrt auf. So, nun steh mal zu dritt auf dem Weihnachtsmarkt und trau dich zu sagen: "Also, wenn nur ihr zwei da seid, und ihr zwei gerade die seid, mit denen ich sowieso wenig anfangen kann, fahr ich jetzt einfach wieder nach Hause." Machst du nicht! Also haben wir zunächst einmal im strömenden Regen auf noch weitere Kollegen gewartet, die nicht kamen. (Darf ich eigentlich, wenn ich über ein Ereignis in der Vergangenheit schreibe, darf ich da einfach Kollegen schreiben, ohne Kolleginnen, meine ich? Weil, damals war das ja noch so, dass damit alle gemeint waren.) Irgendwann haben wir dann ob des üsseligen Wetters versucht, zu dritt wenigstens irgendwo reinzukommen - wie alle anderen auch. Ja, und irgendwann haben wir uns unverrichteter Dinge, total durchgefroren und gefrustet verabschiedet. Am anderen Tag war das für alle anderen doch so was von klar, dass das Treffen bei dem Wetter doch wohl ausfallen würde (da sieht man, wie lange das schon her ist. Mit Handy wär das nicht passiert). Wenn ich mich recht erinnere, gab es noch ein drittes Treffen - ohne mich. Das war ganz, ganz toll: super, super Wetter und bei Weitem nicht so voll, wie man hätte annehmen können, dass man hätte lange an der Weihnachtspyramide anstehen müssen.

Was ich übrigens total verdrängt hatte: Einmal waren mein Traummann und ich nach dem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt für Tage außer Gefecht gesetzt. Weil, wir waren zufällig zu einer Zeit an der Weihnachtspyramide vorbeigekommen, als offensichtlich noch kein Mensch Lust auf Alkohol verspürte oder sich nicht traute, das öffentlich zu dokumentieren. Ich sah nur kein Schlangestehen, kein Drängeln, keine spätere Reinigung: Ich weiß bis heute nicht, wie wir nach Hause gekommen sind! Unschön, das Ganze.

Einen klitzekleinen Wermutstropfen gibt’s da doch: das Riesenrad. Betonung liegt auf dem Riesen. Vor vielen, vielen Jahren war das mit den Kindern ein Ritual: die zuvor gekauften gebrannten Mandeln auf dem Riesenrad genießen. Diese Zeit ist schon lange vorbei, aber mein Traummann und ich haben dieses Ritual zu zweit aufrechterhalten. Es gab ein einziges Mal vor gar nicht allzu langer Zeit, als die Töchter dann doch noch einmal mit dabei waren. Was für sie so unfassbar war: In ihrer Erinnerung war das Riesenrad ein riesiges Rad. Und als sie jetzt darauf zusteuerten, wunderten sie sich schon, dass sie es von Weitem nicht sehen konnten. Sie sahen es erst, als wir quasi davor standen - kein Wunder, es war ein ganz kleines Riesenrad! Es war das erste Mal, dass meinen Kindern bewusst wurde, wie alt, wie groß, wie erwachsen sie sind! Wie die Zeit, wie ihre Zeit vergeht!

Mittwoch, 2. Dezember 2020

Und immer diese Angst im Nacken!

So, auch das wäre geschafft! Selbstredend ging es nicht ganz ohne Anfeindungen und Drohungen ab. Und zeitweise habe ich mich auch ein ganz klein wenig unter Druck gesetzt gefühlt. Dass es da sogar eventuell um Gefahr für Leib und Leben gehen könnte, wär ich ja im Traum nicht drauf gekommen. Gut, ich hätte es mir denken können. Weil, das ging ja vorher schon durch die Medien, dass … 

Aber fang ich doch erst mal am Anfang an. Ich hatte ja schon mal erwähnt, dass ich dabei bin, mir ein zweites Standbein aufzubauen, was das Geldverdienen betrifft. Gut, da kann ich jetzt keine großen Sprünge mit machen, aber immerhin. Und mein Traummann hat dann am Wochenende auch mal ein paar Stunden für sich. Ich war ja schon zweimal als stellvertretende Briefwahlvorsteherin tätig. Und da muss ich wohl recht fix und akkurat gearbeitet haben, denn die haben sich ganz lieb für meine Unterstützung bei der Kommunalwahl und Stichwahl bedankt. Und sofort nachgefragt, ob ich ihnen denn auch bei der Auszählung zum Bürgerentscheid "Rettet das Melbbad" helfen könne. Kein Problem, aus oben erwähnten Gründen. Und es hieß ja auch dann in meinem SCHAUFENSTER: Bonns dritter Bürgerentscheid. Abstimmen über Wohnbebauung am Melbbad. Per Briefabstimmung entscheiden die Bonner im November 2020 darüber, ob am Rande des Melbbades geförderter Wohnraum entstehen soll oder nicht. Bis 6. November erhalten die rund 249.000 Abstimmungsberechtigten ihre Unterlagen, die bis spätestens Freitag, 27. November, zurückgeschickt werden können. Ausgezählt wird am 28. November. Zum dritten Bürgerentscheid in der Geschichte der Stadt Bonn kommt es, weil die Bürgerinitiative "Rettet das Melbbad" ein erfolgreiches Bürgerbegehren gegen den geplanten Wohnungsbau am Melbbad durchgeführt hat und der Stadtrat sich diesem Bürgerbegehren nicht angeschlossen hat. Abgestimmt wird über die durch die Bürgerinitiative formulierte Frage: "Soll das Melbbad in seiner jetzigen Form ohne eine Wohnbebauung erhalten bleiben?" 

Zunächst einmal war ich nach der Lektüre dieser Zeilen so was von traurig. Ich meine, das wäre doch wirklich mal wieder die Gelegenheit gewesen. So oft bietet die sich doch nun wirklich nicht. Aber ich musste mich damit abfinden, dass in diesem Artikel in diesem Zusammenhang das Wörtchen Quorum nicht gefallen ist. Wo, wenn nicht in diesem Artikel, hätte man Quorum unterbringen können? Und dann habe ich mich allerdings als Auerbergerin gefragt: Wo genau kommt der geförderte Wohnraum denn dann hin, wenn nicht da am Melbbad? Doch wohl nicht auch noch zu uns in den Auerberg. Habe mich aber sofort beruhigt, weil, bei uns ist jetzt wirklich alles zugebaut. Auch schön, da musst du dir darüber schonmal keine Gedanken mehr machen. Ich weiß noch, als mein Traummann und ich vor 30 Jahren in den Auerberg zogen. Da gab es viel freie Fläche und immer wieder hast du dich gefragt, was wird da wohl hingebaut. Jetzt weiß ich es. Aber zurück zum Melbbad. Ehrlich gesagt, unterm Strich hatte ich zu dieser Frage gar keine Meinung. Erinnerte mich aber, dass da doch ein Unwetter seine Hände mit im Spiel hatte. Gibt’s da überhaupt noch was zu erhalten? 

Was ich aber eigentlich sagen wollte, ich hatte mir bei der Kommunalwahl und der Stichwahl hinsichtlich, also dass ich da irgendwie in die Bredouille komme, überhaupt keine Gedanken gemacht. Ja, ich habe lustvoll Briefe aufgeschlitzt. Ja, und es gab selbstredend Stimmen, über die hinsichtlich ihrer Gültigkeit per einheitlichem Beschluss abgestimmt werden musste. Wenn zum Beispiel kein Kreuz gemacht wurde, also nichts, dann war die Stimme ungültig. Oder wenn jemand überall ein Kreuzchen gemacht hatte, auch ungültig. Wenn jemand noch einen Bewerber hinzugefügt und den gewählt hatte, auch ungültig. Oder wenn jemand hinter jedem Bewerber statt eines Kreuzchens ein Frage- oder Ausrufezeichen gesetzt hatte, auch ungültig. Oder wenn jemand statt des Stimmzettels das Foto seines Kandidaten beigelegt hatte, auch ungültig: Habe ich alles mit Bravour gemeistert. 

Und dann kamen die Bilder aus den USA. Und ich habe auch mal bei Wikipedia vorbeigeschaut. Da hieß es: Wahlhelfer beziehungsweise Stimmenzähler sind Mitglieder eines Wahlvorstands, welche Stimmzettel in den Wahllokalen ausgeben und die ordnungsgemäße Wahl der Bürger sicherstellen, nach Beendigung der Wahlzeit die Wahlzettel auszählen und für das jeweilige Wahllokal das Wahlergebnis feststellen. Hallo, "welche die ordnungsgemäße Wahl der Bürger sicherstellen". Und, da bin ich ehrlich, wurde mir doch im Nachhinein ein wenig blümerant. Gut, nutzte alles nichts, ich hatte meine Hilfe angeboten und bin dann hin, am 28. November. 

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die von der Stadt mich nicht mehr anrufen. Weil, ich schob, wie gesagt, jetzt so was von Panik, war Nächte zuvor triefnass in Schweiß gebadet aufgewacht, dass ich da jetzt nichts falsch mache. Ich hatte es ja bei den US-Wahlen gesehen, wie da die Wahlhelfer unter Druck geraten waren, bedroht worden waren. Und ständig die Wahlbeobachter im Nacken. Deshalb habe ich vermutlich einfach zu langsam ausgezählt und bei eindeutiger Sachlage zu lange debattiert. Es ist dann ein wenig eskaliert, als es um einen Stimmzettel ging, wo jemand mit größter Akribie das Melbbad gezeichnet, aber kein Kreuzchen gemacht hatte. Da hat mein Team - wegen meiner - einfach zu lange gebraucht, um den Stimmzettel für ungültig zu erklären. Um die Sache abzukürzen, mein Abstimmungsteam hat bis tief in die Nacht malocht. Und das, wenn man bedenkt, dass wir um 7:00 morgens angefangen haben und die anderen Teams schon um 10:00 wieder durch die Tür waren. Aber ich hatte so was von Angst, dass man mir im Nachhinein Wahl- also Abstimmungsbetrug vorwerfen könnte - bei so einer wichtigen Sache. 

Wie gesagt, ich bin mir ziemlich sicher, dass die mich von der Stadt nie mehr anrufen. Weil die genau wissen, dass keiner in meinem Team arbeiten will, weil du da erst um Mitternacht aus dem Stadthaus kommst.

Donnerstag, 12. November 2020

Endlich Herbst!

Neulich in meinem SCHAUFENSTER: Herbstliche Blumenpracht. Das Amt für Umwelt und Stadtgrün hat Mitte Oktober ungefähr 17.000 Herbstblumen auf städtischen Friedhöfen und Grünanlagen, insbesondere auf dem Nordfriedhof, gepflanzt. Einige der Sorten sind Stiefmütterchen, Silberdraht, Silberblatt und Callunen. Die Blumen kosten rund 7.500 Euro. Zeitgleich wurden auch die 37.000 Blumenzwiebeln für den nächsten Frühling eingepflanzt. Dann können sich die Bonnerinnen und Bonner unter anderem an Tulpen, Narzissen, Krokussen und Traubenhyazinthen auf den städtischen Friedhöfen und Grünanlagen erfreuen. Die Kosten hierfür betragen rund 4.800 Euro. Was für ein feiner Artikel. Wie ich mich freue! 

Aber nicht genug der Freude! Hieß es doch in meinem SCHAUFENSTER auch: Bonn färbt sich bunt. An der frischen Luft zu sein, macht in der Herbstzeit ganz besonders deswegen Freude, weil sich Bonn in leuchtend bunte Farben hüllt, die das Laub an den mehr als 110.000 Bäumen in Grünanlagen, an Straßen und auf Friedhöfen erzeugt, bevor es zu Boden fällt. Gerade wurde mir so wohlig warm ums Herze, als es dann so was von dicke kam - gerade für mich als Frau: Hieß es doch, dann müsse das Laub von den öffentlichen Straßen innerhalb kürzester Zeit entsorgt werden, um die Unfall- und Rutschgefahr für alle Verkehrsteilnehmer zu minimieren. Hallo, geht’s noch?! Also wenn das nicht diskriminierend ist. Ich mein, das haben wir ja jetzt alle verstanden, dass das mittlerweile ein absolutes No-Go ist! Ja, sogar ich, die Kämpferin (oder muss ich die Kämpfende sagen?) für das generische Maskulinum habe das verstanden. Ich, die sich immer gefragt hat, ob wir eigentlich keine anderen Probleme haben. Ich, die ohne jeglichen Diskriminierungsgedanken einen Frauenarzttermin wahrgenommen hat, obwohl es sich bei meinem Gynäkologen um eine Gynäkologin handelt. Ich, die kein Problem damit hat, eine Putzfrau Putzfrau zu nennen. Weil es nicht darauf ankommt, welches Wort ich benutze, sondern wir ich Selbiges meine, wie ich es mit Realität fülle. Bedeutet: einfach anständig bezahlen! Ja, sogar ich habe meinem Rechtschreibprogramm hartnäckig klargemacht, dass Laiin (ja, der weibliche Laie) so richtig geschrieben ist.

Was ich aber eigentlich sagen wollte. Da lese ich doch in meinem SCHAUFENSTER, das Laub müsse innerhalb kürzester Zeit von den öffentlichen Straßen entsorgt werden, um die Unfall- und Rutschgefahr für alle Verkehrsteilnehmer zu minimieren. Geht es nur darum, Männer zu schützen? Dürfen oder vielmehr sollen Frauen sich doch ruhig auf die Fresse legen? Ist das vielleicht sogar gewollt? Weil, wenn nicht das, was ist bitteschön gemeint, wenn mit keinem Wort die Verkehrsteilnehmerinnen erwähnt werden und auch nicht die Rede von Verkehrsteilnehmenden ist? Was übrigens auch noch in dem Artikel stand: Im vergangenen Jahr hat jeder Mitarbeiter der Stadtreinigung 5,6 Tonnen Laub - also das Gewicht eines afrikanischen Elefanten - in Bonn beseitigt. Mal ganz abgesehen davon, dass das eine Information ist, die ich in mein Lebtag nicht vergessen werde: Bei der Stadtreinigung, sind das jetzt starke Männer und - handelt es sich bei der Angabe des Gewichtes um einen weiblichen oder männlichen Elefanten, also um eine Kuh oder einen Bullen?      

Wo ich aber gerade bei den beiden feinen Beiträgen zum Herbst bin. Bin ich froh, dass es jetzt draußen wieder so was von üsselig ist! Hallo, ich habe mich ja im Sommer nicht getraut, auch nur ansatzweise kundzutun, dass meine Nase läuft oder sich ein leichtes Kratzen im Hals eingestellt hat. Aber jetzt hat meine Nase alle Gründe dieser Welt zu laufen. Meine Schüler (und hier spreche ich jetzt nur von Jungen) wissen zum Beispiel, dass in meinem Klassenraum den kompletten Herbst und Winter über alle Fenster immer sperrangelweit geöffnet sein werden. Es gab da zwar einige Mimosen, die anmerkten, es würde vielleicht doch ein wenig zu kalt werden. Ich meinte daraufhin, sie müssten sich ja auch morgens entsprechend anziehen, um nicht auf dem Schulweg zu frieren. Der ein oder andere setzte dagegen, dass er morgens immer von den Eltern mit dem Auto gebracht würde. Deshalb nicht wirklich auf kalte Temperaturen eingestellt sei. Ich habe dann mal kurz die Eltern telefonisch kontaktiert, kurz einen Diskurs zur Luftverschmutzung und zum Klimawandel geführt, über die Vorteile, nicht nur für den Prinzen, sondern auch für dessen Personal, einer frühen Selbstständigkeit referiert, habe zum Thema Abhärtung im Zusammenhang mit Stärkung der Immunabwehr, gerade in heutigen Zeiten, gesprochen: Und schon hatte ich die Eltern auf meiner Seite.

Gut, ich gebe zu, seitdem ist die Atmosphäre im Klassenzimmer ein ganz klein wenig angespannt. Was mir aber ehrlich gesagt total egal ist, wenn da jeder so hinter seine Maske vor sich hin schmollt. Was sich auch durch die konsequent immer geöffneten Fenster so was von verbessert hat, wofür mir die Eltern auch so was von dankbar sind: Ich mein, man stelle sich vor, du sitzt als Schüler ziemlich nah am Fenster und plötzlich kommt Sturm auf. Man glaubt ja gar nicht, wie rigoros solch eine Windböe die lose Blattsammlung des Jünglings durchs Klassenzimmer weht und verteilt! Wenn du dir da nicht als Stammhalter irgendwann mal sorgfältigst eine gewisse Ordnung angewöhnst, zum Beispiel das konsequente Lochen und Abheften deiner Arbeitsblätter, dann zieht das auf jeden Fall mehr Arbeit nach sich, als es dem Junior lieb ist.

Wie gesagt, ich bin so was von froh, dass es draußen wieder windet und stürmt und regnet und hoffentlich auch bald hagelt. Weil, da fragt dann keiner mehr, warum ich mir die Nase putze. Wobei, aktuell könnte meine laufende Nase auch damit zu tun haben, dass ich neulich, ich mein, da muss ich mich ja auch noch vollkommen umstellen. Im Sommer bin ich einfach mit dem Fahrrad zum Einkaufen drauf losgefahren und habe draußen brav in der Schlange gestanden, bis ich dran war. Kürzlich habe ich das auch gemacht, das Einfach-Losfahren und Schlange-Stehen. Das Problem war nur, dass ich 20 Minuten vor der Apotheke (ich stand an für eine FFP 2 Maske) bei Sturm, Regen und ungemütlich kalten Temperaturen stand. Vor der Apotheke in der Warteschlange verenden. Nicht an Corona, sondern an Unterkühlung - das wärs noch. 

Mittwoch, 21. Oktober 2020

Obstbeutelknoten oder Obstknotenbeutel?

Neulich las es sich auf der ersten Seite meines SCHAUFENSTERS in großen Lettern folgendermaßen: Die Melbbadfreunde geben nicht auf - Bürgerbegehren zum Melbbad kommt. Die Vertreter der Initiative "Rettet das Melbbad" kamen mit Vertretern der Ratsfraktionen und Verwaltungsrepräsentanten zusammen, um das anstehende  Bürgerbegehren und den geplanten Ratsbürgerentscheid zu besprechen. Und auch auf der ersten Seite, rechts unten, lasen sich die Lettern "Melbbad öffnet 2020 nicht mehr": Grund sind die Schäden durch das Unwetter am Mittwochabend. Bei den Gewittern mit Starkregen wurden nicht nur die Becken und Beckenumgänge, sondern auch der Technikraum überflutet. Die Wassermassen führten Sand und Erdreich mit sich. Im Technikraum befinden sich ein Elektroschaltschrank und Pumpen. Nach erster Einschätzung ist die gesamte Technik in diesem Raum irreparabel beschädigt worden. Das heißt, dass die technischen Anlagen ersetzt werden müssen. Wenn du da jetzt einer Verschwörungstheorie anhängst. Dass sich da jetzt schon das Wetter einspannen lässt!  

Apropos Wetter. Was noch älter ist als eine Zeitung von gestern oder ein Kalenderblatt aus dem Vormonat, sind Wahlplakate nach einer Wahl. Und die wirken um so armseliger, je länger sie Wind und Regen ausgesetzt sind. Wie viele da jetzt noch hängen nach der Kommunalwahl! Ich komm deshalb drauf, weil mich nach wie vor der Herr Post so was von nett anlächelt. Hallo, warum haben wir den eigentlich nicht alle gewählt? Der nette Herr Stephan Post ist ausgebildeter Gärtner und examinierter Krankenpfleger. Ich mein, wer, wenn nicht er, hätte sich besser um uns gekümmert? Was ich auch total sympathisch finde, dass sein Interesse dem Volkstanz gilt. Seit Jahren ist er Mitorganisator des größten Volkstanzfestes Europas. Jedes Jahr findet das in einer anderen europäischen Stadt statt. Also wenn das kein Beitrag zur Völkerverständigung ist!

 Wo ich gerade bei Verschwörungstheorien und Wahlen war. Was ich ganz vergessen hatte zu erzählen: Zum Auszählen der Stimmzettel hatten die uns im Stadthaus auch eine Kiste mit diesen Face-Shields hingestellt. Die hätte man sich noch zusätzlich zum Mund-Nasen-Schutz auf den Kopf setzen können. Ich habe einfach mal ein Shield zusammengebaut. Und siehe da, du konntest durch das Plastik überhaupt nichts sehen. Total undurchsichtig! Da habe ich mich dann schon gefragt, ob die uns extra hingestellt worden waren, damit wir quasi blind zählen. Klar, denkst du da sofort an Wahlmanipulation! Ich hab das dann später ganz entrüstet meinem Traummann erzählt und der hat mir dann. Also da sieht man mal wieder, wie gut es ist, dass ich hier betreut untergekommen bin. Der hat mir dann nämlich erklärt, dass ich die Schutzhülle für das Plastik hätte abmachen müssen. Wie schnell wäre ich jetzt wieder beim Thema Verschwörung gewesen!

Aber apropos Plastik. Wer hat bitteschön unter dem Einfluss welcher Droge in welcher Dosis das Wort Obstknotenbeutel abgesondert? Las ich doch diese Wort zweimal auf meinem Kassenbon meines Lieblingsdiscounters. Einmal zwischen den Posten Klopapier und Mehl. Und dann nochmal zwischen Nudeln und Hefe. Und, klar, dachte ich mit Schweißtropfen unter der Maske und beschlagener Brille, dass ich das Wort nicht richtig gelesen hatte. Hatte ich aber, richtig gelesen. So nennt sich das Plastikbeutelchen an der Gemüse- und Obsttheke. Hallo, hab ich nie drüber nachgedacht. Null Bewusstsein! Da mach ich einmal etwas ohne nachzudenken - und schon so was von falsch! Einfach reingestopft. Ich habe mich natürlich sofort kundig machen wollen, wofür ich solch Obstknotenbeutel jetzt verwenden darf: so was von kompliziert. Kann ich bitteschön, ich weiß gar nicht, was darf ich da überhaupt noch. Wie gesagt, ich hab mich dann schlau machen wollen, aber siehe da: stand da doch allen Ernstes, Paprika, Tomaten, Kürbisse, Zucchini, Auberginen und Gurken seien zwar Früchte und gehörten laut botanischer Definition zu Obst (da sie aus befruchteten Blüten entstehen), würden aber als einjährige Pflanzen (Lebensmitteldefinition: Gemüse) und gemeinhin wegen der fehlenden Süße beziehungsweise Säure als Fruchtgemüse bezeichnet. Geht’s noch, Fruchtgemüse! Darf die Tomate jetzt in solch Obstknotenbeutel oder nicht?

Bei Kartoffeln war ich mir natürlich sicher, dass das nicht mehr geht. Trotzdem, ich konnte einfach nicht an mich halten, habe das Netz aufgeschlitzt (seit ich bei der Briefwahl im Stadthaus hunderte von Briefen aufgeschlitzt habe und dabei eine gewisse Befriedigung verspürt habe, trage ich jetzt immer einen kleinen Brieföffner bei mir!) und die Kartoffeln in solch einen Obstknotenbeutel umgepackt. Und natürlich hat die Kassiererin mich komisch angeschaut, dass da in meinem Einkaufswagen ein völlig zerfetztes Kartoffelnetz lag. Zuhause, nach einem Besuch bei Wikipedia, wusste ich warum: Nicht ob des desolaten Kartoffelnetzes hat die Kassiererin ganz desolat dreingeschaut, sondern weil die Kartoffel noch nicht mal Gemüse ist. Die Weltgesundheitsorganisation sagt: „Kartoffeln, Süßkartoffeln und andere stärkehaltige Knollen zählen nicht als Obst oder Gemüse“, und das Lebensmittellexikon: „In Deutschland zählt die Kartoffel streng genommen nicht zum Gemüse sondern zu den so genannten landwirtschaftlichen Kulturen."

Mit den Zwiebeln habe ich es erst gar nicht versucht und - siehe da - steht doch auch im Internet: Als Zwiebelgemüse bezeichnet man die unterirdischen Pflanzenteile von Lauchgewächsen (Alliaceae), die als Gemüse verzehrt werden. Sie gehören als Wurzelgemüse zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Zum Zwiebelgemüse zählen unter anderem Zwiebeln (Allium cepa). Das leuchtet selbst mir als Laiin ein, dass die Zwiebel zum Zwiebelgemüse zählt.

Was immer eine sichere Bank ist: Himbeeren. Ist aber auch immer eine totale Schweinerei, bis ich die aus ihrem Plastikpott in den Obstknotenbeutel gestopft habe. Und wenn du denkst, Himbeeren gehören zum Beerenobst - weit gefehlt! Das sind Sammelsteinfrüchte.

Mittwoch, 30. September 2020

Brauchen wir die eigentlich noch, die 30er Schilder?

 

Diese Sprüche wie "60 ist das neue 50 oder 40 oder - ne, klar! - 30". Hallo, ich sag dazu nur Folgendes. Es gibt Handcreme mit 5% Urea ( also Pipi!) für sehr trockene Haut und es gibt Fußcreme mit 10% Urea. Und wenn du dir aus Versehen die Fußcreme auf die Hände schmierst, du das aber gar nicht mitbekommst, weil die so was von schnell einzieht - dann bist du alt. Also ich. Stellt sich mir jetzt nur die Frage, was nehme ich in Zukunft für die Füße? Ich tippe da mal auf Schrundencreme.

Ich komm deshalb drauf, weil, ich hatte ja gesagt, dass ich ins Stadthaus komme. Und da hatte ich im Vorfeld schon mal meine Hände sorgsam gepflegt. Nicht dass es nachher an mir gelegen hat. Und wo wir gerade bei der Körperkultur sind. Neulich hörte ich von Menschen, die auf ihre Weise versuchen, den Wegfall vieler kultureller Veranstaltungen mit umso mehr Körperkultur auszugleichen: Wenn die nach Hause kommen, waschen sie sich die Hände (klar!), schmeißen sämtliche Klamotten in die Waschmaschine und duschen. Würde mich nicht wundern, wenn die auch Mäntel und Blazer bei 60 Grad waschen. Und es würde mich nicht wundern, wenn ich demnächst in Kleidungsstücken Etiketten finde mit den Lettern "Nein, dieses Teil darfst du Vollpfosten nicht auf 60 Grad waschen!"

Ein wenig zurecht gemacht fürs Stadthaus hatte ich mich natürlich schon. Das dauert auch immer länger. Weil, das muss ich schon sagen, das ist ja ganz anders gekommen, als ich gedacht hatte. Ich hatte ja gedacht, dass die Nachfrage nach Make-up drastisch zurückgehen würde, weil die Maske eh fast das ganze Gesicht verdeckt. Was ich mir trotz Maske aber nicht nehmen lasse, ist der Lippenstift, falls ich die Maske denn doch mal abnehme. Meist ist der dann aber so was von verschmiert, dass ich aussehe wie ein Clown. Was ich aber eigentlich sagen wollte, ich brauche mittlerweile mehr Make-up als vor Corona, und zwar in jeglicher Form. Ob als Kompaktpuder oder Cover Stick, Hauptsache mit perfekter Deckkraft! Und zwar für die Unterarme und Ellenbogen. Da habe ich vom Einkaufswagen-Schubsen, vom Ampel-Drücken und Türklinken-Öffnen so unglaublich viele blaue Flecken, dass mein Traummann echt in Verdacht geraten könnte.

 Ich habe auch versucht, wo ich schon mal näher an denen da oben dran war, an den Entscheidungsträgern, habe ich mal versucht herauszubekommen, wie es eigentlich zur Zeit um die Schulpflicht in Deutschland bestellt ist. Ich komm deshalb drauf, weil, neulich kam ich ins Gespräch mit einer Mutter, die mir erzählte, dass sie ihr Kind aktuell nicht in die Schule schicke. Und wie ich dann so bin, so blöd, habe ich gefragt, warum. Hätte ich besser gelassen. Weil, ich wusste gar nicht, wie mir geschieht. Ich bekam den Mund gar nicht mehr zu. Sie meinte nämlich, demnächst stünde bei ihnen ein Familienfest an und da wolle sie kein Risiko eingehen, dass ihr Kind durch die Schule das Corona-Virus in die Familie trägt.

Das zieht ja noch größere Kreise. Ein Kind geht nicht in die Schule, weil der alte Opa zu Besuch ist oder die Oma bald kommt. Wenn ich davon ausgehe, dass fast alle Schüler eine Oma oder einen Opa haben, was machen wir dann eigentlich mit den vielen 30er Schildern vor, hinter und neben den Schulen? Wenn immer weniger Kinder, eigentlich keine, aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr in die Schulen gehen, stehen die ja leer. Da braucht's die Schilder doch wirklich nicht mehr. Werden die dann abmontiert und womöglich für neue 30iger-Zonen benutzt - womöglich auf Autobahnen, nachts?

Ich war so was von aufgeregt am Wahlsonntag. Ich war stellvertretende Briefwahlvorsteherin. Eine der schwierigsten Aufgaben für mich: zu meinem Einsatzplatz, Etage 8 A, Säulen 1 + 2 zu gelangen. Das Konzept mit den zwei Aufzugsgruppen hat mich schon zu Beginn vollkommen überfordert. Ja, und was soll ich sagen? Es gab wirklich viel zu tun, und das bitteschön alles mit größter Genauigkeit und vollster Konzentration: die Wahlurne verschlossen, in aller Beisein geöffnet, die Wahlbriefe entnommen, Selbige zugelassen, wenn sie die Kriterien erfüllten, die Briefwählenden gezählt, Stimmzettelumschläge geöffnet, Stimmzettel sortiert, Stimmen ausgezählt. Es wurden Häufchen gebildet, 5er, 10er, 20er-Häufchen, es wurde gestapelt, noch einmal gezählt, zusammengerechnet, gegengerechnet, subtrahiert, kontrolliert. Es wurden Beschlüsse, selbstredend einheitlich, gefasst und dokumentiert. Es wurde überhaupt alles dokumentiert. Es wurde das Gesamtergebnis ermittelt und geprüft, die Schnellmeldung abgegeben und die Briefwahlniederschrift vervollständigt. Und, ja, meine Hände waren nicht zu rau, das Zählen ging zügig von der Hand, sie haben sich tapfer geschlagen, die Hände.

Und wo ich gerade beim Schlagen bin, ich habe eine ganz neue Seite an mir entdeckt - eine zutiefst martialische. Ich weiß nicht, ob ich mir da Sorgen machen muss. Weil, ich hatte so was von Spaß, und das doch immerhin bei einer zerstörerischen Tätigkeit. Ich hatte vorher noch nie, da sieht man mal, jetzt bin ich schon so alt und entdecke immer noch eine neue Facette an mir. Ich hatte vorher noch nie so einen langen Brieföffner aus Metall in der Hand gehalten. Mit so einer langen, ja ich möchte fast sagen, Klinge, einen Brief nach dem anderen aufzuschlitzen - eine ganz neue Erfahrung für mich. Und wenn man sich jetzt vorstellt, dass wir erst alle Briefe aufgeschlitzt und gestapelt haben, bevor wir uns mit deren Inhalt befasst haben. dann hat man vielleicht eine Ahnung, in was für einen Rausch ich da beim Aufschlitzen gekommen bin!

Ich habe übrigens null Zeit gefunden, die Fenja und den Jürgen zu fragen, was genau damals mit der Skulptur "Mother Earth" gelaufen ist.

Mittwoch, 9. September 2020

Ich ziehe ins Rathaus ein!

Neulich sah ich in der Innenstadt einen kleinen Jungen auf einem kleinen Roller mit seinen Eltern. Auf dem kleinen Köpfchen ein großer, schwerer, massiver Helm. Spontan in meinem Kopf: Ist der Helm gegen Corona? Und - ich habe bei meinem Lieblingsdiscounter als Sonderposten Toilettenpapier mit Blümchenmuster gesehen. Spontan in meinem Kopf: Es ist alles wieder in Ordnung.

Nein, Spaß beiseite, ich erwähnte ja schon, dass dieses Virus sämtliche Facetten einer Persönlichkeitsstruktur ans Tageslicht bringt. Mein Traummann und ich waren ja in diesem Corona-Sommer mit dem Rädchen in Tschechien und Polen unterwegs. Wir sind ohne Corona über die Grenzen und mit noch weniger von Selbigem zurückgekommen. Ich wüsste auch beim besten Willen nicht, wie wir es hätten uns einfangen können. Zuerst sind wir von Prag bis Dresden entlang der Moldau und  Elbe geradelt und dann eine Woche in Polen in Krakau und Breslau entlang der Oder und Weichsel. Jeden Tag ein neues Hotel mit Frühstück - schon in Zeiten ohne Corona immer wieder ein neues Abenteuer. In Zeiten von Corona um so mehr! Was sich das Personal für Mühe gibt, gemäß der Hygieneregeln alles richtig zu machen, damit der "Laden" nicht wieder geschlossen wird! Nur eine Stilblüte: Im Hotel "Lwowska 1" in Krakau hatten die eigens für mich eine Person abgestellt, die mir an dem unglaublich leckeren Büffet folgte und mir meine Wünsche auf meinen Teller legte - natürlich mit Handschuhen und Maske!

Und auf der anderen Seite erfahre ich justamente zur selben Zeit in den Nachrichten, dass auf Mallorca am Ballermann wieder richtig zünftig gefeiert wird - drinnen! Wie verlogen ist das denn! Seit Jahren höre ich ständig, dass Mallorca die Schnauze voll hat vom Ballermann-Touristen und grundlegend eine Kehrtwende einleiten möchte. Hallo, wäre das nicht die Chance gewesen, das Virus? Von wegen, da hängen doch Arbeitsplätze dran. Das war doch klar, dass es nicht ohne Einbußen geht! Und in den Nachrichten erklärt eine österreichische Verantwortungsträgerin, man könne natürlich nicht nachvollziehen, welche schon abgereisten deutschen Touristen sich jetzt in einem bestimmten Hotel angesteckt hätten. Hallo, gerade die Hotels haben doch meine Adresse!

Apropos Hotels. Also ich kann mich ja auf vieles einstellen: zu weiche Matratze, oder vielmehr nur eine Matratze für mich und meinen Traummann, funzelige Nachttischlampe, ein fest montierter, nicht abnehmbarer Duschkopf mit null Wasserdruck - kann ich mit leben. Was mich aber total kirre macht, wo ich nicht weiß, wohin mit mir, sind Kleiderbügel, die fest im Schrank installiert sind.

Wo ich gerade bei Kleidern bin - ich ziehe ja demnächst ins Stadthaus um. Und wenn ich da sowieso schon mal bin, will ich nochmal den Jürgen und die Fenja fragen. Weil, da hieß es neulich in meinem SCHAUFENSTER unter den Lettern "Zum 75-jährigen Bestehen der UN wurde die 4,20 Meter hohe Stahlskulptur 'Mother Earth' enthüllt": Das Kunstwerk, ein Geschenk des Künstlers und Umweltaktivisten Barton Rubenstein, sollte bereits 2017 in Bonn installiert werden. Anlässlich der Enthüllung meinte der Jürgen Repschläger (Bündnis LINKE und Mitglied des Kulturausschusses des Rates der Stadt Bonn), das Kunstwerk in Form eines menschlichen Profils, das aufgrund seines jetzigen Standortes auf der Sonnenseite Bonns stehe, richte den Blick auf den UN Campus. Eigentlich habe der Künstler 2017 gewollt, dass sein Werk als Schenkung am Platz der Vereinten Nationen aufgestellt wird. Die Stadt Bonn habe aber damals seine Schenkung nicht haben wollen. Leider. Auch die Frau SPD Stadträtin Fenja Wittneven-Welter sprach von einem Versäumnis der Stadt und von einer großartigen Bereicherung für die Kunst im öffentlichen Raum. Es sei gut, dass Jörg Haas das Kunstwerk erworben und auf seinem Grundstück vor der "Rohmühle" aufgestellt habe. Auf Anfrage habe das Presseamt der Stadt Bonn geantwortet: Im Jahr 2017 hat sich die Kunstkommission des Rates der Stadt Bonn mit der Skulptur "Mother Earth" befasst. Der Künstler hatte 2017 konkret eine Aufstellung am Platz der Vereinten Nationen vorgeschlagen. Die Kommission hatte sich mit Blick auf die im Umfeld bereits vorhandenen, hochkarätigen Kunstwerke und auch aus künstlerischen Gründen gegen eine Aufstellung ausgesprochen.

Ich muss da mal im Stadthaus genau nachfragen. Dann sollen die mir auch mal erklären, was es mit dem Hare-Niemeyer-Verfahren auf sich hat. Darauf verwies nämlich das Presseamt der Stadt Bonn in dem Artikel. So wie ich das verstanden habe, ging es mal wieder nur darum, wer wem den Schwarzen Peter zuschieben kann. Dass diejenigen, die sich heute im Jahr 2020 über die Entscheidung vom Jahr 2017 beschweren, genau die sind, die damals genau diese Entscheidung gefällt haben. Und ich weiß immer noch nicht, wer genau, also mit Namen, das damals verbaselt hat. Dann waren ja der Jürgen und die Fenja damals auch mit von der Partie.

Weil ich gerade beim Stadthaus und der Stadt Bonn bin. Hallo, da hätte die Stadt ja mal locker 500.000 Euro sparen können. Genau so viel hat nämlich das neue Übungshaus für  die Feuerwehr gekostet. Und ob der immensen Ersparnis hätte sie dann die 30 Km/h-Blitze auf der Josefshöhe entfernen können. In einem anderen Artikel berichtete mein SCHAUFENSTER nämlich über die Fertigstellung eines Übungshauses für die Berufs- und Freiwillige Feuerwehr. Es wurde so geplant, dass dort möglichst viele unterschiedliche Einsatzszenarien bei der Brandbekämpfung simuliert werden können. Die schlichte Bauweise (ohne Innenputz, Estrich und Heizung) wurde bewusst gewählt, damit bei Einsatzübungen nichts beschädigt werden kann, das im Anschluss neu beschafft oder installiert werden muss. So sei es zudem möglich, die Schläuche, wie im realen Einsatz auch, mit Wasser zu füllen und verschiedene Löschtechniken zu üben. Dies sei bei vielen privaten Übungsprojekten aufgrund möglicher Wasserschäden nicht durchführbar (stimmt, sag ich da nur!).  Und ich sag nur, einfach das hässliche Stadthaus räumen und als Übungshaus verwenden! Da kann man wenigstens begründen, warum es so aussieht wie es aussieht. Und wie es da so war, im Stadthaus (ich meinte natürlich Stadthaus und nicht Rathaus), erzähle ich nächstes Mal.