Mittwoch, 9. Juni 2021

Paket im blauTonne Für Altpapiere

Dass ich häufiger mit meinem Einkaufswagen im Auerberg unterwegs bin und oft vor der Postfiliale rumlungere, ist ja nun hinlänglich bekannt. Ich komm deshalb drauf, weil es in meinem SCHAUFENSTER unter der Überschrift "Pakete gut versenden" gute Tipps zu lesen gab: Um zu verhindern, dass Pakete unterwegs stecken bleiben oder automatisch aussortiert werden, ist es wichtig, dass Name und Adresse vollständig und gut lesbar angegeben sind. Diesen Tipp finde ich so was von gut. Wobei ich mir gewünscht hätte, dass der Autor dieses Artikels noch einmal ganz ausführlich erklärt, was genau sich hinter dem Wort 'Adresse' auf der einen und hinter dem Wort 'Absender' auf der anderen Seite verbirgt. Und das nicht nur im übertragenen Sinn. Will sagen, wo genau hat die Adresse zu stehen und wo der Absender?  Nicht, dass ich bei all der Sorgfalt, die ich auf Schönschreibung verwende, unter die Briefmarke meinen Namen schreibe und mich dann wundere, wenn das Paket wieder bei mir ankommt.

In dem Artikel ging es auch um das Thema Ersatzzustellung beim Nachbarn: Die meisten Paketdienste behalten sich in ihren Vertragsbedingungen die sogenannte Ersatzzustellung an Nachbarn vor. Die kann praktisch sein, wenn der auch tagsüber zu Hause ist. (Stimmt, sonst macht's keinen Sinn!) Grundsätzlich muss jedoch kein Nachbar ein fremdes Paket annehmen. Sobald der Empfang allerdings quittiert wird, muss das Paket sorgfältig verwahrt und darf dem Empfänger nicht einfach vor die Tür gestellt werden. Denn dann haftet der Nachbar unter Umständen, falls die Sendung wegkommt oder Schaden nimmt.     

Was ich mich in dem Zusammenhang schön häufiger gefragt habe, und da merke ich auch immer wieder, wie alt ich bin. Ein ganz neues Phänomen: Früher hast du dir nicht eine Sekunde über die Reise, die Pausen, die dein Paket auf irgendeiner Paketstation macht, Gedanken gemacht. Mittlerweile verbringen die Menschen unsäglich viel Zeit damit, Follower ihres Paketes zu sein. Also im Internet zu schauen, wo genau sich jetzt das Paket auf dem Weg zu ihnen befindet. Was ich mich bei der Lektüre dieses ungemein ausführlichen Artikels in meinem SCHAUFENSTER allerdings auch gefragt habe, ob die Paketzusteller auch Zugang zu diesen Informationen haben. Ich habe da so meine Zweifel.

Weil, neulich waren mein Traummann und ich über die Osterfeiertage in Hamburg bei unserer Tochter. Das waren diese Tage, wo unsere Entscheidungsträger mal so richtig, wo sie so dermaßen die Mallorca-Urlauber geärgert haben. Kaum waren die trotz Corona geflogen, da kam der Herr Span mit der spontanen Impfkampagne um die Ecke. Ätschibätsch! Gut, jetzt muss man natürlich sagen, er kam mit dem schlechten Impfstoff um die Ecke. Was ich aber eigentlich sagen wollte, als wir Ostermontag spät abends zurückkamen, lag vor unserer Haustür ein Päckchen, was dort definitiv mehr als zwei ganze Tage gelegen haben muss, bei Wind und Wetter. Da ist es natürlich besser einem Paket ergangen, über das mich der Zettel in meinem Briefkasten in Kenntnis setzte. Ich stelle mir allerdings folgendes Szenario vor: Mein Traummann und ich sind für drei Wochen in oder auf, ja wo eigentlich? So weit ist es schon, dass ich mir spontan nicht mal mehr vorstellen kann, wo ich Urlaub mache.

Apropos Urlaub, in diesen Zeiten, wo du entweder gar nicht in einem Hotel übernachten darfst und wenn doch, du dein Frühstück meist unter der Tür durchgeschoben bekommst, also nichts mit Buffet. In diesen Zeiten erinnere ich mich deshalb an einen tollen Hotelaufenthalt, weil die da abends so was von ein tolles Buffet hatten. Und zwar eins mit Fleisch in allen Varianten und ein extra Buffet für Vegetarier. Und da weiß ich noch, wie ich da das ein oder andere Mal so was von ein schlechtes Gewissen hatte, dass ich als Nicht-Vegetarierin an deren Buffet gegangen bin, weil das gar so lecker war. Ich habs dann auch gelassen ob des schlechten Gewissens, weil, ich konnte ja von beidem nehmen, die aber nicht.

Wie komm ich jetzt vom Paket über Impfstoff zum Buffet? Ach so, was ich nämlich nicht so ganz verstehe und da könnten die alten, weißen Männer, von denen ja in diesen Zeiten so was von die Rede ist. Die kommen ja in letzter Zeit wirklich nicht gut weg. Da hätten die mal so was von eine Chance, aus ihren niedrigen Umfragewerten rauszukommen. Weil, ein dickes, fettes Argument, sich doch bitteschön impfen zu lassen, ist doch immer wieder die Sache mit der Solidarität. Überhaupt, das Wort Solidarität hat ja in diesen Tagen so was von eine Renaissance erfahren. Die jungen Menschen sollten solidarisch mit den alten Menschen sein. Die Alten wurden zuerst geimpft, weil sie am stärksten betroffen waren, vom Tod.

Was ich sagen will, in Zeiten von Corona ist man immer ganz fix damit, wenn es darum geht, wer sich vernünftig verhält und wer tendenziös ein Sozialschwein ist. Was dabei ganz wichtig ist, man selbst gehört immer zu der ersten Gruppe. Und dabei könnten die alten, weißen Männer, also die Männer in meinem Alter, die, die keiner Risikogruppe angehören, die könnten da so was von punkten - am Buffet: Am Buffet, an dem du auf der einen Seite alle Impfstoffe bekommst, auch den, der für junge Frauen nicht unbedingt an erster Stelle steht. Und auf der anderen Seite den Impfstoff, der für junge Frauen empfohlen wird. Ja, und da sind wir bei meinem schlechten Gewissen, was ich damals hatte, als ich mich am vegetarischen Buffet angestellt habe. Das mit dem schlechten Gewissen gilt natürlich auch für die alten, weißen Frauen, also für mich.


Jetzt bin ich aber so was von abgekommen, von dem Päckchen, das in meiner blauen Tonne lag. Von dem Paketzustellenden, der offensichtlich in der Unterrichtseinheit gefehlt hat, als es um das Thema Zustellung ging. Mein Szenario: Wir sind irgendwo im Urlaub, für längere Zeit aushäusig und meine Nachbarn stellen unsere Mülltonnen gemäß Abfallplaner an die Straße - auch die blaue Tonne!


Mittwoch, 19. Mai 2021

Nur mit 1-a-Blasenmuskel!

Ich hatte ja neulich doch recht viel davon gesprochen, was es momentan in Bonn nicht zu sehen gibt. Und kaum war der Artikel in den Orbit geschickt, fiel mir doch auf, ich hatte doch tatsächlich etwas vergessen. Ja, es gibt noch etwas in Bonn, und obendrein noch preisgekrönt! In meinem SCHAUFENSTER hieß es: Der Beethoven Rundgang ist von dem "Art Directors Club für Deutschland" in der Kategorie "Spatial Experience-Outdoor" (Raumerlebnis im Freien) ausgezeichnet worden. Dabei setzte sich die Installation als Gesamtkonzept unter rund 7.000 Bewerbungen durch. Hallo! Der ADC Wettbewerb sei einer der größten Kreativwettbewerbe im deutschsprachigen Raum. Im Stadtgebiet stehen insgesamt elf Informationssäulen des Beethoven-Rundgangs "BTHVN-Story". Sieben der 2,5 Meter hohen Stelen sind multimedial konzipiert. Dort können Interessierte beispielsweise mit dreisprachigen Animationsfilmen, Informationstexten und Fotos Beethoven neu entdecken.

Deshalb hier jetzt mein Tipp: mit dem Zug anreisen und das denkmalgeschützte Hallendach unseres Hauptbahnhofs bewundern. Dann auf zum Beethoven-Rundgang. Aber, aufgepasst, nur für Leute mit 1-a-Blasenmuskel, der Tipp. Weil, auch wenn die Überschrift in meinem SCHAUFENSTER "Begehbares Andenken" hieß, heißt das noch lange nicht, dass du da irgendwo reingehen kannst, um Pipi zu machen. Was ja in diesen Tagen ein Thema von immens wichtiger Bedeutung ist. Man kann die abgehen, die Stelen, davor stehenbleiben, drum herumgehen, aber nicht in sie hineingehen.

Nicht, dass das Pipi-Thema nicht auch schon vor Corona das ein oder andere Mal Thema gewesen wäre, auch an dieser Stelle: Es ging um stundenlanges Stehen im Stau und wie ich damit umgehe. Apropos, da las ich doch neulich Folgendes: Einem natürlichen Bedürfnis nachzukommen, sei Autofahrern in England nur erlaubt, wenn sie gelenkig seien: Sie dürfen sich neben der Straße erleichtern, solange sie sich neben dem Hinterreifen des Autos befinden und dieses mit der rechten Hand berühren. Da wäre natürlich zunächst einmal wieder meine Frage, welche Droge in welcher Menge sich da jemand reingepfiffen hat, während er sich das ausgedacht hat. Und, ob wir hier vom kleinen oder vom großen Geschäft sprechen. Spricht dieser Artikel nur über im Stehen pinkelnde Männer? Muss ich mich diskriminiert fühlen oder darf ich als Frau Pipi und Aa machen, wie ich will?

Was ich aber eigentlich sagen wollte, der Radius ist recht eingeschränkt in diesen Zeiten, wenn man nicht permanent den Leuten in den Vorgarten defäkieren möchte. Dementsprechend habe ich ja meinen Radius angeglichen. Ich erinnere an meine Ausflüge in die Warteschlange vor meiner Postfiliale im Auerberg. Ein schier unerschöpflicher Quell an spontanen Begegnungen und lustigen Unterhaltungen. Ich hatte zwischenzeitlich schon auf Aperol umgesattelt, aber als es dann doch wieder so was von kalt wurde, habe ich kurzerhand zusätzlich auch wieder meine Thermoskanne Glühwein mitgenommen. Wann hat's denn das das letzte Mal gegeben - Glühwein im Mai? Vom Tragen, also vom Gewicht war das jetzt kein Problem, weil ich ja ohnehin immer mit meinem Einkaufswagen unterwegs bin. Was in vielerlei Hinsicht wirklich ungemein praktisch ist. Zum Beispiel hat es sich in der Nachbarschaft rumgesprochen, dass ich mich da öfters einfach mal aus purer Langeweile anstelle. Und so habe ich schon das ein oder andere Paket in die ein oder andere Richtung befördert. Wie gesagt, mit dem Einkaufswagen kein Problem. Ich komm ob meines persönlichen Equipments drauf. Da kommt natürlich einiges zusammen, wenn du für alle Eventualitäten vorbereitet sein willst. Als ich nur Glühwein getrunken habe, brauchte ich ja nur die Thermoskanne. Der Aperol ist da schon sportiver. Ich habe jetzt im Einkaufswagen immer eine kleine Kühlbox für den Prosecco und die Eiswürfel. Neulich wurde es doch tatsächlich einmal eng im Wagen: Mehrere Pakete retour, Kühlbox und einige Artikel von Lidl, die ich zwar nicht brauchte, die aber laut Ankündigung aus Asien verzögert eingetroffen waren. Da hatte ich mir gedacht, besser mal mitnehmen, könnte in Zukunft Mangelware werden.

Neulich, ich bin ehrlich, hab ich die Sache zu weit getrieben. Ich hatte ja oben erwähnt, dass die Gespräche in den Warteschlangen immer so was von amüsant sind. Aber manchmal sind sie mir auch einfach zu oberflächlich und alles ist schon gesagt. Da langweile ich mich dann, obwohl ich in der Schlange stehe. Da ist ja für mich der Witz weg. Dieser Tatsache geschuldet, haue ich dann schon mal Klopper raus, nur um zu provozieren, damit Stimmung in die Schlange kommt. Wie gesagt, neulich bin ich einfach zu weit gegangen. Ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat. Also, wie fange ich an: In diesen Zeiten bin ich ja so was von froh, dass mein Hausarzt, also dessen Praxis, direkt bei mir ums Eck ist. Gut, wahrscheinlich könnte ich auch bei dem aufs Klo, aber ich geh ja meistens gar nicht rein. Ich stehe ja nur in der Schlange, draußen. Das ist eben auch so was von echt toll. Die Praxis ist in einem alleinstehenden Haus. Also die Hauseingangstür ist gleichzeitig die Tür zur Praxis. Was dazu führt, dass die Patienten sich draußen schlängeln. Und dort hatte ich mich neulich auch einmal eingereiht, weil die Postfiliale noch nicht geöffnet hatte. Für alle Fälle hatte ich extra meine Versichertenkarte eingesteckt und einen, allerdings wirklich nicht dringenden, Rezeptwunsch. Was mir da wohl auffiel, die Stimmung in dieser Warteschlange war weitaus gedrückter als ich es vor der Post gewohnt bin. Will sagen, mir drückte die Stimmung so was von aufs Gemüt. Ich weiß, das ist keine Entschuldigung, letztendlich ist es unverzeihlich, so was macht man nicht. Ich weiß auch nicht, warum ich so auf Krawall gebürstet war. Ich habe dann in diese gedrückte Stimmung hinein etwas gesagt, was absolut nicht stimmt, aber ich habe es rausgehauen. Ich habe halblaut vor mich hin gemurmelt: "Ein Glück, dass der Doktor mich schon vor Wochen geimpft hat. Es ist halt doch gut, wenn man Privatpatient ist und zusätzlich mit seinem Hausarzt befreundet ist." Holla, die Waldfee, da war aber plötzlich. Ich bin dann sofort ausgeschert und hab mich davongemacht. Mein armer Hausarzt, das tut mir so leid. Hoffentlich hat mich keiner unter meiner Maske erkannt!

Donnerstag, 29. April 2021

Panik: Die Zahlen fallen!

Was in diesen Tagen ja so was von vorrangig ist, das ist die Frage nach der persönlichen Befindlichkeit. In welchem oder in wessen Körper stecke ich und, vor allem, hat man mich vorher gefragt? Gut, zunächst einmal stecke ich im Körper einer Frau, ohne vorher gefragt worden zu sein oder es hartnäckig hinterfragt zu haben. Und als Buddhistin ginge ich wohl einfach davon aus, in meinem vorigen Leben eine Schnecke oder ein Fisch gewesen zu sein. Und damit wäre es dann gut. Ich habe immer schon gefühlt, dass ich anders bin als andere. Nicht, dass ich damit nicht leben könnte, mit meiner, wie soll ich es formulieren, Neigung. Im Gegenteil, mittlerweile stehe ich dazu und freue mich darüber, habe mich mit meinem Schicksal arrangiert. Aber, ich denke, wir werden zu wenig wahrgenommen, wir Ombrophilen. Aktuell spricht die Wissenschaft nur von ombrophilen Tieren. Wir fühlen uns diskriminiert, weil wir bestenfalls als pluviophil gelten. Wir wollen aber als ombrophile Menschen anerkannt werden. Und dafür kämpfe ich! Auch wir haben ein Recht darauf, als Minderheit eine Stimme zu bekommen - wofür auch immer. Dafür setze ich mich ein. Davon abgesehen, gerade heutzutage ist es ja so was von Vorteil, ombrophil zu sein, also den Regen zu lieben: Je üsseliger das Wetter, je mehr Regen fällt, desto lieber bin ich draußen. Da gibt’s einfach weniger Menschen als bei Sonnenschein. Einfach toll in diesen Zeiten, wo einfach zu viele Deutsche in Deutschland rumhängen.

Was ich aber eigentlich sagen wollte, ich bin mir gerade recht unsicher - nicht in was ich stecke, sondern wo ich lebe. Ich komm wegen der Bilder von Impfzentren drauf, die ich im Fernsehen sehe. Weil, so ein bisschen was von einem, immer mehr habe ich den Eindruck, dass ich quasi in einem Impfzentrum lebe. Diese riesigen Impfzentrum mit super ausgebauten Impfstraßen, also ein Impfzentrum mit einem Drive-In. Alles logistisch auf dem neuesten Stand, perfekt. Die Autos werden so was von fein geleitet, aber - es gibt nichts. Keinen Impfstoff.

Wie in Bonn! Also beeindruckend ist das schon, geradezu imposant, wie sie da so stehen, und vor allem so was von neu, und funktionieren tun sie, glaub ich, auch noch. Ich hab mich sogar schon bei dem Gedanken ertappt, dass ich ein klein wenig stolz war, dass in Bonn überhaupt etwas funktioniert. Oh, schau mal, so wie ich in Aachen stundenlang den Dom bewundere, so stehe ich hier in Bonn davor. Jedes Mal, wenn ich mit meinem Rad die Kölnstraße Richtung Stadt fahre, lese ich am Ring die aktuellen Zahlen. Kürzlich lauteten sie 2314 und 265. Und als ich eine Stunde später auf dem Nachhauseweg zufällig zurückschaute, las ich doch tatsächlich die Zahlen 1981 und 232! Hallo! Was mich da so fasziniert hat, diese Panik, die bei mir aufkam. Ich habe mit meinem Rädchen angehalten und gebannt geschaut, wie die Zahlen runterzählten. In diesen Tagen, in denen es nur um die Anzahl der zur Verfügung stehenden Impfdosen geht. In diesen Tagen packt mich doch tatsächlich die Panik, wenn die Anzahl der aktuell freien Parkhaus-Plätze schrumpft. Seit Wochen prangen sie unübersehbar an Bonns Einfallstraßen, diese riesigen, neuen Anzeigetafeln mit den Lettern "Beethovenstadt Bonn, Stadt. City. Ville". Daneben unübersehbar leuchtend "Parkleitsystem", darunter "freie Parkhaus-Plätze Zentrum und Beethovenhalle". Und dann wirst du weitergeleitet, wo ich mich dann frage, wohin? Hier gibt’s doch nichts zu sehen! Wie in einem Impfzentrum: alles logistisch parat, aber es gibt nichts.

Wo wir gerade beim Beethoven-Parkhaus sind, die Beethovenhalle zum Beispiel, eine never ending Story. Da las sich kürzlich in meinem SCHAUFENSTER unter den Lettern "Sachstand Beethovenhalle" Folgendes: Die Fertigstellung der Beethovenhalle im Rahmen der bisherigen Kosten- und Terminziele ist nach aktuellen Erkenntnissen unter Beibehaltung der aktuellen Rahmenbedingungen gefährdet. In den vergangenen zwölf Monaten wurden auf der Basis einer internen und externen Analyse eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um den angestrebten Fertigstellungstermin Mitte 2024 zu erreichen und den als "Worst-case-Szenario" bezeichneten Kostenrahmen von 166 Millionen Euro einzuhalten (da hatte ich schon den Gedanken, wie viel Impfstoff man davon kaufen könnte). Weiter hieß es, wesentliche Probleme konnten jedoch nicht aufgelöst werden. Die nicht abgeschlossene Planung führe weiterhin zu einer Leistungslücke, die sich zunehmend auf den Projektablauf auswirke (den Satz, diese Formulierung - da musst du erst mal drauf kommen). SGB-Betriebsleiter Lutz Leide erarbeitet einen Vorschlag für das weitere Vorgehen, um dem Risiko einer weiteren Projektverzögerung und Kostenerhöhung zu begegnen. Der arme Herr Leide! Ich sag nur, Obacht bei der Wahl des Nachnamens!

Dann gibt’s da ja auch noch das Münster, dessen Sanierung zwar voranschreitet: Die Altäre werden gereinigt , die Farben leuchten wieder, der Marmor strahlt und der Alabaster wirkt transluzid (das Wort musste unbedingt rein!) wie Alabaster und nicht wie eine undefinierbare dunkle Masse. Aber: geschlossen. Über unser Opernhaus habe ich jetzt keine aktuellen Informationen. Was aber auch völlig belanglos ist. Weil, wenn ich mit meinem Rad am Rhein unterhalb des Theaters vorbeifahre, hallo, da ist aber auch so was von Sanierung angesagt!   

Apropos Sanierung, man kann ja auch noch auf eine andere Art als mit dem Auto ins Impfzentrum, sorry, nach Bonn gelangen, nämlich mit dem Zug. Und da kann man doch tatsächlich mal was Fertiggestelltes sehen: das denkmalgeschützte Hallendach unseres Hauptbahnhofs! Gerade frisch saniert, fertig gestellt, die Bahnsteighalle! Die denkmalgeschützte Sanierung des denkmalgeschützten Hallendaches, erledigt,

Haken dran.

Was wohl schön war, bei all der Aufregung, ich habe dann doch wieder meine innere Ruhe und Gelassenheit gefunden. Ich habe einfach in meinem SCHAUFENSTER den richtigen Artikel gelesen. Wobei ich dieses Mal geschwankt habe zwischen "Findelkinder mit Pinselohren, Ehepaar aus Rüngsdorf päppelt zwei kleine Eichhörnchen auf" und "Trendfarbe 2021: Beige - ruhig, subtil, aber keinesfalls langweilig".

Mittwoch, 7. April 2021

Neues Wort gelernt: "Armlehnen-Anrainer"

Ärgerlich ist das schon, das mit dem Altwerden. Früher, wenn mich da jemand am Berg zügig auf dem Fahrrad überholt hat, saß der (ne, klar!) fast immer auf einem E-Bike. Neulich aber strample ich den Venusberg hoch, und da werde ich doch von einer Frau mittleren Alters überholt, zügigst, auf einem stinknormalen Fahrrad. Könnte natürlich auch daran liegen, dass ich ob des Verweilverbots ständig in Bewegung bin und deshalb so was von erschöpft bin.

Auf der anderen Seite bin ich aber definitiv gelenkiger geworden. Ob des Virus drücke ich Türklinken nur noch mit den Füßen runter und hüpfe auf einem Bein durch die Tür, mit dem anderen Fuß selbige aufhaltend. Aufzugtüren halte ich mit dem Oberarm auf, wahlweise auch mit der Hüfte, meinen Einkaufswagen schubse ich ja sowieso nur mit den Unterarmen. Und Klingeln an Türen - nur noch mit dem Ellenbogen. Was dazu führt (ich erwähnte es schon), dass ich immens viele blaue Flecken habe.

Wo ich gerade bei Ellenbogen bin, ich bin ja so was von froh, dass ich in diesen Tagen nicht nach Mallorca geflogen bin. Also da hätte ich wirklich Angst gehabt. Ich stelle es mir geradezu dramatisch vor. Gut, auf der Insel kannst du dich ja verteilen. Oder, wie man auch sagt, es verläuft sich ja. Und das können mein Traummann und ich so was von gut, sich verlaufen. Also wir kommen garantiert nicht mit Menschen zusammen. Wir sind eigentlich meist ganz alleine, auch wenn wir das so gar nicht wollen. Selbst auf perfekt ausgeschilderten Wanderwegen schaffen wir es, uns zu verlaufen. Wo ich gerade beim Wandern bin, es ist ja nun so, dass Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste Bundesland ist. Und da hätte ich mir von Seiten der Regierungsverantwortlichen gewünscht, einmal folgende Maßnahme in die Tat umzusetzen: Einfach mal alle Flugzeuge wieder an den Start und so viel wie möglich Freiwillige anwerben, die sich auf Staatskosten nach Mallorca fliegen lassen. Dort werden sie, entsprechend ausgerüstet, im Tramuntana-Gebirge in Ein-Haushalt-Gruppen für zwei Wochen zum Wandern ausgesetzt. Die Inzidenzzahlen würden hier in Bonn am Rheinufer oder in Düsseldorf in der Altstadt so was von fallen, und das Verweilverbot hätte sich so auch erledigt. Ich wäre da sofort mit geflogen, wenn ich nicht diese verdammte Angst hätte.

Weil, was ich eigentlich sagen wollte, im Flieger ist ja die Gefahr am größten. Da sitzt du ja so was von aufeinander und musst dir eine Armlehne teilen. Und ich mit meinen ramponierten Ellenbogen, ich hätte da jetzt womöglich. Da hilft mir auch nicht wirklich folgender feiner, kleiner Artikel. Da schreibt die Benimmautorin Lizzie Post, die Armlehne sei technisch gesprochen Teil beider Sitze. Deshalb dürfen sie auch beide Passagiere benutzen. Aber dafür sei sie, die Armlehne, in der Regel zu klein. Daher ein Kompromiss: Ein Fluggast verwendet das vordere, der andere das hintere der Armlehne. Unnachgiebige Zeitgenossen spricht man im Zweifelsfall direkt an, etwa mit den Worten: "Stört es Sie, wenn ich meinen Ellenbogen hier zurücklege und Ihnen den vorderen Teil der Armlehne überlasse?" Die gemeinsame Armlehne gehört also niemandem. Es gibt aber eine Gepflogenheit: Passagiere des Gang- und des Fenstersitzes sollten dem in der Mitte Sitzenden gegenüber "Armlehnenvorrang" gewähren. Denn die außen Sitzenden verfügen ja bereits über eine eigene Lehne. Und der Mittelsitzer hat auch sonst nur Nachteile: kein Fenster, keinen direkten Zugang zum Gang - und dann noch zwei Armlehnen, die auch die Nachbarn beanspruchen. Eins gehe auf gar keinen Fall: den Sitznachbarn zu berühren. Körperkontakt ist unter fremden Menschen tabu. Wenn es trotzdem passiert, bleibt für den Gestoßenen nur, angemessen zu reagieren. Aber wie? (Ich war so was von aufgeregt ob der Auflösung!) Lizzi Post riet zu Formulierungen wie: "Würde es Ihnen etwas ausmachen, auf Ihren Ellenbogen zu achten? Es scheint mich ein bisschen zu stoßen." (So genau und nicht anders heißt es dort! Aber der Artikel ist noch nicht zu Ende, Spannung steigt.) Und wenn der andere nicht aufhört und weiter auf Tuchfühlung geht? Dann bleibt nur, den Flugbegleiter einzuschalten. Die Ex-Stewardess Beth Blair empfiehlt dazu, nicht den Rufknopf zu drücken. Besser ist es aufzustehen und den Flugbebleiter direkt zu kontaktieren. Dann bleibt dem die Möglichkeit, gesichtswahrend mit der anderen Partei zu sprechen. "Es existiert kein Recht auf Armlehnen", erklärt Heinz Klewe, Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr. Rein juristisch gesehen, darf die Armlehne im Zweifel also keiner von beiden Anrainern nutzen.  

Apropos angemessen reagieren - vor allem gesichtswahrend. Neulich wechselte ich mit meinem Fahrrad von der rechten Spur über die Mittelspur auf die Linksabbiegerspur, um an der Ampelkreuzung links abzubiegen. Selbstredend hatte ich vorher in angemessenem zeitlichen Abstand meine Absicht per Armzeichen kundgetan. Da kommt neben mir auf gleicher Höhe an besagter roten Ampel ein Auto zum Stehen: offene Fenster, laute Musik, Mann, sämtliche Klischees bedienend. Der brüllt mich an, ob ich Fotze sie denn noch alle habe. Seiner Meinung nach hatte ich meinen Spurwechselvorgang zu früh eingeleitet. Interessant für mich in dem Zusammenhang, ich dachte bis jetzt, das Wort Fotze sei schon ein recht derbes Wort. Der Mann scheute aber keine Mühen, meinen Horizont diesbezüglich zu erweitern. Was aber, und deshalb erzähl ich es, total super für mich war. Weil ich konnte einmal meine gesamte aufgestaute Wut des letzten Jahres, meinen Frust über all das, was schief gelaufen ist, meine Wut über Menschen, die es sich so was von bequem in der Corona-Hängematte gemacht haben, über sanktionierte Kreativlosigkeit. Diese ganze aufgestaute Wut konnte ich jetzt rauslassen, laut, sehr laut. Was habe ich laut gebrüllt und welch wunderbare Beleidigungen fielen mir ein. Ich wusste ja gar nicht, was mir alles an Fäkalienausdrücken zur Verfügung steht! Was soll ich sagen: Es war so was von befreiend, ohne FFP2-Maske, das Gesicht zeigend, nicht wahrend! Ich bin dem Mann so was von dankbar. Für mich war das so was von reinigend - besser als fünf Jahre Anti-Aggressionsseminar! Ich bin wohl ehrlich, im Nachhinein hat er mir ein wenig leid getan, der arme Mann.

Donnerstag, 18. März 2021

Womit wird eigentlich der Berliner geimpft?

Wie ich neulich so mit meinem Einkaufswagen, voll bepackt mit dreilagigem Klopapier, die Kölnstraße entlang schlendere. Weil, auch da bin ich ja so was von verunsichert in diesen Tagen. Wie ich also so was von in Bewegung bin, sehe ich einen jungen Mann und frage mich, ob sein Figürchen mit diesen Zeiten zu tun hat. Zeiten, in denen die Schulen oft geschlossen sind, der Kronprinz selten das Haus verlässt und trotzdem das 1kg-Glas Nutella auf dem Frühstückstisch steht. Eigentlich gibt es ja diese Lebensmittelampeln. Diese Ampelkennzeichnung auf Lebensmittelverpackungen, die laut Wikipedia leicht verständlich den Gehalt an gesundheitsrelevanten Nährstoffen wie Fetten, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz signalisiert. Beispiel: ein roter Kreis, darin die Lettern "Hoch", daneben der Text: Fett 25 g pro 100 g, darunter noch ein roter Kreis, darin die Lettern "Hoch", daneben: gesättigte Fettsäuren 6 g pro 100 g, dann ein gelber Kreis "Mittel", daneben die Angabe: Zucker 12 g pro 100 g, und unten ein grüner Kreis, darin das Wort "Niedrig", daneben: Salz 0,2 g pro 100 g.

Hallo, Prozentrechnung und Kommazahlen! Schon vor Corona mit normalem Schulbetrieb für viele Schüler eine Zumutung. Und selbst wenn der junge Mann eine vage Ahnung von Mathematik hätte, würde er überhaupt auf die Ampel schauen, auf dem 1kg-Glas Nutella? Ich schätze mal nicht, dachte ich so vor mich hin schiebend. Und warum gibt’s solch großes Glas überhaupt zu kaufen, sinnierte ich weiter. Diese Frage stelle ich mir übrigens auch immer, wenn im Werbeprospekt meines Lieblingsdiscounters die "Minions-Motivwurst" feilgeboten wird. Weil, warum soll dem Kronprinz die Wurst durch ein hübsches Motiv schmackhaft gemacht werden? Wenn er kein Fleisch essen mag, ist das doch eher gut. Irgendwie passte das für mich gerade nicht zusammen. Einerseits soll das dicke Kind vor mir weniger Zucker essen und der Fleischkonsum im Allgemeinen reduziert werden. Andererseits darf  "Nutella im 1kg(!!!) Glas" und billiges Fleisch mit einem Minion-Gesicht drauf verkauft werden. Irgendwie verlogen, dachte ich. Das mag aber auch an meiner momentanen Disposition liegen, weil, wenn du die ganze Zeit in Bewegung bist.

In dem Zusammenhang kam mir auch der Gedanke, wie vielleicht Defizite in Mathematik durch einen Besuch bei meinem Lieblingsdiscounter leicht behoben werden könnten. Dann könnten wir, was die Mathematik betrifft, die Schulen für immer schließen. Ich stelle mir eine Kleinstgruppe von drei Schülern vor, mit denen ich am Beispiel des Nutella-Glases Prozentrechnung übe. Und wer am Ende am besten die Materie beherrscht, darf sich zur Belohnung solch ein Glas in den analogen Warenkorb legen.

Apropos Nutella, da fällt mir die Sache mit der Marmelade ein. Kürzlich stand ich mit meinem Einkaufswagen, wie erwähnt, vollbepackt mit dreilagigem Klopapier, in der Warteschlange vor meinen Bäcker. Eigentlich war es keine Schlange und ich stand auch nicht wirklich. Weil, erstens war vor mir nur eine Kundin und zweitens war es mehr ein Auf-der-Stelle-Treten - wegen meiner Unsicherheit. Ein paar Sekunden und schon habe ich meine Berliner - dachte ich. Weil: Ob er, der Verkäufer, denn Roggenbrot habe. Da er die Frage offenbar zu einfach, nämlich mit Ja, beantwortete: Ob sie, die Filiale, denn auch Roggenmischbrot habe. Nachdem der Verkäufer alle Formen von Roggenmischbrot aufgezählt hatte, also gefühlt Stunden vergangen waren, teilte die Kundin mit, sie würde das Brot dann bei einem anderen Bäcker kaufen, ob des dortigen besseren Mischverhältnisses. Ob es denn auch Dinkelbrot gebe. Ja. Was er persönlich denn eher empfehlen würde, Dinkel oder Roggen. Sie sei jetzt aber auch ein ganz klein wenig in Eile, wolle aber gerne noch Berliner kaufen.

Die Tüte ist schon verkäuferlicherseits gezückt, da die Frage, was für eine Füllung denn in den Berlinern sei. Sie sei nämlich Allergikerin und könne beim besten Willen Erdbeermarmelade nicht vertragen. Ich hätte mir zu dem Zeitpunkt gewünscht, der Verkäufer hätte über die Theke hinweg "Geh scheißen!" gebrüllt. Was ja österreichisch für "Danke für Ihre Meinung. Ich kann leider nicht vollständig zustimmen und möchte Ihnen stattdessen meinen Standpunkt darlegen" steht. Zumal das mit dem Scheißen ja auch wirklich zupassgekommen wäre, hatte ich doch den ganzen Einkaufswagen voller Klopapier. Leider tat er das nicht. Stattdessen druckte er einen Zettel mit der Zutatenliste aus und entschuldigte sich höflichst, dass es sich um eine Erdbeerfüllung handele. Aus lauter Frackigkeit habe ich dann von hinten gebrüllt, ursprünglich hätte ich Berliner kaufen wollen. Das Tolle an Berlinern sei ja gerade, dass man nicht wisse, auf welche Füllung man treffe. Und diesen Spaß hätten sie mir jetzt gründlich verdorben. Ich bin dann unverrichteter Dinge mit meinem Einkaufswagen weitergezogen. Und vermute mal, dass meine Reaktion auch ein bisschen damit zu tun hatte, dass ich - ganz im Gegensatz zu dem dicken Kind - in der letzten Zeit ununterbrochen in Bewegung bin. Immer häufiger leide ich unter Gleichgewichtsstörungen und habe auch zwischenzeitlich das ein oder andere Kilo abgenommen.

Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich dieser Tage häufiger so was von ins  Fettnäpfchen trete. Erst kürzlich habe ich, meinen Einkaufswagen schuckelnd, eine Frau auf einer Verkehrsinsel, einfach um ins Gespräch zu kommen, auf ihre Haare angesprochen. Im Sinne von, wir zwei Hübschen hätten ja offensichtlich dasselbe Problem. Wie froh auch ich sei, wenn endlich die Frisöre wieder öffneten. Man könne ja schon nicht mehr von einer Frisur sprechen, was sich da auf dem Kopf abspiele. Die Fußgängerampel wurde rot und die Frau sagte, sie trage die Haare immer so, sie käme gerade vom Frisör. Wie gesagt, es mag daran liegen, dass ich ob dieser Unsicherheit unter massiven Schlafstörungen leide. Ja, selbst im Schlaf habe ich das ungute Gefühl, mich bewegen zu müssen - ob des Verweilverbots.

Mittwoch, 24. Februar 2021

Kleines Glück: Mit Glühwein vor der Postfiliale

Ich hatte ja letztens erwähnt, dass ich mir erst mal den Rest Glühwein aus der Thermoskanne hinter die Binde gekippt habe. Hatte aber vergessen zu erklären, warum da oftmals noch ein Rest drin ist. Weil, normalerweise habe ich eigentlich keine Probleme, den mir zur Verfügung stehenden Alkohol einer durchschnittlichen Thermoskanne komplett zu verkasematuckeln. Gut, kein Wunder, ich mache das ja auch jeden Tag. Übung macht eben den Meister. Es hat ja schon vor Wochen angefangen, dass ich komplett den Überblick verloren hatte. Jetzt nicht, was meinen Alkoholkonsum betraf, sondern die Kontaktregelungen: Darf ich oder darf ich nicht - oder muss ich vielleicht sogar? Bin ich ein Sozialschwein, wenn ich den mir erlaubten Rahmen ausschöpfe? Wie viele Menschen dürfen auf öffentlichen Plätzen wie lange in welchem Abstand stehen? Und über was dürfen die sich unterhalten? Alkohol, zum Beispiel, ist es überhaupt erlaubt, öffentlich über das Thema Alkohol zu sprechen, geschweige denn zu trinken? Und wenn das Thema im öffentlichen Raum kein Tabu ist, wie viele dürfen sich darüber unterhalten - über Alkohol? Gibt es genaue Versammlungsanweisungen, die eingehalten werden müssen? Ist zum Beispiel Stehen im Kreis oder Oval verboten, Stehen in einer Geraden erlaubt? Parabolisches Stehen hatte ich selbstredend von vorne herein ausgeschlossen.

Wie schon erwähnt, ich bin so was von verunsichert. Nicht umsonst trage ich zwischenzeitlich immer einen Zollstock bei mir, um den korrekten Abstand auf Parkbänken zu gewährleisten. Was jetzt nicht immer gut ankommt. Weil, wenn du dem schon sitzenden Unbekannten zu verstehen gibst, er solle doch gefälligst so rücken, dass jeder immerhin mit einer Arschbacke auf der Bank sitzen kann - kommt nicht gut. Wobei, meistens löst sich die angespannte Situation dergestalt, dass ich die Bank dann für mich allein habe. Wie gesagt, ich war so was von verunsichert. Irgendwann hieß es auch, mein Traummann und ich dürften jetzt nur noch eine Person zu uns nach Hause einladen. Wobei, ich glaube, das war das erste Mal, dass mir eine Einschränkung so was von zu pass kam. Weil, da gibt es bei uns im Freundes- und Bekanntenkreis schon das ein oder andere Pärchen, wo ich nur die eine oder den anderen mag. Den Partner - und hier meine ich selbstredend wieder mein Lieblings-generisches Maskulinum - den Partner hast du halt immer mehr oder weniger in Kauf genommen. Jetzt kannst du sagen: "Das tut mir so was von leid, dass ihr nicht beide kommen könnt. Aber einer ist ja besser als keiner, nicht wahr? Und es kommen ja bestimmt wieder bessere Zeiten." Ich hab mir da wohl vorgenommen, dass ich es damit dann ganz langsam angehen lasse, dass ich den Partner wieder mit einlade. Ich mein, das könnte man ja auch ganz gut begründen, dass man sich über die Jahre jetzt wirklich nichts mehr zu sagen hat. Was ja auch nicht schön für den Partner ist, mit dem ich weiterhin Kontakt habe. Der muss dann bei den Treffen alles seinem Liebsten, wenn's um bestimmte Themen geht, noch einmal im Schnelldurchgang zusammenfassen. Oder es geht den ganzen Abend "Das hatte ich dir aber gesagt" oder "Du hörst mir nie zu, wenn ich etwas erzähle". Und, schwuppdiwupp, habe ich hier auf meinem Sofa die Ehekrise. Hab ich keine Lust drauf!  

Was ich aber eigentlich erzählen wollte, war ja die Sache mit dem Sich-im-öffentlichen-Raum-Treffen. Weil, das hat man ja schon bemerkt: Je länger der Lockdown war, desto länger war die Schlange vor meiner Postfiliale im Auerberg. Oder, weil wir oben schon mal bei der Parabel waren: Proportional zur Länge des Lockdowns verhält sich der Graph der Warteschlange. Bei all der Unsicherheit, die mich umtrieb, wusste ich also: Sich-mit-vielen-Menschen-Treffen, also Schlangestehen, vor der Postfiliale ist erlaubt. Ich habe mir dann um der Authentizität Willen entweder ein Päckchen unter den Arm geklemmt oder so getan, als ob ich eins abholen wollte. Ich mein, so einen Abholschein hat man ja schnell mal kopiert. Und dann kramst du, während du in der Warteschlange stehst, nach deinem Personalausweis und schon wirkt's glaubwürdig. Aber was sag ich, einmal habe ich mich einfach ohne jegliche Vorbereitung angestellt und bin kurz bevor ich hätte reingehen müssen wieder ausgeschert: Hat sich keiner drum geschert!

Bis zum Ausscheren (wo ich gerade bei Scheren bin, aber das ist ein anderes Thema, meine Frisur. Wobei Frisur in dem Zusammenhang fehl am Platze ist. Es geht um das, was bei mir auf dem Kopf wächst, um meine Haare. Und das muss ich ja auch sagen, die ganzen zwischenmenschlichen Kontakte beim Frisör fallen ja auch weg), wenn ich also die Warteschlange verließ, was hatte ich da so was von nette Begegnungen gehabt, Gespräche geführt mit dem Vorder- und Hintermann*in. Manchmal habe ich Leute vorgelassen, weil's gerade so lustig war. Alles, was mir so an sozialem Kontakt gefehlt hat, konnte ich da ausgleichen. Und schon im Januar hatten wir ja den ein oder anderen kalten Tag, ganz zu schweigen vom Kälteeinbruch im Februar. Und was mir ja auch gefehlt hatte, in diesen Tagen, war der ein oder andere Glühweinstand. Sei es auf dem Weihnachtsmarkt oder beim Weihnachtsbaumkauf im Wald. Und auch Karneval gab es ja kein Am-Zug-Stehen-mit-einem-Piccolöchen-in-der-Hand. Und da habe ich eben das eine mit dem anderen verbunden. Ich habe mir für die Warteschlange in meiner Auerberger Postfiliale eine kleine Thermoskanne Glühwein mitgenommen. Und allein schon deshalb war ich sofort im Gespräch. Das ging von "Das ist aber eine gute Idee" bis "Schon früh am Morgen Alkohol?". Ich bin dann deshalb vom Vormittag auf den späten Nachmittag umgestiegen, mit dem Anstellen.

Was übrigens auch immer super funktioniert, um ins Gespräch zu kommen. Wenn ich in diesen Zeiten einfach mal dringend Bedarf nach menschlicher Zuwendung habe. Und das muss ja gar nicht mal immer unbedingt positiv konnotiert sein. Hauptsache zugewandt: Ich schiebe einen Einkaufswagen meines Lieblingsdiscounters mit zig Familienpackungen Klopapier die Kölnstraße entlang und schaue, wo die Geschichte hin läuft. Ich muss nicht explizit erwähnen, dass ich da so was von ins Gespräch komme- mit allen gesellschaftlichen Schichten!

Mittwoch, 3. Februar 2021

Nur mit Hochprozentigem zu ertragen

Ich hatte ja neulich den Artikel meines SCHAUFENSTERS zitiert, in dem es hieß, dass der gesamtstädtische Haushalt, was den Winterdienst anbelangt, entlastet wird, ich aber deshalb nicht weniger für die Straßenreinigung bezahlen muss sondern mehr. Und wie ich so gerade dabei war, diesen Artikel intellektuell zu verdauen, hörte ich im Radio Folgendes: Es sei weniger los in der Bonner Innenstadt. In der Bonner Innenstadt seien im letzten Jahr deutlich weniger Menschen unterwegs gewesen. Die Stadt Bonn habe jetzt Messergebnisse des Unternehmens Hystreet ausgewertet. Die Firma habe mehrere Messanlagen in der Stadt aufgebaut, die rund um die Uhr die Passanten messen. Im Jahr 2019 waren demnach in Post-, Remigius- und Sternstraße mehr als 31 Millionen Menschen unterwegs. Im letzten Jahr waren es nur etwas mehr als 22 Millionen Menschen. Das ist ein Rückgang von 29 Prozent. Vor allem nach dem ersten Lockdown im März waren die Besucherzahlen in der Stadt stark gefallen. Auch im Sommer lagen sie weit unter denen des Vorjahres - so die Stadt Bonn. Vor allem die Touristen seien ausgeblieben.

Ich gebe zu, das war zu viel für mich, gerade noch die Zeilen in meinem SCHAUFENSTER im Hirn verarbeitet und dann das Gehörte im Radio. Ich habe mir dann erst mal den Rest Glühwein aus der Thermoskanne hinter die Binde gekippt. Und während ich stimmungs- und alkoholtechnisch so am Kippen bin, vertiefe ich mich in mein neues SCHAUFENSTER und lese da diese Lettern: Deutlich weniger Menschen in der City - so das Fazit des Amts für Wirtschaftsförderung der Stadt Bonn … Ich gebe zu, ich hatte schon gewaltig einen hängen, weshalb mir erst zeitverzögert klar wurde, dass ich gerade dabei war, das so eben Gehörte nun noch einmal zu lesen.

Habe dann selbstredend die Lektüre dieses Artikels abgebrochen, bin auf Höherprozentiges umgestiegen, hatte jetzt schon ob des  kontinuierlich disziplinierten Alkoholkonsums dermaßen wirre Gedanken im Kopf. Gedanken einer halbwegs Betrunkenen eben: Bekommt dieses Unternehmen Hystreet Geld dafür, dass es feststellt, dass eine Innenstadt leer ist, wenn alles geschlossen ist? Und wenn ja, bezahle ich die dann indirekt? Weil, wenn das was kostet bei Hystreet, dann …

Ich hab dann mal einfach im Stadthaus angerufen und denen folgenden Vorschlag gemacht - um den gesamtstädtischen Haushalt zu entlasten. Ich habe denen angeboten, dass ich das für einen Bruchteil von dem mache, was sie Hystreet bezahlen. Was ich denen natürlich nicht gesagt habe, dass ich da gar keinen Aufwand betreiben muss. Hallo, was gibt es denn da zu messen? Die haben sich bei mir aber nicht mehr gemeldet. Vermute, weil ich doch allzu deutlich gelallt habe.

Nach meinem Telefonat bin ich bei folgenden Zeilen hängen geblieben: Fahrradparkhaus, gut gemeint, nicht gut gemacht. Das ist das erste Fazit des ADFC Bonn/Rhein-Sieg zum neuen Parkhaus am Hauptbahnhof, in dem auch 200 Fahrradstellplätze untergebracht sind. Der ADFC lobt, dass die Stadtverwaltung überhaupt den Investor "Die Developer" angehalten hat, in dem Parkhaus mit Verbindung zu Gleis 1 auch Parkplätze für Fahrräder einzuplanen. Doch die Ausführung lässt erheblich zu wünschen übrig, urteilt der Verkehrsreferent des ADFC, Martin Weiser. "In gute Fahrradparkhäuser wie in Utrecht, Amsterdam und Kopenhagen rollt man komfortabel hinein, im neuen Bonner Parkhaus geht man durch einen Hintereingang mit rechtem Winkel und muss dann das Rad über drei Rampen nach oben schieben - Fahrradfahren nicht nur verboten, sondern gar nicht möglich."

Ich hatte es mir zwischenzeitlich etwas gemütlicher gemacht. Wobei das ja heutzutage auch immer schwieriger wird, es sich so richtig gemütlich zu machen. Früher bist du nach Hause gekommen, hast erst mal die unbequemen Schuhe in die Ecke gepfeffert, den Bauchspeck einquetschenden Rock ausgezogen (wobei, ich bin ehrlich, meist habe ich den oberen Knopf schon damals von vorne herein offen gelassen) und dir dann ein Teechen gemacht. Teechen machst du dir jetzt doch im Homeoffice gefühlt den ganzen Tag. Und ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal einen Rock getragen habe. Seit Monaten - Lockdown hin oder her, also ja oder nein - trage ich an den Füßen wahlweise Birkenstock oder Wollstrümpfe, dazu eine Jogginghose und Sweatshirt. Karl Lagerfeld hat ja lediglich gesagt, wer mit Jogginghose nach draußen geht, hat sein Leben nicht im Griff. Aber wer, bitteschön, geht denn noch raus?

Was ich aber eigentlich sagen wollte, ich lag mittlerweile auf dem Sofa wegen erheblicher Gleichgewichtsproblemen. Ich schwankte. Ja, auch wegen des nicht von der Hand zu weisenden immensen Alkoholkonsums, aber auch, was denn nun witziger war: Unser neues Parkhaus für Radfahrer oder die Tatsache, dass der Martin mein Bonn mit Amsterdam verglich. Die einzige Verbindung, die mir da einfiel, eine Frau (nicht mehr ganz fangfrisch, eher in Richtung Verfallsdatum), auf deren Agenda Folgendes steht: In Amsterdam in solch einem kleinen Lädchen ein paar von diesen allseits bekannten Keksen zu kaufen und schauen, wohin die Geschichte führt.

Apropos Kekse und das Radio lief immer noch. Wie viele Kekse werden sich denn da gelegentlich bei den Verantwortlichen im Radio genehmigt? In Zeiten, wo es immer wieder heißt, doch als Städter nicht in Scharen aufs Land zu fahren und dort den Einheimischen mangels Einkehrmöglichkeiten vors Gartentor zu kacken. In Zeiten, wo wir nicht zu Hauf wandernd und rodelnd in Ausflugszielen unterwegs sein sollen. In diesen Zeiten beschreibt mir gerade in aller Ausführlichkeit der Sprecher im Radio die wunderschöne Winterlandschaft, die Fritz aus der Eifel gepostet hat - um mir dann zu sagen, dass ich da aber nicht hinfahren darf. Und das nicht zum ersten Mal! Oder doch, vom Fritz wars das erste Mal, vorher, glaube ich, wars ein Foto von der Bettina aus Winterberg. Was soll das - die Nase lang machen?