Mittwoch, 4. August 2021

Regenbogen oder Geldregen

So ganz bin ich mit VOLLMAR & SÖHNE am Kaiserplatz 2 noch nicht durch. Ich habe nämlich noch zwei Fotos, die ich unbedingt unterbringen möchte. Das geht hier auf der Seite aber nicht. Deshalb, wer sie sehen möchte, gerne einfach auf meine Webseite gehen.

Erst vor kurzem habe ich die alten, graffitibeschmierten Holzrollläden entdeckt und fotografiert. Da wusste ich noch gar nichts von der Schließung. Was für ein Kontrast, wenn die hochgezogen werden und dann dieser Luxus erscheint!




Apropos Luxus und Kontrast. Was genau haben sich die COSMOPOLITAN-Verantwortlichen eigentlich gedacht, als sie das Format verkleinert haben? Hallo, die Buchstaben sind jetzt teilweise so klein, dass ich sie nur mit Lupe entziffern kann! Und bei der COSMOPOLITAN geht es ja, was Mode angeht, eher ums Klotzen als ums Kleckern. Was will ich denn mit Glanz und Glamour im Hochglanz-Kleinformat? 

Vermutlich weil ich zu viel im Luxus schwelge und geschwelgt habe, ist mir offenbar das ein oder andere durchgegangen. Anders kann ich es mir nicht erklären. Offensichtlich hat der Erdogan den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen gegen Gewalt doch nicht in die Tat umgesetzt. Das hat ihm offensichtlich so was von imponiert oder es hat ihm dann doch leid getan, als er sah, wie viele Frauen im Land für den Erhalt des Abkommens und gegen die patriarchale Regierung in Ankara gekämpft haben. Ich meine, mich auch zu erinnern, dass Erdogan in einer Ansprache im Fernsehen seine Landsleute aufgefordert hat, mindestens drei Kinder pro Familie zu zeugen. Dazu meinte dann die Aktivistin Tugce. "Ich als ledige, kinderlose Frau, die auch keine Kinder haben möchte, ich fühle mich unter Druck gesetzt. Und das ist auch eine Form der Gewalt." Aber für diese Äußerung muss er sich ja dann auch entschuldigt haben. Anders kann ich es mir nämlich nicht erklären.

Oder der Herr Duda in Polen, hat der das letztendlich bereut, dass er die Frauen in seinem Land so was von entmündigt hat? Weil, nach meinem Kenntnisstand (aber, wie gesagt, wer sich ständig bei VOLLMAR & SÖHNE am Schaufenster die Nase platt drückt nach all den Schätzen, die da präsentiert werden) ist das verschärfte Abtreibungsgesetz doch in Kraft getreten, oder? Oder haben ihn, wie den Herrn Erdogan, die Proteste der Frauen so was von gerührt, dass er da auch eine Kehrtwende vollzogen hat. Weil, ich habe sonst keine Erklärung dafür. 

Nur der Orban, der hat offensichtlich sein Ding durchgezogen - als einziger. Weil, anders kann ich mir das nicht erklären, dass nur anlässlich des Fußballspiels Deutschland gegen Ungarn diese Debatte aufkam. Da ging es ja darum, ob das Münchner Stadion beim Gruppenspiel der deutschen Mannschaft gegen Ungarn in Regenbogenfarben leuchten durfte. Und nach dem UEFA-Verbot für eine Beleuchtung der Münchner Arena in Regenbogenfarben haben dann andere deutsche Stadionbetreiber ein deutliches Zeichen für Toleranz und Gleichstellung gesetzt. Auch das Berliner Olympiastadion beteiligte sich an der Aktion. „Wenn es um Toleranz und Menschrechte geht, sind wir dabei“, twitterten die Betreiber.

Wie gesagt, wer nur im Werbeblättchen ihres Lieblingsdiscounters und der COSMOPOLITAN blättert, hat von Politik und Weltgeschehen keine Ahnung! Und, wie Dieter Nuhr sagt: "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten." Es ging aber doch offensichtlich um ein Zeichen der Toleranz und Gleichstellung. Und da ist doch wohl auch die Gleichstellung der heterosexuellen Frau gemeint. In Polen und der Türkei werden die Rechte der Frauen mit Füßen getreten. Warum gab es da solch eine Debatte nicht? Könnte es womöglich sein, dass wir mal so ungemein mutig sein konnten und wollten, weil in Ungarn kein großes Geld oder Ähnliches dranhängt?

Apropos großes Geld und mit Füßen treten, den Fußball. Wenn ich noch ein ganz klein wenig weiter nach Osten schaue, in den mittleren Osten. Das ist ja wirklich dumm gelaufen, dass da keiner mal, bevor Katar als Austragungsort für die Fußballweltmeisterschaft ausgewählt wurde, dass da keiner mal geschaut hat, wie es denn um die Menschenrechte dort bestellt ist. Bestimmt hatte das nichts mit Geld zu tun. Nein, ich denke, die Männer von der FIFA haben einfach kein Internet zuhause. Sonst hätten die ja mal googeln können unter "Katar Menschenrechte". Ich fand: Die Frauenrechte in dem Golfstaat Katar sind laut einem neuen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) extrem eingeschränkt. Nach katarischem Gesetz braucht eine Frau unabhängig von ihrem Alter etwa die Erlaubnis eines männlichen Vormunds, um zu heiraten. In der Ehe kann sie als "ungehorsam" eingestuft werden, wenn sie ohne die Erlaubnis ihres Mannes, arbeitet, verreist, das Haus verlässt oder ihm ohne "triftigen Grund" Sex verweigert. Männer können bis zu vier Frauen gleichzeitig heiraten und benötigen dafür keine Erlaubnis. Frauen müssten sich durch "vom Staat durchgesetzte Regeln männlicher Vormundschaft bewegen, die ihre Chancen auf ein volles, produktives und unabhängiges Leben begrenzen", sagte HRW-Expertin Rothna Begum.

Schon blöde, wenn man keinen Zugang zum Internet hat. Tagesschau gucken die Fußballverantwortlichen aber wohl auch nicht. Weil, da habe ich auch schon das ein oder andere Mal von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen in Katar gehört. Aber da habe ich offensichtlich wieder was falsch verstanden.

Dienstag, 13. Juli 2021

Einmal um's Carré

Neulich hieß es in meinem SCHAUFENSTER: Wer sein Fahrrad liebt, schließt ab. Ich liebe mein Fahrrad jetzt nicht wirklich, aber trotzdem, guter Tipp! Das Zweirad sei eines der liebsten Fortbewegungsmittel und bei Langfingern ein beliebtes Diebesgut. Auch ein toller Tipp: Gestalten Sie das Fahrrad individuell. Je auffälliger ein Rad aussieht, desto seltener wird es gestohlen, da die Wiedererkennung ein viel zu hohes Entdeckungsrisiko für den potentiellen Dieb darstellt. Hab ich gemacht und gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Ich bin ja nun nicht immer zu Fuß unterwegs, sondern eben auch mit dem Rad. Damit ich aber trotzdem immer auf alle Eventualitäten vorbereitet bin, habe ich jetzt einen Einkaufswagen meines Lieblingsdiscounters hinten ans Rad befestigt, also geschraubt, richtig professionell. Und da muss ich mir jetzt keine Gedanken machen, dass da jemand auf die Idee kommt, mein Rad zu klauen. Hallo, so laut, wie das da hinter dir scheppert, so viel Aufmerksamkeit kannst und willst du dir als Dieb nun wirklich nicht leisten.

Apropos sich leisten können, kürzlich ging ich, wie schon tausende Male zuvor, um folgendes Carré. Da gab und gibt es mein TUI- Reisebüro in der Wesselstraße 10. Geschäftsführerin ist eine ungemein sympathische Frau. Seit Corona leide ich mit ihr und hoffe zutiefst, dass die neuen Zeiten, die jetzt doch hoffentlich wieder hereinbrechen, für diese kluge und emphatische Frau auch so bleiben. Weiter geht es am Eingang zur Kaiserpassage vorbei, trostlos, Richtung Busbahnhof zu meiner Bank an der Ecke, Wesselstraße 2. Die gibt’s trotz Corona noch und der geht es wohl auch besser als meinem Reisebüro. Apropos Bank. Da fällt mir ein, hallo, wie viele Dekaden lebst du schon auf diesem Planeten, wenn du? Als ich aufwuchs, eine junge Frau, später Mutter von Kindern war, gab es das unumstößliche Gesetz: Wenn du sparst, gibt's Zinsen und dann hast du am Ende mehr Geld. Heute ist es genau anders herum: Wenn du Geld auf der Bank hast, musst du schauen, dass du nicht über einen bestimmten Betrag kommst, sonst musst du Zinsen bezahlen. Gut, für mich persönlich ist das jetzt nicht wirklich ein Problem. Aber dennoch, Zinsen gibt es schon lange nicht mehr, und für den ein oder anderen wird demnächst die Matratze wieder durchaus eine Option. Ja, eh du der Bank Strafzinsen bezahlst, steckst du dein Bargeld doch lieber unter die Matratze. Ist auch einfacher für die, die es mit dem berühmten Enkeltrick immer wieder versuchen. Bis jetzt mussten die sich immer irgendetwas einfallen lassen, um die Oma dazu zu veranlassen, für den Enkel Geld abzuheben (interessant in dem Zusammenhang, es ist immer vom Enkel die Rede. Meinen die auch die Enkelin? Oder ist es tatsächlich der blöde Enkelsohn, der es mal wieder nicht gebacken bekommt und dringend von der Oma Geld braucht?)  Egal, jetzt müssen die jedenfalls nur noch klingeln, mit einer Wasserpistole drohen und der Oma befehlen: "Oma, hol das Geld aus dem Bett!" Ich war aber bei meiner Bank an der Ecke. Die wird auch morgen noch stehen, aber mein langjähriger Berater, den wird's da in Zukunft nicht mehr geben. Der geht nämlich in Rente. Gefühlt eine halbe Ewigkeit hat er uns beraten - damals in Zeiten, als es noch 7% Zinsen gab.

Und weiter geht's ums Carré, nicht wirklich einladend. Am Kaiserplatz angelangt, wieder der Schwenk nach links, im Sommer angenehmer Schatten unter den Bäumen. Mit Wehmut passiere ich den zweiten Eingang zur Kaiserpassage. Kein Grund mehr für mich, dort einzubiegen. Denke an den "Lila Laden": Wie häufig ist der eigentlich umgezogen in der Kaiserpassage? Irgendwann war der auch mal hier am Eingang zur Passage. Vorbei an den kleinen "Wühltischen" vor dem Reformhaus Bacher, Kaiserplatz 14. Hoch bis zur Ecke Kaiserplatz 2: VOLLMAR & SÖHNE. Zwei Schaufenster für Schmuck zum Kaiserplatz hin, dann die Auslagen im Eingangesbereich und um die Ecke noch einmal vier Schaufenster: Ich bin ehrlich, von wegen sich leisten können, ich weiß gar nicht, ob ich dort je etwas gekauft habe. Aber, so oft und so lange, wie ich dort schon vor den Schaufenstern gestanden habe, ist allemal wie kaufen oder zumindest werben. In diesen Schaufenstern habe ich in den Jahrzehnten erstmals Dinge bestaunt, von denen ich nicht mal annähernd eine Ahnung hatte, dass es sie gibt. Dort sah ich zum ersten Mal Geldscheinspangen aus Silber, es gab Party-Card- Holders aus Silber und Geburtslöffel für Jungen und Mädchen aus Silber. Auslagen, so ungemein mondän, so ästhetisch und unerreichbar für meinen Geldbeutel. Auslagen, die so was von teuer sind, wo gefühlt immer mindestens eine Stelle zu viel vor dem Komma steht, dass ich automatisch Argumente finde, warum ich die gar nicht haben wollte, selbst, wenn man sie mir schenkte: ein Lesezeichen in Herzform aus 925 Sterling Silber, viel zu schwer für ein Lesezeichen in meinen Taschenbüchern. Oder Champagnerkelche aus 925 Sterling Silber - hallo, ich will doch die Blubberbläschen sehen.

Und jetzt, am 17. Juli, hat das Geschäft VOLLMAR & SÖHNE geschlossen, nach 160 Jahren. Wobei das Wort Geschäft mir so banal daherkommt, wenn ich die Schaufenster vor mir sehe. Als Synonyme werden mir Shop und Laden angeboten. Die treffen es erst recht nicht. Für mich war es wohl eher immer eine wunderschöne Ausstellung, ein Genuss für die Augen, ein Augenschmaus. Jedes Mal, wenn ich mich nach dem Staunen wieder abwandte und meines Weges ging, war die Welt für ein paar Minuten märchenhaft gewesen. Und oft fuhr ich nach Hause zu meinem Traummann und sagte: "Schatz, die haben bei Vollmar wieder so schön dekoriert, das musst du dir unbedingt anschauen."

Alles hat seine Zeit, vermutlich auch die Geburtslöffel für Jungen und Mädchen. Weil, das muss man bitteschön in Zukunft auch bedenken. Wie manipulativ greift der Opa oder die Oma in das Selbstbestimmungsrecht des Neugeborenen ein, wenn das sich noch gar nicht so sicher ist, welchem Geschlecht es in Zukunft angehören will?

Mittwoch, 9. Juni 2021

Paket im blauTonne Für Altpapiere

Dass ich häufiger mit meinem Einkaufswagen im Auerberg unterwegs bin und oft vor der Postfiliale rumlungere, ist ja nun hinlänglich bekannt. Ich komm deshalb drauf, weil es in meinem SCHAUFENSTER unter der Überschrift "Pakete gut versenden" gute Tipps zu lesen gab: Um zu verhindern, dass Pakete unterwegs stecken bleiben oder automatisch aussortiert werden, ist es wichtig, dass Name und Adresse vollständig und gut lesbar angegeben sind. Diesen Tipp finde ich so was von gut. Wobei ich mir gewünscht hätte, dass der Autor dieses Artikels noch einmal ganz ausführlich erklärt, was genau sich hinter dem Wort 'Adresse' auf der einen und hinter dem Wort 'Absender' auf der anderen Seite verbirgt. Und das nicht nur im übertragenen Sinn. Will sagen, wo genau hat die Adresse zu stehen und wo der Absender?  Nicht, dass ich bei all der Sorgfalt, die ich auf Schönschreibung verwende, unter die Briefmarke meinen Namen schreibe und mich dann wundere, wenn das Paket wieder bei mir ankommt.

In dem Artikel ging es auch um das Thema Ersatzzustellung beim Nachbarn: Die meisten Paketdienste behalten sich in ihren Vertragsbedingungen die sogenannte Ersatzzustellung an Nachbarn vor. Die kann praktisch sein, wenn der auch tagsüber zu Hause ist. (Stimmt, sonst macht's keinen Sinn!) Grundsätzlich muss jedoch kein Nachbar ein fremdes Paket annehmen. Sobald der Empfang allerdings quittiert wird, muss das Paket sorgfältig verwahrt und darf dem Empfänger nicht einfach vor die Tür gestellt werden. Denn dann haftet der Nachbar unter Umständen, falls die Sendung wegkommt oder Schaden nimmt.     

Was ich mich in dem Zusammenhang schön häufiger gefragt habe, und da merke ich auch immer wieder, wie alt ich bin. Ein ganz neues Phänomen: Früher hast du dir nicht eine Sekunde über die Reise, die Pausen, die dein Paket auf irgendeiner Paketstation macht, Gedanken gemacht. Mittlerweile verbringen die Menschen unsäglich viel Zeit damit, Follower ihres Paketes zu sein. Also im Internet zu schauen, wo genau sich jetzt das Paket auf dem Weg zu ihnen befindet. Was ich mich bei der Lektüre dieses ungemein ausführlichen Artikels in meinem SCHAUFENSTER allerdings auch gefragt habe, ob die Paketzusteller auch Zugang zu diesen Informationen haben. Ich habe da so meine Zweifel.

Weil, neulich waren mein Traummann und ich über die Osterfeiertage in Hamburg bei unserer Tochter. Das waren diese Tage, wo unsere Entscheidungsträger mal so richtig, wo sie so dermaßen die Mallorca-Urlauber geärgert haben. Kaum waren die trotz Corona geflogen, da kam der Herr Span mit der spontanen Impfkampagne um die Ecke. Ätschibätsch! Gut, jetzt muss man natürlich sagen, er kam mit dem schlechten Impfstoff um die Ecke. Was ich aber eigentlich sagen wollte, als wir Ostermontag spät abends zurückkamen, lag vor unserer Haustür ein Päckchen, was dort definitiv mehr als zwei ganze Tage gelegen haben muss, bei Wind und Wetter. Da ist es natürlich besser einem Paket ergangen, über das mich der Zettel in meinem Briefkasten in Kenntnis setzte. Ich stelle mir allerdings folgendes Szenario vor: Mein Traummann und ich sind für drei Wochen in oder auf, ja wo eigentlich? So weit ist es schon, dass ich mir spontan nicht mal mehr vorstellen kann, wo ich Urlaub mache.

Apropos Urlaub, in diesen Zeiten, wo du entweder gar nicht in einem Hotel übernachten darfst und wenn doch, du dein Frühstück meist unter der Tür durchgeschoben bekommst, also nichts mit Buffet. In diesen Zeiten erinnere ich mich deshalb an einen tollen Hotelaufenthalt, weil die da abends so was von ein tolles Buffet hatten. Und zwar eins mit Fleisch in allen Varianten und ein extra Buffet für Vegetarier. Und da weiß ich noch, wie ich da das ein oder andere Mal so was von ein schlechtes Gewissen hatte, dass ich als Nicht-Vegetarierin an deren Buffet gegangen bin, weil das gar so lecker war. Ich habs dann auch gelassen ob des schlechten Gewissens, weil, ich konnte ja von beidem nehmen, die aber nicht.

Wie komm ich jetzt vom Paket über Impfstoff zum Buffet? Ach so, was ich nämlich nicht so ganz verstehe und da könnten die alten, weißen Männer, von denen ja in diesen Zeiten so was von die Rede ist. Die kommen ja in letzter Zeit wirklich nicht gut weg. Da hätten die mal so was von eine Chance, aus ihren niedrigen Umfragewerten rauszukommen. Weil, ein dickes, fettes Argument, sich doch bitteschön impfen zu lassen, ist doch immer wieder die Sache mit der Solidarität. Überhaupt, das Wort Solidarität hat ja in diesen Tagen so was von eine Renaissance erfahren. Die jungen Menschen sollten solidarisch mit den alten Menschen sein. Die Alten wurden zuerst geimpft, weil sie am stärksten betroffen waren, vom Tod.

Was ich sagen will, in Zeiten von Corona ist man immer ganz fix damit, wenn es darum geht, wer sich vernünftig verhält und wer tendenziös ein Sozialschwein ist. Was dabei ganz wichtig ist, man selbst gehört immer zu der ersten Gruppe. Und dabei könnten die alten, weißen Männer, also die Männer in meinem Alter, die, die keiner Risikogruppe angehören, die könnten da so was von punkten - am Buffet: Am Buffet, an dem du auf der einen Seite alle Impfstoffe bekommst, auch den, der für junge Frauen nicht unbedingt an erster Stelle steht. Und auf der anderen Seite den Impfstoff, der für junge Frauen empfohlen wird. Ja, und da sind wir bei meinem schlechten Gewissen, was ich damals hatte, als ich mich am vegetarischen Buffet angestellt habe. Das mit dem schlechten Gewissen gilt natürlich auch für die alten, weißen Frauen, also für mich.


Jetzt bin ich aber so was von abgekommen, von dem Päckchen, das in meiner blauen Tonne lag. Von dem Paketzustellenden, der offensichtlich in der Unterrichtseinheit gefehlt hat, als es um das Thema Zustellung ging. Mein Szenario: Wir sind irgendwo im Urlaub, für längere Zeit aushäusig und meine Nachbarn stellen unsere Mülltonnen gemäß Abfallplaner an die Straße - auch die blaue Tonne!


Mittwoch, 19. Mai 2021

Nur mit 1-a-Blasenmuskel!

Ich hatte ja neulich doch recht viel davon gesprochen, was es momentan in Bonn nicht zu sehen gibt. Und kaum war der Artikel in den Orbit geschickt, fiel mir doch auf, ich hatte doch tatsächlich etwas vergessen. Ja, es gibt noch etwas in Bonn, und obendrein noch preisgekrönt! In meinem SCHAUFENSTER hieß es: Der Beethoven Rundgang ist von dem "Art Directors Club für Deutschland" in der Kategorie "Spatial Experience-Outdoor" (Raumerlebnis im Freien) ausgezeichnet worden. Dabei setzte sich die Installation als Gesamtkonzept unter rund 7.000 Bewerbungen durch. Hallo! Der ADC Wettbewerb sei einer der größten Kreativwettbewerbe im deutschsprachigen Raum. Im Stadtgebiet stehen insgesamt elf Informationssäulen des Beethoven-Rundgangs "BTHVN-Story". Sieben der 2,5 Meter hohen Stelen sind multimedial konzipiert. Dort können Interessierte beispielsweise mit dreisprachigen Animationsfilmen, Informationstexten und Fotos Beethoven neu entdecken.

Deshalb hier jetzt mein Tipp: mit dem Zug anreisen und das denkmalgeschützte Hallendach unseres Hauptbahnhofs bewundern. Dann auf zum Beethoven-Rundgang. Aber, aufgepasst, nur für Leute mit 1-a-Blasenmuskel, der Tipp. Weil, auch wenn die Überschrift in meinem SCHAUFENSTER "Begehbares Andenken" hieß, heißt das noch lange nicht, dass du da irgendwo reingehen kannst, um Pipi zu machen. Was ja in diesen Tagen ein Thema von immens wichtiger Bedeutung ist. Man kann die abgehen, die Stelen, davor stehenbleiben, drum herumgehen, aber nicht in sie hineingehen.

Nicht, dass das Pipi-Thema nicht auch schon vor Corona das ein oder andere Mal Thema gewesen wäre, auch an dieser Stelle: Es ging um stundenlanges Stehen im Stau und wie ich damit umgehe. Apropos, da las ich doch neulich Folgendes: Einem natürlichen Bedürfnis nachzukommen, sei Autofahrern in England nur erlaubt, wenn sie gelenkig seien: Sie dürfen sich neben der Straße erleichtern, solange sie sich neben dem Hinterreifen des Autos befinden und dieses mit der rechten Hand berühren. Da wäre natürlich zunächst einmal wieder meine Frage, welche Droge in welcher Menge sich da jemand reingepfiffen hat, während er sich das ausgedacht hat. Und, ob wir hier vom kleinen oder vom großen Geschäft sprechen. Spricht dieser Artikel nur über im Stehen pinkelnde Männer? Muss ich mich diskriminiert fühlen oder darf ich als Frau Pipi und Aa machen, wie ich will?

Was ich aber eigentlich sagen wollte, der Radius ist recht eingeschränkt in diesen Zeiten, wenn man nicht permanent den Leuten in den Vorgarten defäkieren möchte. Dementsprechend habe ich ja meinen Radius angeglichen. Ich erinnere an meine Ausflüge in die Warteschlange vor meiner Postfiliale im Auerberg. Ein schier unerschöpflicher Quell an spontanen Begegnungen und lustigen Unterhaltungen. Ich hatte zwischenzeitlich schon auf Aperol umgesattelt, aber als es dann doch wieder so was von kalt wurde, habe ich kurzerhand zusätzlich auch wieder meine Thermoskanne Glühwein mitgenommen. Wann hat's denn das das letzte Mal gegeben - Glühwein im Mai? Vom Tragen, also vom Gewicht war das jetzt kein Problem, weil ich ja ohnehin immer mit meinem Einkaufswagen unterwegs bin. Was in vielerlei Hinsicht wirklich ungemein praktisch ist. Zum Beispiel hat es sich in der Nachbarschaft rumgesprochen, dass ich mich da öfters einfach mal aus purer Langeweile anstelle. Und so habe ich schon das ein oder andere Paket in die ein oder andere Richtung befördert. Wie gesagt, mit dem Einkaufswagen kein Problem. Ich komm ob meines persönlichen Equipments drauf. Da kommt natürlich einiges zusammen, wenn du für alle Eventualitäten vorbereitet sein willst. Als ich nur Glühwein getrunken habe, brauchte ich ja nur die Thermoskanne. Der Aperol ist da schon sportiver. Ich habe jetzt im Einkaufswagen immer eine kleine Kühlbox für den Prosecco und die Eiswürfel. Neulich wurde es doch tatsächlich einmal eng im Wagen: Mehrere Pakete retour, Kühlbox und einige Artikel von Lidl, die ich zwar nicht brauchte, die aber laut Ankündigung aus Asien verzögert eingetroffen waren. Da hatte ich mir gedacht, besser mal mitnehmen, könnte in Zukunft Mangelware werden.

Neulich, ich bin ehrlich, hab ich die Sache zu weit getrieben. Ich hatte ja oben erwähnt, dass die Gespräche in den Warteschlangen immer so was von amüsant sind. Aber manchmal sind sie mir auch einfach zu oberflächlich und alles ist schon gesagt. Da langweile ich mich dann, obwohl ich in der Schlange stehe. Da ist ja für mich der Witz weg. Dieser Tatsache geschuldet, haue ich dann schon mal Klopper raus, nur um zu provozieren, damit Stimmung in die Schlange kommt. Wie gesagt, neulich bin ich einfach zu weit gegangen. Ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat. Also, wie fange ich an: In diesen Zeiten bin ich ja so was von froh, dass mein Hausarzt, also dessen Praxis, direkt bei mir ums Eck ist. Gut, wahrscheinlich könnte ich auch bei dem aufs Klo, aber ich geh ja meistens gar nicht rein. Ich stehe ja nur in der Schlange, draußen. Das ist eben auch so was von echt toll. Die Praxis ist in einem alleinstehenden Haus. Also die Hauseingangstür ist gleichzeitig die Tür zur Praxis. Was dazu führt, dass die Patienten sich draußen schlängeln. Und dort hatte ich mich neulich auch einmal eingereiht, weil die Postfiliale noch nicht geöffnet hatte. Für alle Fälle hatte ich extra meine Versichertenkarte eingesteckt und einen, allerdings wirklich nicht dringenden, Rezeptwunsch. Was mir da wohl auffiel, die Stimmung in dieser Warteschlange war weitaus gedrückter als ich es vor der Post gewohnt bin. Will sagen, mir drückte die Stimmung so was von aufs Gemüt. Ich weiß, das ist keine Entschuldigung, letztendlich ist es unverzeihlich, so was macht man nicht. Ich weiß auch nicht, warum ich so auf Krawall gebürstet war. Ich habe dann in diese gedrückte Stimmung hinein etwas gesagt, was absolut nicht stimmt, aber ich habe es rausgehauen. Ich habe halblaut vor mich hin gemurmelt: "Ein Glück, dass der Doktor mich schon vor Wochen geimpft hat. Es ist halt doch gut, wenn man Privatpatient ist und zusätzlich mit seinem Hausarzt befreundet ist." Holla, die Waldfee, da war aber plötzlich. Ich bin dann sofort ausgeschert und hab mich davongemacht. Mein armer Hausarzt, das tut mir so leid. Hoffentlich hat mich keiner unter meiner Maske erkannt!

Donnerstag, 29. April 2021

Panik: Die Zahlen fallen!

Was in diesen Tagen ja so was von vorrangig ist, das ist die Frage nach der persönlichen Befindlichkeit. In welchem oder in wessen Körper stecke ich und, vor allem, hat man mich vorher gefragt? Gut, zunächst einmal stecke ich im Körper einer Frau, ohne vorher gefragt worden zu sein oder es hartnäckig hinterfragt zu haben. Und als Buddhistin ginge ich wohl einfach davon aus, in meinem vorigen Leben eine Schnecke oder ein Fisch gewesen zu sein. Und damit wäre es dann gut. Ich habe immer schon gefühlt, dass ich anders bin als andere. Nicht, dass ich damit nicht leben könnte, mit meiner, wie soll ich es formulieren, Neigung. Im Gegenteil, mittlerweile stehe ich dazu und freue mich darüber, habe mich mit meinem Schicksal arrangiert. Aber, ich denke, wir werden zu wenig wahrgenommen, wir Ombrophilen. Aktuell spricht die Wissenschaft nur von ombrophilen Tieren. Wir fühlen uns diskriminiert, weil wir bestenfalls als pluviophil gelten. Wir wollen aber als ombrophile Menschen anerkannt werden. Und dafür kämpfe ich! Auch wir haben ein Recht darauf, als Minderheit eine Stimme zu bekommen - wofür auch immer. Dafür setze ich mich ein. Davon abgesehen, gerade heutzutage ist es ja so was von Vorteil, ombrophil zu sein, also den Regen zu lieben: Je üsseliger das Wetter, je mehr Regen fällt, desto lieber bin ich draußen. Da gibt’s einfach weniger Menschen als bei Sonnenschein. Einfach toll in diesen Zeiten, wo einfach zu viele Deutsche in Deutschland rumhängen.

Was ich aber eigentlich sagen wollte, ich bin mir gerade recht unsicher - nicht in was ich stecke, sondern wo ich lebe. Ich komm wegen der Bilder von Impfzentren drauf, die ich im Fernsehen sehe. Weil, so ein bisschen was von einem, immer mehr habe ich den Eindruck, dass ich quasi in einem Impfzentrum lebe. Diese riesigen Impfzentrum mit super ausgebauten Impfstraßen, also ein Impfzentrum mit einem Drive-In. Alles logistisch auf dem neuesten Stand, perfekt. Die Autos werden so was von fein geleitet, aber - es gibt nichts. Keinen Impfstoff.

Wie in Bonn! Also beeindruckend ist das schon, geradezu imposant, wie sie da so stehen, und vor allem so was von neu, und funktionieren tun sie, glaub ich, auch noch. Ich hab mich sogar schon bei dem Gedanken ertappt, dass ich ein klein wenig stolz war, dass in Bonn überhaupt etwas funktioniert. Oh, schau mal, so wie ich in Aachen stundenlang den Dom bewundere, so stehe ich hier in Bonn davor. Jedes Mal, wenn ich mit meinem Rad die Kölnstraße Richtung Stadt fahre, lese ich am Ring die aktuellen Zahlen. Kürzlich lauteten sie 2314 und 265. Und als ich eine Stunde später auf dem Nachhauseweg zufällig zurückschaute, las ich doch tatsächlich die Zahlen 1981 und 232! Hallo! Was mich da so fasziniert hat, diese Panik, die bei mir aufkam. Ich habe mit meinem Rädchen angehalten und gebannt geschaut, wie die Zahlen runterzählten. In diesen Tagen, in denen es nur um die Anzahl der zur Verfügung stehenden Impfdosen geht. In diesen Tagen packt mich doch tatsächlich die Panik, wenn die Anzahl der aktuell freien Parkhaus-Plätze schrumpft. Seit Wochen prangen sie unübersehbar an Bonns Einfallstraßen, diese riesigen, neuen Anzeigetafeln mit den Lettern "Beethovenstadt Bonn, Stadt. City. Ville". Daneben unübersehbar leuchtend "Parkleitsystem", darunter "freie Parkhaus-Plätze Zentrum und Beethovenhalle". Und dann wirst du weitergeleitet, wo ich mich dann frage, wohin? Hier gibt’s doch nichts zu sehen! Wie in einem Impfzentrum: alles logistisch parat, aber es gibt nichts.

Wo wir gerade beim Beethoven-Parkhaus sind, die Beethovenhalle zum Beispiel, eine never ending Story. Da las sich kürzlich in meinem SCHAUFENSTER unter den Lettern "Sachstand Beethovenhalle" Folgendes: Die Fertigstellung der Beethovenhalle im Rahmen der bisherigen Kosten- und Terminziele ist nach aktuellen Erkenntnissen unter Beibehaltung der aktuellen Rahmenbedingungen gefährdet. In den vergangenen zwölf Monaten wurden auf der Basis einer internen und externen Analyse eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um den angestrebten Fertigstellungstermin Mitte 2024 zu erreichen und den als "Worst-case-Szenario" bezeichneten Kostenrahmen von 166 Millionen Euro einzuhalten (da hatte ich schon den Gedanken, wie viel Impfstoff man davon kaufen könnte). Weiter hieß es, wesentliche Probleme konnten jedoch nicht aufgelöst werden. Die nicht abgeschlossene Planung führe weiterhin zu einer Leistungslücke, die sich zunehmend auf den Projektablauf auswirke (den Satz, diese Formulierung - da musst du erst mal drauf kommen). SGB-Betriebsleiter Lutz Leide erarbeitet einen Vorschlag für das weitere Vorgehen, um dem Risiko einer weiteren Projektverzögerung und Kostenerhöhung zu begegnen. Der arme Herr Leide! Ich sag nur, Obacht bei der Wahl des Nachnamens!

Dann gibt’s da ja auch noch das Münster, dessen Sanierung zwar voranschreitet: Die Altäre werden gereinigt , die Farben leuchten wieder, der Marmor strahlt und der Alabaster wirkt transluzid (das Wort musste unbedingt rein!) wie Alabaster und nicht wie eine undefinierbare dunkle Masse. Aber: geschlossen. Über unser Opernhaus habe ich jetzt keine aktuellen Informationen. Was aber auch völlig belanglos ist. Weil, wenn ich mit meinem Rad am Rhein unterhalb des Theaters vorbeifahre, hallo, da ist aber auch so was von Sanierung angesagt!   

Apropos Sanierung, man kann ja auch noch auf eine andere Art als mit dem Auto ins Impfzentrum, sorry, nach Bonn gelangen, nämlich mit dem Zug. Und da kann man doch tatsächlich mal was Fertiggestelltes sehen: das denkmalgeschützte Hallendach unseres Hauptbahnhofs! Gerade frisch saniert, fertig gestellt, die Bahnsteighalle! Die denkmalgeschützte Sanierung des denkmalgeschützten Hallendaches, erledigt,

Haken dran.

Was wohl schön war, bei all der Aufregung, ich habe dann doch wieder meine innere Ruhe und Gelassenheit gefunden. Ich habe einfach in meinem SCHAUFENSTER den richtigen Artikel gelesen. Wobei ich dieses Mal geschwankt habe zwischen "Findelkinder mit Pinselohren, Ehepaar aus Rüngsdorf päppelt zwei kleine Eichhörnchen auf" und "Trendfarbe 2021: Beige - ruhig, subtil, aber keinesfalls langweilig".

Mittwoch, 7. April 2021

Neues Wort gelernt: "Armlehnen-Anrainer"

Ärgerlich ist das schon, das mit dem Altwerden. Früher, wenn mich da jemand am Berg zügig auf dem Fahrrad überholt hat, saß der (ne, klar!) fast immer auf einem E-Bike. Neulich aber strample ich den Venusberg hoch, und da werde ich doch von einer Frau mittleren Alters überholt, zügigst, auf einem stinknormalen Fahrrad. Könnte natürlich auch daran liegen, dass ich ob des Verweilverbots ständig in Bewegung bin und deshalb so was von erschöpft bin.

Auf der anderen Seite bin ich aber definitiv gelenkiger geworden. Ob des Virus drücke ich Türklinken nur noch mit den Füßen runter und hüpfe auf einem Bein durch die Tür, mit dem anderen Fuß selbige aufhaltend. Aufzugtüren halte ich mit dem Oberarm auf, wahlweise auch mit der Hüfte, meinen Einkaufswagen schubse ich ja sowieso nur mit den Unterarmen. Und Klingeln an Türen - nur noch mit dem Ellenbogen. Was dazu führt (ich erwähnte es schon), dass ich immens viele blaue Flecken habe.

Wo ich gerade bei Ellenbogen bin, ich bin ja so was von froh, dass ich in diesen Tagen nicht nach Mallorca geflogen bin. Also da hätte ich wirklich Angst gehabt. Ich stelle es mir geradezu dramatisch vor. Gut, auf der Insel kannst du dich ja verteilen. Oder, wie man auch sagt, es verläuft sich ja. Und das können mein Traummann und ich so was von gut, sich verlaufen. Also wir kommen garantiert nicht mit Menschen zusammen. Wir sind eigentlich meist ganz alleine, auch wenn wir das so gar nicht wollen. Selbst auf perfekt ausgeschilderten Wanderwegen schaffen wir es, uns zu verlaufen. Wo ich gerade beim Wandern bin, es ist ja nun so, dass Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste Bundesland ist. Und da hätte ich mir von Seiten der Regierungsverantwortlichen gewünscht, einmal folgende Maßnahme in die Tat umzusetzen: Einfach mal alle Flugzeuge wieder an den Start und so viel wie möglich Freiwillige anwerben, die sich auf Staatskosten nach Mallorca fliegen lassen. Dort werden sie, entsprechend ausgerüstet, im Tramuntana-Gebirge in Ein-Haushalt-Gruppen für zwei Wochen zum Wandern ausgesetzt. Die Inzidenzzahlen würden hier in Bonn am Rheinufer oder in Düsseldorf in der Altstadt so was von fallen, und das Verweilverbot hätte sich so auch erledigt. Ich wäre da sofort mit geflogen, wenn ich nicht diese verdammte Angst hätte.

Weil, was ich eigentlich sagen wollte, im Flieger ist ja die Gefahr am größten. Da sitzt du ja so was von aufeinander und musst dir eine Armlehne teilen. Und ich mit meinen ramponierten Ellenbogen, ich hätte da jetzt womöglich. Da hilft mir auch nicht wirklich folgender feiner, kleiner Artikel. Da schreibt die Benimmautorin Lizzie Post, die Armlehne sei technisch gesprochen Teil beider Sitze. Deshalb dürfen sie auch beide Passagiere benutzen. Aber dafür sei sie, die Armlehne, in der Regel zu klein. Daher ein Kompromiss: Ein Fluggast verwendet das vordere, der andere das hintere der Armlehne. Unnachgiebige Zeitgenossen spricht man im Zweifelsfall direkt an, etwa mit den Worten: "Stört es Sie, wenn ich meinen Ellenbogen hier zurücklege und Ihnen den vorderen Teil der Armlehne überlasse?" Die gemeinsame Armlehne gehört also niemandem. Es gibt aber eine Gepflogenheit: Passagiere des Gang- und des Fenstersitzes sollten dem in der Mitte Sitzenden gegenüber "Armlehnenvorrang" gewähren. Denn die außen Sitzenden verfügen ja bereits über eine eigene Lehne. Und der Mittelsitzer hat auch sonst nur Nachteile: kein Fenster, keinen direkten Zugang zum Gang - und dann noch zwei Armlehnen, die auch die Nachbarn beanspruchen. Eins gehe auf gar keinen Fall: den Sitznachbarn zu berühren. Körperkontakt ist unter fremden Menschen tabu. Wenn es trotzdem passiert, bleibt für den Gestoßenen nur, angemessen zu reagieren. Aber wie? (Ich war so was von aufgeregt ob der Auflösung!) Lizzi Post riet zu Formulierungen wie: "Würde es Ihnen etwas ausmachen, auf Ihren Ellenbogen zu achten? Es scheint mich ein bisschen zu stoßen." (So genau und nicht anders heißt es dort! Aber der Artikel ist noch nicht zu Ende, Spannung steigt.) Und wenn der andere nicht aufhört und weiter auf Tuchfühlung geht? Dann bleibt nur, den Flugbegleiter einzuschalten. Die Ex-Stewardess Beth Blair empfiehlt dazu, nicht den Rufknopf zu drücken. Besser ist es aufzustehen und den Flugbebleiter direkt zu kontaktieren. Dann bleibt dem die Möglichkeit, gesichtswahrend mit der anderen Partei zu sprechen. "Es existiert kein Recht auf Armlehnen", erklärt Heinz Klewe, Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr. Rein juristisch gesehen, darf die Armlehne im Zweifel also keiner von beiden Anrainern nutzen.  

Apropos angemessen reagieren - vor allem gesichtswahrend. Neulich wechselte ich mit meinem Fahrrad von der rechten Spur über die Mittelspur auf die Linksabbiegerspur, um an der Ampelkreuzung links abzubiegen. Selbstredend hatte ich vorher in angemessenem zeitlichen Abstand meine Absicht per Armzeichen kundgetan. Da kommt neben mir auf gleicher Höhe an besagter roten Ampel ein Auto zum Stehen: offene Fenster, laute Musik, Mann, sämtliche Klischees bedienend. Der brüllt mich an, ob ich Fotze sie denn noch alle habe. Seiner Meinung nach hatte ich meinen Spurwechselvorgang zu früh eingeleitet. Interessant für mich in dem Zusammenhang, ich dachte bis jetzt, das Wort Fotze sei schon ein recht derbes Wort. Der Mann scheute aber keine Mühen, meinen Horizont diesbezüglich zu erweitern. Was aber, und deshalb erzähl ich es, total super für mich war. Weil ich konnte einmal meine gesamte aufgestaute Wut des letzten Jahres, meinen Frust über all das, was schief gelaufen ist, meine Wut über Menschen, die es sich so was von bequem in der Corona-Hängematte gemacht haben, über sanktionierte Kreativlosigkeit. Diese ganze aufgestaute Wut konnte ich jetzt rauslassen, laut, sehr laut. Was habe ich laut gebrüllt und welch wunderbare Beleidigungen fielen mir ein. Ich wusste ja gar nicht, was mir alles an Fäkalienausdrücken zur Verfügung steht! Was soll ich sagen: Es war so was von befreiend, ohne FFP2-Maske, das Gesicht zeigend, nicht wahrend! Ich bin dem Mann so was von dankbar. Für mich war das so was von reinigend - besser als fünf Jahre Anti-Aggressionsseminar! Ich bin wohl ehrlich, im Nachhinein hat er mir ein wenig leid getan, der arme Mann.

Donnerstag, 18. März 2021

Womit wird eigentlich der Berliner geimpft?

Wie ich neulich so mit meinem Einkaufswagen, voll bepackt mit dreilagigem Klopapier, die Kölnstraße entlang schlendere. Weil, auch da bin ich ja so was von verunsichert in diesen Tagen. Wie ich also so was von in Bewegung bin, sehe ich einen jungen Mann und frage mich, ob sein Figürchen mit diesen Zeiten zu tun hat. Zeiten, in denen die Schulen oft geschlossen sind, der Kronprinz selten das Haus verlässt und trotzdem das 1kg-Glas Nutella auf dem Frühstückstisch steht. Eigentlich gibt es ja diese Lebensmittelampeln. Diese Ampelkennzeichnung auf Lebensmittelverpackungen, die laut Wikipedia leicht verständlich den Gehalt an gesundheitsrelevanten Nährstoffen wie Fetten, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz signalisiert. Beispiel: ein roter Kreis, darin die Lettern "Hoch", daneben der Text: Fett 25 g pro 100 g, darunter noch ein roter Kreis, darin die Lettern "Hoch", daneben: gesättigte Fettsäuren 6 g pro 100 g, dann ein gelber Kreis "Mittel", daneben die Angabe: Zucker 12 g pro 100 g, und unten ein grüner Kreis, darin das Wort "Niedrig", daneben: Salz 0,2 g pro 100 g.

Hallo, Prozentrechnung und Kommazahlen! Schon vor Corona mit normalem Schulbetrieb für viele Schüler eine Zumutung. Und selbst wenn der junge Mann eine vage Ahnung von Mathematik hätte, würde er überhaupt auf die Ampel schauen, auf dem 1kg-Glas Nutella? Ich schätze mal nicht, dachte ich so vor mich hin schiebend. Und warum gibt’s solch großes Glas überhaupt zu kaufen, sinnierte ich weiter. Diese Frage stelle ich mir übrigens auch immer, wenn im Werbeprospekt meines Lieblingsdiscounters die "Minions-Motivwurst" feilgeboten wird. Weil, warum soll dem Kronprinz die Wurst durch ein hübsches Motiv schmackhaft gemacht werden? Wenn er kein Fleisch essen mag, ist das doch eher gut. Irgendwie passte das für mich gerade nicht zusammen. Einerseits soll das dicke Kind vor mir weniger Zucker essen und der Fleischkonsum im Allgemeinen reduziert werden. Andererseits darf  "Nutella im 1kg(!!!) Glas" und billiges Fleisch mit einem Minion-Gesicht drauf verkauft werden. Irgendwie verlogen, dachte ich. Das mag aber auch an meiner momentanen Disposition liegen, weil, wenn du die ganze Zeit in Bewegung bist.

In dem Zusammenhang kam mir auch der Gedanke, wie vielleicht Defizite in Mathematik durch einen Besuch bei meinem Lieblingsdiscounter leicht behoben werden könnten. Dann könnten wir, was die Mathematik betrifft, die Schulen für immer schließen. Ich stelle mir eine Kleinstgruppe von drei Schülern vor, mit denen ich am Beispiel des Nutella-Glases Prozentrechnung übe. Und wer am Ende am besten die Materie beherrscht, darf sich zur Belohnung solch ein Glas in den analogen Warenkorb legen.

Apropos Nutella, da fällt mir die Sache mit der Marmelade ein. Kürzlich stand ich mit meinem Einkaufswagen, wie erwähnt, vollbepackt mit dreilagigem Klopapier, in der Warteschlange vor meinen Bäcker. Eigentlich war es keine Schlange und ich stand auch nicht wirklich. Weil, erstens war vor mir nur eine Kundin und zweitens war es mehr ein Auf-der-Stelle-Treten - wegen meiner Unsicherheit. Ein paar Sekunden und schon habe ich meine Berliner - dachte ich. Weil: Ob er, der Verkäufer, denn Roggenbrot habe. Da er die Frage offenbar zu einfach, nämlich mit Ja, beantwortete: Ob sie, die Filiale, denn auch Roggenmischbrot habe. Nachdem der Verkäufer alle Formen von Roggenmischbrot aufgezählt hatte, also gefühlt Stunden vergangen waren, teilte die Kundin mit, sie würde das Brot dann bei einem anderen Bäcker kaufen, ob des dortigen besseren Mischverhältnisses. Ob es denn auch Dinkelbrot gebe. Ja. Was er persönlich denn eher empfehlen würde, Dinkel oder Roggen. Sie sei jetzt aber auch ein ganz klein wenig in Eile, wolle aber gerne noch Berliner kaufen.

Die Tüte ist schon verkäuferlicherseits gezückt, da die Frage, was für eine Füllung denn in den Berlinern sei. Sie sei nämlich Allergikerin und könne beim besten Willen Erdbeermarmelade nicht vertragen. Ich hätte mir zu dem Zeitpunkt gewünscht, der Verkäufer hätte über die Theke hinweg "Geh scheißen!" gebrüllt. Was ja österreichisch für "Danke für Ihre Meinung. Ich kann leider nicht vollständig zustimmen und möchte Ihnen stattdessen meinen Standpunkt darlegen" steht. Zumal das mit dem Scheißen ja auch wirklich zupassgekommen wäre, hatte ich doch den ganzen Einkaufswagen voller Klopapier. Leider tat er das nicht. Stattdessen druckte er einen Zettel mit der Zutatenliste aus und entschuldigte sich höflichst, dass es sich um eine Erdbeerfüllung handele. Aus lauter Frackigkeit habe ich dann von hinten gebrüllt, ursprünglich hätte ich Berliner kaufen wollen. Das Tolle an Berlinern sei ja gerade, dass man nicht wisse, auf welche Füllung man treffe. Und diesen Spaß hätten sie mir jetzt gründlich verdorben. Ich bin dann unverrichteter Dinge mit meinem Einkaufswagen weitergezogen. Und vermute mal, dass meine Reaktion auch ein bisschen damit zu tun hatte, dass ich - ganz im Gegensatz zu dem dicken Kind - in der letzten Zeit ununterbrochen in Bewegung bin. Immer häufiger leide ich unter Gleichgewichtsstörungen und habe auch zwischenzeitlich das ein oder andere Kilo abgenommen.

Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich dieser Tage häufiger so was von ins  Fettnäpfchen trete. Erst kürzlich habe ich, meinen Einkaufswagen schuckelnd, eine Frau auf einer Verkehrsinsel, einfach um ins Gespräch zu kommen, auf ihre Haare angesprochen. Im Sinne von, wir zwei Hübschen hätten ja offensichtlich dasselbe Problem. Wie froh auch ich sei, wenn endlich die Frisöre wieder öffneten. Man könne ja schon nicht mehr von einer Frisur sprechen, was sich da auf dem Kopf abspiele. Die Fußgängerampel wurde rot und die Frau sagte, sie trage die Haare immer so, sie käme gerade vom Frisör. Wie gesagt, es mag daran liegen, dass ich ob dieser Unsicherheit unter massiven Schlafstörungen leide. Ja, selbst im Schlaf habe ich das ungute Gefühl, mich bewegen zu müssen - ob des Verweilverbots.