Donnerstag, 22. September 2022

Düren: Leidenschaft und Erotik

Kennst du das, wenn du so richtig reingesteigert bist? War ich. Und kennst du auch den 1983 erschienenen und preisgekrönten Roman "Die Entdeckung der Langsamkeit" von Sten Nadolny? Unbedingt lesen! Wenn du denkst, du hast ihn noch nicht gelesen, schau aber erst einmal ins Bücherregal (hat unsereiner ja noch!) Vielleicht steht das Buch ja da und du hast nur vergessen, dass du es schon gelesen hast. Wenn's nicht da steht, kauf's dir gebraucht, da macht es auch nichts, wenn du beim Ölziehen Öl draufkleckerst. Wie komm ich drauf? Genau, der letzte Samstag im August. Ich sag dir, so was von reingesteigert und dabei so was von tiefenentspannend …

Weil was Anspannung anbelangt, bietet mir mein SCHAUFENSTER ja immer wieder so  einiges. Neulich zum Beispiel: War ich da froh, dass die Lettern "Das Elend des Scheiterns" sich nicht auf. Ich mein, Elend und Scheitern sind ja schon jeweils für sich kein Spaß, aber zusammen in einer Überschrift, da ahnst du nur das Übelste! Gott sei Dank bezogen sich die Lettern aber nicht auf unsere Beethovenhalle. Ich hatte nur zwei Artikel in einen Topf geworfen, weil beide sich mit Dramen befassten. Weil über sie gab es auch einen Beitrag in meinem SCHAUFENSTER, aber zum Glück mit der Überschrift "Neustart für die Beethovenhalle". Darin hieß es, das Drama um die Beethovenhalle soll nun endlich ein Ende finden. Oberbürgermeisterin Katja Dörner holt für die Sanierung einen erfahrenen Experten für komplizierte Bauprojekte der öffentlichen Hand an Bord. Ein Team der Berliner Häuser Baumanagement GmbH soll die Stadt als Bauherrin unterstützen, damit die Beethovenhalle erfolgreich fertig geplant und störungsfrei zu Ende gebaut werden kann. Mein erster Gedanke: Haben die nicht genug eigene Probleme in Berlin zu lösen und hätte man die in Berlin nicht wegen des Flughafens mal anrufen können? Konnte und hat man. Denn weiter hieß es in dem verheißungsvollen Artikel, die Berliner Häuser sei spezialisiert auf das Projekt- und Baumanagement diffiziler Bauprojekte. Das Unternehmen war mit seinem Geschäftsführer Steffen Göbel entscheidend in der Fertigstellung der Elbphilharmonie sowie des Berliner Flughafens BER involviert. Ich kann nur sagen, meiner Meinung nach hat der Herr Göbel für dieses Leben ausgesorgt, wenn der so gut ist.

Aber apropos Drama. Die Lettern "Das Elend des Scheiterns" waren die Überschrift für eine feine Rezension über das Stück "Der zerbrochene Krug" von Heinrich von Kleist. Was hab ich da beim Lesen für einen Spaß gehabt an solchen Sätzen wie: "Die nahezu brutal naturalistische Inszenierung mit sehr textsicheren und engagierten Schauspielern entließ so manchen verstörten Zuschauer." Und "Das Premierenpublikum spendete den hervorragend die Regieziele umsetzenden Schauspielern anhaltenden verdienten und den besonderen Wert der Aufführung schätzenden Applaus." Hammer-Satz, oder?

Und wo ich gerade beim Scheitern bin, kennst du "Das Institut – Oase des Scheiterns"? Dazu Wikipedia: eine deutsche Workplace-Sitcom aus dem Jahr 2018 und 2020 über die Arbeit eines deutschen Kulturinstituts im zentralasiatischen Fantasiestaat Kisbekistan. Weitgehend am Interesse der Einheimischen vorbei versuchen die sechs Mitarbeiter, mit Sprachkursen und Veranstaltungen ein positives Deutschlandbild zu vermitteln. Das in der Serie dargestellte Deutsche Sprach- und Kulturinstitut trägt dabei unverkennbar Züge des Goethe-Instituts. Unbedingt schauen!

So, nun aber zu meinem letzten Samstag im August und der Entdeckung der Langsamkeit. Ich sagte ja, ich war da so was von reingesteigert. Was dem einen sein Sylt, war mir Heimbach. Wir haben uns wieder aufgemacht, mit dem 9-Euro-Ticket, und sind mit der Regionalbahn vom Bonner Hauptbahnhof nach Euskirchen gefahren. Von Euskirchen mit der Bördebahn nach Düren, und von Düren mit der Rurtalbahn nach Heimbach. In Heimbach ein klein wenig nach links geschaut und ein klein wenig nach rechts gegangen. Und dann alles wieder retour. Was zunächst einmal das absolut Entspannende ist: Bonn, Euskirchen, Düren und Heimbach sind jeweils Start- oder Endhaltestelle. (Witzig in dem Zusammenhang: Es gibt kein Antonym, also kein Gegenteil, für Endstation.) Du steigst also immer in einen leeren Zug ein und fährst bis zur Endstation. Also kein Stress von wegen verpassen. Dann hast du immer so was von genug Zeit für den Umstieg - bis zu eineinhalb Stunden. Was aber das absolut Erholsame ist: Es gibt in Euskirchen und Düren nichts, was du dir anschauen willst. Also nichts wie rein in die Bahnhofsbuchhandlung. Und in Zeitschriften schwelgen, von deren Existenz ich nicht die geringste Ahnung hatte. Und, noch besser, in Schnulzen schwelgen: "Jadeherzen (schau dir das Cover an!) 

Der legendäre Schatz der chinesischen Tang-Dynastie ist verschwunden!" Und "Kyle Donovan, für ein Abenteuer immer zu haben, wird auf die Spur der geheimnisvollen Lianne Blakely gesetzt. Die exotische Schönheit ist nicht nur eine anerkannte Expertin für alte Jadekunstwerke, sondern auch eine illegitime Tochter der einflussreichen Tang-Familie. Bald schon werden die beiden in einen verzehrenden Sog aus Lüge, Macht und Leidenschaft gezogen …" Und darunter: "ein überaus spannender und exotischer Liebesroman". Bei aller Liebe, der Tag dient ja gerade der Entspannung! Und jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht trotz eineinhalb Stunden Aufenthalt den Anschlusszug verpasse! Was auch witzig ist, der Bahnhof Euskirchen hat sechs Bahngleise: Gleis 1 bis 5 und Gleis 46.

Schon das ganze Drumherum an diesem Tag war so was von tiefenentspannend. Wenn du dann aber noch zusätzlich unzählige Male das folgende Mantra hörst: "Nächste Station Jakobwüllesheim - Bitte achten Sie auf den Abstand zwischen Zug und Bahnsteigkante - Bedarfshalt: Zum Aussteigen bitte Haltewunschtaste betätigen - Ausstieg in Fahrtrichtung links". Wenn du dieses Mantra den ganzen Tag über immer wieder hörst - so was von Tiefenentspannung, so was von Erholung, entschleunigend, die Langsamkeit neu entdeckt!

Mittwoch, 31. August 2022

Hurra - Projekt erfolgreich abgeschlossen!



Ich kann nur sagen, so ganz bin ich davon noch nicht überzeugt, vom Ölziehen. Aber kennst du ja auch: Jemand hat dir so was von vorgeschwärmt und du fragst dich, warum hab ich das eigentlich noch nicht ausprobiert. Dann gehst du sofort los und kaufst drauf los. Nur mit dem Kaufen alleine ist es ja bekanntlich nicht getan. Das siehst du ja schon daran, wie viel Schulübungslektüre bei Thalia gekauft wird, und dann stellt sich heraus, dass zuhause der Tag auch nur 24 Stunden hat. Und selbst wenn er mehr Stunden hätte, hätte der Butzelbär null Lust, kontinuierlich Vokabeln zu lernen. Dass du dir kurz vor der Arbeit eben mal die Vokabeln der letzten sechs Wochen reinziehst - kein guter Plan. Oder so eine Faszienrolle. Hallo, da nutzt es nichts, wenn du dich einmal in der Woche für zwei Sekunden drauflegst. Das braucht alles seine Zeit.

Apropos kaufen. Hab ich. Das 9-Euro-Ticket. Und? Ich sag nur: Vabanquespiel! Was ja so viel heißt wie "eine mit einem hohen Risiko verbundene Vorgehens- bzw. Verhaltensweise, sehr gewagtes Unterfangen". Das ist ja das Tolle an solchen Sternfahrten: Du hast im Urlaub nur ein Hotel, in das du jeden Abend wieder zurückkehrst, und von da aus startest du jeden Tag eine andere Tour (oder auch nicht). Und damit du einen größeren Aktionsradius hast, fährst du oft mal eine Strecke mit der Bahn. Dieses Jahr in den Sommerferien haben mein Traummann und ich das in Erfurt gemacht. Jeden Tag haben wir mit unseren Rädern (nein, keine E-Bikes!) eine andere Tour gemacht. So ging es an einem Tag von Erfurt nach Bad Langensalza. Und der Text aus dem Routenheftchen: "Streckenlänge 45 km … Hier beenden wir die Tour in einem Café und treten die Heimfahrt mit dem Zug an." Die meisten Bahnhofsgebäude in den kleineren Orten sind ja mittlerweile komplett geschlossen. Dafür gibt es in Bad Langensalza aber ein rot-weißes Häuschen etwa in der Größe von zwei Dixi-Klos: "Video-Reisezentrum - persönliche Beratung und Verkauf", stand da in riesigen Lettern drauf und … Hallo, ich ging da rein und eine echte Menschin erschien auf dem Bildschirm: Ich habe ihr gesagt, was ich wollte, sie hat alles auf ihrer Maschine eingegeben, ich habe in meinem Häuschen mit EC-Karte bezahlt und raus kamen zwei 9-Euro-Tickets. Dann kam der Zug und ich habe mich so was von gefreut, dass wir es geschafft haben, mit den Rädern reinzukommen (ich sag mal, maximal Platz für fünf Räder im ganzen Zug!). Mensch denk ich, die 9 Euro habe ich jetzt schon raus. Denk ich aber auch nur, weil nach ca. zwei Drittel Fahrt hält der Zug an einem Bahnhof im Nirgendwo und aus dem Lautsprecher folgende Worte: "Die Weiterfahrt verschiebt sich auf unbestimmte Zeit. Grund ist ein Personalmangel." Die anderen Fahrgäste haben ganz schön blöde aus der Wäsche geschaut, und wir haben unsere Räder geschnappt und sind die restlichen Kilometer zu unserem Hotel in Erfurt zurückgeradelt. Merke also: Auch wenn du gar nicht vorhast Fahrrad zu fahren, sicherheitshalber immer in der Bahn ein Fahrrad mit dir führen, damit du im Zweifelsfall …

Gut, dachte ich, zweiter Versuch, morgen soll's ja nach Weimar gehen und zurück wieder mit dem Zug. Dazu auf der Seite der DB: "Schienenersatzverkehr auf dem Streckenabschnitt Weimar - Erfurt 01.08.2022 - 14.08.2022 RB 21. Aufgrund von Bauarbeiten zur Gleiserneuerung ist die Eisenbahnstrecke zwischen Weimar und Vieselbach vom 01. bis 14. August 2022 für den gesamten Zugverkehr gesperrt. In Folge dessen fallen alle Züge der Erfurter Bahn in diesem Zeitraum auf dem Streckenabschnitt Weimar - Erfurt aus und es wird Schienenersatzverkehr eingerichtet." Hatte ich erwähnt, dass wir diese Tour am 2. August gemacht haben? Und wenn du jetzt nach Schienenersatzverkehr googelst, liest du unter Fahrradmitnahme in Bus und Bahn folgende Lettern: "Bus und Bahn sind ideale Partner bei der Ausgestaltung Ihrer nächsten Radtour, denn durch die Fahrradmitnahme können Sie auf der Hin- oder Rückfahrt bequem in Bus oder Bahn unterwegs sein und damit ihren Aktionsradius erweitern oder bei schlechtem Wetter alternativ einfach einsteigen." Und du liest auch: "Beim Schienenersatzverkehr mit Bussen können leider keine Fahrräder mitgenommen werden." Ja, was machst du da? Mit dem Radel zurückradeln. Merke also: Papier und Internet sind geduldig und Obacht bei der Auswahl der Streckenlänge.

So, jetzt war es bei mir mit dem 9-Euro-Ticket so wie mit dem Mundziehöl: das eine noch nicht mal für eine vollständige Zugfahrt genutzt, das andere noch nicht mal geöffnet. Was ja aber das Tolle war, wir hatten noch so manchen Tag im August. Und deshalb folgendes Projekt: An einem Samstag sind wir um 7:00 Uhr in der Früh nach Köln geradelt (es sollte sehr heiß werden und wurde es auch). Um 9:00 Uhr waren wir im Kölner Dom, fast allein, um eine Kerze für unsere verstorbene Freundin anzuzünden. Gerne wäre ich wieder zurückgeradelt, weil es immer noch angenehm kühl war. Aber, das Projekt: Deshalb sind wir in die Linie 16 gestiegen. So, und jetzt rate mal. Genau! Merke: Wenn du die Bahn nicht brauchst, wenn du sogar lieber gerne wieder zurückradeln würdest, dann klappt alles! Wenig Wartezeit und genügend Platz. Kein Wunder: Es war Samstagvormittag und auf der Höhe der Kranhäuser hatte am Abend zuvor das Weinfest am Rhein stattgefunden, was du an den unzähligen leeren Weinflaschen gesehen hast.      

Ich hätte auch noch ein anderes Projekt gehabt, wenn das mit Köln nicht geklappt hätte: Ich wäre (ohne Fahrrad!) den ganzen August in jede Buslinie vor meiner Haustür gestiegen und mal bis zur Endstation gefahren. Wäre ausgestiegen, hätte mal links und mal rechts geschaut und wäre dann wieder zurückgefahren.

Mittwoch, 10. August 2022

ASMR - Ich zieh das jetzt durch!

Sonst kannst du es auch gleich sein lassen. Ohne Kompromisse zieh ich das jetzt durch! Täglich, ohne Wenn und Aber. Dumm nur, weil du kannst nebenbei nicht viel machen. Also ich jedenfalls nicht. Weil, Handy zum Beispiel, wenn ich da nicht aufpasse, eklige, ölige Schweinerei. Das Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters geht natürlich immer: Als da wäre eine "Aufblasbare Kinder-Autowaschanlage" mit fein sprühenden Wasserdüsen. Wenn ich das Foto dazu richtig verstehe, fährst du da als Dreijährigendes mit deinem Bobbycar durch und wirst dabei besprüht. Mein erster Gedanke: Wie oft genau fährt das Prinzende da durch? Und mein zweiter Gedanke: So lange das Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters solch Ware feilbietet, so lange kann es uns noch nicht wirklich schlecht gehen.

Ich bin immer noch dabei, es durchzuziehen, deshalb Angebot Nummer zwei meines Werbeblättchens: "Memory-Foam-Badematte", saugfähig und schnell trocknend. Und da habe ich jetzt tatsächlich mal nachgeschaut, ob ich mich denn so was von irre. Es heißt tatsächlich Gedächtnisschaum. Und da frage ich mich natürlich, was genau diese Matte sich merkt. Okay, ich habe gelernt, dass Matratzen ein so was von feines Gedächtnis haben, was ja vielleicht auch Sinn macht. Oder auch bei ultraleichten Freizeitschuhen mit Memory-Foam-Decksohle - kann ich nachvollziehen. Aber was genau habe ich davon, wenn die Badematte mich beim Drüberlaufen wiedererkennt? Es erschließt sich mir nicht.

Ich habe aber immer noch Zeit, weil genau nach Anleitung. Ich mein, sonst kannst du es auch gleich bleiben lassen! Entweder du machst es richtig, oder lass es doch einfach ganz bleiben! Das Blöde ist, du bist halt auch so was von laut dabei. Dabei Musik hören kannst du also auch vergessen. Gott sei Dank, mein Werbeblättchen hat auf jeden Fall noch was für dich und mich:  eine "Glow Bier-Pong-Luftmatratze"! Hallo, das kommt doch gleich hinter Mok-Bang, oder! Ich habe dann mal im Internet geschaut und habe doch tatsächlich unter "Beer Pong" bei Wikipedia Folgendes gefunden. Da fällt mir ein, letztens habe ich dich ja im Regen stehen lassen von wegen ASMR und so. Ich erzählte dir von Menschen, die laut schlürfend Mengen an Essen verdrücken und sich dabei filmen. Und dass viele Menschen es lieben, ihnen dabei zuzuschauen respektive zuzuhören, sich dabei entspannen. Und da tauchten dann in dem Zusammenhang die vier Buchstaben ASMR auf. Und wo ich jetzt schon mal bei Wikipedia war, hier: Autonomous Sensory Meridian Response (abgekürzt ASMR; deutsch „Autonome sensorische Meridianreaktion“) bezeichnet das Wahrnehmen eines kribbelnden, angenehm empfundenen Gefühls auf der Haut (sogenannte Tingles); oft ähnlich erlebt wie sanfte elektrostatische Entladungen. Es beginnt typischerweise auf der Kopfhaut des Hinterkopfs und bewegt sich entlang des Nackens und der oberen Wirbelsäule bis in den Schulterbereich. Dieses Gefühl ist für die meisten Personen mit Entspannung, Beruhigung und Wohlbefinden verbunden. Vielen Menschen hilft ASMR beim Einschlafen. Weil ASMR durch bestimmte akustische und optische Reize ausgelöst werden kann, wurde es 2021 zum drittmeistgenutzten Suchbegriff auf der Videoplattform YouTube. - Und angeblich empfinden viele Zuschauer genau das, wenn sie sich laut schmatzende Menschen anschauen, die sich Unmengen an Essen reinschieben. So, jetzt weißt du Bescheid, Schätzelein.


Eigentlich war ich aber ja in Sachen "Beer Pong" bei Wikipedia unterwegs. (Ich habs übrigens gleich. Wird auch Zeit!) Also bei Wikipedia heißt es: Beer Pong (auch Beirut oder Bier Pong) ist ein Trink- und Geschicklichkeitsspiel sowie ein Präzisionssport, bei dem Tischtennisbälle in Becher geworfen werden müssen. Der Gegner muss jeden Becher austrinken, der von einem Spieler getroffen wurde. Wenn du Zeit hast, kannst du dir gerne alles über die Regeln, die Geschichte und den Ablauf des Beer-Pong-Spiels (Spielvorbereitung, der Wurf, der Treffer und der Spielgewinn, sowie Sonderregeln und Erweiterungen) durchlesen. Und wenn du rein gar nichts zu tun hast, auch noch etwas über Gefahren und Kritik und Turniere und Ligen. Und wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, liegst du dann auf der Luftmatratze im Baggersee und hast den besten Grund, möglichst viel Bier zu trinken. Und mein Tipp noch dabei: möglichst um die Mittagszeit, ohne Käppi und Sonnenschutz! Worüber ich zwischenzeitlich nachgedacht habe, ob die, die auf der Luftmatratze Beer Pong spielen, ob das dieselben sind, die sich diese Mok-Bang Videos anschauen. Also, was ich damit sagen will, ich habe die Hoffnung, dass es vielleicht gar nicht so viele Bekloppte gibt, wie man glaubt, wenn man sieht, was es alles für Beklopptheiten gibt. Vielleicht sind das ja immer dieselben Bekloppten, die jeden Scheiß mitmachen. 

Noch ein paar Minuten und ich habe es geschafft! Das Ölziehen am Morgen soll ja angeblich der Mundschleimhaut Giftstoffe entziehen. Und so sollst du es machen: jeden Morgen einen Teelöffel voll Pflanzenöl in den Mund nehmen und das Öl etwa 20 Minuten durch den Mundraum ziehen. Viren, Bakterien und Pilze gehen aus den Schleimhäuten ins Öl über, weshalb du das Öl am Ende auch nicht schlucken, sondern auszuspucken sollst. Aber Obacht: Damit das Ölziehen etwas bringt, ist es von entscheidender Bedeutung, dass du dir genug Zeit nimmst.

Das ist so was von ein lustiges Geräusch. Und da überlege ich jetzt, wo ich mich mit Mog-Bang und ASMR beschäftigt habe. So als weiteres finanzielles Standbein. Denn die sollen ja recht gut verdienen, diese BJs. Und ich könnte mir mich als Broadcast Jockey ohne weiteres vorstellen: 20 Minuten, Kamera auf mein Gesicht gerichtet, besser noch, nur auf meinen Mund, und das Mikro ebenfalls auf meinen Mund gerichtet. So könnte ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Meine Millionen von Followern glücklich machen und gleichzeitig meiner Zahn- und Mundhygiene dienen.


Mittwoch, 13. Juli 2022

Mit Borgen durch das Sommerloch


Sommerferien! Das bedeutet "keine Termine und leicht einen sitzen" - antwortete Harald Juhnke, als er nach seiner Definition von Glück gefragt wurde. Für mich trifft das allemal zu - wenn da die Arzttermine nicht wären. Weil Schulsommerferien bedeutet eben auch, all das zu erledigen, wozu ich sonst nicht komme, sprich Arzttermine. Und da kannst du jetzt nicht wirklich frühmorgens mit einer Fahne erscheinen. Zumal wenn dir Blut abgenommen werden soll. Nicht dass der Promillegehalt das gesamte Blutbild verfälscht!

Wo ich gerade beim Arzt (und selbstredend auch bei der Ärztin) bin. Kennst du das auch? Gut, heute hast du Handy. Aber stell dir mal vor, dein Akku ist leer. Also jetzt nicht deiner, aber der von deinem Handy. (Erzähl mir nicht, dass dir das noch nie passiert ist.) Oder es gibt doch auch oft in Wartezimmern an der Wand dieses Handy-durchgestrichen-Zeichen, dass du dein Handy nicht benutzen darfst. Und eh du da riskierst, dass du von einem mitwartenden Patienten, der sowieso schon wegen seiner elenden Rückenschmerzen auf 180 ist, geohrfeigt wirst, lässt du es doch bitteschön in der Tasche. Was ich aber eigentlich fragen will: Hast du das auch schon mal erlebt, dass es dir so was von in den Fingern juckt, im Wartezimmer des Arztes deines Vertrauens eine Seite aus der Lesezirkel-Bunten oder der Freundin oder der Brigitte rauszureißen wegen eines tollen Kochrezepts? Ich kann mich an solch eine Situation lebhaft erinnern. Da saß außer mir nur noch ein Patient im Raum, der aber nach mir dran war. Ich habe den dann unter einem fadenscheinigen Vorwand extra vorgelassen, damit ich ungestört die Seite rausreißen konnte.

Apropos rausreißen. Kannst du ja nicht, den Artikel rausreißen, wenn du Selbigen im Internet liest. Wenn du da  was Interessantes oder Beklopptes liest, bis ich das mal, aber jetzt kann ich's, den Link speichern. Pass auf, so steht's im Internet: Mok-Bang (auch Muk-Bang, Meokbang; Kunstwort aus mokda für „essen“ und bangsong für „Senden“) nennt sich ein Internet-Video-Trend aus Südkorea, in dem Menschen Berge von kalorienreichem Essen nach und nach vor laufender Kamera verschlingen. Nicht nur eines, sondern gleich mehrere Gerichte werden dabei verspeist – von Pizza, Burger und Pommes bis hin zu Ramen, einer japanischen Nudelsuppe. Kim-Hae Jin, Doktorand der Chosun University in Südkorea, ist der Meinung, dass der Zuschauer durch den Broadcast-Jockey indirekt sein eigenes Verlangen nach Essen stillen kann. Die BJs interagieren auch mit ihren Zuschauern, indem sie auf Kommentare und Gespräche eingehen und reagieren. Nicht zuletzt haben Mok-Bangs nun auch eine Nische in der ASMR-Sparte des Internets gefunden, wo sie mit einem sehr nahe am Mund angebrachten Mikrofon ihre Schlürf- und Kaugeräusche stark betonen. - Also damit du es auch verstehst: Menschen verzehren laut schlürfend übergroße Portionen an Essen und filmen sich dabei! Beim Thema ASMR war ich dann raus, will sagen, habe ich nicht weiter verfolgt. Kannst du ja machen, wenn du Zeit hast. 

Apropos filmen. Da gibt es ja jetzt ganz aktuell die vierte Staffel von "Borgen" zu sehen. Was mir da wirklich leid tut, für unsere Politiker, dass die den Adam Price nicht kennen. Weil der wusste offensichtlich viel früher viel mehr als die Entscheidungsträger all over the world. Aber warte, du kennst "Borgen" nicht? Ich hab dir mal aus dem Internet dazu etwas herausgesucht: Die dänische Politserie "Borgen" könnte das TV-Comeback des Jahres werden. Neun Jahre nach der letzten Folge auf arte streamt nun Netflix die fulminante 4. Staffel der Erfolgsserie. "Borgen" sei seine liebste Fernsehserie, ließ der Filmkomponist Hans Zimmer vor kurzem verlauten. Seiner Meinung nach wäre die Welt besser, wenn nur Frauen und Mütter regieren würden, zitierte dpa den 64-jährigen. Man kann es so sagen: In ihrer meisterhaften vierten Staffel spielt die dänische Serie in acht Folgen in einer sehr nah an der Realität siedelnden Fiktion die Frage durch, ob Hans Zimmer lediglich einen frommen Wunsch oder doch so etwas wie eine tiefere Wahrheit formuliert hat. Wie nah die neue "Borgen"-Staffel der Wirklichkeit kommt, sieht man schon an Nebensätzen wie jenen, die über die Corona-Pandemie und über Russland fallen, das "internationalen Sanktionen unterliegt, weil es die Ukraine angegriffen hat"! - So, jetzt weißt du, warum du diese Staffel unbedingt schauen musst. Hallo, die Serie wurde 2021 produziert und so prophetisch! Und wenn du kein Netflix hast, frag einfach bei nebenan.de, ob dich jemand bei sich zu Hause mitgucken lässt. Dafür ist es doch da, das Nachbarschaftsnetzwerk, oder?

Bei so viel harter Kost hilft bei mir dann nur noch der Blick in das Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters, flankiert von einem Aperol um zu entspannen. Natürlich kann ich auch auf meiner Verkehrsinsel wunderbar entspannen. Nur jetzt im Sommer bei teilweise: Ich hatte neulich offensichtlich etwas zu lange dort verweilt und mir einen dermaßen vollpfostigen Sonnenbrand geholt. Und es ist ja durchaus auch von Vorteil, wenn frau mehrere Optionen hat um runterzukommen - bei Dauerregen zum Beispiel. Und jetzt, wo ich ohnehin mehr Zeit habe, kann ich das Werbeblättchen noch gründlicher studieren. Mehr Zeit deswegen, weil es neulich in meiner Fernsehzeitung in der Ankündigung zu einer Sendung folgendermaßen hieß: Wie gefährlich sind Viren, Wanzen und Co.? In der Waschmaschine landen dreckige Kleidungsstücke, damit sie sauber werden. Was aber tun, wenn Untersuchungen zeigen, dass Handtücher und Co. gefährliche Keime erst während des Waschvorgangs aufnehmen? Die Doku liefert Antworten. Ich habe mir die Sendung erst gar nicht angeschaut. Habe einfach das Waschen gelassen! 

Dienstag, 14. Juni 2022

Die Hoffnung stirbt durch's Nadelöhr


Was soll ich sagen? Ich hätte nicht gedacht, dass es mich noch mal so hart erwischt! Gut, damals, alles auf einmal: die Kinder aus dem Haus und die letzte Folge von "Desperate Housewives". Bis ich mich da wieder gefangen hatte. Wieder Spaß und Freude am Leben gefunden hatte. War das eine Durststrecke, als ich den Prosecco nicht genossen habe, sondern seiner dringend bedurfte. Das hat sich dann aber alles wieder eingerenkt. In dem Sinne, dass ich den Hugo wieder so was von genießen kann und auch mal einen Aperol dazwischen schiebe. Aber was rede ich? Kann, schiebe. Es muss heißen konnte, schob! Weil, dass ich diesen Tiefgang, ich dachte, ich sei gewappnet. Ich hatte jetzt ein Vierteljahr voller Emotionen, leidenschaftlichem Tiefgang, der schöne Tiefgang eben. Und da gehst du ja auch mit. Da bist du nicht unbeteiligt, so aus der Ferne, selbst wenn anderer Kontinent. 

Das schaust du nicht eben mal wie "Tatort" am Sonntagabend. "Tatort", hallo, eine Leiche, in kleine Würfelchen gedübelt und in der Tiefkühltruhe zwischengelagert. Oder der Klassiker: einbetonieren. Apropos einbetonieren. Jedes Mal, wenn ich über das Autobahnkreuz Köln Ost und das Dreieck Heumar, die kleben ja so was von aneinander, fahre, frage ich mich  immer wieder, wie viele Leichen da wohl nachts passgenau abgeliefert wurden, um für die Ewigkeit mit einbetoniert zu werden. Also wie viele Leichen da auf Nimmerwiedersehen endgelagert sind. Also "Tatort" oder "Polizeiruf 110", da hast du die eine Leiche mit abben Händen und die andere ohne Kopf und wieder eine andere ohne Füße. Gut, versteh mich richtig, das ist nicht schön, aber ja auch nicht das wahre Leben. Deshalb bewegt mich das nicht, deshalb gehe ich da nicht so mit. Da lass ich einfach das Wochenende ausklingen.

Wobei, stimmt so auch nicht ganz, das mit dem wahren Leben.. Weil, Stichwort True Crime Serien. Diese Serien, die so aufbereitet sind, dass du dir auf unterhaltsame Weise die harte Realität reinziehen kannst. Da lief ja jetzt diese True Crime Serie "Schwarzer Schatten - Serienmord im Krankenhaus". Über diesen Niels Högel , einen deutschen Serienmörder. Da heißt es über ihn bei Wikipedia: Er war von 1999 bis Mitte 2005 als Krankenpfleger in Krankenhäusern in Oldenburg und Delmenhorst tätig und beging dort im Dienst zahlreiche Morde an Patienten. Die Gesamtheit der aufgeklärten Fälle stellt die größte Mordserie in der bundesdeutschen Kriminalgeschichte dar. Insgesamt leiteten die Behörden in 332 Fällen Ermittlungsverfahren wegen Mordverdachts ein. Högel wurde wegen über 80 Morden verurteilt. Dazu kommen zahlreiche verurteilte Fälle gefährlicher Körperverletzungen.

Diese vierteilige Serie kannst du dir übrigens immer noch in der ARD-Mediathek anschauen. Leider ohne mich. Und da meine ich jetzt nicht, dass wir zwei Hübschen uns die nicht zusammen anschauen können. Nein, ich meine, hallo, darüber bin ich so was von stinksauer. Weil, ich hatte darin eine Rolle. Gut, eine kleine, aber immerhin. Ja, ob du's glaubst oder nicht, ich bin da so was von professionell gestorben - als Komparsin. Glaub mal nicht, dass es sich so leicht glaubwürdig daher stirbt am Set, inmitten von Kamerateam, Regisseurin, Kabelträger und dem ganzen Rattenschwanz. Meine Rolle war so was von anspruchsvoll: Einerseits lebe ich noch und blicke zuversichtlich, wenngleich nach der Operation noch recht geschwächt, meine Tochter an, die an meinem Bett auf der Intensivstation meine Hand hält. Und dann bin ich in der nächsten Szene tot und darf nicht blinzeln. Und dann schneiden die die ganzen Szenen mit mir am Ende einfach raus! Hallo! Was ich aber eigentlich sagen will, ja, alles ist Realität, aber ich habe mir ehrlicherweise die vier Folgen nur deshalb angeschaut, um mich zu sehen, in meiner exzellenten Leidens- und Sterberolle. Aber dass ich da jetzt in ein tiefes Loch gefallen wäre, nein.

Oder "Aktenzeichen XY … ungelöst", auch so ein Thema. Wenn du die Leute fragst, ganz gruselig, diese nachgestellten Schicksalstage, alles in Grau und immer dieselbe Stimme aus dem Off. Für mich aus der Erinnerung: sturmfreie Bude. Ob du es glaubst oder nicht, zu meiner Zeit hattest du nur einen Fernseher und der stand im Wohnzimmer. Da konntest du nur dann mal fernsehen, wenn deine Eltern freitagabends aushäusig waren. Und entweder lief dann "Der Kommissar" oder "Aktenzeichen XY … ungelöst". Beides in Schwarzweiß. (Witzig in dem Zusammenhang, obwohl das ZDF bereits 1967 das Farbfernsehen eingeführt hatte, wurde die Serie bis zuletzt in Schwarzweiß produziert.) Du verstehst, das rangierte bei mir, das war für mich dasselbe: sturmfreie Bude, irgendwie Krimi, irgendwie eine Leiche. Da hab ich mir beim besten Willen keine Gedanken darüber gemacht, ob da jetzt in echt gestorben wurde. Und dass ich da jetzt emotional mitgefiebert hätte, ob der Mörder oder die Mörderin gefunden wurde, kann ich mich nicht erinnern.

Vielleicht kannst du dir mein Vierteljahr voller Emotionen so vorstellen, wie wenn du ein Vierteljahr ununterbrochen deine Lieblingsfußballmannschaft am Start hast. Ich mein, das verstehst du doch als Sportschau-Gucker und Sofa-Trainer. Als Zuschauer mit der Flasche Bier in der Hand, wenn du dich aufregst, weil du es besser gemacht hättest. Da liegen die Nerven irgendwann mal komplett blank. 

Bei mir ist es dann ja das Aperölchen . Und leider, was jetzt wohl hart war für mich, versetz dich da mal bitte in meine Lage, du Fußballfan! Was wirklich hart war, ich war ja nie wirklich live dabei. Weil, so viel Werbung auf einmal, wie die donnerstags dazwischen schieben, so viel Alkohol kann ich beim besten Willen nicht in mich reinkippen, dass ich das ertrage! Also habe ich erst freitagabends vor dem Fernseher gesessen und die Werbung vorgespult. Wie komm ich drauf? Ach so, die schlimme Zeit danach, die ich jetzt gerade durchmache. Quasi Suchtproblem, die Zeit nach GNTM! Damit du mal einen Eindruck kriegst von der Atmosphäre auf unserem Sofa. Mein Traummann schrie: "Da passt kein Blatt mehr in die Hutschnur!" und ich " in die Spannung rein!" Oder auch: "Die Hoffnung stirbt durch's Nadelöhr." Ich sag nur, alles nur Hilfsausdrücke.


Mittwoch, 25. Mai 2022

Im Trend: Shabby-Sein

 Ab und an gehe ich ehrlicherweise auch mal fremd, sonst halte ich es einfach nicht aus - immer denselben Trott. Gut, was du hast, das hast du, und willst es auch behalten, keine Frage. Aber Abwechslung, egal von welchen Gelüsten wir sprechen, ist für mich das A und O. Quasi Lebensphilosophie. Mal die Eissorte wechseln, statt Stracciatella Haselnuss, mal die Lippenstiftfarbe wechseln, statt Rot Pink, und auch nicht immer dieselben Nudeln essen, statt Spagetti auch einmal Penne! Auch das andere Begehren will gestillt, will befriedigt werden. Und deshalb schaue ich ab und an auch einmal nach rechts und nach links. Schaue, was und wer sich mir da anbietet, ja förmlich aufdrängt. Und dann ziehe ich da auch dran, ja, reiße sogar auf. Manchmal ist es ein klein wenig mühevoll, sich zu entscheiden. Weil, Angebote gibt es viele, die Konkurrenz schläft ja nicht und vieles wird feilgeboten.

Und du kannst es drehen und wenden, wie du willst, selbst wenn das andere nicht besser ist, ist es aber eben neu. Und deshalb schaue ich ab und an nicht nur in mein SCHAUFENSTER, weil da sammelt sich ja doch im Laufe der Zeit noch der ein oder andere Lesestoff in meinem Briefkasten. Deshalb meinte ich ja, dass ich da dran ziehe, dass es manchmal recht mühevoll ist, diese vielen Werbeheftchen aus dem Briefkasten zu fischen, zu ziehen, ja, zu reißen.

Die feine Broschüre "30 Jahre Kunstmuseum Bonn an der Museumsmeile" zum Beispiel. Ein Lesegenuss, allein schon die Titel der Ausstellungen. "Welt in der Schwebe" oder auch "Sound and Silence - Der Klang der Stille in der Gegenwart der Kunst." Und dazu folgende bewegende Worte: Der Klang der Stille wird in ganz unterschiedlicher Weise fassbar: als Monotonie, Wiederholung und Speicher; als Pause oder Überlagerung, als dröhnende Stille oder zerstörter Klang; im Wechselspiel zwischen meditativer Versenkung, erzwungenem Schweigen und stillem Widerstand" - ganz so wie auf meiner Verkehrsinsel!

Oder auch fein, ein kleiner Beitrag aus dem Ideenbuch namens "Selfmade" für Näher*innen: Ausdrucksstarke Individualist*innen. Genderaktivist*innen und Umweltschützer*innen. Politisch, exzentrisch und surreal. Prall gefüllt mit Second-Hand-Funden, abstrakter Folklore, Kunsthandwerk und Designlooks. Selbstgemacht, cooler Kitsch, einzigartig und einmalig. Der Look befreiend, bunt, kreativ. Fehler sind ein ästhetischer Glücksfall. denn Form und Gefühle übertrumpfen die Funktion. Aus der Vergangenheit lernen, um die Zukunft neu zu erfinden, das ist Retro-Cool. Hallo, wie wortgewaltig ist das denn?

Apropos, wo ich gerade beim Look bin. Welcher Look ja wohl auch wieder ganz im Trend liegt, oder eigentlich immer up to date war, ist ja dieser Shabby-Look oder Shabby Chic. Und da meine ich jetzt nicht diesen Einrichtungsstil, diese gekonnte Mischung aus Erbstücken, Flohmarkt-Schnäppchen und Selbstgemachtem. Shabby Chic bedeutet zwar wörtlich übersetzt "schäbiger Schick", in Wahrheit ist dieser Stil aber alles andere als schäbig. Nein, ich spreche von diesem Trend, ganz cool schäbig zu sein. Schäbig, ein Wort, das bei mir total in Vergessenheit geraten war. Was ich zutiefst bedaure! Ich hab auch nochmal extra nachgeschaut, was schäbig denn nun genau bedeutet. Als ich das Wort schäbig eingab, bot mir die Maschine sofort Synonyme zu "schäbiges Verhalten" und "schäbiger Mensch" an. Und genau diese Bedeutungen von schäbig meine ich: arglistig, boshaft, bösartig, böse, fies, garstig, gehässig, gemein, hinterfotzig, hundsgemein, niederträchtig, perfide, ruchlos, schuftig, schurkisch, schädlich, tückisch, verabscheuenswert, verabscheuungswürdig, verwerflich. Verstehst du, warum ich mich so was von ärgere, dass mir das Wort schäbig irgendwann abhanden gekommen ist? Ist das nicht ein feines Wort? Für so viele schlechte Charaktereigenschaften nur ein Wort: effizienter geht’s wirklich nicht.
Was genau sagen solch Zettel "Abgabe nur in Haushaltsmengen" oder "Maximal 3 Stück pro Einkauf" über unsere Gesellschaft, über uns Menschen, über jeden Einzelnen von uns aus? Was zeichnet diese Menschen aus, die, sobald sie hören, dass ein Produkt Mangelware ist, davon mehr kaufen statt weniger? Uns allen ist doch Folgendes klar: Wenn wir alle, wenn jeder Einzelne versuchen würde, mit diesem Gut sparsamer umzugehen, kämen wir alle trotz Mangel wunderbar über die Runden. Wenn alle etwas weniger von einem Mangelgut kaufen, ist für jeden genug da. Was genau sagt es über mich aus, wenn ich vor Monaten, nachdem es bei meinem Lieblingsdiscounter wochenlang kein Mehl gab. Dass ich dann beim Anblick einer riesigen Palette voll mit Mehlpackungen überlege, Mehl zu kaufen - obwohl ich kein Mehl brauche, weder zum Backen noch zu irgendetwas anderem.

Und so stehe ich dieses Mal auf meiner Verkehrsinsel und schäme mich. Schäme mich für all diejenigen, die in diesen Zeiten asoziales Verhalten an den Tag legen. Aber da, Gott sei Dank wieder ein schöner Gedanke: Hinnerk Schönemann in der Rolle als Jürgen Simmel verfolgt einen Verdächtigten per Pedes. Dieses Mal sogar, ohne vorher sein Jackett auszuziehen. Der Täter entkommt ihm. Sein Versagen erklärt mein Hinnerk seiner Kollegin Marie Brand entwaffnend einleuchtend: "Frau Brand, was soll ich sagen? Nicht gefangen, so zerronnen." Das wird er wohl nicht noch einmal machen - mit Jackett die Verfolgung aufnehmen.