Mittwoch, 1. November 2023

Welche Mindestbreite nochmal?


Ich muss es dir jetzt nicht immer wieder verklickern. Merk es dir einfach: Die neuen Themen sind Sparen und neue Einnahmequellen! Und da habe ich gleich mal so was von einen Sack zugemacht: Merzenich. Genau, die Bäckerei. Ich war früher schon gefühlt Stammkundin bei Merzenich, als du in Bonn noch nicht einmal ahntest, dass es Merzenich in Köln gibt. Geschweige denn, dass Merzenich auch in Bonn Filialen eröffnen würde. Da gab es vor gar nicht mal allzu langer Zeit für 1,30 Euro drei Berliner. Hörst du? Drei! Wie oft sind mein Traummann und ich mit dem Rädchen nach Köln geradelt mit dem Ziel Dom und Merzenich am Dom. Gerade zu Corona-Zeiten ein Highlight!

Neulich habe ich mal in deren Filiale am Bonner Hauptbahnhof geschaut, was mittlerweile. Also vorab, drei Berliner für … gibt’s gar nicht mehr. Du kaufst dort heute einen Berliner für 1,35 Euro! Nein, kein Tippfehler. Was für ein Glück, dass ich da jetzt so was von sparen kann, indem ich keine Berliner esse!

Wo ich gerade bei Köln war. Erinnerst du dich noch an die Diskussion über die Benin-Bronzen? Mit einem feierlichen Staatsakt hatte Annalena Baerbock die Benin-Bronzen an Nigeria zurückgegeben. Die Kunstwerke sollten dort in einem von Deutschland mitfinanzierten Museum ausgestellt werden. Nun gab es aber Berichte, dass die zurückgegebenen Benin-Bronzen in Privatbesitz übergegangen sind, anstatt in einem Museum ausgestellt zu werden. Der scheidende nigerianische Staatpräsident Mohammedu Buhari habe das Eigentumsrecht an den Artefakten an den Oba Ewuare II., das aktuelle Oberhaupt der Königsfamilie, übertragen. Der Oba habe nun das Recht, alle Kunstwerke zu besitzen, die 1897 bei einer Strafexpedition von britischen Truppen im Königspalast von Benin geplündert wurden. Und da haben ja jetzt viele gesagt, Menschen, die wie ich keine Ahnung haben, und von Politik sowieso nicht, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, die Bronzen hier in Deutschland, quasi als Leihgabe Nigerias, in einem Museum zu lassen. Damit alle Menschen auf diesem Planeten sich die anschauen können, statt dass sie in einem Privatbesitz verschwinden.

Mensch, eben noch bei Merzenich in Köln und jetzt in Benin. Wie komme ich drauf? Genau, weil neulich las es sich doch folgendermaßen: Hat Sicherheitspanne Millionendiebstahl in Kölner Museum ermöglicht? Im Museum für Ostasiatische Kunst am Aachener Weiher gibt es offenbar seit längerer Zeit ein Sicherheitsproblem. Nach dem Einbruch in das Museum am Mittwoch ist nun bekannt geworden, dass bereits zuvor zweimal Diebe am Museum zu Gange waren. Im Januar dieses Jahres hatten Einbrecher nach WDR-Informationen bereits einige Exponate für den Abtransport bereitgestellt, doch plötzlich lösten sie den Alarm aus und brachen die Aktion ab. Im Juni schlugen Unbekannte die Scheibe eines Fensters am Museum ein. Dieses Fenster wurde laut Polizei nur notdürftig repariert - mit einer Holzplatte. Und durch diese Schwachstellen sind offenbar die Täter in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch eingestiegen, um Beute im siebenstelligen Bereich zu machen. Das Museum ist rund um die Uhr von einem Sicherheitsdienst bewacht. Gegen Mitternacht hatte ein Mitarbeiter eines Wachdienstes laute Geräusche an der Vorderseite des Museums gehört. Der Wachdienstmitarbeiter ist bislang der wichtigste Zeuge. Laut seiner Aussage sind möglicherweise zwei Männer für den Einbruch verantwortlich. Ein markantes Detail: Einer der Männer soll einen Rucksack, wie Lieferdienste ihn benutzen, getragen haben. Nach Informationen von Polizei und Museum sollen die Diebe neun Exponate gestohlen haben. Dabei handelt es sich um Vasen, Teller und Töpfe aus Porzellan. Der Wert liegt nach Angaben des Museums bei einer Million Euro.
Ich mein, verstehst du. Ich hab mir da schon gedacht. Immerhin könnte ich beim König in Nigeria an der Haustür klingeln. Und wenn der seinen guten Tag hat, lässt der mich kurz mal einen Blick auf die Bronzen werfen. Aber wenn die aus einem deutschen Museum geklaut werden, wo soll ich denn da klingeln? Da siehst du mal, wie relativ das mit der Sicherheit ist.

Wo ich neulich bei Parklücken war und jetzt beim Sparen bin. Kürzlich lasen sich in meinem SCHAUFENSTER folgende - und mit denen wurde so was von nicht gespart - Lettern: Platz für Fußgänger - Gerhard-Domagk-Straße verliert Parkplätze. Der nördliche Gehweg auf der Gerhard-Domagk-Straße erhält eine Mindestbreite von 1,50 Metern. Dafür entfällt auf dieser Straßenseite das gekippte Parken (feine Vokabel!) auf dem Gehweg. Auf Beschluss der Bezirksvertretung Bonn stellt die Stadtverwaltung auf der Gerhard-Domagk-Straße eine durchgehende Mindestbreite des nördlichen Gehwegs von 1,50 Metern her (deshalb zwei Sätze mit selbem Inhalt, damit du das auch kapierst). Auf diese Mindestbreite sind insbesondere Menschen mit Kinderwagen oder einem Rollstuhl sowie ältere Menschen mit Gehhilfen angewiesen. Gehwege mit einer Breite unter 1,50 Metern können häufig nicht oder schwer genutzt werden (wieder ein Satzpaar zum besseren Verständnis). Auf der Gerhard-Domagk-Straße kann die Mindestbreite nur auf dem nördlichen Gehweg umgesetzt werden, da auf der südlichen Seite Bäume und Parkplätze in den Gehweg ragen. Aktuell ist der nördliche Gehweg ebenfalls nur eingeschränkt nutzbar, da dort gekipptes Parken erlaubt ist und dadurch die Gehwegbreite häufig unter einem Meter liegt (ich meine, das hätte ich in dem Artikel schon gelesen). Deshalb hebt die Stadtverwaltung das Gehwegparken dort, wie von der Bezirksvertretung beschlossen, auf. Spätestens jetzt wusste ich, dass der Schreiberling eine gute Quelle für feinen Stoff hat und davon auch reichlich Gebrauch macht.

Was ich sagen will, da hat der Schreiberling aber mit keinem Wort gespart, mir die Parksituation in der Gerhard-Domagk-Straße zu schildern. Von welcher Mindestbreite reden wir nochmal? Aber natürlich fahr ich da demnächst mal hin. Du weißt schon, meine neue Einnahmequelle: das Freihalten von Parklücken.

Donnerstag, 12. Oktober 2023

Der Richter und sein Angeklagter

Ich hatte doch tatsächlich vergessen, dir zu zeigen, wie ich da für den älteren Herrn die Parklücke freigehalten habe. Du erinnerst dich, ich hatte dir erzählt, dass mein Göttergatte bald in Ruhestand geht, wie es so schön heißt. Deshalb ist demnächst einerseits Sparen angesagt. Andererseits gilt es aber auch, neue Einnahmequellen zu erschließen.

Was die neuen Einnahmequellen anbelangt, hatte ich mich auf meiner Verkehrsinsel schon ordentlich ins Zeug gelegt. Was mir ja so was von entgegen kam, justamente als ich in der Planungsphase war, als ich mir überlegte, was ich denn gegen Entgelt anbieten könnte, hatte ich gleich zwei Frauen, von denen ich mich inspirieren lassen konnte. Gut, was das Alter anbelangt, liegen da schon ein paar Jährchen dazwischen. Aber zwischen den beiden Frauen auch! Die eine könnte glatt die Mutter der anderen sein. Egal. Beide haben Rhythmus im Blut, eine gute Figur und sind diszipliniert. Das trifft so auch auf mich zu. Okay, altersgemäß habe ich selbstredend ein wenig mehr Bauch. Ich habe dann auch sofort mit dem Training angefangen, weil Übung macht ja bekanntlich die Meisterin. Und da, das muss ich schon eingestehen, sind die beiden mir ein Stück weit voraus. Ich bin ehrlich, neuerdings bin ich mir nicht mehr ganz so sicher, ob ich mir da nicht zu viel zugemutet hatte. Ich hatte mir das so schön vorgestellt: Während die Autos an der roten Ampel stehen, stehe ich auf einer fünfstufigen Haushaltsstehleiter und singe ein Lied. Du liest richtig! Diese Leitern gibt es ja auch mit vier oder drei Stufen. Aber nein, ich bin sofort aufs Ganze gegangen! Ich hatte oben auch noch genügend Platz, meinen alten Kassettenrekorder neben meine Füße zu stellen. Und, welch Glück, die Kassetten aus meiner Jugend, alle noch vorhanden. Weißt du noch, samstags die ZDF-Hitparade und wir haben mit den „Record und Play“-Tasten aufgenommen. Cindy und Bert mit „Spiel noch einmal für mich Habanero“ oder „Wenn die Rosen erblühen in Malaga“. Was selbstredend auch nicht fehlen durfte: „Am Tag, als Conny Cramer starb“ von Juliane Werding. Und, ein absolutes Muss: mein persönlicher Favorit „Er gehört zu mir“ von Marianne Rosenberg. Ich hab das schon damals so als Karaoke mit Mikrophon mitgesungen. Lange Rede, kurzer Sinn, ich weiß nicht, woran es gelegen hat. Ob am Verkehrslärm, dass man mich nicht hören konnte. Oder konnte man mich zu gut hören? Weil das ein oder andere Mal meine ich auch, einen gewissen laut vorgetragenen Unmut gehört zu haben.

Ich habe mich aber nicht unterkriegen lassen und habe es dann mit. Weil, immerhin hatte ich in der Schulzeit ja auch mal Gymnastik. Erinnerst du dich noch? Diese Bänder, die es zu schwingen galt? Und gleichzeitig sich dabei grazil bewegen? Was soll ich sagen. Du kannst dir das Gehupe gar nicht vorstellen, jedes Mal, wenn ich aus Versehen auf die Fahrbahn geriet. Meine Verkehrsinsel ist für solche Aktionen einfach zu klein. Ich hab mich dann doch noch mal auf meine spektakuläre fünfstufige Haushaltsleiter besonnen und versucht, oben stehend mit einem Hulahupreifen zu kreisen: Ich hab heute noch blaue Flecken, nachdem ich heruntergefallen bin. Was allerdings recht gut klappte, war die Performance mit dem Ball: Ich oben auf der Leiter und einfach den Ball in die Luft geworfen und wieder aufgefangen - fast immer. Da gab’s natürlich dann auch Ärger, wenn der Ball auf die Straße rollte.

Alles in allem, Fazit: Ich hätte doch einige Jahre früher anfangen sollen, um damit Geld verdienen zu können. Ach, da fällt mir ein, ich habe ja noch gar nicht erwähnt, von welchen beiden Frauen ich denn spreche. Einmal, klar, du kannst es dir schon denken, von der Helene Fischer. Die hatte ich nämlich kurz vorher in der Lanxess Arena gesehen. Und dann habe ich mich von der Darja Varfolomeev inspirieren lassen. Vor kurzem hat ja in Valencia die WM der Rhythmischen Sportgymnastik stattgefunden. Und da hat sie für Deutschland fünf Goldmedaillen geholt. Das musst du dir unbedingt mal anschauen, das kurze Video. Hier der Link. So was von hin und weg bin ich von der Sportlerin.

Ich sprach ja anfangs auch vom Sparen. Da hat in Berlin ein junger Mann aber so was von Geld gespart. So liest es sich im Internet: Zübeyir C. (21) kommt mit 800 Euro Strafe, zwei Monaten Fahrverbot und einem Verkehrserziehungskurs davon. Ohne Rücksicht auf Verluste: Er bretterte mit 119 Stundenkilometern durch eine Tempo-30-Zone. Doch aus dem Verkehr gezogen wurde der Raser erst 15 Monate später. Die Fahrt wurde angeklagt als Teilnahme an einem illegalen Autorennen. 490 dieser Rennen registrierte die Polizei im letzten Jahr – ein dramatisch hohes Niveau. Einer der PS-Protzer: Zübeyir C. (21). Die Residenzstraße machte der BMW-Fahrer zur Rennpiste. C. kleinlaut vor Gericht: „Ich habe mich hinreißen lassen. Das andere Fahrzeug war auch hoch motorisiert, ich wollte Gas geben.“ Am 27. April 2022 in Reinickendorf. Gegen 21.35 Uhr stand C. an einer Ampel. Ein ihm unbekannter Fahrer daneben. Motoren heulten auf – wortlos die Absprache. Beide rasten los. Die Anklage: „In der Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen und sich gegenseitig zu überholen.“ Ein Wettrennen. Der Richter: „Auf dem Abschnitt waren 30 km/h erlaubt!“ Der Raser: „Ich weiß, ich habe nur nach vorn gesehen, wollte dranbleiben.“ Das Auto habe er kurz zuvor gekauft – „ich wollte es mal ausprobieren, fand es interessant“. Der Richter kopfschüttelnd: „Eine sinnlose Raserei! Sie hatten Glück, dass niemand auf die Straße gelaufen ist.“ C. mit gesenktem Kopf: „Es tut mir sehr leid. Meine Eltern haben mich auch schon zur Rechenschaft gezogen.“ Es gab an jenem Abend Geschwindigkeitskontrollen, weil es in der Residenzstraße immer wieder zu Rasereien kommt. Ein Polizist: „Die beiden Wagen waren so schnell, dass ich sie nicht anhalten konnte.“ Das Gerät aber hielt die Daten fest. Doch der Führerschein wurde nicht einkassiert. C.: „Ich nahm weiter am Straßenverkehr teil, es ist nie was gewesen.“ Der Richter: „Normalerweise müsste sofort der Führerschein beschlagnahmt werden.“

Welchen Stoff in welcher Menge musst du dir einwerfen, um zu solch einem Urteil zu kommen? Anders kann ich mir das Urteil nicht erklären, als dass der Richter nicht an Stoff gespart hat.

Donnerstag, 21. September 2023

Ich hab' ein zweites Sitzbein!

Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass mein Göttergatte demnächst in den Ruhestand hineintritt? Will sagen, dass die Sache mit dem Geld dann doch ein wenig übersichtlicher wird. Deshalb schaue ich mich schon seit Längerem nach zusätzlichen Einnahmequellen um. Klar, da ist zunächst einmal meine Insel. Meine altbekannte Verkehrsinsel, auf der ich ja ohnehin viel Zeit verbringe. Da wird sich sicherlich etwas aufbauen lassen.

Was sich aber zunehmend als recht lukrativ herausstellt, wo ich mittlerweile richtig gut im Geschäft bin. Angefangen hat es mit einem vollkommen aufgelösten älteren Herrn, der auf mich zulief (ich dachte noch, da weißt du auch nicht, wie lange das sein Herz noch mitmacht). Er steuerte direkt auf mich zu, laut keuchend, knallroter Kopf, Hemd halb aus der Hose raus, und baute sich vor mir auf. Ob ich, er wisse, dass sei ein ungewöhnliches, wenn nicht sogar ein unmoralisches Angebot, aber er sehe keine andere Möglichkeit. Anders wisse er sich nicht zu helfen. Nun war ich zu diesem Zeitpunkt völlig tiefenentspannt, saß im Außenbereich einer Pizzeria und hatte schon zwei Cocktails im Hinblick auf ihren Alkoholgehalt getestet.

Normalerweise komme ich nicht dazu, mich durch verschiedene Cocktails zu süffeln, weil eigentlich immer der Mai Tai gesetzt ist. Weil, das kann ich unumwunden sagen, einen gut zubereiteten Mai Tai - und die Menschen um dich herum erscheinen dir nicht nur schöner, sondern vor allem auch amüsanter. Neulich hat mir übrigens jemand gesagt, den Mai Tai gäbe es auch alkoholfrei. Bis zu dem Zeitpunkt wusste ich gar nicht, dass es alkoholfreie Cocktails gibt, geschweige den Mai Tai. Meinen Mai Tai, also den mit Alkohol, gabs aber in besagter Pizzeria nicht. Deshalb andere Cocktails, und sicherheitshalber zwei. Wie gesagt, der ältere Herr baute sich nun vor mir auf und sagte, er habe mich vom Fenster aus, er wohne gleich gegenüber, in der zweiten Etage. Wenn ich mal schauen wolle, dort oben das erste Fenster auf der rechten Seite mit den frisch gewaschenen weißen Gardinen. Jedenfalls, er habe mich von dort oben beobachtet und dabei habe sein Anliegen immer mehr Raum in seinem Kopf eingenommen. Er sei sich bewusst, dass sein Anliegen in gewisser Weise, wisse sich aber nicht anders zu helfen. Sein Begehr sei aus allergrößter Not geboren. So etwas habe er vorher noch nie in Erwägung gezogen. Aber für alles gebe es ja schließlich ein erstes Mal. Es sei ja aber auch von meiner Seite nicht mit allzu großen Kraftanstrengungen verbunden. Den allergrößten Teil müsse er ja erledigen, was ja in seinem Alter, man wisse nie. Ich müsse ja nur ganz ruhig, eigentlich unbeweglich. Genau genommen müsse ich eigentlich nur still, und er würde dann versuchen, so schnell wie möglich, ich wisse schon. Und im Übrigen könne ich ja auch nein sagen. Wobei er hinzufügen wolle, dass er ein Mann sei, der sich nicht lumpen ließe.

Nun ja, was soll ich sagen, nach zwei Cocktails ohne solide Grundlage im Magen war da von meiner Seite aus schon ein gewisses zwirbeliges Gefühl. Nenn es von mir aus auch ein Kribbeln. Auch weil ich während seines Redeschwalls, an seinen Lippen hängend, selbstvergessen - und redend, also selbstredend, weiter getrunken hatte. Und gerade überlegte, ob ich im Angesicht seines Ansinnens noch einen dritten Cocktail ordern sollte. Da ich also schon leicht einen hängen hatte, erschien mir der Mann gar nicht mehr so alt, und vor allem wirkte er so was von sympathisch. Was die Sache zusätzlich erleichterte, was ich als Wink des Schicksals deutete, mit der Pizza würde es sowieso laut Ober noch ein Weilchen dauern. Und wenn wir Glück hatten, der alte Mann und ich, würde es ja auch schneller über die Bühne gehen als angenommen. Auch dachte ich, ich erwähnte es eingangs, an unsere zunehmend geringeren Einnahmen. Und was das Sparen angehen würde, bitte nicht an meinen Cocktails. Da kam mir der Nebenverdienst gerade recht.

Ich willigte also ein. Kaum hatte ich seinem Wunsch entsprochen, drehte er sich auch schon postwendend um und setzte sich schwungvoll in Bewegung. Seine Schritte wirkten geradezu wie die eines Jungspunds. Ja, sichtlich verjüngt, in Vorfreude auf das, was ihn erwarten würde, eilte er von dannen. Was jetzt aber das Blöde war, ich hatte so was von Schwierigkeiten, ich schätze mal, dem Konsum der Cocktails geschuldet, also bis ich mich mal in der Vertikalen hatte. Plötzlich hatte ich das ungute Gefühl, meiner Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Die wirklich nur darin bestand, in Ruhe auszuharren, bis der alte Mann.

Apropos alt und Ruhe bewahren. Ich mein, das hast du ja bestimmt auch schon mitgekriegt. Schon zu meiner Zeit hast du, wenn du in der Altstadt gewohnt hast, ein bestimmtes Knöllchenbudget für falsches Parken eingeplant. Aber immerhin hast du nach einigen Suchrunden einen Parkplatz gefunden. Über die Jahre sind immer mehr Parkplätze in den Innenstädten weggefallen. Erst neulich lasen sich in meinem SCHAUFENSTER die Lettern: Platz für Fußgänger – Gerhard-Domagk-Straße verliert Parkplätze. Und viele von den wenigen Parkplätzen, die es noch gab, sind ja heute zum größten Teil der Außengastronomie gewidmet. Wo war ich? Ach ja, Außengastronomie. Genau, ich saß draußen vor der Pizzeria zur Straßenseite hin zwischen Häuserfront und Bürgersteig. Und neben dem Bürgersteig und zwischen einigen Anpflanzungen auch ein paar wenige Parkbuchten. Und eine dieser Parkbuchten war frei, die hatte der ältere Herr von seinem Fenster aus gesehen. Hatte sich seinen Wohnungsschlüssel geschnappt und war auf mich zugestürzt. Während er nun zu seinem Auto, das er notgedrungen in weiter Entfernung hatte parken müssen, im Laufschritt unterwegs war, stellte ich, nach wie vor ein wenig gefährlich schwankend, zwei Stühle in besagte freie Parklücke. Und zwar so, dass ich auf einem Stuhl saß und auf dem anderen meine Füße bettete.

Ich verdiente 20 Euro und eine Flasche Rotwein. Also, wenn du mich neuerdings in der Altstadt herumlungern siehst, weißt du Bescheid, Schätzelein.

Mittwoch, 30. August 2023

Herr Ring zieht nach

Letztens war ich ja bei Mülltrennung und Philosophie. Jetzt nicht als ein zusammengehöriges Thema, sondern zwei voneinander unabhängige. Wobei ich sagen muss, dass das Thema Mülltrennung schon eine Philosophie für sich ist. Ich hatte ja diesen Zettel an meiner Grünabfälle-Tonne, du weißt schon, auf dem die Gründe aufgelistet waren, warum meine Tonne nicht geleert wurde. Und ich habe da so einen blöden Nachbarn, den ich einfach mal ärgern wollte. Deshalb habe ich dem in der Nacht vor der Leerung in seine grüne Biotonne obenauf eine grellbunte Plastiktüte gelegt. Diese Tonne hat so was von nach Verwesung gestunken. Du konntest glatt denken, der Nachbar hätte da eine Leiche entsorgt. Und die noch zwei weitere Wochen vor seinem Haus, unmittelbar unter seinem Küchenfenster – hätte ich echt spaßig gefunden. Was soll ich sagen, ich am anderen Morgen, schön gemütlich eingerichtet. Will sagen: Fenster auf, Kissen auf die Fensterbank und fein mal rausgelehnt. Und was soll ich dir sagen? Da kommen die von bonnorange, hinten die zwei Mitarbeiter so was von ins Gespräch vertieft und leeren doch tatsächlich die Tonne! Hallo, ich öffnete schon den Mund um „Aber da war doch eine Plastiktüte drin!“ zu brüllen, was ich dann aber aus verständlichen Gründen nicht getan habe. Natürlich machst du dir dann so deine Gedanken, von wegen „Muss ich neuerdings die Müllabfuhr schmieren, damit die mir die Tonne leeren?“.

Wo ich ja letztens auch bei der Philosophie gelandet war. Neulich habe ich den Spielfilm „Glück auf einer Skala von 1 bis 10“ geschaut. Darin folgender Dialog zwischen den beiden Protagonisten:

Igor (mit einer zerebralen Bewegungsstörung): Diogenes hat gesagt, um frei zu sein von dem, was Andere denken, sollte man einen Hering hinter sich herziehen.

Louis: Einen Hering?

Igor: … und so durchs Leben gehen.

Louis: Schon klar.

Igor: Der Vorteil ist, dass ich sowieso schon der Hering bin. Und übrigens, was die Anderen denken, ist mir schon scheiß egal!

Ich finde dieses Bild, dass ich einen Hering hinter mir herziehe, so was von gut. Aber dass Igor noch einen draufsetzt und sich selbst mit seinen Verrenkungen als Hering bezeichnet! Und das geht nicht nur dem Igor so. Mal ein Beispiel: Wenn eine junge Frau eine geblümte Hose und ein Streifen-T-Shirt trägt, dann soll das wohl so. Dann hat sie das bewusst kombiniert: Mustermix. Wenn ich in meinem Alter so rumlaufe, na ja, im günstigsten Fall: einfach nur schon recht schlechte Augen. Im schlechteren Fall: schon recht verwirrt. Da bin ich eben auch schnell mal der Hering.

Apropos alte Frau: Hatte ich schon erwähnt, dass ich ein absoluter Fan von Anja Reschke bin? Und ganz im Speziellen von ihrer Sendung „Reschke-Fernsehen“? Unbedingt anschauen! Da ging es neulich um das Thema Gendermedizin. Wenn du im Internet danach suchst, findest du recht viel zu diesem Thema: Gendermedizin oder korrekter geschlechtersensible Medizin bezeichnet eine Ausübung von Humanmedizin unter besonderer Beachtung der Unterschiede der Geschlechter. Die Gendermedizin konzentriert sich auf die geschlechtsspezifische Erforschung und Behandlung von Krankheiten. Herzinfarkte sind nur ein Beispiel von vielen, bei denen Frauen medizinisch benachteiligt sind, weil die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau oftmals ignoriert werden. Herzinfarkte zählen zu den häufigsten Todesgründen. Ein stechender Brustschmerz, der bis in den linken Arm wandert - bei diesem Symptom denken Ärzte sofort an einen Herzinfarkt. Je schneller gehandelt wird, desto höher die Überlebenschancen. Tatsächlich tritt dieses "typische" Symptom hauptsächlich bei Männern auf. Bei vielen Frauen kündigen sich Herzinfarkte mit harmlos erscheinenden Symptomen an: Ihnen wird übel, sie erbrechen oder klagen über Rückenschmerzen. Die Folge: Sie kommen im Schnitt eine Stunde später die Notaufnahme - wo jede Minute zählt. Wahnsinn, oder?

Noch ein anderes Beispiel: Im medizinischen Alltag hat sich das Wissen um die geschlechtsspezifischen Unterschiede oft noch nicht durchgesetzt. Viele Untersuchungen zeigen, dass Männer und Frauen oft sehr ähnlich therapiert werden. Medizinisch kann es dann kritisch werden, wenn Ärzte ihren Patientinnen dieselben Medikamente und dieselbe Dosis verschreiben wie ihren männlichen Patienten. Und woran liegt das? Das liegt daran, dass es bis in die 1990er Jahre üblich war, dass nur Männer Tabletten und andere Medikamente getestet haben. Mittlerweile werden Frauen zwar in Studien eingebunden, allerdings nicht in dem Maß, wie es sinnvoll wäre. Die Unterschiede zwischen Mann und Frau führen dazu, dass einige Medikamente und selbe Dosierungen bei Frauen anders wirken als bei Männern. Der unterschiedliche Hormonhaushalt und Stoffwechsel kann beispielsweise dazu führen, dass Medikamente langsamer abgebaut werden. So hat etwa eine Studie zu einem Beruhigungs- und Schlafmittel in den USA gezeigt, dass Frauen wegen des Medikaments sogar kürzer lebten als Männer. Daraufhin bekamen Frauen das Mittel nur noch mit der halben Dosis verschrieben.

Ich erzähl dir jetzt nicht die ganze Sendung. Wie gesagt, schau dir unbedingt „Reschke-Fernsehen“ an! Was für mich so was von aberwitzig ist, dass dieses wichtige Thema zur Zeit nur an zwei Universitäten in Deutschland gelehrt wird: in Berlin an der Charité und - an der Universität Bielefeld. Und wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es an der Uni Bielefeld die bundesweit erste Professur für geschlechtersensible Medizin. Von wegen, Bielefeld gibt es überhaupt nicht. Wenn die Menschen, die sich so was von akribisch mit dem Thema Gendersternchen befassen. Wenn das doch dieselben wären, die darauf Einfluss nehmen könnten, dass Gendermedizin an jeder Universität gelehrt wird. Mensch, da wären wir in dieser Hinsicht aber mal so was von auf Platz Eins. Und das mal bei einem wirklich wichtigen, was sag ich, lebenswichtigen Thema! 

Mittwoch, 9. August 2023

Der Mord ist fort

Ich sprach ja neulich ausgiebigst von Mülltrennung nach einem Kindergeburtstag. Ich vergaß in dem Zusammenhang zu erwähnen, dass ich kürzlich an meiner Tonne einen orangen Zettel vorfand, auf dem stand, warum meine Tonne nicht geleert worden war. Genau genommen klebten zwei orangene Zettel an der Tonne. Der eine Zettel verwies auf eine Internetseite, wo ich noch mal genau nachlesen kann, was wo reinkommt. Auf dem anderen Zettel (übrigens, so was von grell orange, quasi neon!) stand: Ihre Wertstofftonne konnte nicht entleert werden. Und dann wie beim Multiple-Choice-Verfahren drei Kreise zum Ankreuzen: ○ da der Deckel aufgrund Überfüllung nicht geschlossen war, ○ die Abfälle eingepresst waren, ○ die Tonne falsch befüllt war. Was bin ich so was von froh, dachte ich, dass die Mitarbeiter von bonnorange offensichtlich so viel Zeit haben, sich jede Mülltonne genau anzusehen. Wobei die das dann zeitlich wieder reinholen, wenn sie viele Tonnen nicht leeren. Dass die Kernkompetenz der Müllabfuhr jetzt nicht mehr nur darin besteht, den Müll abzuholen, sondern zusätzlich pädagogisch auf mich einzuwirken.

Aber seit ich nun diesen orangen Zettel studiert habe, bin ich selbstredend nur noch mit Mülltrennung beschäftigt. Gerade mit den Grünabfällen, da habe ich zwischenzeitlich in Erwägung gezogen, jemanden einzustellen, der sich nur um diese Tonne kümmert. Weil einerseits dürfen die Gartenabfälle nicht zu gepresst sein, andererseits muss der Deckel aber schließen. Aber ich bin natürlich so was von stolz, dass ich aktiv dabei sein kann, Deutschland auf Platz Nummer Eins der Mülltrennung zu katapultieren. Ja, das macht mich ein Stück weit stolz! Wo wir ja auch ganz vorne mitmischen: im Wörter-Verbieten. So was von toll, dass wir so viele kompetente Menschen haben, die sich anmaßen, darüber zu entscheiden, welche Wörter nicht mehr benutzt werden dürfen. Wenn ich nicht so unglaublich beschäftigt mit der Mülltrennung wäre, hätte ich mich schon längst mit den entsprechenden Gremien in Verbindung gesetzt. Weil, es gibt da ein Wort, das ich in der deutschen Sprache nicht mehr haben möchte.

Und zwar das Nomen Selbstmord. Es kriminalisiert die Selbsttötenden in einer unhaltbaren Art und Weise. Im Internet heißt es auf die Frage „Was ist der Unterschied zwischen einem Tötungsdelikt und Mord?“: Der Mord sowie der Totschlag basieren beide auf der vorsätzlichen Tötung. Währenddessen der Totschlag durch eine seelische Belastung oder eine heftige Gemütsbewegung ausgelöst wird, zeigt sich der Mord in einer besonderen Skrupellosigkeit bei der Ausführung, den Beweggründen oder dem Zweck. Und § 211 STGB macht klar, dass Mord eine besonders schwere Form der Tötung ist. Woher, bitteschön, kommt diese zutiefst menschenunwürdige Kriminalisierung des Sich-selbst-das-Leben-Nehmens? Weil das Strafgesetzbuch aus einer Zeit stammt, als die christliche Kirche einen viel zu großen Einfluss auf das alltägliche Leben hatte. Sich anmaßte, das Sich-selbst-das-Leben-Nehmen als Mord zu bezeichnen? Weil das Strafgesetzbuch aus einer Zeit stammt, als „Selbstmörder“ nicht auf einem Friedhof beerdigt werden durften? Egal. Aber feststeht: Das Wort Selbstmord hat heutzutage in unserem Sprachgebrauch nichts aber auch gar nichts mehr zu suchen!

Wo ich gerade bei bonnorange und Morden bin. Letztens sind mein Traummann und ich in der Provence geradelt. Und da haben wir auch in Orange übernachtet. Ich hatte es schon wieder vergessen, aber als ich das Bett im Zimmer … Ich weiß beim besten Willen nicht, wie die Franzosen das machen. Vielleicht ist das der Grund, warum alle Schüler in Frankreich ein Jahr das Fach Philosophie belegen müssen. Weil, anders kann ich mir das nicht erklären. Dieses Jahr lautete übrigens das Prüfungsthema in Philosophie: Le bonheur, est-il une affaire de raison? Was so viel heißt: „Ist Glück eine Frage der Vernunft?“ So besagt der Kerngedanke der stoischen Ethik, dass sich Glück, entgegen der allgemeinen Auffassung, nicht nach den äußeren Dingen bestimmt, sondern nach der inneren Einstellung des Menschen und nach seiner Fähigkeit zu vernunftgemäßen Handeln.

Was wollte ich eigentlich sagen? Ach, ja, auf der anderen Seite habe ich aber von jemandem gehört, der private Kontakte zu vielen Franzosen pflegt, dass die mittlerweile in ihren Schlafzimmern, sprich Betten, von solchen Folterungen absehen.

Also ich bin ehrlich, wenn ich so jede Nacht, weil ich ja eben beim Töten war, ich glaube, ich wäre schon längst Witwe, nur um genügend Platz zum Schlafen zu haben (das wäre dann allerdings Mord). Ich weiß nicht, warum die Franzosen ihren Touristen solche Schlafqualen zumuten. Die eine Sache ist ja die, dass du dir eine viel zu schmale Matratze teilst. Wenn du Pech hast, eine nicht mehr ganz neue. Entweder, die hat in der Mitte eine Kuhle, dann knubbelst du dich in dem ohnehin viel zu schmalen Bett zu zweit in der Mitte. Wobei es mir schwerfällt, von einer Mitte zu sprechen, weil der Begriff Mitte nahe legt, dass es ein Drumherum gibt. Oder aber, die Matratze gibt genau da nach, wo sich der schwere Mensch, also mein Mann, bewegt, und ich rolle noch zusätzlich auf seine ohnehin schmale Hälfte. Was soll ich sagen, nach der Nacht in Orange habe ich meinen Traummann sofort auf Diät gesetzt und selbst den ein oder anderen Aperol mehr getrunken, damit wir zwei uns so schnell wie möglich gewichtsmäßig, so weit das möglich ist, annähern.

Was aber die andere Sache ist, das ist die Sache mit der Bettdecke. Betonung auf der. Es gibt nämlich nur eine. Vermutlich der Tatsache geschuldet, dass zwei Bettdecken den ohnehin geringen Platz noch mehr einschränken würden. Es gibt jedenfalls nur eine. Und die ist am Fußende links und rechts so was von fest unter der Matratze fixiert. Ich war jetzt im Zwiespalt. Entweder ich belasse es bei der Fixierung, habe aber das Gefühl, dass meine Beine bandagiert sind. Oder aber ich lockere auf meiner Seite das Laken, riskiere aber, dass mein Traummann sich meine Lakenhälfte auch noch unter den Nagel, sprich Körper, reißt. Ich muss nicht erzählen, wie ich mich über meine Schlafstatt zuhause gefreut habe – und über die absolut traumhafte Figur meines Mannes.

Dienstag, 18. Juli 2023

Kindergeburtstage – besser trennen?


Da siehst du wieder, wie alt ich bin. Ich hatte immer Horror vor Kindergeburtstagen, aus vielerlei Gründen. Ich habe sogar mal den Satz formuliert, man solle seinen Kinderwunsch daran festmachen, wie viele Kindergeburtstage man im Jahr durchstehen will. Was für mich immer ganz schlimm war: Der Geburtstag ist vorbei, die GastkinderInnen werden von ihren Eltern abgeholt, zumindest ist das der Plan. Aber statt dass die sich einfach ihre Brut schnappen und abziehen, kommen die zur Tür rein und setzen sich fest. Wildfremde Menschen, mit denen ich nichts zu tun habe, manchmal auch tatsächlich nichts zu tun haben will, sitzen auf meinem Sofa, lassen sich am Ende noch bedienen und kriegen den Arsch nicht hoch. Die total tiefenentspannt, ich total fertig mit den Nerven. Da hast du es heutzutage eindeutig besser.

Ich sag nur Überschrift in meinem SCHAUFENSTER: Richtige Müllentsorgung ist kein Kindergeburtstag. Nach der Geburtstagsparty heißt es aufräumen und die Reste entsorgen. Die allermeisten Eltern haben das Dilemma schon selbst erlebt: Die Party war klasse, das Geburtstagskind ist glücklich, die Wohnung wirkt verwüstet: Zerrissenes Geschenkpapier, schlappe Luftballons, leere Schokokussverpackungen. Auch nach der tollsten Kindergeburtstagsparty muss aufgeräumt werden. Doch wohin mit Geschenkverpackungen, leeren Chipstüten und kaputter Deko? Wie Sie Abfälle richtig entsorgen, erfahren Sie hier. Gut erhaltene Kartons oder Geschenkpapier können Sie aufbewahren und damit wieder Geschenke verpacken. (Ist das nicht wieder mal ein ganz toller Tipp? Ein ganz neuer Ansatz, epochal!) Zerrissenes Papier, nicht mehr brauchbare Pappkartons und Schachteln kommen in die Altpapiertonne. Allerdings müssen vorher Glitzersterne, Schleifen oder anderer Schmuck entfernt werden. Denn die gehören nicht ins Altpapier. Vorsicht: Geschenkpapier mit Kunststoffbeschichtung gehört in den Restmüll. Folien und schützende Innenverpackungen wie Boxen, Luftpolsterfolien, Blister und Trays aus Kunststoff gehören in die Gelbe Tonne oder in den Gelben Sack. Gebrauchte Mottodekoration aus Papier und Pappe, wie schlappe Girlanden, Luftschlangen, kaputte Prinzessinnenkrönchen oder Batman-Masken, kommen ins Altpapier. (Ist das denn überhaupt noch in irgendeiner Weise vertretbar - ein Prinzessinnenkrönchen? Mal ganz davon abgesehen, dass es hier so rüberkommt, als ob nur Mädchen. Also kleine Menschen, von denen wir früher als Mädchen gesprochen haben, also … Zumindest sollte es PrinzessInnenkrönchen heißen. Und, handelt es sich bei einer Krone nicht um eine Aneignung einer gesellschaftlichen Position?) Auch hier gilt: Alles, was nicht aus Papier oder Pappe besteht, muss vorher entfernt werden. Ist die Dekoration mit einer Glitzeroberfläche beschichtet, gehört sie in den Restmüll. Zerplatzte Luftballons dürfen nicht in die Gelbe Tonne oder in den Gelben Sack entsorgt werden, denn sie sind keine Verpackung. Sie gehören in die Restmülltonne. (Das war für mich jetzt zum Beispiel vollkommen neu, dass zerplatzte Luftballons keine Verpackung sind. Ich habe immer wieder mal versucht, ein Buch in einen zerplatzten Luftballon zu stopfen, es hat nie geklappt. Jetzt weiß ich auch, warum!) Beschichtete Kartonverpackungen von Schokoküssen dürfen in die Gelbe Tonne oder in den Gelben Sack. (Wo ich da gerade Schokoküsse lese. Das kann ich auch keinem Menschen irgendwie begreiflich machen, wie ich mich jetzt im Nachhinein so was von schlecht fühle, dass ich Jahrzehnte vollkommen unreflektiert Negerküsse gesagt habe. Und wo ich gerade bei dem N-Wort bin: Aus dem Negerkönig von der Astrid Lindgren ist ja nun der Südseekönig geworden.

Jetzt habe ich neulich noch einmal „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry zur Hand genommen. Und da liest es sich im Kapitel XVI wie folgt: Der siebente Planet war also die Erde. Die Erde ist nicht irgendein Planet! Man zählte da hundertelf Könige, wenn man, wohlgemerkt, die Negerkönige nicht vergisst … Ich habe eine uralte Ausgabe aus dem Jahr 1958. Deshalb bin ich dann mal in einen Buchladen gegangen und habe in neue Auflagen geschaut. Und habe doch tatsächlich noch die Negerkönige gefunden - und mich so was von gefreut. Ich hoffe, dass diese Könige denen durchgegangen sind, die sich mit welcher Begründung auch immer anmaßen, Weltliteratur umzuschreiben, „Zeitzeugen“ nachträglich zu manipulieren.) Gebrauchte, aber nicht verschmutzte Tortenkartons, Keksverpackungen aus Papier oder Papiertüten von der Bäckerei gehören ins Altpapier. Allerdings: Zerknüllte Papierservietten, gebrauchte Pappteller und -becher oder Tischtücher aus Papier gehören in den Restmüll. (Auch da wieder, letztens hatte ich in eine Serviette ein halbes Schwein erbrochen. Und natürlich die Papierserviette samt Schwein ins Altpapier geschmissen.) Verpackungen müssen ohne Reste in die Gelbe Tonne oder den Gelben Sack gesteckt werden. Lebensmittelreste erschweren die Sortierung erheblich und können das Recycling verhindern. Allerdings: Ausspülen ist nicht nötig. (Und auch da bin ich so was von froh, dass die mich vom SCHAUFENSTER noch mal daran erinnern, dass ich da nicht immer literweise Trinkwasser verbrauche.) Platz sparen in der Gelben Tonne: Verpackungen nicht stapeln. Besser Kartons flachdrücken und dann in die Gelbe Tonne oder den Gelben Sack entsorgen. (Auch toll, der Tipp, oder? Ich meine aber, sie hätten auch darauf hinweisen müssen, dass man Jogurtbecher ineinander und nicht nebeneinander in der Tonne anordnet.)

Was ich sagen will: Heute kannst du nach einem Kindergeburtstag einfach sagen: Uns liegt das Klima sehr am Herzen. Wir nehmen Mülltrennung so was von ernst. Mülltrennung und aber auch Gendern sind für uns so was von essentiell. Also bitte, wir müssen jetzt Glitzersterne abpiddeln, bevor wir das Geschenkpapier ins Altpapier schmeißen.

Warum werde ich den Verdacht nicht los, dass jetzt gerade, wo ich mit eigens dafür gekauften  Schuhen aus Recyclingstoff in meiner Gelben Tonne stehe, um noch einmal genau nachzuprüfen, ob ich auch alles richtig entsorgt habe. Warum werde ich den Verdacht nicht los, dass gerade die Menschen, an die sich der Artikel über Mülltrennung richtet, dass die den erst gar nicht lesen und weiter alles auf der Straße im Gehen unter sich fallen lassen?

Mittwoch, 21. Juni 2023

Das ist der Heiner

Er schüttelte die Flasche diesmal nicht, sondern schwenkte sie nur sachte wie ein Cognacglas, vielleicht weil ihm der Inhalt diesmal kostbarer erschien. Der Duft war himmlisch gut, dass ihm schlagartig das Wasser in die Augen trat. (Das Parfüm war herrlich.) Er zog den Rest des Duftes auf zwei Fläschchen, die er mit Etiketts versah, darauf schrieb er den Namen „Nuit Napolitaine“. (famos, dieser Roman!)

Was war ich froh, das Einladungskärtchen in Händen zu halten. Ich trug es so offensichtlich vor mir her, damit auch jeder sehen konnte, sie darf hier sein, sie ist willkommen. Wenn ich es mir aussuchen dürfte, ich würde einmal in der Woche durch diese Location schlendern. Und am allerliebsten so wie neulich: von hinten, beginnend am Eingang in der Friedrichstraße, durch den Torweg mit seinen stylischen Leuchtstäben. Innen alles sehr modern, klare Formen. Dann einige Stufen hinauf und ich stehe im Biedermeier oder Barock? Egal. Links und rechts dieses antike Mobiliar, die barocken Schränke. Ich kann mich nicht sattsehen: die Glasvitrinen, in denen sich eine Unzahl von Flakons präsentiert. Und das ist ja nur der Augenschmaus. Viel wichtiger noch der Rausch für die Nase. Diese unzähligen Düfte, die sich da vermischen, aber auch für sich allein wahrgenommen werden wollen. Der Haken an der Sache ist, ich kaufe dort nichts. Ich will nur gucken, nur staunen, riechen und nach oben schauen, hinauf zum Glasdach. Was war ich also froh über die Einladung der Parfümerie Becker in meinem Briefkasten.

Hier nun, am allerstinkendsten Ort des gesamten Königreiches wurde er geboren. Die Hitze quetschte den nach einer Mischung aus fauligen Melonen und verbranntem Horn riechenden Verwesungsbrodem in die benachbarten Gassen. Die Fische, angeblich erst am Morgen aus der Seine gefischt, stanken bereits so sehr, dass ihr Geruch den Leichengeruch überdeckte… Es war ihre fünfte Geburt. Alle vorhergehenden hatte sie hier an der Fischbude absolviert, und alle waren Totgeburten oder Halbtotgeburten gewesen, denn das blutige Fleisch, das da herauskam, unterschied sich nicht viel von dem Fischgekröse, das da schon lag, und lebte auch nicht viel mehr, und abends wurde alles mitsammen weggeschaufelt. (begnadet, dieser Süsskind!)

Du siehst, ich war auf alles gefasst. Seit vielen Jahrzehnten fahre ich an ihr vorbei, die Tore immer verschlossen. Nicht, dass es mich etwa gedrängt hätte, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Aber dann auch hier die Einladung - von Heiner. Keine Frage, dass ich da hingehe. So stand es in der Ankündigung: Wer wissen möchte, wie aus verschmutzter Brühe wieder sauberes Wasser wird, ist genau richtig beim Tag der offenen Tür in der Kläranlage Bonn. Die Stadt Bonn öffnet die Pforten ihrer größten von vier Kläranlagen am Salierweg. - Ich habe ja immer die rasenbepflanzten ich sag mal Pyramiden gesehen: So imposant wie die aussehen, so stinkt’s darinnen. Das sind die Faultürme: Dem Schlamm aus dem Klärprozess wird mit verschiedenen Techniken Wasser zur Volumenreduzierung entzogen, bevor er für 30 Tage bei 37 Grad in den Faulbehältern verschwindet. Möchte ich nicht dran riechen!

Wo ich gerade bei Gestank bin. So ein Besuch in der Kläranlage ist ja, was das eigene Blähverhalten anbelangt, eine tiefenentspannte Sache. Anders vor Jahren bei Staples, dem Laden für Büroartikel (gibt’s auch nicht mehr): Ich frage einen Verkäufer nach … egal. Wir beide stehen mitten auf der Verkaufsfläche, um uns herum nichts, keiner, kein Lebewesen, auf das ich es hätte schieben können. Ich lasse einen fahren. Sagt man doch so, oder? Ich schau grad mal: Ich habe noch furzen, pupsen, flatulieren und blähen gefunden. Das ist ja das eine: Ist der laut oder leise, der Furz? Das andere aber ist: Stinkt er oder stinkt er nicht? Und wenn er stinkt, was soll ich sagen. Mein Furz hat so infernalisch gestunken. Noch heute bewundere ich den jungen Verkäufer, der keine Miene verzog, und das Verkaufsgespräch eher noch in die Länge gezogen hat. So jedenfalls meine subjektive Einschätzung. Vielleicht, im Nachhinein, hat er sich auch einen Spaß daraus gemacht, mir nicht die Möglichkeit der Flucht zu geben.

Was ich aber eigentlich sagen möchte, wenn du in einer Kläranlage bist, vollkommen tiefenentspannt. Da kannst du einfach mal pupsen, ohne Angst zu haben, dass mit dem Finger auf dich gezeigt wird. Stell dir jetzt das mal im schmalen Gang in der Parfümerie Becker vor! Gut, wenn du Glück hast, kannst du die Flucht nach vorne antreten und ganz laut „Oh, hier stinkt’s aber“ rufen, damit klar ist, dass du es nicht warst. Diese Möglichkeit hatte ich bei Staples nicht.

Wo ich gerade dabei bin. Neulich wurde ja in London gekrönt und da hatte ich wieder denselben Gedanken, den ich immer habe, wenn ich am Fernseher die Hochzeiten der Adeligen verfolge. Weil, das ist ja schon auch eine Herausforderung, du musst ja als Gast, egal wie bedeutsam du bist, schon recht früh in der Kirche antanzen und deinen Platz einnehmen. Bis es dann endlich mal losgeht, das zieht sich. Und so eine Trauung zieht sich auch. Und am Ende, bis du da mal raus bist. Was machst du eigentlich, wenn du da mal aufs Klo musst? Was ja für den Charles recht praktisch war. Ich weiß, es geht bei der Salbung um etwas Höheres, Göttliches, wo der normal sterbliche Mensch nicht zugucken soll. Aber trotzdem, praktisch war es schon für den Charles. Weil in dem Alter, ich sage nur Prostata. Also ich kenne ganz viele alte Männer in meinem Umfeld, die gucken sich einen Spielfilm mindestens zweimal an, um den in Gänze gesehen zu haben. Da wurden doch dann um ihn, den Charles, herum diese Stellwände aufgestellt, und er soll für diese Prozedur nur ein Leibchen angehabt haben. Ich meine, da hätte er auch gleichzeitig …

Ach ja, ich vergaß, der Heiner, das Maskottchen der Kläranlage. Am Tag der offenen Tür habe ich den als Schlüsselanhänger mitnehmen dürfen. Es soll ein Geißeltierchen darstellen, das für die Klärung wichtig ist – das nur zur Er-Klärung. Was mich aber jetzt noch umtreibt, den habe ich doch tatsächlich nicht im Internet gefunden, den Heiner. Gibt es denn so was? Dass es etwas im Internet nicht gibt?