Donnerstag, 7. März 2024

Was heißt hier Nachtrag? Und A555 wird Fahrradstraße


Ja, ich weiß, mit einem Nachtrag kann ich nicht anfangen. Nachtrag bedeutet Ergänzung, Zusatz am Schluss einer schriftlichen Arbeit. Sonst hieße es ja Vortrag. Weiß ich ja selbst. Oder selber ? Ich hab mal nachgeschaut: Da die beiden Wörter "selber" und "selbst" gleichbedeutend sind, kann man beide Wörter verwenden. Jedoch gehört "selbst" der Standardsprache an und "selber" eher der Umgangs- bzw. Alltagssprache. In einem Gespräch ist "selber" so gut wie "selbst", beim Schreiben ist "selbst" die bessere Wahl. Was ich dir eigentlich sagen will, sieh es doch einfach als Nachtrag zu meinen vorigen Sermonen.

So hatte ich dir ja letztens erzählt, dass die Adenauerallee zu Zeiten, als Bonn Bundeshauptstadt war, Diplomatenrennbahn genannt wurde. Was ich nicht wusste, die Bundesautobahn 555 von Bonn nach Köln nannte man auch so. Und da bin ich jetzt so ans Sinnieren gekommen: Wenn da bei der Bezirksregierung Köln jetzt jemand so ganz gut drauf ist, also einen Clown gefressen hat, dass der meinen Bonner Entscheidungsträgern vorschlagen könnte, die gesamte A 555 zwischen Köln und Bonn zur autofreien Zone zu erklären, sprich zur Fahrradstraße. Einfach nur mal als Idee. Apropos, so das Internet: Weil es zur Zeit der Bonner Republik auf der A 555 keine Geschwindigkeitsbegrenzungen gab, konnten Regierungsbeamte, die in Köln wohnten, mit hohen Geschwindigkeiten zur Arbeit in die damalige Bundeshauptstadt Bonn gelangen. Zudem sollen ausländische Diplomaten und Staatsbesucher bei ihren Aufenthalten in der damaligen Hauptstadt Bonn mit ihren Limousinen den Weg nach Köln und zurück mit Höchstgeschwindigkeit zurückgelegt haben. Begünstigt wurde die Entstehung dieses Spitznamens durch die hohen Motorleistungen der Regierungsfahrzeuge und den geringen Lkw-Anteil auf der Städteverbindung.

Und da hättest du geschmeidig mal die Möglichkeit gehabt zum. Ah, du erinnerst dich nicht mehr. Fragst dich, wo die Geschichte hingehen soll. Ich hatte mich mal darüber ausgelassen, dass ich das Nomen Selbstmord nicht mehr im deutschen Sprachgebrauch haben möchte. Und kurz danach las ich im Zusammenhang mit Van Gogh das Wort Freitod. Was für ein schönes Wort, kann ich da nur sagen. Wie komm ich drauf? Ach ja, wegen der Autobahn 555: Hohe Motorleistung und keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Also wenn das damals kein Angebot war!

Ja, und wo ich ja erst letztens bei der Kunst im öffentlichen Raum war, wollte ich jetzt doch noch mal auf die Kunst an der Autobahn aufmerksam machen. Dort installierte der Künstler Lutz Fritsch am 12. und 13. September 2008 an den Endpunkten der Autobahn jeweils eine 50 Meter hohe rote Stahl-Stele, um Bonn und Köln in einen künstlerischen Dialog zu bringen. Hört sich gut an, oder? Also ich als Kölner Entscheidungsträger würde den Bonner Entscheidungsträgern ganz ernsthaft die Sache mit der Autobahn 555 als Fahrradstraße verkaufen, quasi als ein Zeichen setzendes Kunst- und Klimaprojekt. Ich glaub, die Bonner Verantwortlichen würden das glatt machen.

Wo ich gerade mit Bonn und Köln zugange bin. Also das können die Kölner ja. Ich vermute, es hat damit zu tun, dass der Kölner das schon mit der Muttermilch aufsaugt: Erst wartet er stundenlang in der gefühlt elften Reihe auf den Rosenmontagszug und dann begrüßt er jede einzelne Tanzgruppe, jeden Mottowagen mit einem donnernden Alaaf. So lange bis am Ende der Prinz kütt. Wobei mir da einfällt, dass man heutzutage gar nicht mehr von Muttermilch sprechen darf. Schau, so liest es sich: Statt Muttermilch („Breastmilk“) sind Hebammen und Ärzte demnach gemäß neu eingeführter Sprachpolitik dazu angehalten, zukünftig auch „Milch vom Menschen” („Human Milk“) oder „Milch vom stillenden Elternteil“ zu sagen. Ich sag da mal jetzt nichts zu. Ich lass das einfach mal auf dich wirken. Also was die Kölner da auf die Beine gestellt haben, als es darum ging, gegen die AFD, gegen Rassismus, zu demonstrieren!

Wobei wir Bonner uns ja auch nicht verstecken müssen, was die Beteiligung anging. Was mir nur da so durch den Kopf ging, während ich da so stand und hörtechnisch nichts von den Reden mitbekommen habe. Wobei ich noch recht günstig stand. Schon im Vorfeld hatte ich mir die Frage gestellt, warum die Wahl auf den doch recht kleinen Marktplatz für diese Demonstration gefallen war. Ich stellte mir auch die zum Marktplatz führenden doch recht engen Zugangsstraßen vor. Später habe ich gehört, dass viele Menschen tatsächlich in den verstopften Nebenstraßen hängen geblieben sind und nichts, aber auch gar nichts von den Rednern mitbekommen haben. Der Münsterplatz ist doch um einiges größer (ist der nicht fast doppelt so groß?). Dann eine richtige Bühne mit einer perfekt ausgesteuerten Beschallungsanlage, damit möglichst alle Menschen den Reden folgen können. Ich habe mir sagen lassen, es gibt Veranstaltungstechniker, die so etwas können. Ich hörte dann oft, dass man sicherlich nicht mit so einer regen Beteiligung gerechnet hätte. Ich verstehe dieses Argument nicht. Was genau wäre im worst Case so schlimm gewesen, wenn sich auf dem Münsterplatz eventuell nicht ganz so viele Menschen eingefunden hätten wie erwartet?

Und, was der Marktplatz zu klein war, war das Programm zu lang. Nach 60 Minuten muss der Drops gelutscht sein, muss der letzte Redner durch die Tür sein. Ich mein, das muss man ja auch mal sagen. Erstmal musst du ja da hinkommen. Entweder stehst du erst an der Haltestelle und dann in der Bahn oder du gehst zu Fuß. Da geht ja mal ganz schnell ein halbes Stündchen ins Land. Dann reihst du dich in den Strom ein (um nichts zu hören) und stehst dicht gedrängt. Und danach dasselbe nur umgekehrt. Und wenn du dir mal angeschaut hast, wer da alles demonstriert hat. Ja, hallo, auch viele alte Männer! Und was fällt dir zu einem so langen Zeitraum spontan ein? Richtig, Prostata. 

Mittwoch, 14. Februar 2024

Die Bertha und der Adenauer


Neulich war ich doch beim Thema Entscheidungsträger in Bonn, bei der Kunstkommission. Und da fiel mir im Zusammenhang mit Entscheidungsträgern in Bonn folgender Artikel in meinem SCHAUFENSTER in die Hände: Grünes Licht für den Verkehrsversuch – weniger Platz für Autos auf der Adenauerallee. Der ab Februar geplante Modellversuch in Sachen Verkehrsführung auf der Adenauerallee (B9) kann starten. Die Bezirksregierung Köln hat nach Angaben der Stadt die Planungen der Stadt für die Umgestaltung unfassend geprüft und hat keine Beanstandungen. Damit bestätige die Bezirksregierung die Analyse der Stadt Bonn, betonen die Verantwortlichen im Stadthaus. So biete der heutige Fahrradschutzstreifen keine Sicherheitsabstände zu parkenden Autos und in großen Teilen keine ausreichenden Abstände zum fließenden Verkehr, die für ein sicheres Überholen notwendig wären. Die Pläne für die Umgestaltung der Adenauerallee auf Basis der aktuell geltenden Regelwerke sehen vor, eine der bisher zwei Kfz-Spuren je Fahrtrichtung in eine eigene Radspur umzuwandeln. Die Bezirksregierung Köln habe diese Planung sowohl verkehrsrechtlich als auch auf verkehrliche Belange geprüft und bestätigt, dass die Umgestaltung von der Stadt korrekt geplant wurde. Laut Bezirksregierung seien die Pläne nicht zu beanstanden (das habe ich jetzt verstanden, dass nichts, aber auch gar nichts zu beanstanden ist!). Diese Neuaufteilung testet die Stadt in einem Verkehrsversuch zwischen Februar und April 2024. Je nach Ergebnis des Versuchs nimmt die Stadt anschließend Verbesserungen an der Planung vor, beispielsweise an Kreuzungen oder bei der Ausweisung von Park- oder Ladeflächen. Die Stadt Bonn begleitet den Versuch mit Informations- und Dialogangeboten.

Ich habe ja den Verdacht, dass Köln aus ganz anderen Gründen, als in dem Artikel angegeben, grünes Licht gegeben hat. Dass die sich da in Köln so was von ins Fäustchen lachen. Dass die alles durchwinken, was hier in Bonn dazu beiträgt, den einen oder anderen Autofahrer davor abzuschrecken, Bonn zu besuchen. Weil, wenn du den Bonner Entscheidungsträgern bei solchen Themen immer alles durchgehen lässt. Hallo, welcher Tourist kommt dann noch mit dem PKW nach Bonn? Und welcher mit der Bahn – so oft wie da gestreikt wird? Da bist du ja als Tourist froh, wenn du es bis nach Köln schaffst. Warum es dann noch weiter unter Aufbietung aller Strapazen bis nach Bonn zum Bertha-von-Suttner-Platz schaffen wollen, um vor Beethovens Geburtshaus zu stehen? Ich mein, sind wir doch mal ehrlich, ich als Japanerin, wenn ich den Beethoven so verehre, kann ich doch auch nach Wien fahren. Dort hat er ja immerhin die meiste Zeit seines Lebens gewirkt und ist dann dort gestorben. Ob jetzt Geburtshaus oder Sterbehaus – Hauptsache, ich komme ohne allzu großen Aufwand dorthin. Und wenn ich mich zwischen Bonn und Wien entscheiden müsste. Ich mein, in Wien habe ich immerhin noch das Sisi-Museum in der Hofburg!

Weil ich, die ich auf Beethovens Spuren unterwegs bin, gerade am Bertha-von-Suttner-Platz stehe. (Wobei das ja eigentlich kein Platz ist. Es ist ja eigentlich nur eine größere Haltestelle mit einer stark befahrenen Straße drum herum – und ausnehmend hässlichen Häusern.) Neulich war ich ja im Stadtgarten zur Beethoven-Hommage unterwegs. Und dann habe ich auch noch auf der Hofgartenwiese die Macke-Hommage bestaunt. Was ich mich in dem Zusammenhang gefragt habe: An der Ecke Bertha-von-Suttner-Platz/Sandkaule steht ja die 2,50 Meter hohe Edelstahlskulptur, die an die Friedensaktivistin, die Bertha, erinnern soll. Diese Stehle, die die Konturen eines stilisierten weiblichen Körpers zeigt. Was ich mich da immer schon gefragt habe, ob es da nicht einen schöneren Platz gegeben hätte, für diese Stehle.

Ich bin aber vom Thema abgekommen. Wenn jetzt die Kölner Entscheidungsträger auch noch so schlau wären und würden die Beethoven-Skulptur von dem Lüpertz bei sich in Köln aufstellen (wenn sie hier in Bonn keiner haben will). Was genau gäbe es dann überhaupt noch für einen Grund nach Bonn zu kommen – und in ein Parkhaus zu fahren, was ja mittlerweile auch nicht gerade wenig kostet. Was mir da als geniale Lösung einfällt. Erinnerst du dich noch an die Zeit, als Bonn Bundeshauptstadt war? Damals nannte man das Teilstück der Bundesstraße 9 zwischen Bonn und Bonn-Bad Godesberg scherzhaft die „Diplomatenrennbahn“. Weil Bad Godesberg wenig zerstört war, schlugen gut zwei Drittel der Eminenzen ihr Domizil in diesem noblen Stadtteil kurfürstlicher Gründerzeithäuser auf. Umgeben von prachtvollen Parkanlagen residierten sie in einem beschaulichen Umfeld der kurzen Wege. So benötigten sie über die sogenannte Diplomatenrennbahn – ein Teilstück der B9 - nur rund zehn bis 15 Minuten, um mit ihren großen schwarzen Limousinen zur Machtzentrale im Regierungsviertel zu gelangen. (Da wäre der Vorschlag für nur eine Fahrspur nie durchgekommen.)

Jetzt stell dir mal vor, du machst aus der gesamten Adenauerallee ein Gesamtkunstwerk. Das Haus der Geschichte steht dort ja schon, sowieso die Museumsmeile. Sämtliche Skulpturen, bei denen wir nicht sicher sind, ob wir sie toll finden, stellen wir entlang der Adenauerallee auf, damit der flanierende Tourist was zu gucken hat. Selbstredend wird die Bertha auch umgebettet, ich meine natürlich, umgestellt. Da ist es nämlich viel ruhiger als dort, wo sie jetzt steht. Natürlich lädt auch das aus dem Jahr 1957 stammende Bundesbüdchen, ein als Baudenkmal unter Denkmalschutz stehender ovaler Kiosk, zum Verweilen ein.

Wenn du das jetzt als Stadt Bonn richtig vermarktest, als landschaftliches historisches Gesamtdenkmal. Wenn du mit Schlagwörtern wie „Entschleunigung“, „Zeitreise in die Vergangenheit“, „zu Fuß auf der ehemaligen Rennbahn“ arbeitest. Das kannst du so was von als Gesamtevent für ein verlängertes Touristen-Wochenende anbieten.

Stören eigentlich nur noch zwei Dinge: die zwei KFz-Spuren, die zur Zeit noch – rechtens (!), abgesegnet von Köln (!) – für den Autoverkehr bleiben sollen. Weil, wer überhaupt möchte denn nach Bad Godesberg fahren, in den Tunnel?

Mittwoch, 24. Januar 2024

War’s das mit dem Bonner „Walk of Arts“?

Neulich las es sich in meinem SCHAUFENSTER folgendermaßen: In einem offenen Brief haben die Mitglieder des Vereins „Bürger für Beethoven“ die Bezirksvertretung Bonn gebeten, nicht der Empfehlung der Bonner Kunstkommission zu folgen, den Leihvertrag für die Skulptur „Hommage an Beethoven“ von Markus Lüpertz auslaufen zu lassen. „Auch wenn die Lüpertz-Skulptur von Anfang an Diskussionen ausgelöst hat, halten wir es für falsch, ausgerechnet aus der Beethovenstadt Bonn ein Kunstwerk zu entfernen, das sich mit dem Komponisten auseinandersetzt.“ Im Übrigen solle man das bürgerschaftliche Engagement des Vereins „Stiftung für Kunst und Kultur“ nicht gering schätzen: „Immerhin wird dadurch die Beethoven-Darstellung eines international renommierten Künstlers in der Geburtsstadt des Komponisten gezeigt, ohne dass es die Stadt Geld kostet.“ Jeder wisse, dass für den Fall des Abbaus an diesem Standort kein Kunstwerk ähnlichen Ranges aus dem städtischen Haushalt finanziert werden könne.

Lies dir unbedingt hier den vollständigen Brief durch! Am Ende wird es noch mal richtig interessant. Danach haben von den 13 Mitgliedern der Kunstkommission nur fünf an der entsprechenden Abstimmung teilgenommen. Nur drei haben die Verlängerung des Leihvertrages abgelehnt. Wenn du dir dann den vollständigen Brief durchgelesen hast, mal ganz platt gefragt: Was genau gibt es für einen Grund, die Skulptur abzubauen? Wobei ich zugebe, dass ich noch nicht bewusst davor stehen geblieben bin. Und das, obwohl sie schon seit 2014 dort steht. Das werde ich jetzt aber selbstredend nachholen.

Ich habe übrigens hier einmal nachgeschaut, was sich der Lüpertz bei seiner Skulptur gedacht hat: Lüpertz geht es in diesem Werk weniger um das ehrende Abbild, sondern um ein intensives Sinnbild der inneren Kämpfe, der Zerrissenheit und der dramatischen Interpretation des künstlerischen Genies. Und wo ich gerade dabei war. In Bonn gibt es ja von dem Lüpertz noch ein Kunstwerk. Und zwar vor dem Hochhaus des Post-Towers. Dort steht die zehn Meter hohe Bronzeskulptur des „Mercurius“, der auf einer blauen Weltkugel balanciert.

Apropos Kunst in Bonn. Da fiel mir doch justamente ein Artikel meines SCHAUFENSTERS aus dem Jahre 2018 (!!) in die Hand. Ja, hab ich mir aufgehoben! Die Lettern dort lauten: Die Welt von morgen ist bunt – Macke-Hommage am Hofgarten enthüllt. Der Blick zurück, hier in die Zeit des großen Bonner Expressionisten August Macke, ermöglicht eine Vision für die Welt von morgen. Wenn es nach der Vorstellung von Stephan Balkenhol geht, ist die bunt und vielfältig. Das vermittelt jedenfalls das Standbild des Bildhauers, das nunmehr eine Ecke des Hofgartens ziert. Die Bronzefigur guckt ohne sichtbare Regung in den in farbigem Glas dargestellten Himmel, der als eine Art von Baldachin auf einer Empore steht und von vier Streben gehalten wird. Zur Einweihung gab es damals Festreden vom damaligen OB Ashok Sridharan und von Walter Smerling, dem bis heute Vorsitzenden der „Stiftung für Kunst und Kultur“. Auf dem Foto lächelt der Altkanzler Gerhard Schröder mit seiner Ehefrau Kim (die wievielte eigentlich?) in die Kamera und neben ihm der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, dem das Lachen ja in der Zukunft vergehen würde. Weiter heißt es in dem Artikel: Walter Smerling kündigte einen „Walk of Arts“ für Bonn an. Im Laufe der Jahre bis 2030 will er 17 Kunstwerke in Bonns öffentlichem Raum aufstellen. „Kunst ist dafür da, dass wir uns weiterentwickeln“, meinte er. Und die ersten vier Werke dieser Sammlung, also der Lüpertz-Beethoven, der Cragg am Remigiusplatz, der Bogen am Trajekt-Kreisel und jetzt die Macke-Hommage seien ein guter Anfang.

Wenn ich das alles richtig verstanden habe (ich habe auch noch einen Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger gefunden), teilt Walter Smerling den Wunsch der Kommissionsmitglieder nach anderer Kunst auf Bonns Straßen und Plätzen. Deshalb habe sein Verein ja in den vergangenen Jahren auch kontinuierlich weitere Künstler nach Bonn eingeladen, die dem Stadtbild Werke hinzugefügt haben. Und wenn ich das weiter richtig verstehe, hat die Stadt Bonn seit 20 Jahren in Sachen Kunst überhaupt nichts unternommen. Jetzt will man die Skulpturen abräumen, aber weiß noch gar nicht, wo Alternativen herkommen sollen. Schließlich habe die Oberbürgermeisterin klargestellt, dass es kein Geld für solche Projekte in der klammen Stadtkasse gebe. Ja, du hast richtig gelesen, die Rede ist von Skulpturen, Plural. Weil es wohl auch um das Schicksal der Skulptur „Mean Average“ von Tony Cragg geht. Wenn ich jetzt die aktuelle Situation von Kunst im öffentlichen Bonner Raum mit den Visionen aus dem Jahr 2018 vergleiche: Unter „Walk of Arts“ Bonn  findest du im Internet nichts. Stattdessen sollen jetzt auch noch zwei von den vier genannten Skulpturen verschwinden. 

Wenn mir hier in Bonn die Sache zu blöde wird, wenn mir die Bonner Entscheidungsträger ganz blöde kommen. Wenn die mir den Tony wegnehmen, fahre ich einfach. Nein, nicht nach Köln und auch nicht nach Hamburg oder München oder Berlin. Nein, ich fahre nach Wuppertal. Las sich doch kürzlich im Feuilleton einer Zeitung ein seitenlanger Artikel unter der Überschrift „Das neue Berlin heißt Wuppertal – Die Industriestadt wird zum Kraftzentrum der Künste“. Wobei ich das auch ohne diesen Artikel schon lange wusste. Schon seit Jahren ist Wuppertal meine heimliche Geliebte. Und so sieht mein alljährlicher Tag in Wuppertal aus: Zuerst geht es zu Tony Craggs Skulpturenpark. Da schaue ich mir dann nach Herzenslust seine Skulpturen an. Dann eine lange Fahrt durch – oder sollte ich lieber sagen über - Wuppertal  mit der Schwebebahn, um die ich die Wuppertaler so was von beneide. Und dann zu Fuß durch die Innenstadt zum Brauhaus, das in einem ehemaligen Hallenbad beheimatet ist. Was für eine Location! Übrigens, dort in der Fußgängerzone, also im öffentlichen Raum, gibt es ganz viele Kunstobjekte.

Mittwoch, 3. Januar 2024

Wut tut manchmal gut


Also die Frau Kissel-Dutz, die muss so was von Connections zu meinem SCHAUFENSTER haben, von denen ich nur träumen kann! Habe ich in meinem letzten Beitrag von gesprochen, über ihre Einladung des evangelischen Kirchenkreises zur Tanz- und Stille-Meditation. Im darauf folgenden SCHAUFENSTER war da doch zum zweiten Mal der gleiche feine Beitrag zu ihrer Tanz- und Stille-Meditation. Also wenn das keine super Werbung ist!

Apropos Einladung und evangelische Kirche. Neulich las es sich in meinem SCHAUFENSTER folgendermaßen: Die Weiterbildungseinrichtung der evangelischen Frauen bietet den Kurs „Inneren Frieden mit den Eltern finden“ an. Er findet vier Mal donnerstags von 17:30 bis 19:00 statt. In dem Kurs geht es um die Beziehung zu den Eltern, die das eigene Leben prägt und Einfluss auf das Gelingen von Partnerschaften, den Umgang mit den eigenen Kindern und auf die Grundzufriedenheit im eigenen Leben hat. Viele Menschen haben Schwierigkeiten, mit ihren Eltern in Frieden zu leben, fühlen sich von ihnen verletzt, enttäuscht, nicht geliebt oder abgelehnt, haben vielleicht den Kontakt abgebrochen oder minimieren ihn. Oder die Eltern sind verstorben und es konnte vieles nicht geklärt werden. Wie man den inneren Frieden mit den Eltern finden kann, soll Gegenstand des Kurses sein. Der Kurs wird geleitet von Sofie Otto, Referentin für Persönlichkeitsentwicklung mit langjähriger Erfahrung in Gesprächsgruppen, in Trennungsgruppen und für Gruppen in Änderungsprozessen auch bis ins höhere Alter hinein. Die Kosten des Kurses betragen 85 Euro.   

Also erst einmal: Gratulation Frau Otto - welch Gesamtpaket! Da ist ja alles drin, und das bis ins hohe Alter! Spontan meine Frage: Gibt es so einen Kurs auch für Männer? Oder anders: Gibt es die Weiterbildungseinrichtung auch für Männer und, wenn ja, wird der da auch für Selbige angeboten? Und was ich mich auch noch gefragt habe: Wie genau haben das denn früher die Frauen verarbeitet? Wobei es dieses Wort in diesem Zusammenhang ja noch gar nicht gab. Wenn da was verarbeitet wurde, dann war es Fleisch zu Hack. Das war’s dann aber auch schon. Also, wie haben die das gemacht, als es die Frau Otto noch nicht gab? Erst einmal glaube ich, die Frauen, die ihre Eltern bis zum Tod gepflegt haben, hätten gar keine Zeit gehabt, sich die Zeit für die vier Male aus den Rippen zu schneiden. Da gab es die Tochter, die ihre Eltern liebevoll pflegte, ohne dafür auch nur ein Dankeschön zu bekommen. Und die Tochter hatte einen Bruder, der sich einmal im Jahr blicken ließ und die Eltern sich dann so was von gefreut haben, dass der ach so vielbeschäftigte Sohn es einrichten konnte. Und dann sind die Eltern, die du Jahre gepflegt hast, nebenbei hast du übrigens Kinder großgezogen und den Haushalt gestemmt, gestorben. Das war sehr schade, du hast getrauert und hattest plötzlich viel mehr Zeit als vorher. Vielleicht warst du am Ende des Tages sogar ein ganz klein wenig froh, dass es mit der Mama zu Ende gegangen war. So war und ist das Leben! Und natürlich hattest du deinen Frieden mit den Eltern gemacht – wenn du das wolltest!

Was genau heißt das überhaupt? Zu einer Zeit, als es noch keine Referenten für Persönlichkeitsentwicklung gab, als das Wort Persönlichkeitsentwicklung noch nicht erfunden worden war, also als die Frau Otto noch mit einer anderen Tätigkeit sich hätte die Brötchen verdienen müssen, gab es Mütter oder Väter, die du aus vielerlei Gründen zu Recht nicht geliebt hast. Heutzutage ist das übrigens auch so. Aber wir müssten ja ein Völkchen von unglaublich glücklichen Menschen sein, weil wir ja so viele Spezialisten haben, mit denen wir über alles reden können. Wenn ich mich so umschaue, scheint dem aber nicht so zu sein. Was genau ist denn an der These falsch, dass Familie nicht per se gut ist? Dass Familie nur dann gut ist, wenn sie gut tut. Und dass es durchaus sein kann, dass weniger Kontakt mehr Frieden bedeutet? Was ich sagen will, früher gab es diese Kurse nicht. Und ich bezweifle stark, dass die Frauen ohne diese Kurse unglücklicher waren. Auf jeden Fall haben sie sich schon mal die Kursgebühr gespart. Und was auf jeden Fall mal so was von besser war: Die Frauen sind nicht auf die Idee gekommen, dass sie eventuell daran schuld sein könnten, dass ihre Partner fremdgehen. In der Einladung von der Frau Otto steht ja, dass deine Beziehung zu deinen Eltern Einfluss auf das Gelingen deiner Partnerschaft hat.     

Weil, kaum hast du diesen Kurs hinter dich gebracht, kannst du dich. Also wenn du nach dem Kurs von der Frau Otto der Meinung bist, dass du da noch ein wenig mehr Frieden mit deinen toten Eltern reinbringen könntest, dass du dir vielleicht doch mal ein Therapeutendes suchen solltest. Wenn du da jetzt die öde Langeweile hast, weil der Kurs von der Frau Otto vorbei ist und das Therapeutende dich erst einmal auf seine Warteliste gesetzt hat. Vielleicht hast du ja dann das Glück, dass du gerade von deinem Mann verlassen wurdest und zusätzlich über 50 bist. Weil da las es sich eben auch neulich in meinem SCHAUFENSTER folgendermaßen: Trennungsgruppe für Frauen ab 50 – Die Trennung vom Partner verlangt, die eigene Situation neu zu reflektieren. Trauer, Wut und Verletzlichkeit wollen ihren Raum haben (da sag ich mal, wir teilen den Raum nicht durch drei, sondern geben der Wut den ganzen Raum!). Das Treffen bietet betroffenen Frauen ab 50 Jahren Gelegenheit zu gegenseitigem Kennenlernen, zum Gespräch und Erfahrungsaustausch. Die Gesprächsrunde wird von Sabine Cornnelissen, Frauenbeauftragte des Evangelischen Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel geleitet (die sind da so was von aktiv bei diesem Evangelischen Kirchenkreis!).

Was mir dazu einfällt ist der amerikanische Film „Club der Teufelinnen“, der davon handelt, wie betrogene Ehefrauen sich an ihren Ehemännern rächen. Was eine ordentliche Portion Wut doch leisten kann! Wo ich mir natürlich jetzt nicht mehr ganz so sicher bin: Mein Göttergatte weiß, dass ich diesen Film liebe. Liebt mein Traummann mich jetzt tatsächlich noch ganz dolle? Oder verlässt er mich nur aus nackter Panik vor den möglichen Konsequenzen nicht?

Mittwoch, 13. Dezember 2023

Ich und der Che


Du erinnerst dich an mein Desaster auf meiner Verkehrsinsel? Nichts hat geklappt. Und da bin ich jetzt am hin- und herschwanken. Einerseits sparen, ja, andererseits aber auch investieren in zukünftige Einnahmenquellen. Weil, so las es sich in meinem SCHAUFENSTER: Jonglage-Workshop für Erwachsene. Die Weiterbildungseinrichtung der Ev. Frauenhilfe im Rheinland bietet im Haus der Frauenhilfe einen Jonglage-Workshop für Erwachsene an. Vielleicht geht er Ihnen ja auch so, dass Sie neidvoll jene beobachten, die es tatsächlich schaffen, mit drei Bällen, Tüchern, Kieselsteinen, Löffeln oder Kegeln zu jonglieren. In diesem Workshop lernen Sie Schritt für Schritt und vor allem mit viel Spaß, wie das Jonglieren aufgebaut ist, und sind am Ende des Kurses mit dem Handwerkszeug der Jonglage ausgerüstet. Ganz nebenbei werden auch die unterschiedlichsten Hirnregionen angeregt, die u. a. wichtig für die Hand-Auge-Koordination und die Raumwahrnehmung sind. Bitte lockere Kleidung, flache Schuhe und etwas zum Trinken mitbringen. Die Teilnahme kostet 25 Euro.


Ich kann dann ja immer noch überlegen, ob ich auf meiner Verkehrsinsel, auf meiner fünf-stufigen Haushaltsleiter stehend, Highheels trage und jongliere. (Da muss doch das Geld der Autofahrer locker sitzen.) Was ich mir wohl vornehme, selbst wenn ich am Ende des Workshops mit meinen Jonglierkünsten zufrieden bin. Ich mein, man muss es ja auch nicht übertreiben – und als gebranntes Kind schon mal gar nicht. Es gibt ja nicht einen einzigen Grund, warum ich mich in die Gefahr begeben sollte, den Unmut einiger Autofahrer auf mich zu ziehen. Drei Bänder, ja, drei Stoffbällchen, ja. Aber warum sollte ich auch nur in Erwägung ziehen, mit Kieselsteinen zu jonglieren? Man hat ja schon eine Vorstellung, welche Spuren so ein Kieselstein auf dem Lack eines Porsches hinterlässt. Und vorstellen mag ich mir gar nicht, was das dann für mich für Konsequenzen hat.

Apropos Konsequenzen und Autolack, nur nebenbei: Was genau sagt das über unsere Gesellschaft aus, wenn in den Medien erklärt wird, was zu Halloween erlaubt ist und was nicht? Da heißt es: Farbbomben und Eier an Hauswänden, Türen und Autos sind definitiv Sachbeschädigungen. Auch Pflanzen zertrampeln, umknicken oder herausziehen sollte man unterlassen. Wer brennende Feuerwerkskörper in Briefkästen steckt, macht sich nicht nur der Sachbeschädigung schuldig, sondern auch wegen Brandstiftung strafbar.

Aber wo ich gerade dabei war, es gab in meinem SCHAUFENSTER auch die Einladung zu einer Tanz- und Stille-Meditation: Tänze und kurze Weisheitstexte aus jüdischer, christlicher und muslimischer Tradition erleben Frauen bei einem Seminar mit Tanz- und Stille-Meditation. Sie bewegen sich dabei zu der ruhigen wie auch lebendigen Musik im Kreis. Für eine besondere Atmosphäre sorgt der schöne lichtdurchflutete Innenraum der Immanuelkirche. Diese Veranstaltung ermöglicht es, „Kontakt zu seiner Mitte, zu seiner Quelle aufzunehmen und zu vertiefen“, heißt es von Veranstalterseite. Chadigah Kissel-Dutz hat die Leitung. Die Tanzmeditation ist ein Angebot des evangelischen Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel. Die Kosten betragen 18 Euro. Wer hat, bringt ein Meditationskissen mit und für das gemeinsame Kaffeetrinken eine Kleinigkeit zu essen.

Ganz davon abgesehen, wenn ich mich schon an Frauen wende, dann bitteschön „ihre Mitte und ihre Quelle“, aber der Name Kissel-Dutz – einfach passend! Ich habe mir diese 18 Euro gespart und in den Jonglage-Workshop investiert. Ich persönlich finde 18 Euro auch recht sportiv. Wenn da jetzt 9 Euro gestanden hätte, wäre für mich auch total in Ordnung gewesen. Weil, du hast ja mehrere Teilnehmerinnen, von wegen Multiplikation, du verstehst? Trotzdem habe ich die Anregung für eine Tanz- und Stille-Meditation aufgenommen – mit kleinen Veränderungen: Es lief bei mir im Wohnzimmer George Michael (der kann ruhig und lebendig. Nicht er, der ist ja tot, aber seine Musik). Danach statt Weisheitstexten ein Soloprogramm von Lisa Eckhart und dazu ein Kaltgetränk. Nur schlicht und ergreifend ein Aperol. Und während ich so an meinem Aperol schlürfe und der Lisa zuhöre, ist die Planung für den späten Nachmittag auch schon in Sack und Tüten.
Ich weiß nicht, ob ich dir das schon erzählt habe, aber den besten Mai Tai gibt es im Che in Bonn, in der Münsterstraße 9. Das Che ist eine kubanische Cocktailbar. Gut, ich war noch nicht auf Kuba. Du kannst also sagen, ich habe keine echte Vergleichsmöglichkeit. Stimmt! Probier’s aus und sag mir dann, ob ich Recht habe. Auf deren Seite liest du Folgendes: Das "Che" ist ein Ort der Begegnung, der sich durch gute Laune, angenehme Gespräche, tropisches Treiben und Toben, Leidenschaften und "Revolutionen" auszeichnet. Cocktails werden in einem Augenblick geboren und im nächsten ausgetrunken. Doch in dieser kurzen Zeit finden bei uns "Revolutionen" statt: Die der Sinne, des Gaumens, der Freude und des Wohlbefindens. Das tropische Treiben und Toben ist ein Cocktail aus unseren exotischen Getränken, dem kubanischen Flair unserer Bar und ... Ihnen!

Ich hatte mir während meiner Home-Meditation Folgendes überlegt: Mein Traummann und ich fahren mit unseren Rädchen zum Che. Ich bestelle wie immer für mich meinen Mai Tai. Und mein Göttergatte nimmt wie immer dasselbe Lieblingsgetränk seiner Wahl: Pina colada. Du liest richtig, eigentlich ja ein typisches Frauengetränk. Und daran siehst du eben, dass wir zwei Hübschen da schon so was von Stammkunden sind: Die Kellnernden wissen genau, wer was bekommt.

Lass mich nicht lügen, wir sind um 20 Euro leichter (für meinen Traummann und mich!), wenn wir uns wieder Richtung Auerberg aufmachen. Wenn ich das jetzt mit dem Angebot von der Frau Kissel-Dutz vergleiche: Während ich zu kubanischer Musik im Hintergrund an meinem Mai Tai schlürfe, was da aus mir heraus für Weisheiten sprudeln!

Sonntag, 10. Dezember 2023

Thilo: Ein Wicht am Ende des Tunnels

Ich komm deshalb drauf, weil ich neulich wieder mal von einem Treffen gehört habe, das so was von unterirdisch gelaufen ist. Du kennst diese Dating-Apps? Wo Menschen, die sich kennenlernen wollen, miteinander kommunizieren. Ja, so was wie Parship oder ElitePartner. Aber egal, wo ich mich digital auf die Suche mache, irgendwann wird es ja dann mal analog. Und da stelle ich es mir so was von schwer und herausfordernd vor, mit einem wildfremden Menschen ich weiß nicht wie viele Stunden zu reden. Ich mein, hast du schon mal gehört, dass sich jemand digital als Vollpfosten vorstellt, als jemand, der vollkommen humorlos ist? Jemand, der von sich als Langweiler spricht? Und dann sitzt du dem gegenüber und würdest am liebsten sagen:“ Oh, oh, liegt doch justament tatsächlich meine gesamte Familie im Sterben. Schade, muss jetzt los!“ Oder:“ Fünf Minuten hatten wir vereinbart, stimmt’s?“ Da lobst du dir doch in dem Moment dieses Format Speed-Dating, wo die Sache mal zeitlich ganz schön eingedampft ist.

Wie komm ich drauf? Ach ja, mein Kulturraum Auerberg. Also ich würde mit dem fremden Mann immer in meinen Kulturraum Auerberg gehen. Und jetzt ganz aktuell wäre ich mit ihm zu THILO SEIBEL gegangen. Weil, ich war ja schon bei dem Thilo und was soll ich sagen: für mich immer eine sichere Bank! Da ist es mir vollkommen egal, wer neben mir sitzt. Ich habe auf jeden Fall einen tollen Abend und lerne ganz nebenbei viel über meinen Nebenmann, ohne – und das ist ja das Tolle daran – ohne mit ihm sprechen zu müssen: Findet er es zum Beispiel angesagt, in einem eher einfachen Verkaufsraum zu sitzen, oder unter seiner Würde? Ist er ein Zuspätkommer? Welches Pausengetränk gönnt er sich? Apropos Pausengetränk. Da ist man auch geldmäßig auf der sicheren Seite. Weil ein Gläschen Rotwein für mich muss schon drin sein, der Herr! Wenn ihm das schon zu viel ist, weißt du Bescheid, Schätzelein. Und, applaudiert er, wenn er etwas witzig findet. Findet er überhaupt etwas witzig? Findet er dasselbe witzig wie ich. Hat er denselben Humor wie ich? Findet er vieles witzig, ist aber ein leidenschaftlicher Nichtapplaudierer? Oder, versteht er viele Pointen einfach nicht? Da weiß ich ja dann auch Bescheid. Kurzum, nach solch einem Abend weiß ich alles, was ich wissen muss.

Und wenn sich das für mich nach dem Abend mit diesem Mann erledigt hat: auch egal. Hauptsache, nächstes Jahr ist der Thilo wieder bei mir im Kulturraum! Hatte ich eigentlich schon über den Abend mit Thilo gesprochen? Der war dieses Mal nicht allein, hatte sein Alter Ego namens William Shake-das-Bier mitgebracht, der so was von fein die politischen Themen in Reimen anging. Und dann – so was von toll – machte der Thilo uns die Talkrunde rund um Markus Lanz. Unglaublich, wie er uns den Kretschmann, den Söder, den Lindner und den Lauterbach macht. Ein absolutes Imitationsgenie! Du weißt gar nicht, worüber du mehr lachen sollst. Über die Zitate:„Wir haben gar nichts falsch gemacht, sondern zu wenig richtig.“ – „Die Bundeswehr ist die Deutsche Bahn unter den Armeen.“ – „Bäume haben kein natürliches Interesse zu brennen.“ – „Unser Pünktlichkeitsziel wird leider mit Verspätung erreicht“. Oder wenn Thilo wahre Geschichten erzählt: Als in Südfrankreich eine Dürre herrschte und das Trinkwasser knapp war, wurden trotzdem die Golfplätze besprenkelt. Klimaaktivisten betonierten daraufhin die Löcher zu. Find ich witzig.     

Ich könnte dir jetzt noch, aber schau doch einfach, wo der Thilo demnächst und geh selbst hin!

 

Mittwoch, 22. November 2023

Ich hab’s passend


Schon verrückt, die heutige Zeit! Während ich so was von stolz bin, dass ich mittlerweile bei meinem Lieblingsdiscounter ganz ohne Betreuung, ganz ohne Hilfe mit Karte bezahlen kann. Wobei, ich bin ehrlich, während ich meine Waren aufs Band lege, fange ich schon an, meine Pin im Geiste aufzusagen. Weil, die Panik, dass ich da stehe, mit vollem Einkaufskorb und meine Pin vergessen habe: Trotz Verhaltenstherapie immer noch ein Albtraum! Ja, ich kann zwar mit Karte bezahlen, aber oft bezahle ich auch mit Scheinen und Münzen. Weil, gerade jetzt im Alter, so was von Gehirntraining! Beispiel: Ich muss 11,24 Euro bezahlen. Dann ist die Herausforderung, in Windeseile zu schauen, ob ich 4 Cent zusammenkriege, also so viel wie möglich Kupfergeld loswerde. Dann 20 Cent …  Ist dir früher nicht aufgefallen, dass Männer ganz häufig einfach nur einen Schein hinlegten? Was glaubst du wohl, warum? Ich stelle mich jedenfalls ganz bewusst dieser Situation und komme da auch öfters in Schweiß, wenn ich feststelle, dass kleingeldtechnisch die Sache nicht passt, ich also alles wieder einräumen muss, um dann doch einen großen Schein hinzulegen. Und, wohlgemerkt, die Herausforderung ist, schneller zu sein, als der alte Mann, der erst sein Portmonee (hallo, da krieg ich Pickel, wenn ich diese Art der Rechtschreibung sehe. Zu meiner Zeit hast du Portemonnaie geschrieben) zückt (wobei das Wort zücken ja eigentlich eine gewisse Schnelligkeit impliziert), wenn das Kassierende ihm den zu zahlenden Betrag nennt.

Was ja das Tolle bei diesem Thema ist, die jungen Leute haben das Bargeld ja auch so was von wieder entdeckt. Schau, so liest es sich im Internet: TikTok-Trend "Cash Stuffing" - Das Comeback des Sparstrumpfs, Bargeld ist im Trend. Auf TikTok verteilen Influencer Scheine in Umschlägen für verschiedene Zwecke. Mit dem "Cash Stuffing" wollen junge Menschen ihre Finanzen in den Griff bekommen. "Cash Stuffing" bedeutet übersetzt "Bargeld stopfen". Genau das tut Regina Feist aus Homberg als "Budget_Gina" regelmäßig in ihren TikTok-Videos. Die 30-jährige Nordhessin hat jedes Mal etliche Banknoten vor sich liegen. Die stopft sie in diverse Umschläge aus Klarsichtfolie. Besser gesagt, verteilt sie die Scheine so routiniert wie eine Bankerin. Die Umschläge tragen dabei Aufschriften wie "Wohnung", "Freizeit", "Geschenke" und "Kind". Beim Einkaufen bedient sich die Influencerin entsprechend, das Wechselgeld wandert wieder zurück. Die Umschläge stecken in einem liebevoll gestalteten Budget-Planer. Es ist eine Art modernes Haushaltsbuch, in das Frau Feist alle Einnahmen und Ausgaben einträgt. Am Ende eines jeden Monats macht sie Kassensturz. "Anschließend überlege ich mir immer wieder neu, wie ich mein Budget für den nächsten Monat auf die Umschläge verteile und welche Kategorien ich brauche", erklärt die Influencerin. Ganz wichtig ist der Umschlag "Ungeplantes". An den geht Feist, wenn ihre Finanzplanung einmal nicht aufgehen sollte. Aber tatsächlich konnte sie im Gegenteil im vergangenen halben Jahr einiges Geld beiseite legen - insgesamt 5000 Euro. "Ich habe wirklich die Übersicht über alles und weiß, wo ich das Geld ausgegeben habe", sagt Regina Feist. "Dann kann ich alle meine Ausgaben besser reflektieren und es das nächste Mal besser machen." Die junge Mutter spart auch ganz gezielt, etwa für den Urlaub und die Taufe ihres Sohnes im Sommer. Mittlerweile spart sie aber nicht nur, sondern verdient mit ihren Spartipps noch Geld, indem sie ihren Followern das zum Sparen nötige Zubehör auf ihrer Webseite zum Kauf anbietet. So ist das "Cash Stuffing" für viele vor allem weibliche Influencerinnen mittlerweile ein einträgliches Geschäft.

Katharina Lawrence von der Verbraucherzentrale Hessen findet es gut, wenn Jugendliche ihre Finanzen wortwörtlich im Griff haben wollen und dabei das Bargeld für sich neu entdecken. Denn eine Karte halte man schnell irgendwo hin, Münzen und Scheine gebe man nicht so schnell weg. "Sie haben dann mehr Hemmungen, das erzeugt einen regelrechten Schmerz", so Lawrence. Neu ist die Sparmethode in ihren Augen allerdings keineswegs, schließlich hätten schon Generationen Sparstrümpfe, Spardosen, Sparschweine und tatsächlich auch Umschläge fürs Sparen genutzt. Wie aus der Zeit gefallen? In einer Zeit, in der in Deutschland die ersten Restaurants, Hotels und Geschäfte gar kein Bargeld mehr akzeptieren, wirkt "Cash Stuffing" wie ein Gegentrend. Bargeld erfährt dadurch eine ganz neue Wertschätzung, nachdem es in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren hat. Du siehst, Hauptsache TikTok, Hauptsache neues Wort, Hauptsache Englisch, Hauptsache Influencer – und schon ist ein neuer (uralter) Trend geboren.

Wo war ich? Ach ja, an der Kasse meines Lieblingsdiscounters. Genau. Ich stehe also an der Kasse. Ich kann es immer noch nicht fassen! Ich bin immer noch – wie sagt man heute – ich bin immer noch total geflasht. Ein Husarenstück, was ich mir da geleistet habe. Tolldreist geradezu! Ja, ich hatte davon schon immer mal gehört. Dass mittlerweile viele Menschen ohne mit der Wimper zu zucken so etwas machen. Aber, bitteschön, für mich kam so etwas doch nicht in Betracht! Ich hatte sämtliche Waren auf das Band gewuchtet. Immer noch mit mir ringend, ob bar oder mit Karte. Deshalb zur Sicherheit die Pin leise vor mich hinmurmelnd. Hatte dann meinen Einkauf wieder vom Band in meinen Einkaufskorb gewuchtet und mich im letzten Moment für Kartenzahlung entschieden. Zugegebenermaßen erst in allerletzter Sekunde, als das Kassierende mich fragte:“ Bar oder mit Karte?“ Und dann, kennst du doch auch. Einmal etwas ganz Verwegenes tun, Spontanes, etwas, von dem du genau weißt, dass du dich später fragen könntest, ob du es nicht doch lieber hättest lassen sollen. Ich kann es bis heute noch nicht glauben. Dieser Rauschzustand, in dem ich mich befand, als ich meinen Lieblingsdiscounter verließ. Ach, was sage ich, hinaus schwebte, flog. Ich weiß gar nicht, wie ich durch die Tür. Ja, ich hatte es gewagt, beim Hineinschieben der Karte hatte ich gesagt: “Und dann möchte ich noch 200 Euro abheben.“

Was waren das damals - vor gar nicht mal so langer Zeit - für Zeiten. Als eine Karte noch eine Ansichtskarte war und ich nach einem Einkauf weniger Bargeld im Portemonnaie hatte als vorher!