Donnerstag, 11. September 2025

Zwischen Hörer und Muschel

Was mir aufgefallen ist – ich hab dir schon lange nichts mehr von meinen Stunden auf meiner Verkehrsinsel im Auerberg erzählt. Ich habe da ja auch noch mal aufgesattelt und in eine Teleskopleiter investiert. Holla, die Waldfee. Das hat sich echt gelohnt: Da sehen die von Norden kommenden Autofahrer mich schon auf der Höhe von Hersel und von Süden her schon am Bertha-von-Suttner-Platz. Ganz andere Reichweite, so ein Plakat auf einer Teleskopleiter! Ich erwähnte ja schon, dass mein Traummann mittlerweile Rentner ist, und wir da halt auch schauen müssen, wie wir finanziell über die Runden kommen. Ich sagte dir ja bereits, dass VIP zu sein nicht gleichbedeutend mit Reichtum zu setzen ist. Jedenfalls haben wir uns in Anbetracht des Themas fehlender Wohnraum und hohe Mieten dazu entschieden. Mein Göttergatte hat sich da wirklich viel Mühe gegeben: gereinigt, alles in Weiß gehalten, damit es freundlich und vor allem großzügig wirkt. Ich sag mal so, besser als nichts, zumindest für den Übergang. Mein Traummann hat sie so was von adrett hergerichtet. Da kannst du fein drin schlafen. Okay, wenn du lange Beine hast, musst du mit angezogenen Beinen. Was man ja aber sowieso macht, in Embryostellung schlafen. Dafür ist die Luft aber so was von frisch. Genau, wir haben uns entschieden, die beiden Lichtschächte in unserem Haus zu vermieten. Und dafür werbe ich auf meiner Verkehrsinsel im Auerberg.

Und wenn ich nicht auf der Teleskopleiter stehe, was ja schon wegen der Höhe in Kombination mit Wind und Wetter recht anspruchsvoll ist, habe ich ein gigantisch neues Projekt in Angriff genommen. So was von eine Herausforderung für mich, kann ich da nur sagen. Neulich rauschte eine Münze durch – wie vor uralten Zeiten - und ich habe wie vor Urzeiten selbige am Metall gerieben und schon klappte es. Ich weiß nicht, wie alt du bist. Ich hatte jedenfalls, als ich die Münze am Metall rieb, so was von ein Déjà-vu. Das kannst du dir heutzutage überhaupt nicht mehr vorstellen – und solltest du auch nicht, sonst kriegst du nämlich so was von Herpes. Schon wenn du die Tür geöffnet hast, schlug dir ein Gestankgemisch aus abgestandener Luft, Urin und Pupsen entgegen. Aber du warst froh, wenn du die Tür öffnen durftest, denn das hieß, du bist dran. Manchmal gefühlt nach unendlicher Wartezeit. Was sich da auch immer an Aggression vor der Tür in der Warteschlange aufstaute. Du machst dir keine Vorstellung. Vom Geklopfe an der Scheibe, „Schreib doch gefälligst einen Brief“ oder „Ich hab’s eilig“ bis hin zu „Ich komm dir gleich rein, du Blödmann“. Damals gab es das Wort Passiv-aggressives Verhalten noch gar nicht. Du weißt, was ich damit meine? Hier Internet: „bedeutet, dass man negative Gefühle oder Ärger nicht direkt, sondern auf indirekte und oft versteckte Weise ausdrückt. Statt offener Konfrontation vermeiden Personen mit passiv-aggressivem Verhalten Konflikte und zeigen ihren Widerstand oder ihre Ablehnung auf subtile Art und Weise.“ Da war nichts mit subtil oder so, wenn du Pech hattest, haben sie dich aus der Zelle geschmissen. Jetzt denkst du, wie genau habe ich Pech, wenn ich aus der Zelle, aus dem Gefängnis geworfen werde. Ich meine aber nicht diese Zelle, sondern die Telefonzelle, den öffentlichen Münzfernsprecher. Bei uns waren die gelb. In England rot. Schau dir doch einfach mal Bilder im Internet an.

Was ich aber eigentlich erzählen möchte, wo ich eigentlich hinkommen will. Wenn du dann endlich an der Reihe warst, du also in der Zelle standest und die Tür hinter dir geschlossen hattest, gab es zwei Möglichkeiten. Entweder du kanntest die Telefonnummer, die du anwählen wolltest, oder du musstest in dem dort ausliegenden dicken Telefonbuch nachschlagen. Und falls du die Nummer suchen musstest, gab es wieder zwei Möglichkeiten. Entweder du fandest die gewünschte Nummer im dicken gelben Buch oder genau die Seite war rausgerissen und du verließest unverrichteter Dinge die Zelle. Und hattest spontan viele Freunde, weil es bei dir nur so kurz gedauert hatte. Hattest du aber die Nummer und wolltest jetzt wählen, musstest du notgedrungen den Hörer abnehmen, in deine Hand nehmen und Geldstücke (Geldstücke, die du im Vorfeld fein gesammelt hattest) in den Schlitz werfen. Du hieltest den Hörer ganz nah an dein Ohr und an deinen Mund! Und denk ja nicht, dass da irgendeiner an Desinfektion gedacht hätte. Dass da irgendeiner mit einem Tüchelchen oder so. Und dann hast du gewählt und dich gefreut, ich sage nur Drehscheibe. Du hast dich gefreut, wenn die Nummer nicht unendlich viele Neunen hatte. Und während du wartetest, dass jemand abnimmt, hast du alles gerochen, was du nicht riechen wolltest. Stell dir bitte vor, wie viele Menschen, und vor allem wer, mit welcher Mundhygiene da schon vor dir reingesprochen hatte, reingespuckt hatte, in der Nase gepopelt hatte und den Popel ... Soll ich weiter machen? Oder sagst du, du hast eine wage Vorstellung? Und möchtest auch, dass die Vorstellung wirklich nur wage bleibt. Und endlich ein Hallo auf der anderen Seite, aber sei sicher, Tiefenentspannung ist jetzt trotzdem nicht angesagt. Weil, während du telefonierst, musst du immer wieder nachladen und hörst die Münzen nur so durchrattern. Und dann gibt es Geldstücke, die rauschen  einfach nur durch. Die reibst du während des Gesprächs am Metall und versuchst es –meist mit Erfolg – noch mal. Du glaubst, du hast genügend Münzen gehortet, hast du aber nicht. Und gerade hast du die letzte Münze in den Schlitz gesteckt, da sagt dir die andere Seite, dass die Liebe zu dir jetzt auch nicht mehr die ist, die sie mal war, und du hörst nur noch das Freizeichen. Und du hängst den Hörer ein, öffnest die Glastür und wirst mit einem aggressiven „Na endlich“ begrüßt.

Wo ich dir ja eben erzählt hatte, dass die Warteschlange vor solch einem Telefonhäuschen meist spannungsgeladen, dir nicht eben wohlgesonnen war, weil du aus ihrer Sicht immer zu lange telefoniert hast. Es gab eine einzige Ausnahme: Früher, wenn du durch die Tür warst, warst du ja tatsächlich weg. Nicht wie heute, Handy und so. Und dann kamst du irgendwann mit deiner Ente (ein Auto!) in Südfrankreich auf dem Campingplatz an und stelltest dich in die Warteschlange vor der einzigen Telefonzelle auf dem Campingplatz. Die Stimmung war immer gut und ausgelassen. Weil erstens hatte es dein Gefährt bis hierhin geschafft. Und zweitens wusstest du, dass jeder vor dir in der Schlange nur folgenden Satz sagt: „Wir sind gut angekommen.“  

Dienstag, 19. August 2025

Gefährliches Handwerk

 

Seitdem ich ja jetzt weiß, dass der Kartenkörper meiner BankCard ein Elektrogerät ist und nicht einfach so im Hausmüll entsorgt werden darf, bin ich ja jetzt schon ein wenig sensibilisiert. Neulich habe ich zum Beispiel bei meinem Lieblingsdiscounter ein Paar Gartenhandschuhe  erworben. Auf dem daran hängenden Informationszettel, der genau so groß wie die Handschuhe ist, liest es sich folgendermaßen: Schutzumfang EN 388:2016+A1:2018. Für mittlere mechanische Risiken 1. Abriebfestigkeit (auf einer Skala von 0 bis 4) 2, Schnittfestigkeit (vor der 1 ein X und die Skala geht bis 5) 1. Weißt du was, ich mach dir einfach mal ein Foto davon.


So, jetzt denkst du, jetzt aber, voll informiert, los geht’s -  denkst du aber auch nur! Das ist gerade mal die Hälfte, die ich dir abgelichtet habe. Jetzt geht’s erst richtig los: Prüfung – Schutzhandschuhe vor jedem Gebrauch auf Risse und Löcher untersuchen (Leute, was da an Zeit drauf geht!). Schadhafte Handschuhe ersetzen. Benutzung – Handschuhe über saubere, trockene Hände ziehen (hast du dir schon mal über schmutzige, nasse Hände Handschuhe gezogen?), möglichst kurz und gezielt tragen und nicht mit anderen Personen gemeinsam nutzen (heißt für mich, ganz wenige Minuten Gartenarbeit, am besten keine. Und wer, bitteschön, steht schon in der Schlange, um mich bei der Gartenarbeit abzulösen?). Beim Ausziehen darauf achten, dass die Außenseite nicht mit bloßen Händen angefasst wird (ich dachte sofort an tödliche Gifte) und nach Benutzung die Handschuhe ggfs. trocknen. Handschuhe nach dem individuellem Einsatzzweck in der passenden Größe auswählen und auf ausreichende Fingerbeweglichkeit achten (fand ich auch einen super Tipp, die passende Größe zu wählen. Jetzt verstehe ich auch, warum ich immer so schreckliche Fußschmerzen habe. Ich habe Schuhgröße 41, kaufe aber immer Schuhgröße 38.) 

So, jetzt Reinigung: Je nach Verschmutzungsgrad nach jedem Gebrauch ausklopfen oder ausbürsten. Waschanleitung beachten! Nicht waschbar! Und weiter – Lagerung: Bei normaler Raumtemperatur, trocken und gut belüftet lagern. Sonnenlicht und direkte Wärmeeinstrahlung vermeiden. Haltbarkeit: Die Gebrauchsdauer ist abhängig vom Verschleißgrad und der Verwendungsintensität in den jeweiligen Einsatzbereichen (maximal 3 Jahre). Entsorgung: Über den Hausmüll, örtliche Bestimmungen beachten (mein Thema!).

Was jetzt das Blöde war. Vor lauter Lesen dieser ganzen Bestimmungen bin ich gar nicht dazu gekommen, dem Unkraut in unserem Garten beizukommen. Hieß dann für meinen Traummann umso mehr Arbeit – mit bloßen Händen. Mal ganz davon abgesehen, dass da ja auch stand, man solle mit den Handschuhen Sonnenlicht und direkte Wärmeeinstrahlung vermeiden.

Wo ich gerade bei dem Pflegeetikett für die Gartenhandschuhe bin. Täusch ich mich, oder werden die Zettel in der Kleidung, die über Material und Waschanleitung Auskunft geben, immer länger? Mittlerweile ist das ja ein halbes Buch, was da innen am Kleidungsstück baumelt.

Apropos Kleidungsstück, das nicht mehr passt. Neulich hatte ich für meine Waage eine neue Knopfbatterie käuflich erworben und saß jetzt stundenlang vor der alten leeren, weil ich nicht wusste, wohin damit. Plötzlich mein Handy, die Warn APP, laut wie Sau. Ich nichts wie hin und werde dann über folgenden Sachverhalt informiert: dass in einem Wertstoffhof in Swisttal ein Feuer ausgebrochen ist. Ich werde über starke Rauchentwicklung informiert. Später lese ich, dass es eine Warnung vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gegeben hat. Dort hieß es, man solle in der Region vorsorglich Klima- und Lüftungsanlagen abschalten und Fenster und Türen schließen. Ein Sprecher der freiwilligen Feuerwehr vor Ort sagte, es handele sich um eine Vorsichtsmaßnahme. Messungen zufolge gehe man nicht von einer Gesundheitsgefährdung aus. Da bin ich jetzt ehrlich: Ist das jetzt das Resultat aus den Vorfällen, die damals im Ahrtal nicht gut oder falsch oder katastrophal gelaufen sind? Dass ich jetzt, wenn in China ein Sack Reis umfällt, derart in Panik geraten muss?

Nebenbei, es hieß ja dann auch, dass es schon Ende Mai im gleichen Wertstoffhof gebrannt hatte. Damals war die Feuerwehr vier Tage im Einsatz, bevor das Feuer gelöscht werden konnte. Ursache für den Großbrand seien Lithium-Ionen-Akkus.

Was ich da nicht verstehe. Heute hatte ich an meiner Grünen Tonne einen Zettel in grell Orange mit der Aufschrift „Falsch beladen“. In der Tonne waren nur Grünabfälle! Ja, es kann sein, dass der Kunde, ich, die Kundin – ich bezahle ja Geld dafür, dass meine Mülltonnen gelehrt werden -, dass der Kunde die Grünabfälle stark gepresst hat. Dann muss eben noch einmal maschinell gerüttelt werden oder wie man das nennt. Vielleicht sogar mit Arbeitshandschuhen einmal Hand angelegt werden. Ich muss ja auch, wenn ein Schüler es beim ersten Mal nicht kapiert, es ihm noch einmal erklären. Ich muss ja auch ein zweites Mal in meiner Freizeit (!) mit Schülereltern sprechen, wenn die beim ersten Mal meine Ansagen nicht verstanden haben. In der Zeit, in der ich meinen Müll sortiere, die Grünabfälle möglichst täglich durchtöftel, damit sie beim ersten Versuch sofort herausfallen. In genau der Zeit brennt wieder eine Halle bzw. sind Mitarbeiter der Entsorgungsbetriebe in Lebensgefahr ob besagter Lithium-Ionen-Akkus von Einwegzigaretten.

Und ich sitze da und überlege, wie soll ich es dir erklären, ja, ich habe tatsächlich in meiner Verzweiflung überlegt, die alte Knopfbatterie einfach runterzuschlucken. Aber, ja, lach nicht so blöde, hab ich sofort auch realisiert, dass die unten bei mir. Und dann in den Kreislauf, welch Katastrophe! Was für eine Lobby steckt hinter den E-Zigaretten? Es ist doch so einfach: Den Verkauf verbieten, solange das Pfandsystem nicht geregelt ist. Und das Pfand ist so teuer, dass man die leere Zigarette eben nicht in den Müll schmeißt.

Übrigens, die Gartenhandschuhe trage ich nicht zum Unkrautjäten. Erstens, weil mein Traummann das übernommen hat, das Unkrautjäten. Und zweitens, die sehen so stylisch aus, die trage ich ganz normal im Alltag.

Mittwoch, 30. Juli 2025

Endlich Wie-Ei-Pie!


Wo ich ja letztens in einem Hotel in Leuven war. Du erinnerst dich? Die Sache mit der Honesty Bar? Als wir an unserem Abreisetag ganz, ganz früh, du kennst mich. Je früher am Tag, desto weniger Mensch in der Natur. Desto weniger Mensch, der da stört. Mein Traummann und ich also auf dem Hotelparkplatz, ganz früh, 7:00 Uhr vielleicht. Auf dem Parkplatz gibt es extra eine Parkbucht für riesige Dodge-Geländewagen. So einer stand da auch drauf, fein in dem für ihn markierten Platz. Hinter ihm ein normaler Parkplatz, auf dem ein normaler roter PKW stand. Was die Parkplatzmarkierer offensichtlich nicht bedacht haben: Um ausparken zu können braucht solch Gefährt weit mehr Rangierfläche als ein normaler PKW. Und der fehlte an diesem frühen Morgen, weil wirklich alle Parkplätze belegt waren. Offensichtlich waren der SUV-Fahrer und wir beide Frühaufsteher. Als der Mann uns kommen sah, fragte er, ob uns das hinter ihm parkende rote Auto gehöre. Ich verneinte und wurde gewahr, dass der Hotelparkplatz so was von eng war, dass der Fahrer nur den Parkplatz verlassen konnte, wenn der rote PKW dort nicht stünde. Ich hätte so gerne gewusst, wie das ausgegangen ist: Wecken die an der Rezeption den Fahrer des roten PKW mitten „in der Nacht“ oder wartet der SUV- Fahrer fein geduldig, bis der Langschläfer sich um 10:00 Uhr am Frühstücksbuffet sehen lässt?

So, jetzt aber. Ich weiß, du sitzt schon auf heißen Kohlen. Ich hab mal im Internet geschaut. Da gibt es ja so was von nette Synonyme für "auf heißen Kohlen sitzen". Da liest du ungeduldig warten oder einer Sache entgegenfiebern. Man kann aber auch sagen, dass man sich wie auf glühenden Kohlen fühlt oder auf die Folter gespannt wird.

Ich will aber gerade noch, ich muss dich aber gerade noch etwas fragen, was mir schon seit Tagen unter den Nägeln brennt. Da hieß es doch neulich in den Medien: Kartenzahler, wehrt euch gegen die Trinkgeld-Erpresser! Ob in Biergärten oder Bäckereien - es greift eine unverschämte Trinkgeld-Masche um sich. Bunte Felder auf dem Kartenleser sollen Kunden dazu umerziehen, auch ohne Serviceanstrengung einen Aufschlag zu zahlen – quasi für nichts! In der Bäckerei ist die Trinkgeld-Aufforderung für Kartenzahler eine Unverschämtheit, schreibt WELT-Autor Karsten Seibel. Man findet sie mittlerweile an der Kasse im Selbstbedienungsbiergarten genauso wie in der Bahnhofsbäckerei. Wer sich bei Frühlingstemperaturen ein Bier holt oder kurz vor dem Sprung in den Zug noch ein Brötchen kaufen will, wird dort jäh gestoppt, wenn er bargeldlos zahlen will: durch bunte Felder mit Prozentzahlen auf dem Bildschirm des Kartenlesegeräts, die automatisch auf den Preis aufgeschlagen werden. Mit etwas Glück ist die niedrigste Zahl eine Fünf, wer Pech hat, muss mindestens eine Zehn drücken, um seinen Kauf abschließen zu können. So, jetzt frage ich dich: Ist das ein Witz, dass es Bäckereien gibt, die von mir Trinkgeld haben wollen oder ist das eine Fake-Nachricht? Ich hab mal geschaut, den Karsten Seibel gibt es. Weil, du erinnerst dich. Ich hatte mich ja schon so was von aufgeregt, dass die mir in der Bar im Hotel im Hamburger Hochbunker die Maschine hingelegt hatten mit der 20%-Trinkgeld-Voreinstellung. Aber das wäre ja noch mal um einiges dreister!

Weil, gut, ich bin zwar mittlerweile eine VIP, aber das macht mich natürlich nicht automatisch reicher. Status, ja, Selbstwertgefühl, unbenommen, aber Geld hängt da keins dran. Was ich mir jetzt wohl auch überlegt habe, ich mein, die anderen machen das ja auch. Drängen dir ihre Visitenkarte auf, nur damit du auch mitkriegst, dass sie Doktor Hastdunichtgesehen sind. Oder sie wollen dir ihr Von unterjubeln. Also ich denke, diese kleine Investition werde ich tätigen, es macht einfach was her, wenn ich jemandem meine Karte überreiche – vielleicht in Goldprägung: Adelheid Bennemann – VIP-Leserin. So, jetzt weißt du es. Ja, ich bin VIP-Leserin meines SCHAUFENSTERS. Und ich bin stolz darauf – wie Isabell K. Sie sagt: „Jeden Dienstagmorgen bekomme ich eine E-Mail. Da brauche ich bloß auf den passenden Link zu

Klicken: Zeitung erhalten, alles klar.“

Wo ich gerade bei VIPs bin. Neulich waren mein Traummann und ich wieder mal mit dem Rädchen unterwegs, am Rhein entlang, Richtung Siebengebirge. Da gibt es nämlich ein Weinhaus, das offensichtlich alle kennen, nur wir nicht. Da kannst du drinnen im alten Gemäuer sitzen, es gibt aber auch hinten raus draußen viele überdachte Sitzplätze. Also quasi überdachter Weingarten. Wir hatten nicht reserviert, drinnen wurde  gespeist, wir wollten nur ein Weinchen trinken. Klar war das für uns in Ordnung, „draußen“ zu sitzen. Obwohl, und das muss man ganz klar sagen, es ist ja gerade das Mobiliar, das ganze „Old-school-Interieur, das die Atmosphäre indoor ausmacht. So, jetzt pass auf. Kurz nach uns kam ein älteres Ehepaar, das sich auch nach „draußen“ setzte, nicht weit von uns entfernt. Aber nicht weil es wollte, sondern weil es musste. Jetzt fragst du, woher ich das weiß? Hallo, mein Traummann und ich haben natürlich sofort alles Reden eingestellt und die Ohren neugierig gespitzt. Ist doch klar. Weil, das bisschen, was wir zwei Hübschen uns noch zu erzählen haben, hat ja Zeit. Also der Chef. Ob es der Chef war, weiß ich natürlich nicht. Es war aber jemand, der das Paar kannte, an dessen Tisch kam und beide mit Handschlag begrüßte. Und – ich sagte dir, meine Ohren so was von nah dran am Gespräch – es ging sich um „eigentlich gerne drinnen sitzen, tut mir leid, alle Tische belegt, wirklich schade, zieht hier auch leicht, nächstes Mal, versprochen“. Der alte Mann war sichtlich leicht verstimmt, not amused. Du weißt genau, was ich meine – Stichwort Stammkunde. Stell dir vor, du bist Stammkunde und musst trotzdem draußen sitzen. Und wenn du durch das Fenster schaust, siehst du, wer wirklich bevorzugt behandelt wird. Du jedenfalls nicht! Die Sache ist doch die, wie beschränkt oder egozentrisch bist du? Wie wichtig nimmst du dich, wenn du solch eine Situation thematisierst? Ist dir nicht klar, dass es viele Gäste gibt, die wie du häufiger kommen? Mit denen der Gastronom als guter Gastgeber und zum Zwecke der Kundenbindung das ein oder andere Wort wechselt.

Was mich jetzt interessieren würde. Wenn ich da schon eine VIP gewesen wäre und denen das gesagt hätte, ob die vielleicht dann doch unter Aufbietung aller Kräfte versucht hätten, für uns drinnen noch zwei Plätze zu organisieren. Das Unmögliche möglich gemacht hätten und uns drinnen hätten Platz nehmen lassen. Da hätte der ältere Herr aber dumm aus der Wäsche geguckt!

Donnerstag, 3. Juli 2025

VIPs inkognito

 

Ich weiß, hatte ich versprochen. Dir zu erzählen, wie ich es jetzt doch noch zur VIP geschafft habe. Aber Geduld. Jetzt musstest du so lange warten, da kommt es auf die paar Minuten auch nicht mehr an. Erst noch etwas zu meiner neuen BankCard. Du erinnerst dich? So was von nachhaltig, so was von aus 100% recyceltem PVC, der Kartenkörper! Was in dem Schreiben meiner Bank auch noch stand: Laut Elektro- und Elektronikgerätegesetz ist diese Karte ein Elektrogerät und darf nicht im Hausmüll entsorgt werden. Daher geben Sie diese bitte zerschnitten bei einer geeigneten Sammelstelle für Elektrogeräte ab. Die Adresse erhalten Sie von Ihrer Kommunalverwaltung. Wusste ich nicht, dass meine BankCard ein Elektrogerät ist. Deshalb, frag mich besser nicht, wie ich bis jetzt meine BankCards entsorgt habe.

So, jetzt aber, jetzt habe ich dich aber lange genug auf die Folter gespannt. Du weißt ja bereits, dass ich, seitdem ich eine VIP bin, so was von ganz anders durchs Leben gehe. Ich denk mir, dass ich das auch ausstrahle. Ja, doch, das macht etwas mit mir. Ich bin der festen Überzeugung, wenn ich damals schon im Bonner Kunstmuseum diese Ausstrahlung gehabt hätte, vielleicht. Aber komm, Schnee von gestern. Du weißt ja, ein Gläschen Prosecco für mich, und schon sehe ich die Welt mit anderen Augen – vor allem aber die Kunstwerke. Egal, was da an der Wand hängt – wahnsinnig schön! So auch in einer Galerie in Meckenheim: Ein Gläschen Winzersekt und schon bin ich total begeistert. Nein, Spaß beiseite, tatsächlich eine tolle Ausstellung: „Squaredance“ in der Galerie FIRLA. Kannst du dir noch bis zum 13.Juli anschauen!

Wo wir aber auch so was von lieb behandelt wurden. Horch: Letztens hatten mein Traummann und ich Hochzeitstag. Und wo haben wir den zelebriert? Richtig, back to the roots! Zu den Ursprüngen, zum Anfang. Da wo fast jeder Student einmal in seinem Leben in Bonn gewohnt hat. Richtig, in der Altstadt. Wobei ich jetzt gar nicht sagen kann, ob das mit heutigen Maßstäben überhaupt als Wohnen bezeichnet werden kann. Ich geb dir mal Beispiel. Ach, weißt du was, ich geb dir einfach mal den Link dazu. Ich hab da nämlich vor langer Zeit schon mal drüber geschrieben: „Mobildusche oder Frankenbad - das war damals die Frage“. Das war das eine, das andere aber war das Etagenklo, das ich mit meinem Traummann und zwei anderen MÄNNERN teilte! Die dann Feten feierten – mit anderen Männern –, die sich nicht alle zum Pinkeln setzten! Der Knüller: Es gab keine Bodenfliesen sondern Holzdielen – mit Zwischenräumen, mit Ritzen! Du willst gar nicht wissen, was da für Leben in der Bude war! Muss ich noch mehr beschreiben oder hast du genug Kopfkino? Wie komm ich drauf? Richtig, Altstadt, unser Hochzeitstag, auf den wir im Pawlov angestoßen haben. Kennst du bestimmt: Egal wann du da an der Ecke Heerstraße / Dorotheenstraße vorbei radelst, egal welche Jahreszeit, welche Temperaturen – da sitzen immer Menschen draußen, gefühlt seit Jahrhunderten. Wir auch an unserem Hochzeitstag. Und wie wir da draußen an „unserem“ Zwei-Personen-Tischchen bei einem Kaltgetränk sitzen und mit der Kellnerin ins Gespräch kommen, ihr sagen, dass wir unseren Hochzeitstag feiern – direkt gab es noch für meinen Göttergatten und mich ein Glas Sekt aufs Haus. So kann es auch gehen.

Wobei ich das ja mit dem Sekt respektive Prosecco nicht gar so eng nehme: Jetzt, zu dieser Jahreszeit gerne auch mal ein Glas Rosé. Und da weiß ich jetzt nicht, wie das XIAO das erfahren hat, dass ich darauf voll abfahre (ich meine das bitteschön metaphorisch!). Vielleicht hat es auch mit meinem neuen VIP-Status zu tun, dass die mich kennen. Weil, neulich lese ich doch in meinem SCHAUFENSTER folgende Lettern: XIAO-News – Brunch-Genuss & Rosé-Sommer. Ab 25. Mai Sonntags-Brunch / Frühstück & jeden Dienstag all you can drink Rosé-Wein im Buffet-Preis inklusive. Hallo, ich natürlich sofort am Start von wegen Tischreservierung und so, bis mir plötzlich einfiel. Holla, die Waldfee! Ich mein, das muss sich ja schon lohnen, das mit dem Rosé gratis. Wenn ich dann aber dienstags danach auf meine Schüler treffe. Ich habe deshalb nach reiflicher Überlegung  davon Abstand genommen. Gut, meine Schüler im besoffenen Kopf zu erleben – also nicht die mit besoffenem Kopf sondern ich: hätte schon seinen Reiz! Aber die Gefahr, dass mir da die Hand zu locker sitzt und ich dem ein oder anderen eine pfeffere – zu groß! Aber toll vom XIAO finde ich es allemal. Und die Sommerferien stehen ja vor der Tür!

Apropos Rosé. Neulich waren mein Traummann und ich in Belgien, in Limburg, im Städtchen Leuven unterwegs. Ich komm deshalb drauf, weil es da im Hotel eine sogenannte Honesty Bar gab. Hatte ich bis dato noch nicht gehört, aber schau, ich hab mal für dich ins Internet geschaut: Eine Honesty Bar, auch Vertrauensbar genannt, ist eine Bar, an der sich Gäste selbst bedienen und die konsumierten Getränke und Snacks eigenständig auf einer Liste notieren oder in eine Kasse legen. Die Bezahlung erfolgt in der Regel beim Auschecken oder nach eigenem Ermessen. Sie ist ein Konzept, das auf Vertrauen zwischen Gast und Gastgeber basiert. Jetzt weißt du auch, warum ich so was bis jetzt nicht kannte. Genau, da wo wir sonst absteigen, kannst du dich nicht verlassen, dass die Gäste, du weißt, was ich meine. Ja, ich gebs zu, das Hotel war ausnahmsweise ein klein wenig edel. Deshalb diese Honesty Bar. Wobei ich es so ganz nicht verstehe. Weil es ja doch oft auch heißt, dass gerade die Reichen. Also, dass die nicht umsonst reich geworden sind. Egal. Wie auch immer, in der Bar gab es verschiedene Biersorten in Flaschen im Kühlschrank. Mein Mann sich eine Flasche und ein Glas genommen und auf einem Zettel mit vorgefertigter Liste einen Strich hinter Bier gemacht. Gedacht war es so, dass man für jeden Tag einen Zettel mit Datum und Namen ausfüllt. So, und jetzt aber. Ich entschied mich für ein Glas Rosé. Die 0,75 l Weinflaschen standen angebrochen bzw. unangebrochen in der Bar in einem kleinen Kühlschrank. Und ich – und jetzt musst du dich in mich hineinversetzen. Weil, da stand auf dem Zettel „ein Glas Wein“. Was ist denn ein Glas Wein? Oder besser gefragt: Wie viel ? Ich habe dann kurz in die Höhe geguckt und nach einer Video-Kamera gesucht. Und keine gesehen. Und bin deshalb, ja, du kannst es dir schon denken, davon ausgegangen, dass ein Glas 0,2 l Wein bedeutet – oder 0,25 l. Und manchmal kannst du es ja auch nicht so genau bemessen – beim Einschütten.   

Jetzt bin ich heute auch wieder nicht dazu gekommen, dir zu erzählen, wie ich eine VIP geworden bin. Schade, nächstes Mal aber, versprochen!

Mittwoch, 11. Juni 2025

Fässer voller Sekt wäre mir lieber

 

Eigentlich wollte ich ja heute nur über Schönes reden – nach all dem Müll von letztem Mal. Keine Chance! Schau mal, was ich da noch habe. Folgende Lettern in meinem SCHAUFENSTER: 60-Liter Fässer mit Lösungsmitteln entsorgt. Auf einem Parkplatz in Dransdorf waren 15 illegal entsorgte, rostige Metallfässer entdeckt worden. Welchen Inhalt die Fässer hatten, war zunächst nicht klar. Mitarbeitende des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) untersuchten – unterstützt von Feuerwehr und Ordnungsdienst der Stadt Bonn – in Schutzanzügen die Metallfässer. 12 der 15 Fässer waren mit Lösungsmittel befüllt, das zum Teil bereits ausgehärtet war. Von den Fässern und deren Inhalt ging keine Gefahr aus. Der Einsatz wurde erfolgreich beendet. Mal ganz davon abgesehen, wie viel Manpower da stundenlang gebündelt war. Welcher Asi kommt denn bitteschön auf die Idee, seine Fässer dort zu entsorgen?

Und auf der anderen Seite hast du mich. Ich erhielt per Post ein Schreiben mit meiner neuen BankCard. Du machst dir keine Vorstellung davon, wie unglaublich erleichtert ich war. Denn vorausgegangen waren etliche Tage des Bangens. Unzählige Tage waren ins Land gegangen, an denen ich voller Hoffnung in den Briefkasten geschaut hatte. Und immer wieder diese herbe Enttäuschung, dass wieder kein Schreiben meiner Bank in Selbigem lag. Aber dann endlich die Erlösung. Hieß es doch in dem Begleitschreiben meiner Bank: Ab sofort ist Ihre Karte nachhaltiger, da der Kartenkörper aus 100% recyceltem PVC besteht (Kartenkörper, tolles Wort! Nebenbei, Bahnkörper ist auch ein tolles Wort. Kennst du, an der Straßenbahn: Lebensgefahr - Betreten des Bahnkörpers verboten. Ich denke oft, bis der ein oder andere überhaupt verstanden hat, von welchem Körper die Rede ist, ist er schon längst überfahren worden.). Aber zurück zu mir, was für eine Erlösung! Da fiel mir aber so was von ein Stein vom Herzen. Weil, ich gebe ehrlich und unumwunden zu, dass mir das so was von unzählige schlaflose Nächte bereitet hatte, dass der Kartenkörper meiner alten BankCard nicht aus 100% recyceltem PVC bestand. Und jetzt das! Welche Erleichterung, welche Freude! Stutzig, vielmehr ein wenig unruhig, machte mich aber das klitzekleine Sternchen oben rechts hinter dem Großbuchstaben C. Ich natürlich sofort ganz aufgeregt weiter unten das Sternchen gesucht und gefunden. Dort stand geschrieben: Bitte beachten Sie, dass sich die Recyclingangabe nicht auf die weiteren Elemente wie z. B. Chip, Magnetstreifen oder Unterschriftstreifen bezieht. Welch Wechselbad der Gefühle: Gerade noch so was von im siebten Himmel, dass du auch im Hinblick auf deine BankCard so was von auf der sicheren Seite bist, und dann eben doch nicht so ganz.

So, jetzt aber, ganz anderes Thema: Ich bin ja neuerdings eine VIP. Endlich! Wenn ich bedenke, wie lange ich darauf hingearbeitet habe. Wie viele Rückschläge ich habe einstecken müssen, aber jetzt ist es soweit: Ich bin eine VIP! Wie oft ich schon knapp davor war, eine VIP zu sein, Hoffnung geschöpft habe, und dann wieder große Enttäuschung, alles umsonst. Erst neulich, umsonst. Also ohne dass es etwas gekostet hätte, wäre es zwar nicht gewesen, Aber was tut frau nicht alles, wenn sie sich erst einmal etwas in ihr Köpfchen gesetzt hat. Wo ich wieder mal die Chance hatte, eine VIP zu sein, da hieß es in meinem SCHAUFENSTER: Ein Tag! Eine Insel! Eine Party! Partyfans aufgepasst: Mit dem Inseltanz in der Rheinaue startet eine neue Ära der ausgelassenen Partys. Erlebt die Mallorca-Stars live. Ich kannte keinen dieser Stars aber, horch. Jetzt kommts: Wer es beim Inseltanz so richtig krachen lassen möchte, der bucht am besten gleich das „VIP-Inseltanz Package“. Darin enthalten sind der Zugang zur exklusiven VIP-Insel mit bester Sicht, Begrüßungscocktail, Open Bar mit Sekt und Wein. Als ich ein Ticket erwerben wollte, ausverkauft.

Wo ich aber gerade wieder bei Sekt, Wein und Begrüßungscocktail bin. Wo ich auch so was von gerne VIP gewesen wäre. Neulich lag in meinem Briefkasten eine Einladung des Kunstmuseum Bonn. Eingeladen wurde zur Eröffnung der Ausstellung „Heimweh nach neuen Dingen – Reisen für die Kunst“. Und da muss ich jetzt schon sagen, da habe ich eher Fernweh nach den alten Dingen. Ich habe mich an einem Mittwoch mit dem Rädchen aufgemacht und war 20 Minuten vorher da. Um 19 Uhr sollte es losgehen. Hatte also noch genügend Zeit, weil ich kannte das eigentlich so: Damit die Bude voll ist und alle den Rednern aufmerksam folgen, darf sich jeder auf ein Gläschen Prosecco einstellen. Egal wie lange der Redner redet, selbst wenn er es sich nicht nehmen lässt, das Leben des Kunstschaffenden von Tag 1 an zu beleuchten. Oder der andere Redner ohne Rücksicht auf Verluste jedes einzelne Kunstwerk, und seien es noch so unbedeutende Skizzen, zu besprechen. Von deiner Seite kein Gejammer. Du wusstest, auf was du dich einlässt und hast es über dich ergehen lassen – mit einem Gläschen Prosecco in der Hand. Und meist war es auch das zweite Gläschen, an dem du dich festgehalten hast. Klassische, wie sagt man heutzutage, Win-Win-Situation eben.

Neulich im Kunstmuseum hätte ich auch ein Glas Prosecco trinken können, aber ich hätte es kaufen müssen! Hallo! Im Foyer beobachtete ich eine Frau, die sich mit dem Fotografen und anderen Verantwortlichen unterhielt, wer denn wohl wer sei. Ich hörte sie fragen, ob ihnen dieser und jener Besucher im Foyer bekannt sei. Es ging eindeutig darum, wer denn ein wichtiger Besucher ist, wer eine very important person ist. Denn, jetzt kommts. Hatte man sich besprochen, wer persönlich begrüßt werden sollte, steuerte sie auf Selbige zu. Begrüßte die Gäste, und jetzt horch, und gab ihnen eine Art Getränkebon, ein kleines Zettelchen mit etwa folgenden Worten: „Wie freuen uns, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben. Gerne können Sie sich an der Bar ein Glas Wein oder Prosecco holen.“ Da vermisse ich doch bitteschön die guten alten Zeiten, auch wenn die Ausstellung „Heimweh nach neuen Dingen“ heißt. 

Da fällt mir ein, ich hatte dir ja gesagt, dass ich es aber mittlerweile anderweitig geschafft habe, eine VIP zu werden. Erzähl ich dir nächstes Mal. Nur so viel: Ich gehe ganz anders durchs Leben.

Mittwoch, 21. Mai 2025

Wer hat meinen Koffer?

 

Neulich hatte ich ja die neuen blauen Altpapiercontainer zwischen. Tolles Foto dazu, oder? Der Hammer, oder? Hatte nichts mit meinem Artikel zu tun, weiß ich selber. Fand ich aber so was von toll, was da die Kreativen kreiert haben. Und, immerhin hieß die Überschrift ja „Welch ein Blau“.

Du glaubst gar nicht, wie es mir immer wieder in den Fingern juckt, wenn ich mit meinem Fahrrädchen über die Brücke von Auerberg nach Tannenbusch fahre: Jedes Mal möchte ich wieder Fotos machen, von dem ganzen Müll, der sich da AUßERHALB, zwischen und neben den Müllcontainern ansammelt, und zwar immer wieder aufs Neue. Wo ich aber gerade wieder dabei bin. Neulich folgende Lettern in meinem SCHAUFENSTER: Gefährliche Fehlwürfe. Gerade hatte ich mich von meiner Radon-Panikattacke erholt, und jetzt das. Welche Gefahr drohte jetzt schon wieder? Aber schon in der zweiten Zeile Entwarnung – dachte ich. Weil, es las sich: Was gehört wirklich in die Gelbe Tonne? Horch! Brandgefährlich: Geraten ausgediente Akkus und leere Batterien in die Gelbe Tonne schadet das nicht nur der Umwelt. Unter Druck, zum Beispiel im Entsorgungsfahrzeug oder der Sortieranlage, können sie in Brand geraten und Menschen gefährden. Oder, gebrauchte Windeln müssen im Restmüll entsorgt werden. Landen sie in der Gelben Tonne, verschmutzen sie die dort gesammelten Verpackungen so stark, dass sie nur schwer recycelt werden können. Während ich mir diesen relativ langen Artikel durchlas, wieder und wieder derselbe Gedanke: Wer, bitteschön, liest sich das durch? Derjenige, den es betrifft? Derjenige, der vollgeschissene Windeln in die Gelbe Tonne schmeißt? Der auf der Brücke immer und immer wieder seinen Müll ablädt?

Weiter ging es in diesem Artikel mit praktischen Tipps. Verpackungen stapeln? Das spart zwar Platz, erschwert aber die Arbeit der Sortieranlagen. Besser: Joghurtbecher und andere Verpackungen nicht ineinander stapeln, Getränkekartons flachdrücken und entsorgen.

Hallo, natürlich stapele ich aus demselben Grund, warum ich die Getränkekartons flachdrücke, die Joghurtbecher ineinander. Um Platz zu sparen! Um nicht alle naselang den Müllbeutel wechseln zu müssen! Damit das Volumen der Gelben Tonne bis zum nächsten Abfuhrtermin reicht! Leute, ich weiß noch, wie ich früher meine Brut zusammengestaucht habe, wenn sie achtlos die Buttermilch- und Joghurtbecher nicht ineinander gestapelt hat. Und jetzt lese ich das. Ich merke, dass ich da jetzt raus bin. Ich, Sklavin der Sortieranlage. Und dann das heikle Thema Senftuben- und Waschmittelflaschendeckel. Weil die meist aus anderem Material als die restliche Verpackung sind, soll man die getrennt voneinander in die Gelbe Tonne entsorgen. Ich habe nach der Lektüre dieses Artikels bei meinem Arbeitgeber schon mal vorsorglich um Stundenreduzierung gebeten. Weil, anders schaffe ich das Pensum, das Mülltrennungspensum nicht mehr.

Wo ich gerade mal wieder beim Thema Müll bin. Bei einem Thema, von dem ich glaube, dass die Menschen, die sich diese Lettern reinziehen müssten, sich einen Scheiß drum kümmern, wie sie ihren Müll richtig entsorgen. Bei einem Thema, wo ich mir so was von Mühe gebe, und es offensichtlich noch immer nicht genug ist. Mit welchem Thema ich aber so was von nichts zu tun habe, mich so was von nicht angesprochen fühle. So liest es sich in den Medien: Umweltbelastungen - Textil-Konsum in der EU auf Rekordniveau. Fast-Fashion ist noch immer angesagt in der EU. Die Menschen in der Europäischen Union verbrauchen so viel Kleidung, Schuhe und andere Textilien wie niemals zuvor! Das schreibt die Europäische Umweltagentur EEA in einem neuen Bericht. Demnach kauften die EU-Bürger im jüngsten Vergleichsjahr 2022 durchschnittlich schätzungsweise 19 Kilogramm an Textilien, darunter 8 Kilogramm an Kleidungsstücken, 4 Kilogramm an Schuhen sowie 7 Kilogramm an Haushaltstextilien. 2019 habe die Gesamtmenge noch bei 17 Kilogramm gelegen. Der Textilkonsum bringt nach EEA-Angaben hohe Belastungen für die Umwelt und das Klima mit sich, etwa durch den Verbrauch von Materialien, Wasser und Landfläche, aber auch in Form von Emissionen, Chemikalien und Mikroplastik. Der Bericht zeige, dass Politik, Industrie und Verbraucher ihren Beitrag leisten müssten, damit Europa von schneller Mode abrücke und bessere, langlebigere Textilien hergestellt würden, die wiederverwendet, repariert und recycelt werden könnten. Innovationen hin zu einer Kreislaufwirtschaft könnten letztlich auch zur Wettbewerbsfähigkeit der EU beitragen, heißt es in dem Bericht. Insgesamt sind demnach in den 27 EU-Mitgliedstaaten 2022 rund 6,94 Millionen Tonnen Textilmüll erzeugt worden. Das entspricht gut 16 Kilogramm pro Person. Ein Problem sehen die Umweltexperten darin, dass noch immer viel zu viele weggeworfene Textilien im gemischten Hausmüll landen statt im Recycling-Müll: In dem Vergleichsjahr wurden 85 Prozent aller Textilabfälle aus Haushalten nicht getrennt gesammelt. Ich habe dir extra den Text nicht gekürzt! J

Hallo, das heißt für jeden Bürger einen großen Reisekoffer voll Kleidung! Jedes Jahr! Und was der Knüller ist, ein Bürger schleppt hier gleich mal zwei Koffer: nämlich meinen mit. Und was da jetzt mein Problem ist. Ich habe ja mittlerweile nur noch ein Projekt (neben dem Mülltrennprojekt), an dem ich jeden Tag so was von hart arbeite. Deshalb haben sich ja eben auch meine anderen Projekte mittlerweile nur noch auf dieses eine reduziert. Weil es eben täglich harte Arbeit ist. Das kannst du nicht mal nebenbei machen. Das erfordert deine ganze Kraft und Energie. Vor allem aber Humor, so viel wie geht. Genau, das Projekt heißt. Weißt du, auf der einen Seite hast du die Menschen, die ihren Müll einfach in die Natur schmeißen, die vollgeschissene Windeln in die Gelbe Tonne schmeißen, ihre Kippen unter sich fallen lassen. Und auf der anderen Seite bin ich den ganzen Tag damit beschäftigt, den Müll richtig zu trennen. Ich vergaß, dir mein Projekt zu nennen: Den Humor nicht zu verlieren. Keine fiese alte Frau zu werden!

Wo es ja gerade um Recycling und Müll ging. Hallo, schau dir doch bitte noch mal das Foto vom vorigen Beitrag an. Ist das nicht toll?

Donnerstag, 1. Mai 2025

Oh, welch BLAU!

 

Was ja auch das Tolle ist. Wenn du mal das dringende Bedürfnis hast, mit jemandem zu reden, und es steht gerade keiner für ein Gespräch parat. Klöppel einfach eine Frage in die Maschine. Hab ich neulich getan. Meine Frage: „Wie benutzt man ein Stück Seife?“ Und die Antwort der KI: „Die Anwendung einer Stückseife. Reibe die feuchten Hände oder die nasse Haut mit der Seife ein. Verteile den Schaum auf der Haut oder schäume sie direkt mit der Seife ein. Bei der Körperwäsche kannst Du einen Waschlappen oder -schwamm verwenden, massiere die Haut sanft damit. Spüle die Seife mit reichlich Wasser ab.“ Weisse Bescheid, Schätzelein.

Apropos KI . Was Selbige betrifft – noch ganz viel Luft nach oben. Du hast doch ein Handy, oder? Und damit machst du Fotos, oder? Und meine Maschine sortiert, wählt aus und schlägt mir eine Bildersammlung vor: „Die schönsten Momente“: Fotos von zerwühlten Schränken und aus den Angeln gerissenen Schubladen – vom  Einbruch in unser Haus. Also offensichtlich meint die KI, wovon ich viele Fotos mache, das hat mir ganz dolle gefallen.

Das nur so am Rande. Letztens mein SCHAUFENSTER – so viel Interessantes auf einem Haufen, der Wahnsinn! Gleich auf der Titelseite ein Foto mit den unfasslich gut aussehenden. Ich meine, auch wenn es nicht drüber gestanden hätte, du hast es sofort gesehen: dieses Blau! Dazu das stark kontrastierende Rot. Dieses neue Design! Gut, nach über 30 Jahren ist der Lack natürlich ab. Da kann dein Mann dich noch so sehr auf Händen getragen haben. Und natürlich musst du mit der Zeit gehen, dich den aktuellen Herausforderungen stellen. Selbst wenn du meinst, es geht noch. Tut es aber eben nicht! Die alten (ich hatte ganz vergessen, wovon die Rede ist.), die alten Altpapiercontainer hatten eine vertikale Strebe in der Mitte, an der sich größere Kartons verkannten konnten. Nun sorgt ein neuer Mechanismus für eine bessere Nutzung des Container-Volumens. Konntest du auf der Titelseite lesen. Was mich wohl so was von erstaunt hat, weiter hieß es nämlich. Dennoch betont Richard Münz, Geschäftsleiter für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung: „Es bleibt wichtig, Kartons vor dem Einwurf (nicht nach dem Einwurf!) zu zerkleinern, um das Volumen optimal auszunutzen.“ Ein weiteres Novum ist die neue großflächige Beklebung der Container. Sie informiert die Bürger über richtige Nutzung, verbietet Beistellungen und enthält einen QR-Code für weitere Informationen. Und was jetzt so was von lustig ist. Wobei, so darf ich das natürlich nicht schreiben. Hallo, ich darf mich bitteschön nicht über Blinde lustig machen. Das haben wir ja jetzt alle intus, über Menschen mit Behinderung macht man keine Witze! Egal, jetzt ist es raus. Was ich so witzig finde, über dem Artikel gibt es ein aktuelles Foto: Du siehst einen ultracoolen, supergeilen neuen Altpapiercontainer und daran angelehnt - einen großen Karton! Klar, es muss natürlich kein Mensch mit Sehbehinderung gewesen sein. Womöglich konnte der nur nicht lesen, oder war einfach nur strunzdumm oder eben einfach nur asozial.    

Auf der zweiten Seite meines SCHAUFENSTERS wurde es mir dann doch ein wenig blümerant. Ja, leicht flau wurde es mir, als ich den Artikel las. Aber vor allem das Foto! Da bekam ich es dann doch mit der Angst zu tun. Weil, so will man ja nicht, dass es einem ergeht. Gut, ich hatte davon schon mal gehört und mein Traummann, klar, auf dem neusten Stand. Die Lettern gingen schon so los: Man kann es nicht riechen, sehen oder schmecken. Da denkst du doch sofort an Kohlenmonoxid und Tod. Stutzig wurde ich allerdings, weil es hieß, dass es immer und überall vorkommt. Dass es über Undichtigkeiten im erdberührten Bereich ins Haus gelangen kann. Es las sich weiter: Diese Wegsamkeiten können Risse in der Kellerwand sein, aber auch nicht vollständig abgedichtete Durchdringungen von Gas, Wasser und Strom (Wegsamkeiten und Durchdringungen, wieder ganz tolle Wörter!). Plötzlich bei mir der pure Ekel, gefühlt kam Gewürm aus jeder Ritze! Was ich doch sehr eigenartig finde, weil heutzutage, ich sage nur Asbest, wo man doch so was von sensibilisiert ist. Steht doch in dem Artikel, dass Messungen in öffentlichen Liegenschaften wie beispielsweise Kitas oder Schulen die Ausnahme sind. Was ich absolut nicht verstehen kann. Weil, wenn du dir das Artikelfoto von dem Mann anschaust, das willst du doch auf keinen Fall, dass deinem Kind so etwas widerfährt. Zumal die Messung so was von einfach ist. In dem Artikel lautet es folgendermaßen: Die Radonbelastung im eigenen Haus kann durch eine Messung bestimmt werden. Der einfachste Weg hierzu sind Messungen nach DIN mittels sogenannter Exposimeter. Dies sind kleine Plastikdosen, die als Passivsammler (wieder ein tolles neues Wort für mich!) fungieren. Und rate mal, als ich meinem Traummann den Artikel zeige. Genau: „Hab ich mir schon vor Monaten schicken lassen und bei uns im Haus verteilt. In 12 Monaten schick ich die zurück und dann teilen die uns mit, wie hoch die Radonbelastung in unserem Haus ist.“ Deshalb hatte ich die noch gar nicht bemerkt, weil die so klitzeklein sind. Du kannst dir aber sicherlich vorstellen, wie aufgelöst ich war ob dieser langen Wartezeit auf das desaströse Ergebnis. Weil, klar, wegen dieses Portraits von dem Mann schaute ich jetzt natürlich stündlich in den Spiegel, ob sich da bei mir auch etwas im Gesicht tat. Diese bohrenden Fragen, ist es das Alter, einfach ein schlechter Tag, warum du so scheiße aussiehst. Oder ist mir der Radon-Verfall schon anzusehen? Ich deshalb, das SCHAUFENSTER in Händen haltend: „Schatz, was machen wir denn so lange? Ziehen wir in ein Hotel? Oder leben wir offenen Auges weiter in diesem Haus? Und was ist, wenn sie uns am Ende des Tages bescheinigen, dass die Werte erhöht sind? Weil, so wie der Mann hier möchte ich nicht enden.“ Darauf mein Göttergatte: „Schatz, ich gehe davon aus, dass unsere Werte nicht erhöht sind. Weil, wenn du den Artikel bis zum Ende gelesen hast, steht da, dass oftmals bei erhöhten Werten verstärktes Lüften reicht. Und du bist nicht nur die Königin des Lüftens, sondern auch des Stoßlüftens. Und von welchem Foto sprichst du?“ „Na schau doch mal das Foto unter der Überschrift ‚Die unsichtbare Gefahr im Blick’.“ Darauf mein Traummann: „Schatz, das ist, wie du unschwer hättest lesen können, der Mann, mit dem dein SCHAUFENSTER das Interview geführt hat. Das ist der Herr, der gemeinsam mit dem Amt für Strahlenschutz in Bonn dieses Forschungsvorhaben durchführt. Der sieht einfach so aus, wie er aussieht.