Mittwoch, 26. April 2017

Vom Stadthaus über die Skyline von Dubai bis hin zum Frankenbad

Was mir neulich mal wieder so ganz drastisch aufgefallen ist: Ich bin schon lange nicht mehr so richtig mit Genuss tief in das Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters eingetaucht. War schon lange nicht mehr "lost in paradise", im Einkaufsparadies. Eben noch offerierte mir mein Werbeblättchen Außenlichterketten und jetzt wird mir ein Kreativ-Frühjahr-Sommer-Bastelsortiment feilgeboten. Aber auch sonst, merke ich, hat sich zwischenzeitlich viel getan. Es gibt jetzt Mini-Backformen mit und ohne Pin. Bis ich das mal geschnaggelt hatte, dass das nichts mit einer Geheimnummer zu tun hat!

Oder Loafer. Ich las "bequeme Loafer" und dachte, dass da keiner noch mal drüber guckt, bevor so ein Werbeblättchen gedruckt wird. Es heißt ja wohl Läufer. Tut es nicht - so heißen. Ich hab dann mal wieder beim Inder im Netz vorbei- und auch reingeschaut und stellte fest, dass "to loaf" faulenzen, trödeln, herumlungern heißt. Nun frage ich mich, was ich dafür denn extra Schuhe brauche. Das kann ich doch auch ohne. Ich werde jetzt natürlich mal verstärkt draußen drauf achten, ob die Menschen, die so herumlungern, solche speziellen Schuhe tragen. Dann würde es ja schon helfen, wenn man die denen einfach auszöge. Zerrissen hat's mich allerdings erst beim Wort Pyramidenbeutel, "Wohlfühltee im Pyramidenbeutel" - hallo, geht's noch!

Wo ich gerade bei Pyramiden bin. In meinem Werbeblättchen lag auch ein Reklamezettel für Reisen. New York, Dubai, alles dabei. Ach, guck mal, dachte ich, in welchem Zusammenhang hab ich denn neulich Dubai gehört. Und dann fiel es mir wieder ein. Bei "Deutschland sucht den Superstar" kämpften die Bewerber um den Recall in Dubai. Ich weiß noch, wie ich damals dachte, was für eine atemberaubende Kulisse, was für eine atemberaubende Location, dieses Dubai mit seiner Skyline.
Und zur selben Zeit las ich in meinem SCHAUFENSTER die Lettern "Weltelite kommt nach Bonn": Am Wochenende treffen sich im Bonner Frankenbad die besten Synchronschwimmerinnen der Welt. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert hat sich der Wettbewerb zu einer festen Größe im Wettkampfkalender etabliert. Auch in diesem Jahr werden wieder zahlreiche Nationalmannschaften an den Start gehen. Spontan dachte ich, da fährt der ein oder andere Vollpfosten nach Dubai, und bei uns wird in einer abgeranzten Location die Weltleistungselite empfangen. Ich bin dann aber extra noch mal mit dem Fahrrad zweimal ums Frankenbad  gefahren - und kann's nicht fassen. Hallo, es sieht schlimmer aus, als ich es in Erinnerung hatte.
Vor gefühlt hundert Jahren habe ich in der Altstadt gewohnt. Damals hattest du für die Körperpflege drei Möglichkeiten. Entweder du hattest in deiner Altbauwohnung eine Mobildusche, oder du kanntest einen, der eine Mobildusche hatte, oder du gingst zur Ganzkörpersäuberung ins Frankenbad. Und in den letzten Jahrzehnten bin ich konsequent älter geworden - und das Frankenbad auch! Warum muss in solch einer Location die Weltelite empfangen werden? Das ist mir so was von peinlich. Apropos peinlich. Was mir auch peinlich wäre, ich kann nur hoffen, dass die Schwimmerinnen direkt vom Hotel gegenüber ins Hallenbad getrieben werden und hinter ihnen das Hallenbad abgeschlossen wird. Weil, wenn wir Pech haben, entdeckt die ein oder andere Wettkampfteilnehmerin, während sie sich die Füße vertritt, unsere Skyline, das Stadthaus.

Apropos Skyline und Location. Vielleicht hab ich's ja jetzt endlich klar im Kopf, dass ich
"Zum Lachen auf die andere Rheinseite" muss, wie mein SCHAUFENSTER einen Artikel überschrieb. Ich bin ehrlich, bis jetzt habe ich es noch nicht ein einziges Mal über den Rhein geschafft - zum Lachen. Aber in meinem Alter fängst du erst dann wieder ganz von vorne an, wenn nichts mehr vom Alten übrig ist. Wenn du genau weißt, dass alles in Schutt und Asche liegt - so wie jetzt mein Pantheon. Und um mich der Realität zu stellen, damit ich es auch nicht verdrängen kann, habe ich mich zum Spreng-Brunch einladen lassen und habe von einem Dach in der Südstadt der Sprengung beigewohnt. Und wie ich da so auf dem Dach hocke ...
Wir schreiben die Anfangsjahre der ersten alternativen Karnevalssitzung "Pink Punk Pantheon". Eine kabarettistische Parodie auf alkoholseligen Sitzungskarneval und Humba-Humba-Täterrää-Gemütlichkeit - und ich bin dabei. Anfangs ein absoluter Geheimtipp, der sich schon bald zur absoluten Kultveranstaltung entwickelt. Welch riesengroße Freude habe ich damals jedes Jahr empfunden, wenn ich nach langem Anstehen an der Vorverkaufskasse bei Hertie (!) Eintrittskarten ergattert hatte. Und wenn dann am Vorstellungstag nach Stunden des Wartens endlich die Türen geöffnet wurden, sich die Warteschlange in den Saal ergoss, man sich für den eindeutig besten Tisch entschieden hatte, welch Husarenstück!

Ja, und dann waren mein Traummann und ich einmal auf einer dieser 80er Partys, freitags nach der eigentlichen Veranstaltung. Also nach der allerletzten Zugabe, nachdem auch die letzten Zuschauer rausgeschubst, Tische und Stühle weggeräumt sind. Für meinen Traummann und mich also zu nachtschlafender Zeit. Einmal, vor langer Zeit, haben wir es durchgezogen und uns zum Tanzen aufgemacht. Und wieder eine lange Warteschlange! Was wir zwei Hübschen bis heute nicht verstanden haben: Alle mussten ihren Ausweis vorzeigen, nur wir nicht.

Irgendwann habe ich das Pantheon, die ehemalige Location, aus den Augen verloren - und jetzt ist es mir abhanden gekommen. Was ich mir jetzt so gedacht habe, als ich tags darauf am Zaun stand und auf den Schutt blickte: Das Pantheon war ja gar nicht im Hochhaus, sondern im Nebengebäude und da sogar im Keller. Hätte das da nicht einfach bleiben können? Egal, zu spät. Das neue Hochhaus wird auf jeden Fall viel höher und wird unsere Skyline so was von aufwerten.