Was mir neulich mal wieder so ganz drastisch aufgefallen
ist: Ich bin schon lange nicht mehr so richtig mit Genuss tief in das
Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters eingetaucht. War schon lange nicht
mehr "lost in paradise", im Einkaufsparadies. Eben noch offerierte
mir mein Werbeblättchen Außenlichterketten und jetzt wird mir ein
Kreativ-Frühjahr-Sommer-Bastelsortiment feilgeboten. Aber auch sonst, merke
ich, hat sich zwischenzeitlich viel getan. Es gibt jetzt Mini-Backformen mit
und ohne Pin. Bis ich das mal geschnaggelt hatte, dass das nichts mit einer
Geheimnummer zu tun hat!
Oder Loafer. Ich las "bequeme Loafer" und dachte,
dass da keiner noch mal drüber guckt, bevor so ein Werbeblättchen gedruckt
wird. Es heißt ja wohl Läufer. Tut es nicht - so heißen. Ich hab dann mal
wieder beim Inder im Netz vorbei- und auch reingeschaut und stellte fest, dass
"to loaf" faulenzen, trödeln, herumlungern heißt. Nun frage ich mich,
was ich dafür denn extra Schuhe brauche. Das kann ich doch auch ohne. Ich werde
jetzt natürlich mal verstärkt draußen drauf achten, ob die Menschen, die so
herumlungern, solche speziellen Schuhe tragen. Dann würde es ja schon helfen,
wenn man die denen einfach auszöge. Zerrissen hat's mich allerdings erst beim
Wort Pyramidenbeutel, "Wohlfühltee im Pyramidenbeutel" - hallo,
geht's noch!
Wo ich gerade bei Pyramiden bin. In meinem Werbeblättchen lag
auch ein Reklamezettel für Reisen. New York, Dubai, alles dabei. Ach, guck mal,
dachte ich, in welchem Zusammenhang hab ich denn neulich Dubai gehört. Und dann
fiel es mir wieder ein. Bei "Deutschland sucht den Superstar" kämpften
die Bewerber um den Recall in Dubai. Ich weiß noch, wie ich damals dachte, was
für eine atemberaubende Kulisse, was für eine atemberaubende Location, dieses
Dubai mit seiner Skyline.
Und zur selben Zeit las ich in meinem SCHAUFENSTER die
Lettern "Weltelite kommt nach Bonn": Am Wochenende treffen sich im
Bonner Frankenbad die besten Synchronschwimmerinnen der Welt. Seit mehr als
einem Vierteljahrhundert hat sich der Wettbewerb zu einer festen Größe im
Wettkampfkalender etabliert. Auch in diesem Jahr werden wieder zahlreiche
Nationalmannschaften an den Start gehen. Spontan dachte ich, da fährt der ein
oder andere Vollpfosten nach Dubai, und bei uns wird in einer abgeranzten
Location die Weltleistungselite empfangen. Ich bin dann aber extra noch mal mit
dem Fahrrad zweimal ums Frankenbad gefahren - und kann's nicht fassen. Hallo, es
sieht schlimmer aus, als ich es in Erinnerung hatte.
Vor gefühlt hundert Jahren habe ich in der Altstadt gewohnt.
Damals hattest du für die Körperpflege drei Möglichkeiten. Entweder du hattest
in deiner Altbauwohnung eine Mobildusche, oder du kanntest einen, der eine
Mobildusche hatte, oder du gingst zur Ganzkörpersäuberung ins Frankenbad. Und
in den letzten Jahrzehnten bin ich konsequent älter geworden - und das
Frankenbad auch! Warum muss in solch einer Location die Weltelite empfangen
werden? Das ist mir so was von peinlich. Apropos peinlich. Was mir auch
peinlich wäre, ich kann nur hoffen, dass die Schwimmerinnen direkt vom Hotel
gegenüber ins Hallenbad getrieben werden und hinter ihnen das Hallenbad
abgeschlossen wird. Weil, wenn wir Pech haben, entdeckt die ein oder andere Wettkampfteilnehmerin,
während sie sich die Füße vertritt, unsere Skyline, das Stadthaus.
Apropos Skyline und Location. Vielleicht hab ich's ja jetzt
endlich klar im Kopf, dass ich
"Zum Lachen auf die andere Rheinseite" muss, wie
mein SCHAUFENSTER einen Artikel überschrieb. Ich bin ehrlich, bis jetzt habe
ich es noch nicht ein einziges Mal über den Rhein geschafft - zum Lachen. Aber
in meinem Alter fängst du erst dann wieder ganz von vorne an, wenn nichts mehr
vom Alten übrig ist. Wenn du genau weißt, dass alles in Schutt und Asche liegt
- so wie jetzt mein Pantheon. Und um mich der Realität zu stellen, damit ich es
auch nicht verdrängen kann, habe ich mich zum Spreng-Brunch einladen lassen und
habe von einem Dach in der Südstadt der Sprengung beigewohnt. Und wie ich da so
auf dem Dach hocke ...
Wir schreiben die Anfangsjahre der ersten alternativen
Karnevalssitzung "Pink Punk Pantheon". Eine kabarettistische Parodie
auf alkoholseligen Sitzungskarneval und Humba-Humba-Täterrää-Gemütlichkeit -
und ich bin dabei. Anfangs ein absoluter Geheimtipp, der sich schon bald zur
absoluten Kultveranstaltung entwickelt. Welch riesengroße Freude habe ich damals
jedes Jahr empfunden, wenn ich nach langem Anstehen an der Vorverkaufskasse bei
Hertie (!) Eintrittskarten ergattert hatte. Und wenn dann am Vorstellungstag
nach Stunden des Wartens endlich die Türen geöffnet wurden, sich die
Warteschlange in den Saal ergoss, man sich für den eindeutig besten Tisch
entschieden hatte, welch Husarenstück!
Ja, und dann waren mein Traummann und ich einmal auf einer
dieser 80er Partys, freitags nach der eigentlichen Veranstaltung. Also nach der
allerletzten Zugabe, nachdem auch die letzten Zuschauer rausgeschubst, Tische
und Stühle weggeräumt sind. Für meinen Traummann und mich also zu nachtschlafender
Zeit. Einmal, vor langer Zeit, haben wir es durchgezogen und uns zum Tanzen aufgemacht.
Und wieder eine lange Warteschlange! Was wir zwei Hübschen bis heute nicht
verstanden haben: Alle mussten ihren Ausweis vorzeigen, nur wir nicht.
Irgendwann habe ich das Pantheon, die ehemalige Location,
aus den Augen verloren - und jetzt ist es mir abhanden gekommen. Was ich mir
jetzt so gedacht habe, als ich tags darauf am Zaun stand und auf den Schutt
blickte: Das Pantheon war ja gar nicht im Hochhaus, sondern im Nebengebäude und
da sogar im Keller. Hätte das da nicht einfach bleiben können? Egal, zu spät. Das
neue Hochhaus wird auf jeden Fall viel höher und wird unsere Skyline so was von
aufwerten.