Mittwoch, 10. Januar 2018

Ein Maschinengewehr kommt selten allein

Wie gerne hätte ich zu Beginn des Jahres mit etwas Lustigem begonnen, aber kaum hatte ich bei der Weihnachtsbaumentsorgungsaktion wieder mal sämtliche Tannennadeln im Haus fein verteilt, da jagte auch schon eine Aufregung die andere. Bis ich die Schmierereien an der Haustür wieder weg hatte ...

Ich hatte in meinem SCHAUFENSTER den Artikel "Markierungen an der Hauswand - Geheimzeichen" gelesen. Zinken seien Geheimzeichen, die schon seit dem Mittelalter als geheime Codes für die nonverbale Kommunikation eingesetzt werden. Damals betraf dies nicht nur Gaunerbanden, sondern sämtliche Angehörige des unteren Standes. Auch Bettler, Hausierer und Tagelöhner nutzten Zinken, um nachfolgenden Standesgenossen Hinweise zu hinterlassen, wo sich ein Vorsprechen wohl am ehesten lohnen würde. So riet zum Beispiel ein kleines mit Kreide gezeichnetes Kreuz, sich fromm zu stellen. In der heutigen Zeit werden die Symbole fast nur noch von organisierten Banden genutzt: Eine Vorhut spähe ein Haus und dessen Bewohner aus. Sie beobachtet, ob es in einem Gebäude etwas zu holen gibt und ob beispielsweise ältere Menschen oder alleinstehende Frauen im Haus leben. Die gesammelten Informationen werden dann mit Hilfe der Gaunerzeichen an die nachfolgenden Komplizen übermittelt, während die Kundschafter längst weitergezogen sind. So warne zum Beispiel eine oberflächlich in die Haustür geritzte, dünne Zickzack-Linie vor einem bissigen Hund.
  
Dieser Artikel hatte mich so was von in Alarmbereitschaft gesetzt. Das ging so weit, ich mein, irgendwann fängst du an und siehst Gespenster, in meinem Fall eben überall Gaunerzeichen. Drei Tage später brütete ich in meinem Wochenend-SCHAUFENSTER dann stundenlang über einem abgebildeten Zeichen. Ich wollte selbst herausbekommen, was er denn in Gaunerkreisen wohl bedeutete, dieser Zinken. Es hat sich wieder mal bestätigt: Wer lesen kann und, vor allem, von dieser Fähigkeit Gebrauch macht, ist ganz klar im Vorteil. So hieß es nämlich in dem Artikel, ein Bergpiktogramm mit Schneeflocke - auf dieses alpine Symbol sollten alle Autofahrer achten, die sich neue Winter- oder Ganzjahresreifen kaufen wollen. Denn durch eine Änderung der Winterreifenpflicht reiche es künftig nicht mehr aus, wenn die Reifen mit einer "M+S"-Kennzeichnung versehen sind.

Und, verständlich, die Schmierereien an unserer Hauswand, dass die mich so was von aus der Fassung gebracht haben. Die habe ich selbstredend  akribisch beseitigt. Gut, bei näherer und, vor allem, unbelasteter Betrachtung, also wenn ich mal in aller Ruhe drauf geschaut hätte. Ich hätte auch den entgeisterten Blick meines Traummannes deuten können. Ja, dann hätte ich natürlich erkannt, dass ich den Segen der Sternsinger zu Heilige Drei Könige  so was von entfernt hatte.

Das hatte selbst ich noch nicht geschafft, den Grund für meine Angst so was von schnell zu ändern, quasi in einem Aufwasch. Bei mir jetzt eher ein Abwasch von Kreidezeichen. Eben noch hatte ich Angst vor den Zinken, die die Spur zu meinem Haus lenkten, und jetzt stand ich ohne Segen da. Wenn du jetzt so ganz ohne Segen dastehst, dann liest sich die Überschrift in deinem SCHAUFENSTER "Das Zuhause vor Einbrechern schützen" nicht gerade unaufgeregt: Alle zwei Minuten wird in Deutschland eingebrochen. Einbrecher machen keine Ferien. Ganz im Gegenteil, sie nehmen besonders Häuser ins Visier, deren Bewohner offensichtlich in Urlaub sind.

Apropos Urlaub. Auch das stand auf meiner To-do-Liste; einmal in Bonn als Tourist übernachten. Und da habe ich den Sechzigsten meines Traummannes zum Anlass genommen. Was der aber nicht wusste. Wir haben uns an einem Samstagmittag mit dem Rad aufgemacht, zünftig gekleidet, gerüstet für mindestens 100 Tageskilometer und Übernachtung im Zelt. Was mein Traummann aber nicht wusste, dass wir nach knapp sieben Kilometern schon am Ziel unserer Reise waren: das Mariott Hotel. Da hat er aber so was von gestaunt - und die an der Hotelrezeption auch. Weil, das konntest du denen schon ansehen, dass wir die ersten Gäste waren, die je so sportlich mit dem Rädchen vorgefahren sind. Und bestätigt hat es sich allemal, weil die uns für unsere Räder keinen Unterstellplatz anbieten konnten, die also nachts mutterseelenallein vor dem Hotel standen.
Aber das nur so am Rande. Wo war ich stehen geblieben? Bei den Einbrechern, die besonders Häuser ins Visier nehmen, deren Bewohner offensichtlich in Urlaub sind. Vor diesem Hintergrund rät der Hauseigentümerverein Haus & Grund jedem Urlauber, vor der Abreise das Haus effektiv vor Einbrechern zu schützen. Es sei wichtig, dass das Haus bewohnt aussieht. So sollten Freunde und Nachbarn zum Beispiel regelmäßig den Briefkasten leeren, per Zeitschaltuhr sollten Rollläden betätigt und Lampen an- und ausgeschaltet werden - das volle Programm eben. Und als ich dann noch unter "Veranstaltungen" den Hinweis auf die Einbruchmesse für Haus und Gewerbe las: Ich rüste so was von auf, auch wenn ich im Mariott nur kurzurlaube: Meiner Brut werfe ich einen dicken Batzen Geld hinterher, damit die bei mir jeden Abend Party macht. Was praktischerweise zur Folge hat, dass am anderen Vormittag die Putzfrau Stund um Stund für teuer Geld die Bude wieder auf Vordermann bringen muss - das Haus also belebt ist. (Was jetzt wohl praktisch ist, meine Töchter leeren täglich den Briefkasten.) Vollkommen unabhängig davon habe ich für meine Haustür aber auch einen eigenen Zinken entworfen. Neben der Zickzacklinie für bissiger Hund gibt es da jetzt noch einen Zinken für Maschinengewehr.

Es hat sich übrigens bei genauerem Hinschauen herausgestellt, dass es sich um eine Einbruchschutzmesse handelte. Wo ich mich quasi informieren kann. was sich aber - siehe oben - so was von erledigt hat.

Wie gesagt, ich hätte zu gerne nur Lustiges geschrieben. Und, ja, ich weiß, "Hätte" ist die kleine Schwester von "Heul doch".