Dass ich abends immer so was von müde bin. Gut, hängt
sicherlich auch am Alter - und an der dunklen Jahreszeit. Aber das allein
kann's nicht sein, hab ich mir immer wieder gesagt. Hatte aber keinen Beweis
dafür. Jetzt hab ich's schwarz auf weiß: Der Grund für meine Müdigkeit ist das
Smartphone.
So stand in meinem "Schaufenster", dass laut
Auto-Club Europa (ACE) das Unfallrisiko mit der Nutzung von Smartphones am
Steuer um mehr als das 20-Fache steigt (sieh mal einer an, wer hätte das
gedacht). Wer im Auto nicht auf das Mobiltelefon verzichten wolle, sollte eine
feste Halterung und eine Freisprecheinrichtung verwenden. Laut Tüv Rheinland
bewege man sich damit zumindest rechtlich auf der sicheren Seite. Die
Straßenverkehrsordnung verbiete die Handy-Nutzung nämlich ausdrücklich nur
dann, wenn es dafür aufgenommen oder gehalten werden muss. Aber auch mit
Halterung lenkten Gespräche noch ab (wer hätte das gedacht, wär' ich im Leben
nicht draufgekommen). Experten des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR)
raten deshalb vom Telefonieren mit Freisprechanlage ebenfalls ab. Zumindest bei
komplizierten Verhandlungen oder gar bei einem Streit sollte man trotz
Freisprechanlage wenn möglich rechts ranfahren.
Da sieht man mal wieder, wie ungemein wichtig es ist, dass
es Experten gibt, vor allem die des Deutschen Verkehrssicherheitsrats - und
dass wir die auch gut bezahlen. Weil, wer hätte mich sonst darauf aufmerksam
machen können, dass die Mama am Steuer so was von abgelenkt ist, wenn der
Sohnemann sie per Handy (in fester Halterung!) über sein anstehendes Sitzenbleiben
informiert? Im Leben wäre ich nicht draufgekommen, dass der Kevin sich jetzt
nicht wirklich gerade auf den Straßenverkehr konzentriert, wenn die Mandy ihm
mitteilt, dass sie sich doch für den Jason entschieden hat.
In dem Zusammenhang erfuhr ich auch, dass das Tippen auf dem
Smartphone prinzipiell erlaubt ist, wenn das Handy in einer Halterung
steckt.
Und das verstehe ich jetzt nicht, was man sich dabei gedacht
hat oder ob überhaupt gedacht wurde. Weil, auf der einen Seite sitzen diejenigen,
die für die Straßenverkehrsordnung zeichnen, und auf der anderen Seite die
Experten. Es wäre doch recht praktisch gewesen, wenn auch ein paar kluge Köpfe
für die Straßenverkehrsordnung zuständig wären.
Aber gut, wenn es denn nun mal so ist, könnten die sich doch
wenigstens von den Experten beraten lassen. Dann könnten die Experten denen ja
sagen, dass der Kevin so was von abgelenkt ist und sich nicht mehr auf mich als
Fahrradfahrerin konzentriert, wenn er der Mandy jetzt mal per SMS zeigt, wo der
Frosch die Locken hat.
Und während ich auf der einen Seite gucken muss, dass ich
nicht unter Kevins Räder komme, wenn der jetzt in seiner Wut von null auf hundert
Gas gibt, muss ich auf der anderen Seite - und das meine ich jetzt nicht im
übertragenen Sinn (ich setz jetzt erst einmal ein Ausrufezeichen)! Weil, von
der anderen Seite läuft mir gerade jemand so was von vor die Räder. Einer dieser
armen bemitleidenswerten Menschen mit dieser Fehlstellung im Nackenbereich.
Offensichtlich eine Versteifung der Halswirbelsäule, die schwer zu behandeln
ist. Hat natürlich dann auch erhebliche Auswirkungen auf das Sichtfeld, so was
von eingeschränkt ist das! Ich stelle mir das sehr beschwerlich vor, wenn diese Menschen ihren Blick nicht geradeaus
richten können, auch nicht nach links oder rechts. Offensichtlich sind das
mittlerweile keine Einzelfälle mehr, weil es dafür auch einen Namen gibt:
Smombie.
Also das ist jetzt nicht der Name für diese Krankheit. Nein,
das ist das Jugendwort des Jahres 2015. Eine Zusammensetzung aus Smartphone und
Zombie und bezeichnet jemanden, der mit dem Blick auf sein Smartphone gerichtet
durch die Gegend läuft, ohne so richtig mitzubekommen, was um ihn herum
geschieht. Und da hieß es doch auch wieder in meinem "Schaufenster",
dass dies manchmal sogar sehr gefährlich werden könne, wenn der Smombie nämlich
nicht auf Ampeln oder den Verkehr achte, weil er so in sein Smartphone vertieft
sei. Da bin ich ganz bei denen!
Was mir in dem Zusammenhang neulich durch den Kopf ging. Und
man kann ja nichts für seine Gedanken. Die kommen und gehen, einfach so. Ich
stellte mir halt vor, welche Gemengelage von Gefühlen so in mir wüten würde, läse
ich in der Zeitung folgenden Artikel:
Fahrer eines tiefer gelegten BMWs überfuhr junge Frau,
während er an seine Freundin eine SMS auf dem Handy tippte, das in einer
Halterung steckte. Das Tragische am Tod der jungen Frau ist, dass es sich bei
der Toten um eben die Freundin des Fahrers handelt. Sie hatte gerade ihren
Blick auf ihr Smartphone gerichtet, um eben diese SMS zu lesen - und ging deshalb
bei Rot über eine Fußgängerampel.
Apropos Unfall. Da las ich doch in meinem
"Schaufenster": Ein 24-jähriger Motorradfahrer und ein 81-jähriger
PKW-Fahrer wurden bei einem Verkehrsunfall verletzt, es entstand ein Schaden
von rund 9000 Euro. Mensch, denk ich, da hat der Motorradfahrer aber noch mal
Glück gehabt. Das hätte viel übler für ihn ausgehen können. Weil, den alten
Mann, den kenn ich. Wie oft der mich schon über den Haufen gefahren hätte, wenn
ich nicht für den mitgeguckt hätte. Das ist dieser typisch deutsche Mann, der
schon seit einigen Jahren taub ist und seit Kurzem keinen Schritt mehr vor die
Tür setzt, weil er quasi blind ist. Der aber immer noch meint, er könne Auto
fahren. Und den die lieben Anverwandten auch nicht daran hindern, weiterhin in
selbiges auf der Fahrerseite einzusteigen, weil er ja nur noch kurze Strecken
fährt, die er wie seine Westentasche kennt (fatalerweise ist diese kurze
Strecke nicht mit dem Hinweis "Vorsicht! Lebensgefahr, scheintoter Fahrer
unterwegs" beschildert). Das ist dieser alte Mann mit dem Tunnelblick, der
Zweiräder überhaupt nicht mehr wahrnimmt.
Und ich komm drauf, weil ich immer so müde bin. Kein Wunder,
wenn ich einerseits jederzeit damit rechnen muss, dass sich der Marvin mit der
Jennifer per Handy (in der Halterung!) fetzt oder mir ein Smombie vors Fahrrad
läuft, und ich mich andererseits vor dem alten Mann mit Hut hüten muss, dass
der mich nicht über den Haufen fährt.