Mittwoch, 22. Juni 2016

Was heißt eigentlich "Schweiß (ich weiß), wo dein Haus wohnt" auf Chinesisch?

Schon letztes Jahr war ich so was von traurig, dass ich nicht deren Zielgruppe bin. Ich hab nämlich selten so eine vertrauensbildende Anzeige in meinem "Schaufenster" gelesen. Da hieß es, es sei manchmal ein Jammer. Da läge er seit Jahrzehnten herum, habe im Laufe der Zeit seinen Glanz verloren, wirke abgenutzt und weise eventuell noch andere Schäden auf. Um diesen würdelosen Zustand zu ändern, werde er bei ihnen zunächst in der Werkstatt entstaubt, danach stünde eine gründliche Reinigung mit Wasser und Kernseife per Hand an und anschließend werde er gegen Mottenbefall behandelt.
Spätestens beim Mottenbefall wurde mir dann doch klar, dass ich da meinen Mann nicht abgeben konnte. Das Blöde ist nämlich, ich besitze keinen Orientteppich. Wie gesagt, schon letztes Jahr hat mich die über fast eine ganze Seite reichende Anzeige so was von in ihren Bann gezogen. Aber dieses Jahr gibts für mich kein Halten mehr. So nett und so kompetent, wie die Herren Kamran Makhdoumi und Ali H. Karimi da jetzt auch noch auf dem Foto rüberkommen und mich einladen, mir selbst ein Bild von ihrer Arbeit zu machen. Das Problem ist eben nur ... nicht einmal eine klitzekleine Brücke! Abgesehen davon, dass ich die so sympathisch finde, dachte ich auch sofort daran, dass ich im Gespräch mit denen direkt mal meine neu erworbenen Sprachkenntnisse anbringen könnte. Meine zweiter Gedanke war selbstredend, die sprechen wahrscheinlich besser Deutsch als ich.

Ich komm deshalb drauf, weil die Hamburger Sprachwissenschaftlerin Frau Prof. Angelika Redder ja kürzlich meinte, dass wir Deutsche nach Englisch, Französisch und Latein nun auch Arabisch, Persisch oder Kurdisch lernen sollten. Der Zustrom von Flüchtlingen sollte nach ihrer Ansicht zum Sprachenlernen ermuntern. Sie sagt: "Die Welt ist normalerweise mehrsprachig. Wir sind in Deutschland lange Zeit Monolingualität gewöhnt gewesen. Und ich halte es für eine Verarmung, die Monolingualität einfach nur zu verschieben, hin zum globalen Englischen." Diejenigen, die neben ihrer Muttersprache kaum Fremdsprachen gelernt hätten, sollten sich ein paar weitere (!) aneignen. Ein Einheimischer könne einem Zuwanderer Deutsch beibringen, während er von diesem zugleich Arabisch, Persisch oder Kurdisch lerne. Man müsse sich ja nicht die kleinsten Stammessprachen schnappen.
Bislang habe das Lernen in der Schule als mühsam gegolten, weil es um Sprachen ging, die die Schüler nicht direkt anwenden konnten. "Nur wenn man dann in den Ferien nach Frankreich oder Spanien fuhr, konnte man das wieder benutzen." Die Sprachen der Zuwanderer hätten dagegen einen direkten kommunikativen Wert. Die bisher üblichen Sprachen müssten deswegen nicht aufgegeben werden. Das zeigten viele Inder oder Afrikaner, die ganz selbstverständlich vier- bis fünfsprachig seien. Sprachkenntnisse seien eine Bereicherung. Wenn man nur ein bisschen verstehe, könne das schon helfen. "Das nimmt auch Angst", zeigte sich Redder überzeugt.

Ich bin da so was von bei der Frau Redder. Deshalb bin ich auch so was von angstfrei. Und das liegt sicher daran, dass wir Austauschschüler aus Tschechien und Polen hatten - und ich selbstredend Tschechisch und Polnisch gelernt habe. Und vor zwei Jahren haben wir als Gastfamilie Chinesen aufgenommen - klar, kann ich Chinesisch. Und aktuell, keine Frage, lerne ich alle Sprachen, die im nordafrikanischen Raum gesprochen werden.

Wie komm ich drauf, ach ja, die mich freundlich und kompetent anlächelnden Herren von Orientteppich-Castell. Was ich auch gelesen habe, in der riesigen Anzeige, dass man vorab einen Termin vereinbaren kann, zu dem einer der beiden Teppichspezialisten zum Kunden ins Haus kommt, um anschließend einen verbindlichen "Kostenanschlag" (so stand es in der Anzeige im Juni 2015 (!), meinten die aber bestimmt nicht so), also einen verbindlichen Kostenvoranschlag für die Reinigung zu erstellen. Da könnten wir dann bei mir zuhause nett Konversation betreiben, vielleicht dass ich doch meine neu erworbenen Sprachkenntnisse ... und der Teppich wäre mir dann justamente kurz vorher gestohlen worden, oder so.     
Aber wie gesagt, die sprechen wahrscheinlich besser Deutsch als ich - oder der Kevin.

Apropos Kevin. Der freut sich sicherlich über das, was die Frau Prof. Redder da von sich gegeben hat. Der hat ja immer schon gemeint, dass die deutsche Sprache vollkommen überbewertet wird. Und jetzt hat der die Angelika mit im Boot. Weil, auf Deutsch - oder so -verständigen kann der Kevin sich ja allemal. Und statt jetzt sich noch weiter mit dem Deutschen rumzuschlagen, soll der Kevin doch tatsächlich aus aktuellem Anlass sich die Sprachen aneignen, die unsere Flüchtlinge sprechen. Und nur die Worte, die er auch tatsächlich braucht, dafür aber in ganz vielen Sprachen. Ich finde das ausgesprochen zielorientiert und zeitgemäß. Und mal ehrlich, wenn Kevins Mama ihrer Tochter zuruft "Schantalle, geh nischt bei die Asis", dann versteht doch die Chantal ihre Mama. Oder wenn der Mann über die Straße brüllt, weil sein Auto zugeparkt ist, "Wem ist die Mopped?" und ein anderer "Ich!" brüllt - absolut verständlich. Und wenn der Mann, der im Unterhemd auf ein Kissen gestützt am offenen Fenster sitzt, seinen Kumpel auf der Straße fragt "Eeeeeeey! Wo geeeeehse?" und der antwortet "Pommes!", dann weiß der doch, was gemeint ist.

Wo wir schon mal dabei sind, was hat sich eigentlich die deutsche Sprache dabei gedacht, dass es "ich bin gelaufen" aber "ich habe gegessen" heißt? Als damals der Bayerntrainer Giovanni Trapattoni nach einem Interview sagte "Ich habe fertig", haben wir den doch auch verstanden, oder?

Und nur darum gehts doch, sich verständigen, sich verstehen, angstfrei. Dass der Jason keine Angst hat, wenn ihm jemand hinterherruft "Schweiß, wo dein Haus wohnt!".