Man kann's keinem erzählen. Was war ich doch für eine
verantwortungslose Mutter! Ich komm deshalb drauf, weil, neulich stellte sich in
meinem "Schaufenster" eine weiterführende Schule den Eltern von
Viertklässlern als eine aktive vor. Ich las also von einer nicht passiven
Schule - und ich las über einen anerkannten Bewegungskindergarten, der nach der
Montessori-Pädagogik funktioniert.
Und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, mich mies zu
fühlen, gab es da noch den langen Artikel mit der Überschrift "Zu schwer
für i-Dötzchen" mit vielen wichtigen Tipps für eine rückengesunde
Schulzeit: Vermeidung von Ranzengewichten, die zehn Prozent des Körpergewichtes
des Kindes überschreiten; nur Tornister verwenden, die keinen Druck auf die
Lenden ausüben, auf Schulterhöhe abschließen und mindestens vier cm breite
Gurte besitzen. Bewegungsmangel stelle die Hauptursache für Rückenleiden dar.
Sport stärke Muskeln und entlaste die Gelenke. Kein Wunder, wenn die meisten
Kindergärten keine ausgewiesenen Bewegungskindergärten sind!
In was für einer Zwickmühle sind da doch viele Eltern:
Einerseits chauffieren sie ob des schweren Ranzens ihren Schatz jeden Morgen
zur Schule (und holen ihn auch selbstredend wieder ab). Andererseits hat das
arme Kind deshalb zu wenig Bewegung.
Welch schlichter Mensch ich da doch bin! Meine Kinder sind
schlicht in den Kindergarten gegangen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich nie
gefragt, ob die sich da auch bewegen. Und ich weiß auch nicht, ob die Schule, die
sie ohne mich selbstständig aufsuchten (mit ihrem Ranzen, dessen Gewicht ich
nie gewogen habe!), eine aktive war.
Apropos Schule und aktiv. Wo die Schüler ja echt aktiv
werden, ist, wenn es darum geht, im Vorfeld so viel wie möglich Geld für den
Abiball zu sammeln - für den Abiball in der Beethovenhalle.
Bei der Closing-Party in der Beethovenhalle ist ja auch einiges,
an Menschen und an Geld, zusammengekommen. Allein wenn ich in meinem
"Schaufenster" las, dass im Herzstück des Bonner Wohnzimmers, dem
großen Saal, die Resident DJs der AfterJobParty für die beste Partystimmung
sorgten.
Und dann las ich aber auch in meinem
"Schaufenster": In ihrer neuen Themenreihe "Beethovenhalle
reloaded - Genau hingeschaut" begleitet die VHS den Umbau und die Sanierungsarbeiten
der Beethovenhalle. Den Start der Reihe macht ein Vortrag von Constanze Falke
und Dr. Martin Bredenbeck von der Werkstatt Baukultur. Ihr Vortrag "Ein
Denkmal in besten Händen" wirft einen Blick in die Planungs- und Baugeschichte
dieses außergewöhnlichen 1950er-Jahre-Baus. Zwei weitere Vorträge dieser Reihe
seien geplant. Dr. Irmgard Bodsch stelle die Eröffnung der Beethovenhalle
genauer vor und Stadtdirektor Wolfgang Fuchs gebe Einblick hinter die Kulissen
eines Großprojektes. Der Eintritt beträgt fünf Euro.
Da hätte man sich meiner Meinung nach noch einiges an
Vorträgen und Events einfallen lassen können, um die Kasse für die Sanierung zu
füllen. Spontan fällt mir da eine sicherlich ungemein interessante Themenreihe
ein: "Die Toiletten der Beethovenhalle - Klobrillen packen aus". Ich
könnte mir da den Vortrag vorstellen "Welcher Rockstar oder welcher
Politiker hat wann auf welcher Klobrille gesessen" oder "Wie viele
Liter Bier wurden in welchem Jahr von welchem Karnevalsprinzen bei einer
Prinzenproklamation entsorgt". Auch "Die Garderobe der Beethovenhalle
- Kleiderbügel erinnern sich". Und für die physikalisch Interessierten
"Rock- und Popkonzerte - ein Ranking der schlechten Akustik".
Noch mehr Geld hätte man allerdings mit Events machen
können. Die liegen ja so was von im Trend. Ich komm deshalb drauf, weil ich in
meinem "Schaufenster" von einer interessanten Aktion las: "Über
den Dächern von Bonn" hieß es da. Die Führung biete einen Blick aus der
Vogelperspektive auf die Bundesstadt. Dazu steigen die Teilnehmer auf das Dach
des Stadthauses, das sonst nicht für Besucher zugänglich ist. Wer an der
1,5-stündigen Führung teilnehmen wolle, sollte gut zu Fuß sein, denn für den
Aufstieg auf das Stadthausdach seien - nach der Fahrt mit dem Aufzug ins 17.
Stockwerk - etwa 70 Stufen zu bewältigen. Ich komm deshalb drauf, weil die
Dachkonstruktion der Beethovenhalle ja eh saniert wird. Ein Megaevent hätte das
werden können. Gerade heutzutage, wo Battles und Challenges so was von in sind.
Man hätte alle Horrorclowns und solche, die Horrorclowns witzig finden, und
solche, die rohe Eier an Häuserwände werfen, und solche, die das witzig finden,
also alle Vollpfosten auf das Dach der Beethovenhalle zur ultimativen "Battle-Challenge-Nacht
einladen können. Und die Challenge: Wie viele Menschen können sich auf dem
gewölbten Dach halten, bis einer runterfällt? Oder aber (weil, da wäre ja jetzt
nur einer runtergefallen) man hätte die alle
auf einen Schlag aufs Dach gelassen - und später hätte man erfahren, dass zu
viele Besucher gleichzeitig auf dem Dach standen - leider.
Unfasslich, was für abgrundtief schlechte Gedanken ich habe.
Was für ein schlichter, schlechter Mensch ich doch bin. Aber das zieht sich ja
durch bei mir. Erst eine schlechte Mutter und dann - eine schlechte Oma wäre
ich obendrein. Las ich doch in meinem "Schaufenster" die Lettern "Kindernotfallkurs
für Großeltern": Für Großeltern in Bonn gibt es jetzt erstmalig einen
Erste-Hilfe-Kurs für Kindernotfälle. Diesen bietet die Abteilung für
Neonatologie am Bonner Universitätsklinikum jetzt zusätzlich zu den regelmäßig
stattfindenden Kindernotfallkursen für Eltern an. Großeltern können lernen, in
einer Notfallsituation als Ersthelfer wirkungsvoll und adäquat zu handeln.
Wenn ich den Artikel jetzt nicht gelesen hätte, ich hätte
einfach so auf die Enkelkinder aufgepasst. Wobei, einen Vorteil hat das Ganze
ja. Wenn du als Oma keine Lust auf Babysitten hast, sagst du einfach, du seiest
leider keine zertifizierte Oma.