Neulich bei meinem Lieblingsdiscounter an der Kasse bei den
Schnittblumen: Die Profimama entdeckt die Tulpen. Ihr Kleinstkind vorne im
Einkaufswagen ist gerade mal in der Lage aufrecht zu sitzen. "Soll Mama Blumen
mitnehmen?" "..." "Schatz, was meinst du, soll die Mama
Blumen kaufen?" "..." "Sag doch mal, Klara, Schatz, soll
die Mama Blumen kaufen?" "Nein." "Och Schatz, die Mama hat
aber Lust, Blumen zu kaufen. Schau doch mal, wie schön die sind, die
Tulpen." "Nein." "Welche Farbe sollen wir denn
nehmen?" "..." "Hilf doch mal der Mama."
"..." " Schau mal, es gibt gelbe und weiße und rote
Tulpen." "..." "Welche soll Mama denn nun nehmen?"
"Rot." "Papa mag aber lieber gelbe Tulpen. Dann nehmen wir einen
schönen gelben Tulpenstrauß." Kein Scherz meinerseits, echte, harte
Realität. Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder, Klara hat schon im
Mutterleib die Relativitätstheorie erklärt bekommen und ich war an der Kasse
zufälligerweise Zeugin, als dem Wunderkind spielerisch das Stilmittel der
rhetorischen Frage nahegebracht wurde. Oder - die Frau ist einfach nur
strunzblöd.
Apropos strunzblöd. Ich komm deshalb drauf, weil ich neulich
in meinem SCHAUFENSTER in großen Lettern
"Volksbegehren: Zurück zu G9?" las. Da hieß es, in NRW starte das
Volksbegehren "Abitur nach 13 Jahren an Gymnasien - Mehr Zeit für gute
Bildung, G9 jetzt!". Ziel sei es, dass an Gymnasien in NRW das Abitur
wieder nach einer Regelschulzeit von 13 Jahren abgelegt werde. Die Eintragungslisten
für das Volksbegehren lägen vom 2. Februar bis 7. Juni aus. Obwohl in dem
kurzen Artikel gleich dreimal wiederholt wird, um was es geht, verstehe ich es
nicht, weil ...
Nordrhein-Westfalen, wir schreiben das Jahr 2013. Das Rad,
das Rad der Bildung, wird neu erfunden. Nunmehr machen Abiturienten schon nach
acht Jahren Abitur und nicht wie bisher nach neun. Vorbei G9, es lebe G8! Als
Hauptgrund für die Einführung der verkürzten Schulzeit wird die zu anderen
Ländern vergleichsweise lange Dauer der Schulzeit angeführt. Hurra, nun holen
wir auf, tun es unseren Nachbarn, den Niederländern, gleich! Was jetzt
natürlich wirklich blöde ist, im Jahr des ersten G8-Durchlaufs, also im Jahr
2013, machen nun zwei Jahrgänge gleichzeitig Abitur: die letzten G9er und die
ersten G8er. Man spricht vom Doppeljahrgang. Angst und Panik halten Einzug in
den Schulalltag. Wird der Ausbildungsmarkt auf diesen Doppeljahrgang
eingestellt sein? Eltern parken ihre Kinder für ein Jahr im Ausland, um dem
Doppeljahrgang zu entfliehen. Und die, die hier bleiben, haben zusätzlich zum
Nachmittagsunterricht verstärkt Nachhilfe. Viele Abiturienten entfliehen nach
dem Abitur dem Ansturm auf die Hörsäle, indem sie irgendwo in Afrika
Straußeneier in A ausbuddeln und in B wieder einbuddeln. Das Wort Turbo-Abi wird
geboren. Großer Druck lastet auf vielen Schülerschultern: Es gilt, die eigene
Angst in den Griff zu bekommen, aber auch die am Rad drehenden Eltern zu
ertragen. All das lassen die jungen Menschen im Jahr 2013 in NRW über sich
ergehen.
Was jetzt wirklich blöde war, damals wusste keiner der
Verantwortlichen für G8 , dass das Schulsystem der Niederlanden überhaupt nicht
mit dem unseren zu vergleichen ist. Dort gehen die Kinder schon mit vier in die
Grundschule und die dauert sechs Jahre, um nur ein Beispiel zu nennen. Ich habe
mich damals nur gefragt, und frage es
mich bis heute, warum wir uns nicht die Niederlanden als Vorbild nehmen, wenn
es um die Bekämpfung des Krankenhausvirus geht. Und warum wir bei den Themen
Abtreibung und Sterbehilfe so gar nicht über den Tellerrand, über die Grenze zu
den Niederlanden schauen. Was auch dumm gelaufen ist, damals, keiner der
Entscheidungsträger hatte die Idee, dass es möglicherweise ernsthafte
rechtliche Probleme geben könnte, wenn ein junger Mensch schon mit 17 Abitur
macht, also noch nicht volljährig ist. Blöd auch, damals hatte kein Verantwortlicher
den Gedanken, dass möglicherweise der Nachmittagsunterricht zu Problemen führen
könnte.
Hat wirklich niemand daran gedacht? Und das wäre jetzt die Herausforderung für
unsere Klara an der Kasse bei den Tulpen. Ist die Frage "Hat niemand diese
Bedenken gehabt?" eine Frage oder eine rhetorische Frage? Denn entweder
waren die damaligen überbezahlten Entscheidungsträger strunzblöd oder sie
wussten, was sie taten, und hielten mich für strunzblöd, als sie mir mit den
Nachbarländern kamen. Und da weiß ich jetzt beim besten Willen nicht, was ich
besser finde. Ich stell mir nur mal vor, wenn das jetzt mit dem G9 durchkommt, G8
also ein Versehen war, der Doppeljahrgang also quasi nicht hätte sein müssen.
Wenn all diese jungen Menschen, die man damals verarscht hat, wenn die den
damaligen Verantwortlichen mal einen Besuch abstatten würden. Für mich ist der
Fall selbstredend klar: Hinter all dem Hin und Her stehen die Schulbuchverlage.
Denn die sind die eigentlichen Gewinner, wenn alle paar Jahre wieder das
Bildungsrad neu erfunden wird.
Wo ich gerade bei strunzblöd bin. "Dumm wie 10 Meter
Feldweg" klingt toll, finde ich. Kannte ich gar nicht! Ich hab nämlich mal
unter Synonyme für strunzblöd nachgeschaut. Und da stellte ich zweierlei fest.
Erstens gibt es strunzblöd gar nicht, ist quasi meine Eigenkreation. Es gibt
nur strunzdumm. Und zweitens gibt es dort eine riesige Auswahl an Synonymen für
strunzdumm - die man ja aber bei so viel Blödheit auch braucht.
Apropos Blödheit. Und da bin ich meinem SCHAUFENSTER so was
von dankbar, dass es mich da abholt, wo
ich stehe - nämlich am Geldautomaten der Bank meines Vertrauens. Wo ich gerade
Geld abhole, mit meiner Karte. Die PIN habe ich natürlich auf einem Zettel im
Portemonnaie notiert - und zur Sicherheit noch mal auf der Karte selbst. Und da
lese ich jetzt doch, soll man nicht, öffnet dem Missbrauch Tür und Tor, sagt
die Margot Schneider, Leiterin Sicherheitsmanagement für Zahlungsverkehr bei
der Euro Kartensysteme GmbH. Wenn sich der Tipp von der Margot nicht mal genau
so als falsch herausstellt wie damals die Entscheidung für G8!