Hätte man mich vor Jahren gefragt, was mein Lebensprojekt
ist. Oder was ich mir für's Alter vornehme. Ich hätte gesagt: Ich will
versuchen, ein guter Mensch zu sein. Und irgendwie hatte ich auch eine gewisse
Vorstellung von einem guten Menschen. Das war vor Jahren.
Ich komm deshalb drauf, weil neulich im Werbeprospekt meines
Lieblingsdiscounters ein Gratis Badetuch von Nivea beworben wurde. Man solle
drei Nivea Produkte für mindestens 9 Euro kaufen, den Kassenbon auf Nivea.de
hochladen oder einsenden und dann komme das Badetuch gratis per Post. Und unten
im Kleinstgedruckten: Bei einem gleichzeitigen Kauf von mind. 3 Nivea Produkten
Ihrer Wahl mit einem Mindesteinkaufswert von insgesamt 9 Euro und Einsendung
des Original-Kassenbons per Post oder Hochladen auf Nivea.de bzw. in der Nivea
App erhalten Sie ein Nivea DLRG Badetuch (Größe ca. 140 x 70 cm) gratis nach
Hause geschickt. Nur solange der Vorrat reicht. Nur eine Teilnahme pro Person.
Teilnahme nur für Privatpersonen ab 18 Jahren. Angabe der Adresse für die
Zusendung des Badetuchs notwendig. Keine Barauszahlung möglich. Nicht mit
anderen Promotion-Aktionen der Beiersdorf AG kombinierbar. Aktionszeitraum für
den Kauf … Einsendeschluss … (Datum des
Poststempels).Weitere Infos (insb. auch zur Datenverarbeitung) auf Nivea.de und
nivea, de/ueber-uns/datenschutzerklärung#weitere-funktionen oder per Post an
Beiersdorf AG, NiveaBrand & Cross-Category Marketing, Unnastraße 48, 20245
Hamburg.
Es ging um ein Badetuch! Warum ich mir das jetzt unter
Einsatz von höchster Dioptrienzahl und Lupe durchgelesen habe - ich weiß es
beim besten Willen nicht. Weil, ich möchte gar kein Gratis Badetuch. Vermutlich
der alten Zeiten geschuldet, das komplette Durchlesen, als ich noch eine genaue
Vorstellung hatte, was ein guter Mensch ist, und es bei meinem
Lieblingsdiscounter noch keine Markenprodukte gab. Im Werbeprospekt meines
Lieblingsdiscounters schlicht Produkte zum Kauf angepriesen wurden und ich
alles einmal durchgegangen bin. Eine Zeit, in der ich Chia und Quinoa für einen
modernen Ausdruckstanz gehalten hätte. Eine Zeit, in der keine Achselpads gegen
Schweißflecken beworben wurden.
Mein Werbeblättchen skrupellos eine Fruchtfliegenfalle
feilbot und ich die skrupellos gekauft und benutzt habe. Ohne Reue
Fruchtfliegen getötet! Geht heutzutage so was von gar nicht! Fruchtfliegen
töten, hallo! Heute heißt es in meinem Werbeprospekt: Klebefalle mit
Langzeitwirkung, insektizidfrei, gegen Frucht-, Obst- und Essigfliegen, zur
Befallsermittlung (was soll das denn heißen, zur Befallsermittlung?).
Und daneben: Ausgleich des Insektenverlusts durch neuen
Lebensraum - Insekten sind wertvoll: Sie bestäuben Pflanzen und zersetzen Mist
und Aas (übrigens auch Erbrochenes auf Asphalt!). Ihre Anzahl und Vielfalt ist
in den letzten Jahrzehnten aber enorm gesunken. Daher ist es wichtig, sie zu
schützen. Insect Respect legt insektenfreundlichen Lebensraum an und hilft
dadurch den Insektenverlust auszugleichen. Davon profitieren alle heimischen
Insekten, Wildbienen, Schmetterlinge sowie zahlreiche in ihrem Bestand
gefährdete Ameisen und Käfer. Weitere Informationen auf insect-respect.org und
das Insect-Respect-Logo - und das alles in meinem Werbeblättchen!
Apropos Respekt vor Insekten. Das hat ja auch so was von zugenommen,
dass die Guten sich so was von gut vorkommen und das auch laut kommunizieren.
Neulich zum Beispiel hörte ich einen guten Fahrradfahrer einen bösen LKW-Fahrer
mit "du blöde Sau" anbrüllen. Oder ein lieber Fußgänger überquerte
die Straße und ein böser Autofahrer hupte, weil der gute Fußgänger so was von
langsam über den Zebrastreifen schlich, obwohl die Fußgängerampel längst rot war.
Daraufhin brüllte der gute Fußgänger dem bösen Autofahrer "fick dich
doch" mit entsprechendem Handzeiten hinterher. Es dauert nicht mehr lange,
da geh ich im wahrsten Sinne des Wortes auf Nummer sicher und gehe nur noch zu Fuß.
Weil, als Fußgänger bist du ja klimatechnisch so was von gut. Wobei, es würde
mich nicht wundern, wenn die Forschung demnächst herausfindet, dass auch ein
blähender Fußgänger, vorzugsweise die Frau, die Luft verunreinigt. Jetzt nicht
in dem Maße wie die Kuh, aber keineswegs unerheblich. Da hätte dann das
Schimpfwort blöde Kuh endlich seine Daseinsberechtigung.
Wo ich gerade dabei bin. Ich hatte doch von der Frau an der
Mondorfer Fähre erzählt, die mit ihrem Hund jeden Morgen anderer Leute Müll
aufhebt. Die allein 600 Kippen einzeln mit der Müllzange aufliest. Die hatte
sich nun eines Morgens in ihrer Müllsammelleidenschaft immer weiter von der
Mondorfer Fähre entfernt, war in einem größeren Radius unterwegs. Und hebt hier
noch einen Stapel Werbezettel auf, der warum auch immer dort rumliegt, findet
dort zwei leere Plastikflaschen. Und wirklich keine Hand mehr frei, klemmt sie
sich noch drei Pizzakartons in die Achselhöhle. Und dann, die Müllzange
beiseitegelegt, den Hund an der Leine, während sie die Pizzakartons möglichst
flach drückt, damit alles in den öffentlichen Abfalleimer passt, kommt eine gute
Fahrradfahrerin vorbeigefahren und ruft: "Nee, klar, so kann man auch
seinen Hausmüll entsorgen!"
Neulich machte eine Freundin einer anderen ihren Coffee-to-go
mies. Darauf diese: " Und du fliegst alle naslang um den Planeten."
"Ja", antwortete die erste, "aber ich fliege umweltneutral mit
atmosfair." Ich habe drauf verzichtet zu erwähnen, dass ich keine
Lederschuhe trage. Ich hab mir aber überlegt, diese Achselpads (übrigens
diskret und sicher!) werde ich mir mal kaufen. Die sind bestimmt vegan und dann
kann ich die ja im Zweifelsfall auch essen.