Wenn wir dann später zurückblicken auf Corona, werden wir
uns lachend in den Armen liegen und sagen: "Das waren vielleicht verrückte
zwölf Jahre!"
Und genau so ist es! Heute, im Sommer 2032, kann ich das nur
bestätigen! Wenn ich bedenke, wie schwierig es in diesen Zeiten alleine schon
war, in meinem SCHAUFENSTER einen Artikel zu finden, der nichts mit Corona zu
tun hatte. Hier, der, zum Beispiel, wie lange musste ich da suchen - nach solch
Lettern: "Pyramide aus Baumscheiben, Unterschlupf für Tiere in Bonn-Gronau".
Darunter ein feines Foto von der
Pyramide, hübsch eingezäunt mit einem Jägerzaun. Darunter: "Auf einer
kleinen Grünfläche in der Adalbert-Stifter-Straße in Bonn-Gronau hat das Amt
für Stadtgrün eine Baumscheiben-Pyramide angelegt. Das Umweltprojekt leistet
einen Beitrag zur naturnahen Gestaltung städtischer Grünflächen."
Und dann erst der Artikel: "Die Totholzpyramide wurde
aus Baumscheiben von Laub- und Nadelgehölzen gefertigt, die den extrem warmen
und trockenen Sommer 2019 nicht überstanden haben. Die Holzscheiben wurden
versetzt und überlagernd aufgeschichtet. Die entstandene Pyramide ist etwa drei
Meter hoch und dreieinhalb Meter breit. In den Gängen und Hohlräumen der
Pyramide können sich Tiere verstecken, wohnen oder überwintern. Die
Holzscheiben bieten zudem vielen Insekten, Pilzen und Flechten einen
Lebensraum. Rechts und links der Pyramide stehen die verbliebenen Stämme zweier
abgestorbener Birken. Auch sie bleiben vorerst erhalten, um als Biotopbäume
noch einigen Arten als Lebensraum zu dienen. Die Totholzbäume werden jährlich
auf ihre Standfestigkeit kontrolliert. Falls diese nicht mehr gegeben ist,
müssen sie entfernt werden."
So ein feiner, ausführlicher Artikel. Ja, das war eine
verrückte Zeit, damals, als ich solche Artikel bis zum Ende gelesen habe, nur
um mal etwas anderes zu lesen. Und was soll ich sagen, obwohl das Wort Corona
nicht vorkam, war ich nach der Lektüre total durch den Wind, denn es ging ja
auch hier um den Tod - um eine Totholzpyramide und abgestorbene Birken. Ja, so
waren die Zeiten damals.
Was sich aber wirklich über die langen Jahre hinweg zum
Besseren gewendet hat. Ich mein, man hatte es ja in den Jahren zuvor schon mitbekommen.
Da gab es einen Trump in den USA, einen Boris Johnson in England, einen Erdogan
in der Türkei. Männer, die - wohl gemerkt - demokratisch gewählt worden waren. Schon da
gab es ja Stimmen, ob Wahlen überhaupt anzuerkennen seien. Ob das Internet die
Wahlen nicht ad absurdum führe. Immer häufiger war die Rede von Manipulationen,
Bots und Algorithmen.
Und dann, ich erinnere mich noch, die Streitereien im Jahr Eins
von Corona um die Präsidentschaftswahlen in Polen, dieses elende, langwierige
Hickhack um einen neuen Wahltermin. Und auch in meinem SCHAUFENSTER auf der
Titelseite die Lettern "Kommunalwahlen - ja oder nein". In Bonn
standen Kommunalwahlen an und vier Kandidaten standen parat, die gerne
Oberbürgermeister werden bzw. bleiben wollten. Es gab den Ashok Sridharan, die Katja
Dörner, die Lissi von Bülow und den Dr. Michael Faber. Es gab die Meinung, dass
eine Verschiebung zwingend sei, keine Verschiebung nötig sei, der Wahltermin
möglichst zu halten sei und reiner Online-Wahlkampf unfair sei.
Ich weiß gar nicht mehr, wie es damals ausgegangen ist. Und
es war ja schon abzusehen, es hatte sich ja bereits abgezeichnet, es gab ja
auch wirklich Wichtigeres. Was brauchte es eigentlich Wahlen, absolut
überbewertet, damals. Was ich sagen will, dass wir uns irgendwann mal von
diesen althergebrachten Ritualen verabschiedet haben, dass wir die Wahlen
abgeschafft haben, war schon ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Was auch ein weiterer Schritt in die richtige Richtung war,
weil auch so was von überbewertet. Ich mein, es hatte sich ja bereits schon in Finnland
abgezeichnet. Die Finnen hatten bereits im Jahre 2016 entschieden, die
Schreibschrift abzuschaffen. Und dann diese ewige Diskussion um Eulen und
Lerchen. Der Herr Neurobiologe Peter Spork mit seiner Forderung, der
Präsentismus in Büro und Schule müsse einer Berücksichtigung von Chronotypen
weichen. Der Herr Neurobiologe Peter Spork mit seinem Plädoyer für eine
Gleitschulzeit: Der Schüler entscheidet, wann er morgens zur Schule kommt.
Kommt er später, bleibt er an diesem Tag entsprechend länger.
Ich bin damals schon - lange Zeit vor Jahr Eins von Corona -
einen Schritt weitergegangen und habe empfohlen, dass der Schüler, der selbst
um die Mittagszeit noch so gar keinen Bock verspürt, sich jetzt endlich mal auf
den Weg zur Schule zu machen, es doch bitteschön auch lassen soll für diesen
Tag oder auch für den folgenden. Denn, sind wir mal ehrlich, für die meisten
Schüler hätte das Leben ja so was von schön sein können, wenn es damals die
Schule nicht gegeben hätte.
Dank Corona haben wir dann aber wirklich Gas gegeben. Weil,
Präsentismus, den gabs ja dann beim Lockdown erst mal nicht mehr. Und, man muss
es doch mal deutlich sagen, die Schulgebäude waren im Jahr 2020 so was von heruntergekommen,
so was von in desolatem Zustand. Die Zeit war einfach reif. Jeder Schüler hatte
doch in der Verwandtschaft einen alten Menschen, den er der Gefahr einer
Ansteckung nicht aussetzen wollte. In die Schule zu gehen und Corona mit nach
Hause zu bringen - wofür, bitteschön? Und dann gab es ja auch viele Lehrer, die
durchaus der Meinung waren, dass man die Öffnung der Schulen mal ganz langsam
angehen sollte. Es wurde sogar schon vom Notabitur 2021 gesprochen - im April
2020! Es passte einfach alles, es gab viele erdrückende Argumente, nicht
zuletzt, dass Bildung ja auch vollkommen überbewertet war. Und deshalb wurde
sie abgeschafft.
Heute, im Jahr 2032, wir vermissen sie nicht, die Bildung und die demokratischen Wahlen. Könnte damit zusammenhängen, dass das eine das andere bedingt.