Samstag, 14. Februar 2015

Die Herren Schall von Bell und Jin Jian Shu - unser Dreamteam der Völkerverständigung

Schade, da wär' ich so gerne hingegangen ... Aber das kommt in letzter Zeit häufiger vor: Je weniger ich zu tun habe, desto langsamer puzzle ich so vor mich hin und, schwuppdiwupp, ist die Woche auch schon rum. Das ärgert mich jetzt wirklich! Zu dem wäre ich echt gerne gegangen, zu dem Herrn Betz. Obwohl, es lag auch an der 2-Cent-Ergänzungsmarke! Was ich da an Zeit gelassen habe wegen der jüngsten Preisanpassung der Post. Wie viel Zeit ich da am Postschalter zugebracht habe! Der Postbeamte und ich, wir hatten uns so was von in der Wolle, als der mir erklärte, ich könne meine alten Briefmarken im Wert von 90 Cent nur umtauschen, wenn selbige originalverpackt seien und ich eine Rechnung vorlegen könne.

Allein das Wort "originalverpackt" hat den jungen Mann und mich einen ganzen Vormittag Diskussion gekostet - und wegen "Rechnung" bin ich dann nach der Mittagspause noch einmal wiedergekommen. Weil, wo, wenn nicht bei der Post, soll ich denn bitteschön die Marken gekauft haben? Ich hab's dann nachmittags nicht ganz so auf die Spitze getrieben, weil nur ein Schalter geöffnet war und hinter mir die Warteschlange ...

Wobei das ja kein so großes Problem ist, wenn man bei uns im Auerberg in der Postfiliale Kölnstraße warten muss. Die ist nämlich unter einem Dach mit dem Blumengeschäft Möhle. Da kann man dann schon mal, da hängen ja immer diese unaufdringlich aufdringlichen Namenstagskalender - vielleicht ist da sogar eine längere Wartezeit am Postschalter erwünscht. Früher war das noch praktischer: Da war die Postfiliale bei Möhle, Steinmetz und Bildhauer Meisterbetrieb, im Antilopenweg untergebracht. Da konntest du, während du in der Warteschlange standest, schon mal einen Blick auf das reichhaltige Urnenangebot werfen. (Man weiß ja nie: gerade eben noch Namenstag gefeiert und plötzlich tot.) Ich erinnere mich noch genau, wie ich mich damals eigentlich schon auf eine zeitlos elegante Urne festgelegt hatte, als eines Tages ein Urnenmodell in grell pink in der Auslage stand.

Wie dem auch sei, als ich dann abends nach nicht stattgefundener Umtauschaktion ermattet auf dem Sofa saß, fiel mir auf, dass ich vollkommen vergessen hatte, für meine Standardbriefe 2-Cent-Ergänzungsmarken zu kaufen: Ich hab' dann die ganze Nacht damit verbracht, mir einen Überblick über meine Restbestände zu verschaffen, habe festgestellt, dass ich noch aus alten Tagen über einen erheblichen Vorrat an 55-Cent-Briefmarken verfüge, habe in etwa hochgerechnet, wie viele Kompaktbriefe zu 85 Cent ich in den kommenden Wochen versenden will. Und weil ich die alten 90-Cent-Marken für den nächst höheren Tarif benutzen werde, habe ich am nächsten Morgen den gesamten Vorrat an 2-Cent-Ergänzungsmarken der Postfiliale im Auerberg aufgekauft - und mir damit nicht eben viele Freunde hinter mir in der Warteschlange gemacht.

In dem Zusammenhang habe ich mich gefragt, ob der Herr Jin Jian Shu (über den habe ich in meinem letzten Artikel geschrieben) Briefe schreibt. Jetzt nicht während der tollen Tage, da ist der ja so was von beschäftigt als Präsident der Karnevalsgesellschaft Bönnsche Chinesen. Nein, ob er das überhaupt noch muss - oder ob alle seine Lieben aus China mittlerweile hier im Rheinland wohnen.

Der Herr Schall von Bell, der lebte ja auch erst im Rheinland. "Ein Bürger von Welt - in China sind er und seine Legende allbekannt", so stand es im September letzten Jahres im "Schaufenster". Ich habe den Artikel damals wegen des tollen Namens gelesen. Da wusste ich noch nicht, dass die beiden Männer sich quasi kennen. Also beim Johan Adam Schall von Bell aus Lüftelberg ist es ja genau anders herum. Als Spross einer rheinischen Adelsfamilie liebt der Wissenschaftler und Jesuitenpriester seine Wahlheimat China, wo er dank seiner Kenntnisse am Kaiserlichen Hof in Peking geschätzt, unter anderem mit der Reformierung des Kalenders betraut und später zum hohen Beamten ersten Ranges berufen wird. So geschehen ab 1630, als der Adam 38 Jahre alt war.

Gut, ich gebe zu, die Herren von Bell und Shu haben sich jetzt nicht persönlich kennengelernt. Aber im September wurde in Lüftelberg das Denkmal für den Wahlchinesen enthüllt. Und anlässlich des Festakts sind auch die Bönnsche Chinesen aufgetreten - und der chinesische Generalkonsul Liang Jianquan hat in seiner Rede betont, dass der Herr von Bell deshalb in China so große Bedeutung erlangt habe, weil er die wichtigste Eigenschaft mitgebracht hätte: Respekt für die Kultur, in der er lebt, ohne seine eigene zu verleugnen.
Den Satz kann man so in Stein meißeln, der ist so was von aktuell.

Was jetzt wirklich blöde ist, wegen der 2-Cent-Ergänzungsmarken-Großinvestition bin ich im Moment etwas knapp bei Kasse. Wobei, letztens las ich im "Schaufenster" ...
Ich erinnere mich noch an das erste Mal: Da stellte ich erstaunt fest, dass die Preise auf der Weinkarte jeweils nur für ein 0,1-Liter-Glas galten (und da waren die Preise für mich gerade mal akzeptabel). Die wussten schon, warum - damit der Preis auf den ersten Blick nicht so exorbitant unverschämt wirkt. Für mich persönlich ist das absolut unakzeptabel. Ein Glas Rotwein heißt 0,2 oder sogar, bitteschön, 0,25 Liter. Sekt, da geht selbstredend 0,1 okay. Aber doch nicht bei Rotwein! Da lachen ja die Biertrinker, vor allem die in Bayern mit ihrem halben Maß. Für die ist ja schon ein Kölsch- oder Pilsglas ein absoluter Witz - dachte ich, bis das "Schaufenster" mich wieder einmal eines Besseren belehrt hat. Da stand doch tatsächlich, dass Kenner das Bier nicht nur als Begleiter zur Hauptspeise, sondern ebenso als Aperitif, gerne auch im kleineren, trendigen 0,1-Liter-Glas schätzen. Immer mehr Spitzengastronomen folgten dem Trend. Gut, der echte Biertrinker trinkt jetzt einfach das Bier als Aperitif zusätzlich.

Mich würde jetzt interessieren, ob der Herr Jin Jian Shu auch diesem neuen Trend folgt und erst einmal seinen Gästen ein Bier im 0,1l-Glas serviert. Ich könnte dann nämlich solch ein kleines Glas bestellen und keiner käm' drauf, dass das mit meinem finanziellen Engpass zu tun hat. Zur Not, wenn alle Stricke reißen, biete ich ihm an, im Rosenmontagszug bei einem seiner Wagen als Wagenengel zu gehen.

Selbst wenn ich Zeit gehabt hätte, das Geld für den Herrn Betz hätte ich sowieso nicht gehabt. Da hab ich echt falsch geschaltet. Statt am Schalter so viele Briefmarken zu erwerben, wäre ich mal lieber in die Stadthalle Bad-Godesberg gegangen, zu seinem Vortrag "Wieder richtig Bock auf den Job und das Leben!" für gerade mal 28 Euro. Der Herr Betz hätte mir sicherlich vollkommen neue, bahnbrechende Strategien zur Lösung meiner postalischen Lebenskrise an die Hand gegeben.