Schade, da wär' ich so gerne hingegangen ... Aber das kommt
in letzter Zeit häufiger vor: Je weniger ich zu tun habe, desto langsamer
puzzle ich so vor mich hin und, schwuppdiwupp, ist die Woche auch schon rum.
Das ärgert mich jetzt wirklich! Zu dem wäre ich echt gerne gegangen, zu dem
Herrn Betz. Obwohl, es lag auch an der 2-Cent-Ergänzungsmarke! Was ich da an
Zeit gelassen habe wegen der jüngsten Preisanpassung der Post. Wie viel Zeit
ich da am Postschalter zugebracht habe! Der Postbeamte und ich, wir hatten uns
so was von in der Wolle, als der mir erklärte, ich könne meine alten
Briefmarken im Wert von 90 Cent nur umtauschen, wenn selbige originalverpackt
seien und ich eine Rechnung vorlegen könne.
Allein das Wort "originalverpackt" hat den jungen Mann
und mich einen ganzen Vormittag Diskussion gekostet - und wegen
"Rechnung" bin ich dann nach der Mittagspause noch einmal wiedergekommen.
Weil, wo, wenn nicht bei der Post, soll ich denn bitteschön die Marken gekauft
haben? Ich hab's dann nachmittags nicht ganz so auf die Spitze getrieben, weil
nur ein Schalter geöffnet war und hinter mir die Warteschlange ...
Wobei das ja kein so großes Problem ist, wenn man bei uns im
Auerberg in der Postfiliale Kölnstraße warten muss. Die ist nämlich unter einem
Dach mit dem Blumengeschäft Möhle. Da kann man dann schon mal, da hängen ja
immer diese unaufdringlich aufdringlichen Namenstagskalender - vielleicht ist
da sogar eine längere Wartezeit am Postschalter erwünscht. Früher war das noch praktischer:
Da war die Postfiliale bei Möhle, Steinmetz und Bildhauer Meisterbetrieb, im Antilopenweg
untergebracht. Da konntest du, während du in der Warteschlange standest, schon
mal einen Blick auf das reichhaltige Urnenangebot werfen. (Man weiß ja nie:
gerade eben noch Namenstag gefeiert und plötzlich tot.) Ich erinnere mich noch
genau, wie ich mich damals eigentlich schon auf eine zeitlos elegante Urne
festgelegt hatte, als eines Tages ein Urnenmodell in grell pink in der Auslage
stand.
Wie dem auch sei, als ich dann abends nach nicht
stattgefundener Umtauschaktion ermattet auf dem Sofa saß, fiel mir auf, dass
ich vollkommen vergessen hatte, für meine Standardbriefe 2-Cent-Ergänzungsmarken
zu kaufen: Ich hab' dann die ganze Nacht damit verbracht, mir einen Überblick
über meine Restbestände zu verschaffen, habe festgestellt, dass ich noch aus
alten Tagen über einen erheblichen Vorrat an 55-Cent-Briefmarken verfüge, habe
in etwa hochgerechnet, wie viele Kompaktbriefe zu 85 Cent ich in den kommenden
Wochen versenden will. Und weil ich die alten 90-Cent-Marken für den nächst
höheren Tarif benutzen werde, habe ich am nächsten Morgen den gesamten Vorrat
an 2-Cent-Ergänzungsmarken der Postfiliale im Auerberg aufgekauft - und mir
damit nicht eben viele Freunde hinter mir in der Warteschlange gemacht.
In dem Zusammenhang habe ich mich gefragt, ob der Herr Jin
Jian Shu (über den habe ich in meinem letzten Artikel geschrieben) Briefe
schreibt. Jetzt nicht während der tollen Tage, da ist der ja so was von
beschäftigt als Präsident der Karnevalsgesellschaft Bönnsche Chinesen. Nein, ob
er das überhaupt noch muss - oder ob alle seine Lieben aus China mittlerweile
hier im Rheinland wohnen.
Der Herr Schall von Bell, der lebte ja auch erst im
Rheinland. "Ein Bürger von Welt - in China sind er und seine Legende allbekannt",
so stand es im September letzten Jahres im "Schaufenster". Ich habe
den Artikel damals wegen des tollen Namens gelesen. Da wusste ich noch nicht,
dass die beiden Männer sich quasi kennen. Also beim Johan Adam Schall von Bell aus
Lüftelberg ist es ja genau anders herum. Als Spross einer rheinischen
Adelsfamilie liebt der Wissenschaftler und Jesuitenpriester seine Wahlheimat
China, wo er dank seiner Kenntnisse am Kaiserlichen Hof in Peking geschätzt,
unter anderem mit der Reformierung des Kalenders betraut und später zum hohen
Beamten ersten Ranges berufen wird. So geschehen ab 1630, als der Adam 38 Jahre
alt war.
Gut, ich gebe zu, die Herren von Bell und Shu haben sich
jetzt nicht persönlich kennengelernt. Aber im September wurde in Lüftelberg das
Denkmal für den Wahlchinesen enthüllt. Und anlässlich des Festakts sind auch
die Bönnsche Chinesen aufgetreten - und der chinesische Generalkonsul Liang
Jianquan hat in seiner Rede betont, dass der Herr von Bell deshalb in China so
große Bedeutung erlangt habe, weil er die wichtigste Eigenschaft mitgebracht
hätte: Respekt für die Kultur, in der er lebt, ohne seine eigene zu verleugnen.
Den Satz kann man so in Stein meißeln, der ist so was von
aktuell.
Was jetzt wirklich blöde ist, wegen der
2-Cent-Ergänzungsmarken-Großinvestition bin ich im Moment etwas knapp bei
Kasse. Wobei, letztens las ich im "Schaufenster" ...
Ich erinnere mich noch an das erste Mal: Da stellte ich erstaunt
fest, dass die Preise auf der Weinkarte jeweils nur für ein 0,1-Liter-Glas
galten (und da waren die Preise für mich gerade mal akzeptabel). Die wussten
schon, warum - damit der Preis auf den ersten Blick nicht so exorbitant unverschämt
wirkt. Für mich persönlich ist das absolut unakzeptabel. Ein Glas Rotwein heißt
0,2 oder sogar, bitteschön, 0,25 Liter. Sekt, da geht selbstredend 0,1 okay.
Aber doch nicht bei Rotwein! Da lachen ja die Biertrinker, vor allem die in
Bayern mit ihrem halben Maß. Für die ist ja schon ein Kölsch- oder Pilsglas ein
absoluter Witz - dachte ich, bis das "Schaufenster" mich wieder
einmal eines Besseren belehrt hat. Da stand doch tatsächlich, dass Kenner das
Bier nicht nur als Begleiter zur Hauptspeise, sondern ebenso als Aperitif,
gerne auch im kleineren, trendigen 0,1-Liter-Glas schätzen. Immer mehr
Spitzengastronomen folgten dem Trend. Gut, der echte Biertrinker trinkt jetzt
einfach das Bier als Aperitif zusätzlich.
Mich würde jetzt interessieren, ob der Herr Jin Jian Shu
auch diesem neuen Trend folgt und erst einmal seinen Gästen ein Bier im 0,1l-Glas
serviert. Ich könnte dann nämlich solch ein kleines Glas bestellen und keiner
käm' drauf, dass das mit meinem finanziellen Engpass zu tun hat. Zur Not, wenn
alle Stricke reißen, biete ich ihm an, im Rosenmontagszug bei einem seiner
Wagen als Wagenengel zu gehen.
Selbst wenn ich Zeit gehabt hätte, das Geld für den Herrn
Betz hätte ich sowieso nicht gehabt. Da hab ich echt falsch geschaltet. Statt
am Schalter so viele Briefmarken zu erwerben, wäre ich mal lieber in die
Stadthalle Bad-Godesberg gegangen, zu seinem Vortrag "Wieder richtig Bock
auf den Job und das Leben!" für gerade mal 28 Euro. Der Herr Betz hätte
mir sicherlich vollkommen neue, bahnbrechende Strategien zur Lösung meiner
postalischen Lebenskrise an die Hand gegeben.