Mittwoch, 26. August 2015

Urlaub, ich habe fertig (Teil I)

Was dem Guildo die orthopädischen sind mir die thromboseprophylaktischen, die Strümpfe.

Bin ich froh, dass ich wieder in Bonn bin.
Für mich persönlich ist das Thema Urlaub durch. Ich habe fertig mit Urlaub. Brauch ich nicht mehr! Urlaub, für mich persönlich uninteressant!
Früher bot mir mein Lieblingsdiscounter vor dem Urlaub eine große Flasche Sonnenmilch an. Hab ich gekauft. Später gab's dann auch noch eine Flasche "After Sun". Hab ich auch gekauft. Mit dem Einkaufswagen dran vorbei und reingeschmissen. Dieses Jahr habe ich Stunden bei meinem Lieblingsdiscounter verbracht (dafür extra Überstunden genommen) und mich durch die Sommer-Sonnen-Kollektion gefräst, war total überfordert. Wusste nicht, ob ich "Kokos Sonnenspray" statt "Light Touch Sonnenlotion" nehmen soll. Schwankte zwischen "Ultra Sensitiv Sonnencreme" und "Sonnenmilch mit Schimmer".

Früher sind mein Traummann und ich ins Flugzeug gestiegen, haben uns darüber gefreut, dass es endlich losging, haben während des Flugs geschlafen, gedöst oder nicht - egal! Schon vor einigen Jahren fing es dann mit einem kleinen Nackenhörnchen für den Flug an. Dieses Jahr musste es für meinen Traummann unbedingt ein "Nackenhörnchen 2 in 1" sein, das sich im Handumdrehen vom Kopfkissen zum Nackenhörnchen verwandeln lässt. Und Ohrstöpsel "Travel" mussten her, gegen Ohrendruck beim Fliegen. Früher gab's einen Kaugummi - ging auch. Aber, ich bin ehrlich, es war ja nicht nur mein Schatz. Nein, auch ich habe mich anstecken lassen. Mich so lange von Freundinnen blöd machen lassen - und Thrombosestrumpfhosen gekauft.

Und dann kam der Flug! Objektiv nur knappe zwei Stunden Flugzeit, subjektiv von mir empfunden mindestens dreizehn (die Thrombosestrümpfe waren von daher schon angebracht, weil zumindest gefühlt der Flug ja recht lang war). Da habe ich schon Stund um Stund bei meinem Lieblingsdiscounter zugebracht, habe seit Monaten immer mindestens ein Teil für den ach so anstrengenden Flug im Einkaufswagen, bin bis unter die Zähne beim Einsteigen ins Flugzeug mit Boardcase und Co. bewaffnet und dann passiert mir das! Ich kann keinem erzählen, wie peinlich mir das war. Ich musste ziemlich früh auf die Toilette. Bin gegangen, wie immer, Toilette abgespült, wie immer, Hände gewaschen, wie immer. Anschließend wieder auf meinen Platz gesetzt, wie immer - und einfach NICHTS gemacht! Und ALLE haben es gesehen! Wenn ich mir den Flug wieder in Erinnerung rufe, zum In-den-Boden-Sinken. Am liebsten wäre ich ausgestiegen. Normalerweise, wenn ich mich daneben benommen habe, kann ich mich ja wenigstens retirieren. Im Flugzeug geht das nicht! Und das Elend nahm seinen Lauf.

Einige Zeit später suchte die Frau schräg vor mir die Toilette auf. Als sie zurück kam, holte sie aus der Gepäckablage ihren Beautycase, entnahm selbigem eine Packung Hygienetücher und desinfizierte sorgsam ihre Finger. Wenig später beobachtete ich eine ältere Dame, die nach dem Klogang ihre Hände mit einem Hygienespray entkeimte. Gott, war mir das hochnotpeinlich. Immer tiefer rutschte ich in meinem Sessel. Dabei hatten es ja alle bereits gesehen, als ich vom Klo kam: Ich Wutz hatte es nur beim Händewaschen über dem Waschbecken belassen!

Ich versuchte mich abzulenken, mich weiter auf meinen Spielfilm zu konzentrieren - aber so was von ohne Erfolg! Und das lag jetzt nicht nur daran, dass ich mittlerweile vor Scham fast auf dem Boden kauerte und somit nicht wirklich auf den Bildschirm schauen konnte. Auch nicht etwa deshalb, weil ich das Kommen und Gehen meiner Mitpassagiere doch aus dem Augenwinkel verfolgte. Nein, es lag am Alter, an meinem. Früher haben alle Flugzeuginsassen denselben Spielfilm geguckt - und alle an derselben Stelle geseufzt oder gelacht. Neuerdings sitzt mein Nachbar vor einem anderen Film als ich. Und schräg vor mir auf der anderen Seite des Gangs läuft ein ... Was rede ich, jeder sitzt vor einem anderen Film. Auf dem Monitor meines Nachbarn reiht sich eine Action-Szene an die andere, während es bei mir gerade ganz romantisch um den ersten Kuss geht. Und schräg vor mir wird eine Komödie geschaut, die den Zuschauer zu Lachsalven anregt, derweil bei mir gerade am Grab getrauert wird. Ich kann mich da nicht konzentrieren!

Und überhaupt, was soll ich sagen, mittlerweile waren alle Passagiere, die ich irgendwie beobachten konnte, ohne dass es allzu sehr auffiel, auf dem Klo gewesen und hatten anschließend für alle sichtbar Entseuchungszeremonien zelebriert. Meine ganze Hoffnung ruhte nun auf einem Mann, der glücklicherweise ein ganz klein wenig ungepflegt wirkte - wie mir schien. Der würde doch wohl nicht nach dem Klogang eine Dekontaminationsorgie veranstalten! Hat er nicht, nur eine Dekontaminationsorgie veranstaltet. Hat die einzelnen Finger nicht nur zuerst mit einem Hygienetuch abgewischt, dann die Hände mit einem Hygiene Handgel eingerieben und zuletzt mit einem Hygienespray behandelt! Nein, der hat danach seine Hände mit einer pflegenden Handcreme, mit einer Intensivpflege aus hochwertigem Traubenextrakt, eingerieben - um einer ansonsten unumgänglichen Austrocknung selbiger vorzubeugen.

Bin ich froh, dass dieser Albtraum hinter mir liegt. Ich bin es ja aber auch selbst schuld. Wäre ich doch einfach zuhause geblieben - in meinem schönen Bonn! Wenn ich bedenke, dass justament zur selben Zeit, in der sich die Menschen um mich herum im Flieger ganzkörpermäßig mit alkoholischen Feuchttüchern desinfiziert haben, ich in der Rheinaue selbigen, den Alkohol nämlich, in Form von über 700 Biersorten hätte genießen können! Über 700 Biersorten! Hätte beim Genuss des kühlen Gerstensaftes dem Guildo lauschen können. Der mit seinen Strümpfen und ich OHNE!
Aber ich will mich nicht beklagen. Gott sei Dank war ich wieder aus dem Urlaub zurück, als in ...

Weil, da bin ich ehrlich. Seit Jahren fahre ich im Sommer an dem großen Plakat an der Kölnstraße vorbei und nehme es mir immer wieder vor. Und jedes Jahr ärgere ich mich, dass ich es wieder nicht wahr gemacht habe, dass ich es wieder verpasst habe. Bin ich froh, dass ich es dieses Jahr geschafft habe! Ja, ich war in Hersel, zur Aalnacht in Hersel. Ich muss mich also nie mehr ärgern, dass ich etwas verpasst habe. Nur den Aal, den habe ich verpasst, obwohl ich da war.