"Bonn weiter auf Rekordkurs", so las es sich in
meinem SCHAUFENSTER: Die Region Bonn erzielte im vergangenen Jahr zum achten
Mal in Folge einen Übernachtungsrekord seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr
1986. Die Stadt Bonn verzeichnete 2017 einen Anstieg auf knapp 1,6 Millionen
Übernachtungen, ebenfalls zugelegt hat der Rhein-Sieg-Kreis mit über 1,3
Millionen Übernachtungen. Gemeinsam verzeichneten Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis
79.476 Übernachtungen mehr als im Vorjahreszeitraum. Das ist ein Plus von 2,7
Prozent gegenüber 2016.
Wenn ich ehrlich bin, ich weiß gar nicht, warum so viele
Menschen nach Bonn kommen, was die sich hier anschauen wollen. Weil, die
Gurlitt-Ausstellung in der Bundeskunsthalle ist ja vorbei und das Bonner Münster
geschlossen. Gut, vielleicht wollen die gucken, ob wir es nun endlich geschafft
haben, dass es ins Haus der Geschichte nicht von oben reinregnet.
Allein schon das Ankommen am Bonner Bahnhof - schön ist
anders. Du landest mitten in einer Baustelle und weil Gleis 1 fehlt, ist es
notgedrungenermaßen kuschelig eng. Und dann schreitest du zwischen meterhohen
Bauzäunen. Also, da bist du echt froh, wenn du da durch bist. Wenn du es als
Tourist dann geschafft hast, das Bahnhofsgelände hinter dir zu lassen, kann ich
persönlich dir nur die Oase der Ruhe, der Stille empfehlen. Directement ums
Eck, und so was von ein Geheimtipp. Das ist so was von ein Geheimtipp, dass da
kein Schwein ist - in der Kaiserpassage: die Kaiserpassage, die Oase des
Scheiterns. Da stehen so viele Ladenlokale leer. Es bricht mir jedes Mal das
Herz. Apropos Oase des Scheiterns. Wer "Das Institut – Oase des
Scheiterns" noch nicht gesehen hat, selbst schuld! Das ist eine deutsche
Sitcom über die Arbeit eines deutschen Kulturinstituts im zentralasiatischen Phantasiestaat
Kisbekistan. Weitgehend am Interesse der Einheimischen vorbei versuchen dort die
sechs Mitarbeiter, mit Sprachkursen und Veranstaltungen ein positives
Deutschlandbild zu vermitteln. Ich habe selten so politisch unkorrekt gelacht!
Apropos Passage. Es kann natürlich sein, dass die alle zuhauf
hier nach Bonn wegen der Welckerpassage strömen.
Dieser Durchgang von der Karl-Carstens-Straße/Welckerstraße durch das
WorldCCBonn-Ensemble hindurch zum Platz der Vereinten Nationen ist mit einer
624 Quadratmeter großen Unterhangdecke versehen worden. Und da hieß es in
meinem SCHAUFENSTER, der Rat der Stadt Bonn habe diesen baulichen Abschluss in
erster Linie mit optischen Aspekten begründet, da der UN Campus mit seinen
jährlich vielen Tausend Tagungsgästen, Spaziergängern und Touristen ein
städtebaulich exponierter Bereich sei, der erhöhte architektonische
Anforderungen an das äußere Erscheinungsbild dieses Ortes stelle. Das unter der
Decke angebrachte und bisher unverhüllt sichtbare Lüftungssystem mit seinen
zahlreichen großformatigen Rohren sei mit einem feinmaschigen Stahlnetz
versehen worden. Die geschwungene Form des Netzes sei den unterschiedlichen
Höhenlagen der Lüftungstechnik des Konferenzzentrums angepasst. Ein positiver
Nebeneffekt sei der mit dem engmaschigen Stahlnetz verbundene Taubenschutz, der
verhindere, dass die Vögel rund um das Lüftungssystem Unterschlupf finden, dort
nisten, es dabei beschädigen und die Passage verschmutzen. Zusätzlich habe man
an der Unterhangdecke ein besonderes optisches Merkmal mit Hilfe von 2.640
LED-Dots installiert. Die Lichtpunkte werden über eine spezielle Software
gesteuert, mit deren Hilfe unterschiedliche - auch farbige - Lichtszenarien
programmiert werden können.
Was aber ja auch noch an dieser Passage bemerkenswert ist,
und da kann ich nur sagen, wenn man's weiß. Weil, als mein Traummann und ich da
so unbedarft durchgegangen sind. Wäre ich mal besser erst in die Passage
gegangen, nachdem mich mein SCHAUFENSTER aufgeklärt hat. Da hieß es nämlich
unter den Lettern "Nachrichtenkanal, Stadt-Klangkunst in der
Welckerpassage": Wer Ohren hat, zu hören, dem sei in diesen Tagen
besonders die Welckerpassage empfohlen. Die Stadtklangkünstlerin Maria Urstad
hat aus dem Fußgängertunnel eine interessante, sprechende Erlebnisumgebung
gemacht. Mit ihrer Raum-Ton-Installation wolle sie die Radio-Atmosphäre
einfangen. Sie habe im Tonarchiv der Deutschen Welle etliche Beispiele gehört,
die die Geschichte des Hörfunks erzählen. Außerdem sei es für sie interessant
gewesen, ausgerechnet in Deutschland die Deutsche Welle erlebbar zu machen. Die
ist ansonsten bekanntlich ja ausschließlich im Ausland zu hören. Also tönen
Wortfetzen von links und rechts und auch von der Decke. Nachrichtenreste in 31
Sprachen aus 31 Lautsprechern. Dazu ein originalgetreues Knistern und Rauschen
wie beim guten alten Analogradio üblich. Ein Stück Zeitgeschichte. Ein Kosmos
aus Geräuschen, ein Weltall aus Wörtern. "Ich habe versucht, einen eigenen
Zugang zu dieser mir fremden Welt zu finden", sagt Maria. "Die
verschiedenen Stücke schaffen eine eigene Wirklichkeit, eine Präsenz von
Rundfunk. Sie zeigen außerdem die Veränderung in der Welt der Medien. Und
zugleich ihre Fremdheit, ihre Anonymität." Es ist dieser "mix by
passing", wie Maria es ausdrückt, die die gesamte Installation interessant
und unverwechselbar macht. Im Stundenabstand erfolgt ein Neustart der
Tonsequenz. Und von oben gibt es eine Morgen-, eine Mittags- und eine
Abendstimmung. Die Abendstimmung, lächelt Maria, "is darker", was in
diesem Zusammenhang geheimnisvoller, vielleicht auch unheimlicher heißt. Das
Ganze ist zu hören bis Silvester 2018. Und es ist, darauf lege die
Klangkünstlerin Wert, "es ist ein Kunstwerk, keine Dokumentation."
Wieder so ein Artikel meines SCHAUFENSTERS, wo ich keinen
Satz kürzen wollte. Weil ich dachte, je mehr man's mir erklärt, desto besser
gefällt's mir, das Kunstwerk. Aber leider, es fehlt mir der Zugang.
Wahrscheinlich werde ich einfach mal 24 Stunden im Schlafsack im zugigen
Durchgang verbringen. Immerhin, Tauben werden ja wohl nicht auf mich kacken.
Ich hab ja noch bis zum 31. Dezember Zeit.