Ich hatte ja neulich angedeutet, dass ich überhaupt nicht
verstehe, warum so viele Touristen nach Bonn kommen. Nehm' ich zurück, zumindest
für ein Wochenende. An diesem Wochenende, ich hätt's verstanden, wenn da in
Dransdorf kein Durchkommen mehr gewesen
wäre. Hatte es doch in meinem SCHAUFENSTER geheißen "Mineralien-Kontor
zeigt seine Schätze": Am kommenden Wochenende heißt es, die aktuelle
Jetzt-Zeit zu vergessen und einzutauchen in die seit Äonen währende
Vergangenheit. Das Rheinische Mineralien-Kontor in der Fraunhoferstr. 7 zeigt,
was es hat. Und das ist eine Menge. Von außen ein Profanbau, erschließen sich
die wahren Schätze erst dann, wenn man die Kellergewölbe betritt. Hier lagern
Steine, die Millionen Jahre alt sind. Amethyste schimmern, Edelsteine locken, Diamanten
glitzern, Bergkristalle funkeln. Und dann, um die Ecke - ein
Dinosaurierschädel. Das Rheinische Mineralkontor besteht seit mehr als 185
Jahren und ist somit der älteste und auch der größte Geo-Fachhandel der Welt.
Das Kontor betreibt den weltweiten Austausch mit Mineralien, Fossilien,
Gesteinen, naturgetreuen Abbildungen und geologischem Zubehör. Zu seinen
Austauschpartnern zählten Goethe, Humboldt und andere namhafte Wissenschaftler.
Ich sage nur, lost in Dransdorf! Noch nie bin ich durch so viele Spaliere von
Schubladenschränken gewandelt, habe unzählige Schubladen geöffnet nur um des
Öffnens Willen, Gänge über Gänge, unendlich viele noch in D-Mark ausgezeichnete
Mineralien. Eine Reise in eine ferne, unbekannte Vergangenheit.
Apropos unbekannt und
fern. Als mein Traummann und ich uns endlich losreißen konnten, sind wir die
Fraunhoferstraße mit dem Rad weiter bis ans Ende gefahren und stießen dort auf
eine Fußgängerbrücke über die Gleise. Und stellten fest, hallo, obwohl so nah, in
dieser Ecke waren wir noch nie. Und schon waren wir im Tannenbusch. Auch da
hätten wir uns verlieren können, im Tannenbusch. Dort, so hieß es in meinem
SCHAUFENSTER, haben nämlich Schüler, Studenten und Anwohner drei Tage lang fünf
Verteilerkästen von ihrem tristen Grau befreit. So prange auf einem
Verteilerkasten zum Beispiel nun das große Bonn Lexikon und Der kleine Duden. Aber "lost im
Tannenbusch" wird ein eigenes, ein ganz spannendes Projekt. Dransdorf und
Goethe, Tannenbusch und Der kleine Duden! Wahnsinn!
Apropos Goethe und Bildung. Weil, neulich las es sich im
Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters im Zusammenhang mit Food und Balance
so: Schonkost zur Linderung akuter Resorptionsstörungen des Darms, Diabetes zur
Regulierung der Glucoseversorgung, Adipositas zur Verringerung von Übergewicht
und Renal zur Unterstützung der Nierenfunktion bei chronischer
Niereninsuffizienz. Weil ich jetzt diesbezüglich keine Beschwerden habe, habe
ich mir davon keinen Vorrat angelegt. Aber bei Superfood verschiedene Sorten,
wie Huhn & Granatapfelkerne + Quinoa, hallo, da konnte ich natürlich nicht
widerstehen. Da hab ich aber stapelweise in den Einkaufswagen. Was mich wohl
gewundert hat, der Kunde hinter mir, also hinter dem Kundentrenner, meinte zu
mir mit Blick auf den Stapel: "Da lässt der kleine Schatz es sich aber gut
gehen." Das fand ich persönlich jetzt schon ein kleinwenig übergriffig,
mich Schatz zu nennen. Ich habe deshalb sicherheitshalber noch einen zweiten
Kundentrenner hinzugefügt. Zuhause ist mir aber dann doch aufgefallen, dass
dieses edle Essenssortiment nicht für mich bestimmt ist, sondern für Katzen und
Hunde.
Wie komm ich drauf? Ach ja, Goethe, Schiller und
Shakespeare, der ja den Romeo erfunden hat. Weil, Romeo heißt nämlich die Marke
für Tiernahrung. Was mich betrifft, ich hab jetzt so viel davon eingekauft und
da ist ja wirklich nur das Beste drin. Davon abgesehen habe ich schon oft gedacht,
dass bei uns die Katzen und Hunde besser essen als die Mehrheit der Menschen
auf diesem Planeten. Also ich gebs jedenfalls nicht zurück, obwohl ich keinen
Hund habe ...
Apropos Hund. Ich hatte ja letztens erwähnt, dass ich noch
keine Enkelkinder, also zweibeinige Enkelkinder, Kinder eben. habe. Worüber ich
aber so was von froh bin, dass mein Traummann und ich nicht Großeltern von
einem vierbeinigen Enkelkind sind, also von einem Hund. Weil, das habe ich
mittlerweile schon mitgekriegt. Dass viele junge Paare sich einen Hund
anschaffen statt eines Kindes. Da sieht man dann im Straßenbild kleine Hundis,
die im Handtäschchen getragen werden. Oder man begegnet beim Wandern Menschen,
die ihren Vierbeiner auf dem Rücken wie ein Kind tragen. Da sieht man mal, wie
alt ich bin. Zu meiner Zeit war ein Kind ein Mensch und ein Hund ein Tier. Das
hat sich aber so was von geändert!
Was sich auch geändert hat. Es gibt doch bei den Psychologen
diese Assoziationsspiele. Der Psychologe zeigt dir zum Beispiel ein Beil. Da
darfst du als Hackebeilmörder natürlich nicht den erst besten Gedanken
raushauen, Sonst kommst du nie mehr aus dem Knast. Also ratsam wäre beim Anblick
eines Beils Vergissmeinnicht oder Abendrot zu sagen. Ich komm deshalb drauf,
wenn man mir jetzt das Bild eines Koffers zeigen würde, ich käm' auf Reisen und Packen. Im Leben käm ich nicht,
und wenn es meine Freilassung bedeuten würde, im Leben käm ich nicht auf Strom.
Wurde doch im Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters ein Boardcase beworben
mit integrieter Powerbank (10.000 mAh). Hallo, Strom aus dem Koffer!? Wobei,
ich bin da ganz stark am Überlegen. Also wenn die sich da auf dem Balkan
streiten und deshalb bei uns die Radiowecker falsch gehen, weil die Frequenz im
europäischen Stromnetz zu niedrig ist. Also da nehm ich doch glatt lieber den
Strom aus dem Koffer. Da bin ich auf der sicheren Seite.
Ja, vieles hat sich geändert: Enkelkinder sind nicht mehr
notwendigerweise Kinder und der Strom kommt aus dem Koffer. Was sich aber
offensichtlich noch nicht wirklich geändert hat, ist das Frauenbild. Wie sonst
erklärt sich folgende Seite im Werbeblättchens meines Lieblingsdiscounters?
Dort sieht man eine junge Frau, glücklich ins Bügeln vertieft. und die Lettern
dazu: Mit Volldampf ins Bügelglück. Was hat denn da die Verantwortlichen
geritten?