Was ich vergessen hatte zu erwähnen, beim Tag der offenen
Tür vom Marriott Hotel habe ich auch einen Blick in die Präsidentensuite
geworfen, also quasi beim Walter Scheel reingeschaut, so heißt die nämlich. So
was von luxuriös. So ganz das Gegenteil der Kanzlerbungalow. Ich komm deshalb
drauf, weil mein SCHAUFENSTER hatte mich ja auf einen anderen Tag der offenen
Tür aufmerksam gemacht. Da hieß es: Zum Jubiläum "200 Jahre Universität
Bonn" präsentiert sich die Wissenschaftsregion Bonn beim Tag der offenen
Tür in der Villa Hammerschmidt. Und, ja, ich gebe es zu, ich war da vorher noch
nie! Will sagen, es hieß dieses Mal nicht: "Schatz, am Sonntag ist ... Hast
du Lust da hinzugehen?" Sondern: "Am Sonntag ist ab 11:00 Uhr Tag der
offenen Tür in der Villa Hammerschmidt. Wann sollen wir uns da anstellen?"
Was soll ich sagen, wir standen dort um 10:15 Uhr und waren
bei weitem nicht die Ersten. Aber Schlangestehen gehört ja ohnehin zu meinen
Kernkompetenzen. Wo, bitteschön, kann ich besser mein Beckenbodentraining
absolvieren? Und auch der Pfunde wegen. Weil, beim Schlangestehen purzeln bei
mir so was von locker die Pfunde. Doch, was mich betrifft, Ärger macht schlank
- wenn du nicht gerade neben einem gefüllten Kühlschrank stehst. Was ja
bekanntlich beim Schlangestehen im Freien eher selten vorkommt. Entweder stelle
ich fest, dass die vor mir ein ganz tolles Programmheft haben, mit dem sie sich
die Zeit angenehm verkürzen können. Oder die hinter mir zaubern aus ihrem
winzigen Rucksack anlässlich eines unvorhergesehenen Platzregens einen riesigen
Schirm hervor und lassen mich nicht mit drunter. Oder ich sehe mich unter den
ersten Zehn, und plötzlich ergießt sich eine Busladung Mensch vor mir und herzt
den einen Platzhalter.
Dieses Mal in der Schlange nichts dergleichen. Kurz vor
11:00 Uhr setzte sich Selbige in Richtung Körperscanner in Bewegung. Gott sei
Dank hatte ich mich zufälligerweise einmal geduscht und mich für frische
Unterwäsche entschieden. Weil, ich kann jetzt nicht ausschließen, dass die uns
da mit einem Nacktkörperscanner untersucht haben. Und dann waren wir auch schon
in der Villa Hammerschmidt. Der traumhafte Blick durch das Eingangsportal über
die Terrasse und den Park zum Rhein, es ist noch leicht diesig in der Vormittagssonne, wird mir wohl noch lange in
Erinnerung bleiben!
Was mir aber noch mehr in Erinnerung bleiben wird, ist der
Kanzlerbungalow. Den haben wir uns nämlich danach angeschaut. Der Grundriss hat
es mir so was von angetan. Der Bungalow besteht ja quasi aus zwei Quadraten.
Der eine Wohn-Essbereich, der andere Schlafbereich. Und nun aufgepasst, ihr Paare,
die ihr euch immer noch nicht traut, euch zu outen. Was ich irgendwie aber auch
nachvollziehen kann, denn nach wie vor ist es doch so: Sonntagabend um 20:00
Uhr, erste Kameraeinstellung im "Tatort", eine Frauenleiche wird aus
dem Wasser gezogen. Zweite Kameraeinstellung, die Spurensicherung untersucht
das Einfamilienhaus der Toten und die Kommissare treffen ein. Und dann
folgender Dialog: "Und, schon etwas Verwertbares gefunden?" "Bis
jetzt noch nicht viel. Aber um die Ehe scheint es schlecht gestellt gewesen zu
sein. Die Eheleute schliefen in getrennten Zimmern." Und, schwupp, eh der
Ehemann sich versieht, ist er nicht nur Witwer sondern auch Haupttatverdächtigter.
Es ist mir ein Rätsel, in Zeiten des Outens, des
Andersseins, gewollt oder ungewollt, hat es immer noch ein Geschmäckle, wenn
ein Paar in getrennten Schlafzimmern schläft.
Auch ein schönes Wort, Geschmäckle. Ich hab extra mal bei
Wikipedia vorbeigeschaut und die schreiben: Geschmäckle ist die schwäbische
Verniedlichungsform von Geschmack, sinngleich mit dem hochdeutschen Wort,
jedoch in der besonderen Bedeutung eines fremdartigen, verdächtigen, nicht
hergehörenden Geschmacks oder Geruchs. Der Begriff wird im übertragenen Sinn
für Sonderbarkeit, spezifische, anderen auffallende und widerwärtige oder
lächerliche Art eines Individuums oder Standes benutzt. Ich möchte nicht
wissen, wie viele Frauen "vorübergehend" aus dem gemeinsamen Schlafzimmer
ausziehen wegen unterschiedlicher Einschlafzeiten, wegen Husten und Schnupfen
und, vor allem, weil sein Schnarchen unerträglich ist. Ich kann es mir nur so
vorstellen, dass der Schein des gemeinsamen Schlafzimmers für den Fall eines
dringend benötigten Alibis aufrechterhalten wird.
Was ich aber eigentlich zum Kanzlerbungalow erzählen wollte:
In dem wie um ein Atrium angelegten Schlaftrakt befinden sich auf der einen
Seite das Ankleidezimmer, das Schlafzimmer (nebenbei, von der Größe sehr übersichtlich)
und das Bad für Ihn - und auf der gegenüber liegenden Seite des Innenhofes
genau dasselbe für Sie. Und in der Mitte ein kleiner Swimmingpool! Liebe heimlich
getrennt Schlafende, traut euch, outet euch und sagt: "Wir halten es wie
die Kanzlers." Hört sich doch irgendwie schick an, oder?
Apropos alte Zeiten. Worüber ich letztens gestolpert bin,
war die Überschrift in meinem SCHAUFENSTER "Perspektiven an der
Bahntrasse". Und dann gab es da noch Informationen im Generalanzeiger wie "Straßenbahnen
in Bonn sind nicht einsatzbereit" und "Straßenbahnen, die sich auf
dem Bonner Talweg begegnen, und in zweiter Reihe parkende Autos: Da bleibt vor
allem Radfahrern nicht viel Platz." Und in einem anderen Artikel hieß es
unter den Lettern "Immer am Ball in Bussen und Bahnen": Die
SWB-Nahverkehrsleitstelle sendet wieder Live-Infos mit aktuellen Spielständen
und Endergebnissen in den Bonner Nahverkehr. Die Zwischenstände und
Endergebnisse aller Begegnungen der Fußball-WM werden in die dynamischen
Fahrgastinformationsanzeigen (auch ein tolles und vor allem langes Wort!) eingespielt.
Und nicht nur das: Wenn in den Spielen der deutschen Nationalmannschaft ein Tor
fällt, wird das Leitstellenteam die Nachricht auch via Lautsprecherdurchsagen
in alle Busse und Bahnen senden. In den vergangenen Jahren sind die dynamischen
Fahrgastinformationen ausgebaut worden.
Mal ganz abgesehen davon, dass es dieses Mal bei der WM
nicht allzu viel durchzusagen gab. Ich hab mir nur vorgestellt, dass wir wohl
in naher Zukunft von alten Zeiten sprechen werden, als in Bonn noch Bahnen
fuhren. Dass es in Zukunft in Bonn viele alte Bahntrassen geben wird, auf denen
sich die Fahrradfahrer so was von toll fortbewegen können. Weil die
Fahrgastinformationen zwar immer dynamischer geworden sind, die Bahnen aber
immer statischer. Statisch im Sinne von unbewegt, keine Bewegung aufweisend,
weil die Bahnen kaputt sind oder die Fahrer krank.