Donnerstag, 26. Dezember 2024

Ein Konvolut an guten Vorsätzen

 


Mein aktuelles Lieblingswort - Konvolut! 
Und weil ich gerade bei Lieblingswort bin. Einer meiner Lieblingssprüche ist ja auch: „Du gehst mir auf den Sack.“ Weil ich aber bis jetzt dachte, dass dieser Spruch nicht wirklich gesellschaftsfähig ist, dass es sich bei dem Sack um das Gemächt (auch so ein tolles Wort!) handelt, habe ich den Spruch nur in Ausnahmefällen benutzt und noch „auf den nicht vorhandenen“ hinzugefügt. Aber horch! Dieser Spruch stammt aus der Zeit, als es noch keine richtigen Türen gab. Stattdessen wurden Säcke vor den Türrahmen (der damals noch nicht so hieß) gelegt. Auf diese Sitte weist unter anderem der Ausspruch „Haben wir etwa Säcke vor der Tür?” hin. Witterungsbedingt wurden die Säcke natürlich auch nass und mussten getrocknet werden. Bei schönem Wetter legte der Hausbesitzer daher die Säcke in die Sonne. Die leeren Säcke wurden sorgfältig auf den meist kleinen Grundstücken ausgebreitet. Sie markierten auch die Grenzen zum Nachbargrundstück. Wenn nun jemand fremdes auf diese Säcke trat, hatte er damit schon die Grundstücksgrenze verletzt. Der Eigentümer des Hauses rief dann meist „Geh mir nicht auf den Sack!”, womit er zum Ausdruck brachte, dass der Fremde sich auf seinem Grundstück befand. Zudem waren die Säcke zu kostbar, als dass sie achtlos als Fußabtreter verwendet werden konnten. Wenn also heutzutage, wo es zum Glück anständige Türen gibt, jemanden sagt, dass ein anderer ihm nicht auf den Sack gehen soll, meint er damit, dass dieser ihn in Ruhe lassen soll. Meist hat dieser vorher durch sein Verhalten auch eine Grenze überschritten und fängt zu nerven an. - Weisse Bescheid, Schätzelein!


Ich war aber ja bei meinen Vorsätzen fürs neue Jahr. Deine Vorsätze kenne ich ja. Sport zum Beispiel. Da bietet dir das Werbeblättchen deines Lieblingsdiscounters (der ist ja nicht blöde, dein Lieblingsdiscounter, der kennt das ja mit deinen guten Vorsätzen). Und deshalb bietet der dir jedes Jahr im Januar sämtliches Sportgerät an. Obwohl der weiß, dass du vom letzten Jahr noch den Ruderergometer unausgepackt im Keller stehen hast. Das einzige, was du da an sportlicher Aktivität reingesteckt hast, war, selbiges Sportgerät erst einmal in den Keller zu wuchten, damit es nicht im Weg steht.

Oder auch so ein immer wiederkehrender Vorsatz von dir: fasten. Jedes Jahr dieselbe Prozedur. Im Januar fängst du an, wegen Vorsätze fürs neue Jahr und so – und schwächelst. Aber kein Problem, denkst du. Die zweite Möglichkeit, fastenmäßig einzusteigen, steht ja quasi schon mit dem moralischen Zeigefinger vor der Tür. Jetzt aber! Genau, die Fastenzeit. Und wenn du da den Einstieg verpasst hast, macht auch nichts. Denn aller guten Dinge sind bekanntlich drei: Ab jetzt zeigt dir die Bunte, wahlweise auch die Gala, wie du deine Bikinifigur in nur wenigen Wochen erreichst. Aber wenn du dich dann endlich durchgerungen hast, es mal mit dieser Diät zu probieren, stellst du fest, dass es bis zum Urlaub eh nur noch drei Wochen sind. Da lohnt es sich dann auch nicht mehr!

So, jetzt aber! Mein erster Vorsatz: Zum Thema Abtreibung werde ich erst einmal nichts mehr sagen, darüber ging es ja schon in meinem letzten Beitrag. Nur noch eins: Das Thema Abtreibung steht nach wie vor im Strafgesetzbuch, zwischen Mord und Völkermord. Das ist ein absolutes Unding! Dort muss es endlich raus!

Noch ein Vorsatz: Möglichst nichts mehr zum Thema Gendern schreiben. Nur noch eine witzige Geschichte. So las es sich in den Medien: Mit der Entscheidung, nur noch das sogenannte generische Femininum zu nutzen, will Rotenburgs Landrat Marco Prietz eine Debatte anstoßen. Regelmäßig müssen die allgemeinen Geschäfts- und Dienstvorschriften des Landkreises angepasst werden. Gemeinsam mit der Personaldezernentin Silke Fricke hat Landrat Prietz in dem Zuge beschlossen, dass es mit der rein männlichen Form nicht weitergehen könne. Denn mehr als die Hälfte der Beschäftigten in der Verwaltung und auch mehr als die Hälfte der Führungskräfte seien mittlerweile Frauen. "Mir sind Lesbarkeit und hohe Verständlichkeit wichtig. Deshalb bin ich kein Befürworter von Sonderzeichen. Auch immer beide Formen zu nennen, sorgt nicht dafür, dass man es besser versteht. Wir wollten daher nur eine Form nutzen." Personaldezernentin Silke Fricke sagt, die Resonanz der Belegschaft sei überwiegend positiv, vor allem von den Frauen in der Landkreisverwaltung. "Die fühlen sich nun besonders wertgeschätzt. Und alle Personen im Haus werden ja auch künftig weiterhin korrekt mit ihrem Geschlecht und ihrer dazugehörigen Amtsbezeichnung angesprochen." Hier gebe es also keine Probleme. In der Großen Straße in Rotenburg, der Fußgängerzone der Kreisstadt, wird die Entscheidung des Landrats mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen. Er lehne jede Form von Gendern ab, sagt ein älterer Herr. Eine jüngere Frau beklagt hingegen, der Vorstoß ginge nicht weit genug. Denn non-binäre Personen würden ausgeschlossen. Vielen aber ist das Thema schlicht egal, oder es ist ihnen zu hoch gehängt und politisch aufgeladen. Nicht zufrieden ist ausgerechnet der Landesfrauenrat Niedersachsen. Für die Vorsitzende Barbara Hartung ist die Nutzung der rein weiblichen Form zu unpräzise. "Man kann die Einführung des Femininums als Ausgleich betrachten, als ausgleichende Gerechtigkeit nach Jahrhunderten des generischen Maskulinums. Es könnte sein, dass Männer merken und nachfühlen können, wie es ist, wenn 'Mann' mitgemeint ist. Aber als generelle Regelung würden wir das nicht befürworten. Wir plädieren für eine geschlechtergerechte Sprache, wo Frauen und Männer sichtbar werden." - Die Landfrauen, wie witzig!

Wie viele Vorsätze müssen es eigentlich sein, damit ich von einem Konvolut sprechen darf? Sicherheitshalber noch zwei. Im neuen Jahr weniger Dubai-Schokolade essen und mehr lüften. Von beidem hätte ich ja nichts mitbekommen, wenn es Tiktok und Instagram nicht gäbe. Beide Themen gingen ja so was von viral. Ein wenig stolz war ich da schon auf uns, uns Deutsche, wie die Influencerin ihren amerikanischen Followern einmal das richtige Lüften erklärt hat. Die Vereinigten Arabischen Emirate und wir - viral auf gleicher Höhe, Wahnsinn! 

Mittwoch, 4. Dezember 2024

“Papaya-Workshops” für Anfänger - Es muss nicht immer lustig sein


Kürzlich las es sich in den Medien folgendermaßen: "Es gibt keinen Raum für Kompromisse, wenn es um dieses wesentliche Recht geht, das alle Frauen von Geburt an besitzen: die individuelle Freiheit", sagt Melania Trump, Ehefrau von Donald Trump, mit Blick auf das in den USA hoch umstrittene Recht auf Abtreibung. Die individuelle Freiheit sei ein Grundprinzip, für das sie "ohne jeden Zweifel" eintrete. In einem zentralen Wahlkampfthema widerspricht sie damit ihrem Mann. "Warum sollte jemand anderes als die Frau selbst die Macht haben zu entscheiden, was sie mit ihrem eigenen Körper macht?", zitiert der Guardian. Das Recht einer Frau einzuschränken, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden, sei dasselbe, wie ihr die Kontrolle über ihren eigenen Körper zu verweigern, heißt es von Melania Trump. Dieser Überzeugung sei sie schon ihr gesamtes Erwachsenenleben. "Das Grundrecht einer Frau auf individuelle Freiheit und auf ihr eigenes Leben gibt ihr die Berechtigung, ihre Schwangerschaft abzubrechen, wenn sie dies wünscht", ergänzt sie demnach in ihren Memoiren. Frauen müssten auf Grundlage ihrer eigenen Überzeugung über einen Kinderwunsch entscheiden - ohne "Druck der Regierung", so Melania Trump. Da muss ich jetzt einfach mal sagen: Hut ab, Melania, du hättest das Thema ja aussparen können. Hast du aber nicht. Danke!

Wo ich aber gerade bei dem Thema bin, da fallen mir die so genannten „Papaya-Workshops“ ein. Sei ehrlich, hast du noch nie was von gehört. Also Obacht! Im September 2023 las es sich im Bonner General-Anzeiger so: In Bonn stehen ungewollt Schwangere ziemlich allein da. In der Uniklinik soll erstmals ein Papaya-Workshop für Medizinstudierende stattfinden, damit sich mittelfristig mehr Mediziner zu Abtreibungen bereit erklären. Die Situation in Bonn ist angespannt. Papaya-Workshops sind Workshops, an denen grundlegende Kenntnisse zum Schwangerschaftsabbruch in Theorie und Praxis vermittelt werden können. In den Workshops werden verschiedene Methoden des Schwangerschaftsabbruches vorgestellt, inklusive deren Durchführung, Nebenwirkungen und Kontraindikationen. Anschließend können die Teilnehmer*innen den chirurgischen Schwangerschaftsabbruch (Vakuum-Aspiration) am Papayamodell praktisch üben. Die Papaya eignet sich durch Form, Größe und Textur sehr gut als kostengünstiges Modell der Gebärmutter. Das Lehrkonzept ist international bekannt und wissenschaftlich anerkannt (siehe Quellen). Dabei geht es nicht darum, dass die Studierenden den Eingriff anschließend beherrschen. Vielmehr soll eine erste Annäherung an das Thema ermöglicht und eventuelle Berührungsängste abgebaut werden.

Und dann kannst du weiter lesen: “Papaya-Workshops” wurden zunächst in den USA angeboten, bis sie dann erstmals in Deutschland 2015 von den Medical Students for Choice Berlin angeboten wurden. Mittlerweile erfreuen sie sich an vielen medizinischen Fakultäten großer Beliebtheit. Und weiter heißt es: Als Doctors for Choice freut es uns, dass in immer mehr Städten studentische Arbeitsgruppen (z.B. Medical Students for Choice; Kritische Mediziner*innen) gegründet werden, die sich mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch beschäftigen. Da die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung ein Kernanliegen von Doctors for Choice ist, ist uns die Zusammenarbeit mit diesen Gruppen sehr wichtig. Ganz konkret heißt das beispielsweise im Rahmen der “Papaya-Workshops”: Die Organisation wird von den studentischen Arbeitsgruppen übernommen, während Ärzt*innen von Doctors for Choice die Workshops mit ihrer praktischen Expertise anleiten. So wird ein evidenzbasierter, niedrigschwelliger, wertneutraler Austausch auf Augenhöhe ermöglicht https://msfcberlin.com/kritik/.

Holla, die Waldfee, was sag ich denn dazu? Erstmals nach Deutschland in 2015 und schon fast 10 Jahre später in Bonn angekommen. Wahnsinn! Seit Oktober 2023 gilt: Der Schwangerschaftsabbruch soll im Medizinstudium gelehrt werden. Doch die Umsetzung läuft schleppend. In Hamburg nimmt eine Gruppe von Studierenden die Sache nun selbst in die Hand, heißt es in den Medien. Wenn ich bedenke, wie viel Unsinn wir so was von schnell aus den USA übernehmen, und bei diesem Thema dauert es so lange. Ja, es geht so was von schleppend voran, dass sich die Studenten nun selbst drum kümmern. Mir fällt da auch in dem Zusammenhang wieder der Prozess gegen eine Frauenärztin aus München ein. Ihr wurde vorgeworfen, sie würde auf ihrer Website Werbung für Abtreibung machen. Sie hingegen sagte, sie würde lediglich darüber informieren, dass sie in der Lage sei, Abtreibungen vorzunehmen. Letztendlich hat sie den Prozess gewonnen, aber wieso überhaupt …?

Ich sag nur, tolle, perfide Strategie: Wenn etwas im Medizinstudium nicht gelehrt wird, kann man es auch nicht als Gynäkologe durchführen! Was ich sagen möchte, schauen wir nicht auf die Republikaner, schauen wir nicht auf Trump. Lasst uns doch einfach mal vor der eigenen Haustür kehren!

Wo ich jetzt gerade bei der Papaya, bei der Gebärmutter bin. Ich bin mir neuerdings gar nicht mehr so sicher, ob wir überhaupt noch von einer Gebärmutter sprechen dürfen. Statt Muttermilch („Breastmilk“) sollen Hebammen und Ärzte ja gemäß neu eingeführter Sprachpolitik zukünftig „Milch vom Menschen” („Human Milk“) oder „Milch vom stillenden Elternteil“ zu sagen. Weil erst kürzlich hat eine Hebamme ihren ersten Herrn entbunden, also einen Gebärvater. Ich erklär’s dir: Ein Mann, gefangen im Körper einer Frau, hatte sich entschlossen, auch körperlich ein Mann zu werden. Vorher wollte und ist er aber erst einmal schwanger geworden. Bei der Geburt hatte er schon keine weiblichen Brüste mehr, war also schon auf dem Wege zu einem männlichen Körper …

Übrigens: Jeder Mann ist doch gefangen im Körper einer Frau – zumindest für neun Monate, bis zu seiner Geburt. J

Dienstag, 5. November 2024

Tamara im grünen Bugatti


Ja, ich weiß, das Thema kaltes Spritz-Getränk ist durch – für dieses Jahr. Ja, es ist draußen kalt,  und im Hunsrück war es dieser Tage auch kalt, üsselig und vor allem nebelig. Deshalb aber noch diese kleine Anekdote: Mein Göttergatte und ich waren mit unseren Rädchen auf dem Schinderhannes-Radweg im Hunsrück unterwegs. Es war so was von nebelig und so was von nasskalt, dass ich mir noch zwei Plastiktüten (du kennst diese durchsichtigen, kleinen Plastiktüten aus der Obstabteilung bei meinem Lieblingsdiscounter.) über die Socken gezogen habe. Kein Schwein unterwegs und natürlich, wie so oft neuerdings, nichts zum Einkehren. Apropos Einkehren. Das hast du ja in heutigen Zeiten immer öfters: Entweder hat ein Restaurant geschlossen, weil es von montags bis mittwochs immer geschlossen, sprich Ruhetag hat. Oder aber das Restaurant hat geschlossen, obwohl Freitag ist, weil es für immer geschlossen hat. Oder aber es stimmt eigentlich alles, wenn nicht gerade Betriebsferien wären. Oder aber es hat geöffnet und es ist so voll, dass du keinen Platz bekommst, weil du nicht reserviert hast. Oder du bekommst einen Platz und merkst erst bei der Bestellung, nachdem um dich herum jetzt wirklich jeder Platz besetzt ist, dass du den Kellner so was von anschreien musst, damit der dich versteht.

Oder Metzgereien in kleineren Ortschaften: Früher haben mein Göttergatte und ich uns auf unseren Fahrradtouren morgens aufgemacht in dem sicheren Wissen, dass wir vormittags auf jeden Fall an einer Metzgerei vorbeikommen und dort ein Leberkäsebrötchen kaufen würden (und ich bereits mittags schon einmal die Möglichkeit hätte, zwischen mehreren kalten Spritzgetränken zu wählen).

Apropos kaltes Spritzgetränk. Ich fahre ja eigentlich immer noch auf dem Schinderhannes-Radweg im Hunsrück, im üsseligen Herbstwetter, um mich herum nur Nebel. Aber auch ohne Nebel, na ja, Hunsrück eben, Natur pur! Da tut sich doch plötzlich rechter Hand ein kleines Häuschen, ein kleines Bistro auf. Und was geht mir da sofort durch mein Köpfchen? Genau: Bestimmt schon lange tot oder Betriebsferien oder einer von sechs Ruhetagen … Trotzdem, wir werden langsamer, sehen innen ein kleines Lichtlein, oder ist der Wunsch der Vater des Gedankens? Wir halten an, sehen keinen Gast, aber eine Menschenseele hinter der Theke. Haben den Türgriff in der Hand und, klar, es tut sich nichts, geschlossen! Wäre ja auch einfach mal schön gewesen! Und tatsächlich  ist es auch einfach mal schön! Weil, bitteschön, nicht drücken, ziehen! So, aber was nun bestellen? Weil eigentlich fröstle ich ja, Grog steht aber nicht auf der Karte, dafür aber Limoncello-Spritz. Ich schwanke, meine Füße immer noch kalt, immer noch in Plastiktüte, da sagt doch die Bedienung ganz freundlich:“ Ich lasse die Eiswürfel einfach weg. Der Prosecco ist ja kalt genug.“ Hallo, was für eine geniale Idee! Der Prosecco war tatsächlich kalt genug. Und was das Tolle an der Sache war. Du kennst das doch auch, dass du dich manchmal fragst, ob zwischen dem Haufen an Eiswürfeln überhaupt noch Platz für die Promille ist. Nicht so bei diesem Limoncello-Spritz: Das Volumen, was da jetzt an Eiswürfeln fehlte, hat sie mit Limoncello aufgefüllt. Ich muss dir nicht sagen, wie warm es mir da während des Trinkens uns Herz wurde, und das nicht nur metaphorisch! Was glaubst du, wie schnell ich danach in die Pedalen getreten bin! Ich vergaß, ich habe dir noch gar nicht gesagt, wie das Bistro heißt und wo genau es ist: „Gleis 3“ in Pfalzfeld.

Wo ich aber gerade beim Einkehren bin, bei Restaurants. In Kastellaun waren wir abends in einer netten Pizzeria. Na ja, da kannst du es kaum vermeiden, dass du die Bestellung vom Nachbarstisch mitbekommst. Und da war es wieder: das Thema Sonderwünsche. Habe ich da irgendetwas nicht mitbekommen? Gehört es mittlerweile zum guten Ton, kein Gericht, aber auch wirklich kein Gericht so zu bestellen, wie es auf der Speisekarte angegeben ist? Und ich spreche jetzt nicht davon, dass jemand keinen Knoblauch haben möchte. Nein, statt Kroketten sollen es Fritten sein, statt Rosenkohl ein Schüsselchen Rotkohl, statt … ich könnte die Liste endlos verlängern. Mit welchem Käse ist das Gratin überbacken? Stammt das Salz aus dem Himalaya und handelt es sich auch tatsächlich um Kristallsalz? Wurde es auf den tibetischen Hochebenen von Hand geerntet? Möglichst unter großen Mühen von armen tibetischen Waisenkindern? Den Fragen und Wünschen sind keine Grenzen gesetzt! Ich war sowieso schon dabei, mich fremdzuschämen, als die Gästin zum Schluss ihrer Bestellung noch ausdrücklich darauf hinwies, die Pizza solle bitteschön recht kross gebacken werden. Der junge Mann, der die Bestellung aufnahm, verzog keine Miene. Respekt! Hallo! Jetzt auch noch dem Koch sagen, wie er seine Pizzen backen soll! Geht’s noch? Da hast du auf der einen Seite den Gast, der das mit dem „Der-Kunde-ist-König“ aber dermaßen zu weit treibt. Was du aber auf der anderen Seite hast, sind Sterne-Restaurants, in denen der Koch der König ist. Wo es sogar soweit geht, dass ich mit meinem Göttergatten nicht die Teller tauschen darf. Wie wir das eigentlich immer machen: Im Café bestellen wir immer zwei verschiedene Tortenstücke und tauschen nach der Hälfte. Und so erzählte es eine Freundin: Anlässlich eines Geburtstages hatten ihr Mann und sie sich ein edles Restaurant gegönnt. Und hatten wie immer zwei unterschiedliche Gerichte bestellt, um die Vielfalt der teuren Küche genießen zu können. Nachdem sie bezahlt hatten, erwartete der Kellner sie am Ausgang mit den Worten:“ Wir bedanken uns für Ihren Besuch. Beehren Sie uns aber bitte nie wieder!“

Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, möglichst ohne allzu viele Sonderwünsche alt zu werden. Ich finde, je mehr Sonderbehandlung Menschen von ihren Mitmenschen erwarten, desto älter wirken sie, desto verschrobener wirken sie. Was ich aber irgendwann einmal in einem Restaurant bestellen werde: Zwiebelkuchen ohne Zwiebeln. Mal sehen, ob ich da dann doch ein feines Lächeln auf das Gesicht meines Gegenübers zaubern kann.

Falls du dich fragst, was das hier alles mit der Tamara zu tun hat. Die Socken, die du auf dem Foto siehst, die mitleiderregend in Plastiktüten stecken, sind so was von Designersocken: Von der Tamara de Lempicka. Titel:“ Tamara im grünen Bugatti“

Mittwoch, 16. Oktober 2024

Ich habe mit den Toten gesprochen

Ich bin immer noch beim Aperol. Nein, keine Angst, gerade schlürfe ich keinen, ich kann auch mal eine halbe Stunde ohne. Aber thematisch bin ich noch bei Selbigem. Du erinnerst dich, ich war ja bei Preisvergleichen Bonn mit dem Rest der Welt. Und jetzt kommt’s. Ich sag nur Schweiz. Was fällt dir da zuerst ein, abgesehen von der Tatsache, dass dieses Land mit seinem Bankgeheimnis sich so was von daneben benimmt? Genau, teuer wie Sau. Der Schweizer macht in Österreich Urlaub und kauft in Deutschland ein. Aber horch: In Brunnen am Vierwaldstättersee hab ich in der Apero-Bar einen Aperol Spritz für 9 Franken getrunken. Eine super Location! Und dazu gab es zwei Schälchen Käsebällchen. Du liest richtig, zwei. Weil kaum hatten mein Göttergatte und ich uns die erste Schale so was von schnell intravenös reingezogen (du kennst das? Wenn solch Nahrungsergänzungsmittel an einem Stück ist, so was von lecker!), stand auch schon die zweite vor uns. Und das Paar, das diese Bar betreibt, so was von sympathisch! Wir waren an unserem vorletzten Abend dort und kamen ins Gespräch, erzählten auch, dass das unser vorletzter Abend in Brunnen sein würde. Am letzten Abend waren wir wieder da und ich „kippte“ meine letzten Franken als Münzen auf die Theke. Dafür bekam man – das wussten wir - laut Getränkekarte einen Aperol und ein großes Bier. Und dann würde es noch für ein kleines Bier für meinen Göttergatten reichen. Während wir genüsslich die Käsebällchen schnabulierten, stellte er vor meinen Göttergatten ein großes Bier und vor mich einen kleinen Aperol mit der Bemerkung: „Das Leid kann ich mir nicht ansehen.“ Wissentlich, dass wir nie mehr kommen würden!

So, ich glaube, Thema Kaltgetränk ist erst mal durch – natürlich nur thematisch! Wo ich aber gerade bei der Schweiz bin. Mit was man dieses Fleckchen Erde ja aber auch noch verbindet, das sind das Bergpanorama, die Bergseen, saftige Bergwiesen und grüne Almen. Ich komm deshalb drauf, weil neulich las es sich in meinem SCHAUFENSTER folgendermaßen: Nur noch halb so viele Abfuhrtermine – Änderung der mobilen Grüncontainerabfuhr. Nachdem der saisonale Service der mobilen Grüncontainerabfuhr seit seinem Start am 1. März nicht planmäßig angeboten werden konnte, wird das Intervall ab sofort reduziert. Die neuen Anfahrtszeiten werden wie folgt organisiert: Standorte, die bisher wöchentlich angefahren wurden, werden alle 14 Tage angefahren. Standorte, die bis zum letzten Jahr alle 14 Tage angefahren wurden, werden nun alle 4 Wochen bedient. So können alle Bonner alle vierzehn Tage beziehungsweise alle vier Wochen ihr Grüngut an den gewohnten Sammelstellen entsorgen. Die bonnorange AöR bittet außerdem alle Bonner, zusätzlich das ebenfalls kostenlose Angebot der stationären Grüncontainer auf Friedhöfen zu nutzen und ggf. hier Grüngut anzuliefern. – Was für eine geniale Strategie, dachte ich mir. Welch schlauer Stratege unter den Entscheidungsträgern im Stadthaus hat sich das ausgedacht? Wenn übergangslos aus wöchentlich alle 14Tage geworden wäre. Wenn aus 14 Tagen von jetzt auf gleich vier Wochen geworden wären: Welch großen Aufschrei hätte es gegeben! Aber so, wenn die Alternative eher nie gewesen wäre. Ja, da freust du dich ja jetzt so was von, dass überhaupt noch abgeholt wird. Es ist eben alles eine Frage der Relation.

Als ich diese Zeilen las, erinnerte ich mich, dass es vor Jahren auch mal eine mobile Grüncontainerabfuhr am Bonner Berg neben den Sportstätten gab. Für den alten Mann in unserer Nachbarschaft gerade noch einigermaßen mit Schubkarre zu erreichen. Dreimal gegangen, da hingen ihm die Arme aber so was von auf dem Boden! Dann wurde das gesamte Areal umgebaut, mit Schranke und so, rechtliche Gründe, neue Plattierung, die für solch ein Fahrzeug nicht geeignet sei: Die Abfuhrstelle gab es nun nicht mehr. Die nächste mobile Abfuhrstelle war für den alten Mann mit Schubkarre absolut zu weit. Was also machen? Du kannst natürlich auch immer dein Auto anschmeißen. Der alte Mann hat aber kein Auto. Deshalb hat der alte Mann sich damals für sein Fahrrad extra einen Anhänger gekauft, um die Grünabfälle mit dem Fahrrad zum stationären Grüncontainer auf dem Nordfriedhof zu bringen. Letztens erzählte er, er schaffe es kräftemäßig nicht, um den ganzen Friedhof herumfahren. Deshalb fahre er immer ganz langsam, schnell könne er ohnehin nicht mit der Last fahren, über den Friedhof. Gleichzeitig würde er dann immer bei einem alten Freund Halt machen, der vor einigen Monaten verstorben sei. Er, der alte Mann, sei letztens von einem Friedhofsmitarbeiter dazu angehalten worden, abzusteigen.

Ich habe mich daraufhin mal kundig gemacht, bei der Stadt. Die schrieb mir Folgendes: Friedhöfe sind Orte des Gedenkens und des Erinnerns. Jeder hat sich auf den Friedhöfen der Würde des Ortes und der Achtung der Persönlichkeitsrechte der Angehörigen und Besucher entsprechend zu verhalten. Auf Friedhöfen ist es darum unter anderem nicht gestattet, die Wege mit Fahrzeugen aller Art und Sportgeräten (zum Beispiel Fahrrädern, Rollschuhen, Inline-Skatern, Skateboards) zu befahren (vgl. § 5 (3) a. der Satzung der Bundesstadt Bonn über das Friedhofs- und Begräbniswesen). Ausnahmen davon gelten ausdrücklich nur für unter § 5 (4) Friedhofssatzung genannten Gründen. Die Entsorgung von Gartenabfällen an den dafür vorgesehenen Sammelstellen der bonnorange AöR gehört eindeutig nicht dazu. An den Zugängen der Friedhöfe wird ausdrücklich darauf hingewiesen. Zuwiderhandlungen können mit Geldbußen bis zu 500 € geahndet werden. Die Mitarbeitenden auf den Friedhöfen sind angewiesen, Menschen, die auf Friedhöfen ordnungswidrig handeln, auf diese Verstöße hinzuweisen.

Dazu meine Meinung: Es ist ein Unterschied, ob jemand mit seinem Rad über den Friedhof düst, oder ein alter Mann langsamst mit dem Rad seinen Grünabfall ordnungsgemäß wegbringt. Ich habe mit einigen Toten, die ich zu Lebzeiten kannte, Zwiesprache gehalten. Und nein, sie fühlen sich nicht von diesem alten Mann belästigt. Im Gegenteil! Wie schön und unverzichtbar, dass er etwas für unser Mikroklima tut!

Und als Steuerzahlerin: Selbstredend muss das Angebot kostenlos sein. Wir wollen doch nicht ernsthaft die Menschen bestrafen, die durch ihren Garten, ihre Gartenarbeit für ein gesundes Klima sorgen. Wir wollen doch nicht wirklich, dass wir demnächst auf grüne Steine schauen statt auf grüne Wiesen, grüne Gärten. Und vor allem wollen wir nicht, dass Menschen demnächst einfach ihre Grünabfälle wild in der Natur entsorgen oder auf die Straße werfen.

Und manchmal gilt es auch, eine Verordnung zu verifizieren – wenn man mit der Zeit geht.


 

Mittwoch, 25. September 2024

Ich bin auf den Pfau gekommen!


Ich hatte dir ja versprochen, dass ich noch mal auf dieses unendliche Leid zu sprechen komme. Dieses Leid, das mich so was von in Österreich verstört hat, mir quasi an jedem Haus in Österreich entgegenschrie. Ich vermute, es wäre dir genau so ergangen wie mir. Ich habe mir allerdings schon früh morgens einen gepichelt, weil ich ja ahnte, was wieder auf mich zukommen würde: Überall wo du hingucktest– nur Blut! Egal ob nach links oder nach rechts, wo du auch hinschautest: Überall hing Jesus. Und da verstehst du schon, dass das mit dem Entgegenschreien jetzt metaphorisch gemeint ist. Weil schreien kann der ja nun nicht mehr. Der ist ja tot. Hängt am Kreuz, der Jesus. Überall hängt er am Wegesrand, der Jesus am Holzkreuz. Schon das schlichte Holzkreuz stürzt dich ja in tiefste Depression. Was aber unendlich traumatisierender ist: der aus vielen Wunden grell rot blutende Jesus, wenn der Jesus blutüberströmt dargestellt ist. Ich kann nur sagen, was bin ich froh, von wegen Gnade der späten Geburt, dass ich mit dessen Tod nun wirklich nichts zu tun habe.

Du siehst, ich bin gedanklich noch immer in den Sommerferien. Und da gilt es für mich noch zwei weitere Themen abzuarbeiten. Mein Traummann und ich hatten uns so was von fest vorgenommen, in den Sommerferien den Panorama-Radweg von Olpe über Wipperfürth nach Wuppertal zu radeln. Dazu musst du natürlich erst einmal mit dem öffentlichen Personennahverkehr, also mit Bussen und Bahnen, nach Siegen kommen. Was ja von Bonn aus kein allzu großes Problem sein sollte – dachte ich. Vom Bertha-von-Suttner-Platz mit der 66 nach Siegburg und dann mit der RE 9 bis Siegen – denkste. Da hieß es auf deren Seite: „Aufgrund von Brückenarbeiten kommt es von Montag, 29.07.2024, 18:00 Uhr bis Samstag, 03.08.2024, 07.00 Uhr zu Einschränkungen bei der Linie RE 9. Die Züge dieser Linie fallen zwischen Köln Hbf und Siegen Hbf aus.“ Angeboten wurde Schienenersatzverkehr. Mit dem Rädchen? Blöde Frage! Das hieß also erst einmal für uns, auf das Ende der Brückenarbeiten zu warten. Weil das Wetter aber ja auch immer ein Wörtchen mitzureden hat, visierten mein Göttergatte und ich den Donnerstag nach Beendigung dieser Bauarbeiten an. Will sagen, samstags sollte es dann mit der RB 48 von Wuppertal nach Bonn geschmeidig zurückgehen.

Eigentlich aus purer Langeweile klickten wir nun die RB 48 an, mit der wir, ich wiederhole mich, geschmeidig von Wuppertal nach Bonn fahren wollten. Und da las es sich folgendermaßen: „Aufgrund der angespannten Personalsituation, die durch eine Vielzahl von Baumaßnahmen noch verschärft wird, kommt es auf der Linie RB 48 zwischen dem 20.07.2024 und 12.09.2024 zu einem reduzierten Fahrplan. Die Fahrplanreduzierung betrifft nur den Abschnitt zwischen Köln Hbf und Bonn Hbf/Bonn-Mehlem. Montags bis freitags entfallen die in der Hauptverkehrszeit zusätzlich verkehrenden Fahrten zwischen Köln Hbf und Bonn Hbf. Fahrten mit dem Start- bzw. Zielbahnhof Bonn-Mehlem verkehren wochentags regulär. Die Linie RB 48 verkehrt damit wochentags zwischen Köln Hbf und Bonn Hbf im Stundentakt. An den Wochenenden entfallen alle Fahrten zwischen Köln Hbf und Bonn Hbf/Bonn-Mehlem. Hinweis: Ab dem 13.09.2024 wird es aufgrund von Baumaßnahmen zu weiteren Einschränkungen auf der Linie RB 48 kommen. Weitere Informationen zu diesen Baumaßnahmen folgen. Zusätzlich fallen am 25.07.2024 noch Fahrten auf dem gesamten Laufweg aus. Aufgrund eines kurzfristigen Personalausfalls kommt es auf der Linie RB 48 leider vorübergehend zu Einschränkungen. Es kommt zu Ausfällen auf Teilstrecken sowie zu Ausfällen auf dem gesamten Laufweg. Alternative Reisemöglichkeit: Bitte nutzen Sie einen der Folgetakte.“ Glaube mir, ich hab dir schon vieles erspart! Was soll ich sagen, die Sommerferien sind, wie du weißt, zu Ende und wir haben diese Fahrradtour nicht gemacht.

Anderes Thema, zweites Thema. Ich weiß nicht, hast du dir mein Foto genau angeschaut? Wenn ich mich ja mit irgendetwas so was von auskenne, dann sind es die Preise für einen Aperol Spritz. Überhaupt für alkoholische Spritz-Getränke. Da ist ja neuerlich der RHEINPAVILLON einer der angesagtesten Plätze in Bonn. Unterhalb vom Alten Zoll quasi Füße in den Rhein halten und dabei einen Aperol schlürfen. Und nachdem das da so gut läuft, ist der BIERGARTEN ZUM RHEINBLICK aufgewacht und hat sich da bestuhlungsmäßig aber so was von ausgebreitet. Also quasi Konkurrenz. Wo sie sich beide aber so was von einig sind: Der Aperol kratzt bei beiden ganz dolle an der 9-Euro-Marke und es gibt weder ein paar Chips noch ein Schüsselchen Nüsschen in genau der orange Farbe wie der Aperol. Ja, ich weiß, Blick aufs Siebengebirge. Den sollte man aber nicht allzu überbewerten. Wie komm ich auf die Chips und die Nüsschen, fragst du dich jetzt sicherlich?

Anderenorts ist man da so was von ganz nah bei mir: In Lienz zum Beispiel gab es zum Aperol ein Schälchen mit Paprikachips. Du verstehst? Gleiche Farbe. Ich liebe so was: Fünf Paprikachips kosten die quasi nichts, aber so was von Augenschmaus für mich, so was von Kundenbindung! Die Krönung aber in Soest (schau noch mal aufs Foto!). Ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll. So was von reingesteigert bin ich. Also, im Café Fromme ist das Thema „Pfau“ angesagt. Und was habe ich getrunken? Genau, einen Pfauenspritz. Der ist mit Pflaumenlikör. Was aber der Hammer ist, der Pflaumenlikör ist mit Glitter, mit Pfauengold! Du merkst, ich bin so was von reingesteigert. Weil, damit nicht genug! Auf dem Tischchen stand eine leere Flasche Pfauengold mit Pfauenfedern. Und es gab einen Maismix zum Knabbern dazu. In einer güldenen Schale in Pfauenform - und das für, jetzt der Preis: 8,50 Euro!

Was ich damit sagen will. Okay, der Blick auf den Rhein und das Siebengebirge – ein Traum. Und dass wir in der Fußgängerzone in einem Ladenlokal deutschlandweit das erste öffentliche Klo haben. Klar, das wirkt sich auch auf die Attraktivität der Stadt aus und mithin auch auf den Preis für einen Aperol. Aber dazu fünf Paprikachips gereicht – die Asiaten hätten einen neuen Hotspot auf ihrer To-do-Liste!

Mittwoch, 4. September 2024

Bonn - mit einer Klorollenlänge vorn!


Ich hatte dir ja neulich von meinem Urlaub in Österreich erzählt. Und dass die Italiener nach Österreich kommen, weil es dort billiger ist. Hallo, mein Göttergatte und ich auch! Das Tortenstück für meinen Göttergatten: 3,50 Euro, wenn du im Café sitzt. Und mein Aperol 4,50 Euro! Da überlegst du nicht lange, wenn du gefragt wirst, ob’s noch einer sein darf.

Wobei, ich bin ehrlich. Einen gewissen Alkoholpegel hat’s auch schon gebraucht bei unseren Radtouren. Und wenn ich noch ehrlicher bin, es hätte auch nicht geschadet, wenn ich mir schon am frühen Morgen einen hinter die Binde gegossen hätte. Weil so nüchtern, kaum zu ertragen das viele Blut, dieses stille Leiden. Und du kannst nichts dagegen machen!

Apropos nichts machen, also Urlaub, Sommerferien. Damit keine Langeweile aufkommt, putze ich mich ja während der Sommerferien einmal durchs ganze Haus, von oben nach unten, von links nach rechts: Schwerpunkt Fenster. Hab ich so noch nicht gesagt, aber dir sag ich’s mal ganz im Vertrauen. Ich putze meine Fenster nur einmal im Jahr. Ja, du hast richtig gelesen, nur einmal im Jahr, im Juli. Für weitere Male sehe ich einfach keinen Sinn: Irgendwann im Herbst beginnt es zu dunkeln. Dann kommt sowieso die Zeit, wo du froh bist, dass es dunkel ist, damit du endlich wieder Kerzen anzünden kannst. Im Frühjahr überleg ich ganz kurz, ob das mit dem Frühjahrsputz mit mir etwas zu tun hat. Verneine das dann aber schließlich, weil es immer noch zu dunkel ist. Und wenn es dann jahreszeittechnisch so langsam heller wird, dann hält mich der Pollenflug aber so was von davon ab. Du weißt, wovon ich spreche? Dieses Gelb? Was aber so was von blöde ist, wenn ich dann im Juli die Fenster putze. Du glaubst es nicht: Vögel fliegen mit Brachialgewalt gegen die Fenster und sind so was von verdutzt, dass sie gerade ihrem Verenden beiwohnen. Apropos Sterben. Ich sagte schon, diese Ohnmacht, die wir in Österreich empfunden haben. Und du kannst nichts machen. Bist zur Untätigkeit verdammt.

Wo ich in den Sommerferien mehr freie Zeit hatte, also quasi Langeweile in ihrer positivsten Ausprägung. Wenn du mal das Problem hast, völlig runterzukommen, empfehle ich dir den Film „Perfect Days“. Im Internet steht zu dem Film: Perfect Days (dt.: „Perfekte Tage“) ist ein deutsch-japanischer Spielfilm von Wim Wenders aus dem Jahr 2023. Das Werk zeigt den Schauspieler Kōji Yakusho in der Rolle eines Toilettenreinigers. Perfect Days wurde beim Internationalen Filmfestival von Cannes im Mai 2023 uraufgeführt. Im Jahr 2024 folgte eine Oscar-Nominierung als bester internationaler Film für Japan. Hirayama arbeitet als Toilettenreiniger in Tokio. Er scheint mit seinem einfachen Leben zufrieden zu sein. Er folgt einem strukturierten Alltag und widmet sich in seiner Freizeit seiner Leidenschaft für Musik und Bücher. Auch hegt Hirayama eine Vorliebe für Bäume und fotografiert diese. Und das geht zwei Stunden lang so, immer derselbe Tagesablauf – quasi täglich grüßt das Murmeltier.

Wo ich gerade bei öffentlichen Toiletten bin. Du weißt, ich hatte Zeit, und deshalb konnte ich mal in Ruhe Reschke-TV genießen. Und da ging es neulich um öffentliche Toiletten und Bushaltestellen, und dass die oftmals von der Firma Ströer  bewirtschaftet werden. Wobei ich ja dachte, dass öffentliche Toiletten von meinen Steuern unterhalten werden. Aber schau, es geht da um etwas ganz anderes: Ströer ist ein Konzern mit Sitz in Köln, der vor allem in Deutschland in den Bereichen Außenwerbung, Onlinewerbung, Dialogmarketing, E-Commerce tätig ist. Im Bereich der Außenwerbung, der als der wichtigste der Unternehmensgruppe gilt, vermarktet und betreibt sie Werbeflächen und Stadtmöblierungselemente in Straßen und an Plätzen sowie an Gebäuden und Verkehrsmitteln. Zu diesen Werbeflächen und -installationen zählen beispielsweise Plakatwände, Litfaßsäulen, Groß-Uhren, City-Light-Poster oder Public-Video-Screens. Und offensichtlich platzieren die auch Werbung an öffentlichen Toiletten. - Und da gibt es dann Deals zwischen Ströer und Stadt: Du darfst Werbung betreiben und dafür bist du für die öffentlichen Toiletten zuständig. Krass, oder? Schau dir einfach mal Reschke-TV an! Blöder wirst du davon jedenfalls nicht.

Wo ich gerade bei öffentlichen Toiletten bin. Neulich bummle ich in der City durch die Sternstraße und stehe plötzlich in einem Geschäft und sofort vor einem Drehkreuz. Mein erster Gedanke: wie auf dem Klo an einer Autobahnraststätte. Mein zweiter: Ich stehe tatsächlich vor einer Schranke zu einem öffentlichen Klo. Hatte ich so noch nicht erlebt, eine öffentliche Toilette in einem Ladenlokal in der Fußgängerzone. Im Internet las es sich dann auch folgendermaßen: Sanifair testet öffentliche Toiletten in Bonner Innenstadt. In der Bonner City sollen die öffentlichen Toiletten sauberer werden. Sanifair hat dort ein Pilotprojekt gestartet: seine erste Toilettenanlage in einer deutschen Innenstadt. Normalerweise vermutet man in der Bonner Sternstraße eine Boutique oder ein anderes schickes Geschäft. Doch in der Innenstadt gibt es jetzt in bester Lage eine Toilettenanlage von Sanifair. Ja wenn das mal kein Alleinstellungsmerkmal für Bonn ist!

Du kennst das. Da fragst du das Internet und es schlägt dir automatisch auch noch andere Fragen vor. So hieß eine Frage: Wie geht man auf eine öffentliche Toilette? Antwort: Benutztes Toilettenpapier gehört in das WC. Vor dem Spülen am besten den Toilettendeckel schließen. Anschließend den Toilettendeckel öffnen und mit einer Toilettenbürste Restverschmutzungen entfernen. Die Spülung nach dem Schließen des Toilettendeckels erneut betätigen.

Was ich mich da gefragt habe: Wie viel Prozent unserer Mitbürger muss man das tatsächlich erklären. Und, gibt es einen Unterschied bei der Benutzung einer privaten Toilette?

Ach ja, die Präsenz des Leidens, das immer wiederkehrende Verstörende, der Grund, warum ich mir morgens schon einen gepichelt habe. Die Ohnmacht, die du jedes Mal verspürst. Was soll ich dir sagen? Ich erzähl’s dir nächstes Mal.

Mittwoch, 14. August 2024

Offenhörlich geht’s mit der Drau bergab

Wo ich letztens wieder bei meinem Lieblingsdiscounter war: Der bot für Kleinkinder UV-Schutzkleidung an. Quasi ein Ganzkörperkondom bestehend aus Oberteil, Radlerhose und Cap, 83% Polyamid, 17% Elasthan an. Mein spontaner Gedanke: Da hat der kleine Schatz definitiv in Zukunft keine Probleme mit Hautkrebs. Und Apfelschnitze wird es auch keine mehr brauchen. Dafür muss es sich aber auch nie wieder konzentrieren. Der kleine Schatz ist nämlich in der Sommerhitze an einem Hitzschlag gestorben.

Wo ich gerade bei Kleinkindern bin. Ich komm deshalb drauf. Ich sag nur Innichen. Du weißt, eins meiner Lieblingsthemen: der Mensch und sein E-Bike. Mein Traummann und ich sind ja jetzt im Sommer, wenn es mal gerade nicht regnet, wieder viel mit dem Rädchen unterwegs. Apropos Regen. Ich weiß nicht, ging es dir in den letzten Monaten auch so? Entweder hast du Unkraut gezupft oder du hast dich mit der Machete zu deinem Hauseingang vorgekämpft. Ich habe jedenfalls noch nicht wirklich oft im Garten tiefenentspannt einfach mal so rumgesessen. Entweder es hat geregnet oder es musste der Rasen gemäht werden. Was ich aber eigentlich erzählen wollte. Wir waren in Österreich und sind dort den Drauradweg entlang gefahren. Das nette Städtchen Lienz liegt an der Drau. Dort haben wir ein paar Tage verbracht und Sternfahrten gemacht. Einmal entlang der Isel, einem Gletscherfluss. Und dann natürlich entlang der Drau. Was wir vorher nicht so auf dem Schirm hatten: Wir würden von Lienz aus Richtung Toblach nach Italien radeln. Was wir auch nicht wussten. Für den Italiener ist Österreich ein günstiges Urlaubsland. Mein Göttergatte und ich brechen ja immer früh auf und so überquerten wir gegen 10:00 Uhr mit unseren Rädchen die Grenze und kamen nach Innichen und Toblach, unserem Ziel. Und nun zurück, so was hatte ich noch nie erlebt. In den Sommermonaten machen sich täglich bis zu 8500 Italiener von Toblach und Innichen Richtung Lienz auf (nur damit du mal eine Vorstellung hast: Lienz hat nur knapp 12.000 Einwohner). Viele mit E-Bikes, die sie in diesen beiden Städtchen mieten, weil es retour hoch geht.

Und jetzt stell dir einen normal breiten Fahrradweg vor! Ein Schauspiel bot sich uns für ömsöns: Da radeln jetzt Menschen, die zuvor noch nie auf einem E-Bike, vielleicht sogar noch nie auf einem Fahrrad, gesessen haben. Die sind so damit beschäftigt, sich mit der Maschine auseinanderzusetzen, dass die aber so was von nicht auf andere achten können. Frauen und Männer sitzen teilweise auf Rädern, die ihnen viel zu groß, viel zu klein sind. Und überhaupt, das Thema Sattelhöhe wird sowieso absolut überbewertet. Männer machen lauthals ihre Frauen lang, weil sie zu blöde sind, spontan mit der neuen E-Bike-Schaltung zurechtzukommen. Fahrradhelme werden nicht geschlossen, weil eh schon geschwitzt wird wie Sau in dieser sengenden Hitze. Und dann die Kinder, die Kleinkinder. Ein klitzekleiner Junge auf einem klitzekleinen E-Bike. Die Pedalen drehen sich rücksichtslos, die Beinchen kommen nicht hinterher, die Schienbeine schon lädiert. Armer Junge, wirst du sagen. Oder geht es ihm trotzdem immer noch besser als zwei anderen Kleinkindern? Ein Vater hat an seinem E-Bike einen Kinderfahrradanhänger. In dem sitzen offenhörlich zwei kleine Kinder. Sehen tust du sie nicht unter der Plane, dafür hörst du sie aber lauthals brüllen. Kein Wunder, es ist sehr heiß und dann kannst du dir vorstellen, wie heiß es in dem verschlossenen Teil ist. Quasi Zelt. Und da bin ich wieder beim Thema Sonnenschutz. Dieses Problem haben die beiden jetzt gerade nicht. Die haben eher ein anderes Problem. Ich sag nur Hitzschlag. Was so witzig an der Situation ist (entschuldige bitte, dass ich das Leid der Kleinen gerade mal ausblende), was so dermaßen urkomisch ist. Du hast den Eindruck, dass den Papa das Leid seiner Brut gar nicht interessiert, weil der so was von mit der Schaltung seines E-Bikes beschäftigt ist.

Wo ich gerade bei Kindern bin. Also dieser Job hätte mich so was von interessiert. Da las es sich folgendermaßen: Jobs +Ausbildung im Wildpark Schwarze Berge - Spielplatzaufsicht (520 € - Basis m/w/d). Wir suchen ab sofort eine Spielplatzaufsicht (m/w/d) auf 520 €-Basis. Wenn Du mindestens 18 Jahre alt bist … Ich sagte schon, genau das Richtige wäre das für mich gewesen. Zumal es neulich in den Medien hieß: Work-Life-Balance - Warum zu viel Freizeit auch nicht gut ist. Mehr Freizeit macht nicht automatisch glücklicher, berichtet das Wissenschaftsmagazin „Spektrum“. Ganz im Gegenteil: Wer zu viel Freizeit hat, ist unzufrieden. Das zeigt eine Studie eines Forschungsteams der University of Pennsylvania, die im „Journal of Personality and Social Psychology“ veröffentlicht wurde und über die Spektrum berichtet. „Für diejenigen, die unglücklich sind, weil sie zu viel zu tun haben, ist die Antwort nicht, alle ihre Verpflichtungen aufzugeben“, schreiben die Forschenden in der Studie. Die Ergebnisse deuteten darauf hin, dass es ebenso unglücklich mache, den ganzen Tag frei zu haben. 

In den Sommerferien total nichts zu tun? Ist nichts für mich. Da wäre das der passende Ferienjob für mich gewesen. Hätte gleichzeitig zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Hätte zu einem Mikroprozent auf die Erziehung kommender Generationen einwirken können. Was es bei mir zum Beispiel nicht geben würde: diesen Bällebad-Blödsinn. Du weißt, was ich meine? Bei Ikea kannst du deine Brut im Kinderparadies, im Bällebad, parken, wenn du das willst oder die Brut das will. Wie oft aber habe ich durch den Lautsprecher gehört: Der kleine Torben - setze einen Namen deiner Wahl ein - möchte bitte von seiner Mama abgeholt werden. So was gäbe es bei mir auf dem Spielplatz nicht. Eine Stunde Minimum ohne Wenn und Aber. Und keine Apfelschnitze. Und wenn die Frida dem Mirko vors Schienbein tritt, Pech gehabt. Und wenn du zu klein bist, um dich allein auf die Schaukel zu setzen, kannst du halt nicht schaukeln.

Mittwoch, 17. Juli 2024

Obst ist mein Gemüse

Na, hast du nachgeschaut? Wie? Was? Wo? Okay, hier Internet: Die Verordnung Nr. 1677/88/EWG zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Gurken war eine Verordnung der Europäischen Gemeinschaft, die Gurken anhand verschiedener Merkmale in unterschiedliche Güteklassen einteilte. Da sie unter anderem festlegte, dass eine Gurke der Handelsklasse „Extra“ maximal eine Krümmung von zehn Millimetern auf zehn Zentimetern Länge aufweisen durfte, wurde die Verordnung als Gurkenverordnung oder Gurkenkrümmungsverordnung berühmt. Gibt’s aber nicht mehr. Wurde 2009 aufgehoben.

Da fällt mir in dem Zusammenhang wieder der Erwin Wurm ein. Ja, ich weiß, hab ich schon mal erwähnt. Trotzdem, ich wiederhole mich gerne. Darf ich auch in meinem Alter! Vielleicht  hast du es ja auch schon wieder vergessen oder damals nicht aufmerksam gelesen: „Gurken“ ist ein aus fünf einzelnen Skulpturen bestehendes Kunstwerk im Wilhelm-Furtwängler-Garten in der Altstadt von Salzburg. Es wurde im Rahmen des „Kunstprojektes Salzburg“ 2011 vom österreichischen Künstler Erwin Wurm geschaffen. Ich find das total witzig! Wo ich gerade bei Gurken bin. Eigentlich wollte ich jetzt den Übergang von der Gurke zum Obst schaffen. Muss ich aber gar nicht, weil die Gurke Obst ist. Horch: Nach der botanischen Klassifikation werden Gurken dem Obst zugeordnet, weil sie im mittleren Teil winzige Samen enthalten und aus der Blüte der Gurkenpflanze wachsen.

Egal, also ohne Übergang neues Thema: Alles, was ich bei meinem Lieblingsdiscounter an Obst finde. Erdbeeren zum Beispiel. Ich tu mich dermaßen schwer damit, ach, was sage ich, ich finde es eklig, einfach asozial: Neulich wieder ein Paar vor den offenen Erdbeerschalen. Es wird sich eine Schale in die Hand genommen und erst einmal alle Erdbeeren, die nicht gefallen, aussortiert, in andere Schalen gelegt. Die Schalen erkennt du jetzt daran, dass sie voller sind als die übrigen. Aus den übrigen Schalen werden jetzt gute Erdbeeren für das Schälchen in der Hand ausgewählt. Jede Erdbeere wird gedrückt und geprüft. Entweder sie hält Stand, dann findet sie den Weg ins auserwählte Schälchen. Oder sie ist durch das Drücken und Quetschen matschig geworden. Was ja verständlich ist. Dann wird sie beiseite gelegt. Hallo, wie asozial ist das denn? Wenn ich Erdbeeren kaufe, kann es immer sein, dass die eine oder andere Beere nicht tadellos ist. Ja, das ist so bei frischem Obst! Und ja, wenn ich eine Erdbeere auch noch  quetsche, hallo? Vielen Menschen kannst du lose Erdbeeren und Kirschen einfach nicht anbieten! Das geht nur mit Kastanien oder Wassermelonen. Wobei ich da auch schon Leute gesehen habe, die an einer Melone solange rumgepult haben, bis sie selbige nun selbst nicht mehr haben wollten und sich für eine andere entschieden.

Wo ich gerade bei Obst bin – und letztens beim Thema Schule und Motivation und Konzentration war. Nenn es Disziplin, nenn es, wie du willst. Stichwort Apfel, genauer gesagt Apfelschnitze. Du hast schon mal was von der Kinder-Uni in Bonn gehört? Eine tolle Vorlesungsreihe! Ich war da mal mit einer meiner Töchter – in so einem alten Hörsaal: Du sitzt oben und ganz tief unten steht der Lehrende. Ich erinnere mich sogar noch an das Thema „Der Lotus-Effekt“. Neben meine Tochter und mich platzierte sich Kleinkind mit Eltern. Mein erster Gedanke. Was macht das viel zu kleine Kleinkind hier? Das viel zu kleine Kleinkind saß noch nicht ganz mit dem Popo auf dem Stuhl, da packten Mama und Papa auch schon die Apfelschnitze in der Tupper-Box samt Getränk aus. Während des 45-minütigen Vortrags wurde getrunken, gefuttert und seitens der Eltern noch mal erklärt, was der Mann da vorne erzählte. Hallo, nein, das geht nicht! Da lob ich mir doch mal tatsächlich die sogenannten alten Zeiten. Nicht die guten, aber die alten. Glaub’s mir! Ich hab als Jugendliche in einem Dorf in der Eifel gewohnt und genau so war’s: Lies dazu meine Kurzgeschichte Zug der Hüte. Da gingst du sonntags in die heilige Messe. Also alles, was laufen konnte, lief in die Messe. Auch das Kleinkind, denn das konnte schon aufrecht sitzen und gehen. Und in der Kirche hat das auf den vorderen Bänken gesessen, zusammen mit den anderen Kindern, ohne Rückenlehne! Und ohne Apfelschnitze! Und ohne Getränk! Und in den Reihen dahinter saßen die Eltern, anfangs nur die Mama, weil der Papa erst in allerletzter Minute draußen vor der Kirche seine Kippe ausgetreten hat. Die Erwachsenen saßen auf jeden Fall hinter dir! Und das hieß!? Genau, einfach still sitzen und die Prozedur über dich ergehen lassen. Genau, da hast du als Kleinkind einfach mal locker meist 60 Minuten ganz ruhig gesessen – ohne Apfelschnitze! Und du hast so getan, als ob du dem Pastor zuhörst – paradiesische Zustände wären das heutzutage an unseren Schulen!

Wie komme ich jetzt von Äpfeln zu? Warte: Neulich hatte ich doch das Thema PETA. Die ja der Meinung sind, dass es auf den Karussells keine Holzpferde mehr geben soll. Du erinnerst dich? Schwupp, da bin ich schon mal bei Pferdeäpfeln, also weg vom Obst hin zum Tier. Und dann ist es ja auch nicht mehr weit zum Schwein. Tierwohl und so. Und schon bin ich bei den Schweinsohren. Die bot das Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters neulich feil: Butter-Schweinsohren. Und da frage ich mich dann schon, ob das eigentlich heutzutage noch politisch korrekt ist, von Schweinsohren zu sprechen? Die Tierschutzorganisation PETA sagt ja u. a.: "Tiere sind nicht dazu da, dass wir sie essen.“ Aber alleine schon der Name dieses Feingebäcks suggeriert doch, dass man an den Ohren der Schweine knabbern kann. Ruft geradezu dazu auf. Kommen wir durch diese Bezeichnung nicht erst auf die Idee, Schweinefleisch zu essen? Darüber sollten sich einmal mehrere Gremien gleichzeitig Gedanken machen!

Und zum Abschluss hier noch ein Obst-Witz: Warum haben Männer keine Orangenhaut? Weil es einfach scheiße aussieht. Stimmt!

Mittwoch, 26. Juni 2024

Mit dem Vortschrittsbalken nach forn!

 

Ich war mir nicht sicher, ob ich das im Radio richtig verstanden hatte: Dass Teilzeitanträge von Lehrern nur noch dann akzeptiert werden, wenn die betreffende Schule weiterhin den Unterricht gewährleisten kann. Ich hab dann noch mal im Internet geschaut und da las es sich auch: Eine Maßnahme, die in NRW dem Lehrkräftemangel entgegenwirken soll: Anträge auf Teilzeit sollen strenger geprüft und wenn möglich abgelehnt werden. Ich weiß nicht, bin ich eigentlich die einzige, oder liegt das daran, dass ich morgens immer tiefenentspannt auf dem Klo sitze, während ich Radio höre? Super Idee, dachte ich spontan. Hallo, wie wird denn dann die Realität aussehen? Was macht bitteschön ein Lehrer, der weniger arbeiten will, dem man es aber nicht erlaubt? Richtig: Entweder er wird oder er feiert krank. Der Unterricht fällt aus, nur mit dem Unterschied, dass das nicht planbar ist. Und zusätzlich bekommt der Lehrer sein volles Gehalt. Was kann es denn besseres geben, als einen Arbeitnehmer, der für weniger Arbeitsstunden auch weniger Geld bekommen möchte? Das ist jedenfalls keine Lösung!

Wo ich aber gerade in der Schule bin: Da gibt es ja jetzt ein ganz neues Thema, das wie eine Sau durchs Dorf getrieben wird: Gamification (Hauptsache Englisch!). Lass mich raten – sagt dir nichts. Mir auch nicht, deshalb hab ich mich mal im Internet schlau gemacht:

Als Gamification (aus englisch game für „Spiel“) wird die Anwendung spieltypischer Elemente in einem spielfremden Kontext bezeichnet. Zu diesen spieltypischen Elementen gehören unter anderem Erfahrungspunkte, Highscores, Fortschrittsbalken, Ranglisten, virtuelle Güter oder Auszeichnungen. Durch die Integration dieser spielerischen Elemente soll im Wesentlichen eine Motivationssteigerung der Personen erreicht werden, die ansonsten wenig herausfordernde, als zu monoton empfundene oder zu komplexe Aufgaben erfüllen müssen.

Bei der Motivation gibt es generell zwei mögliche Varianten, zum einen die intrinsische Motivation und zum anderen die extrinsische Motivation. Die intrinsische Motivation stellt das grundlegende Wollen dar („Ich mache das, weil ich es will“), während die extrinsische Motivation auf einer zu erwartenden Belohnung basiert („Ich mache das, weil ich eine Gegenleistung erwarte“). Digitale Spiele können nach Ansicht von Experten die sogenannte intrinsische Motivation von Lernenden fördern. Dank der multimedialen Gestaltungsmöglichkeiten könnten auch komplexe Lerninhalte gut in digitalen Spielen dargestellt werden. Es geht also darum, sich von Seiten der Lehrenden diese spieltypischen Elemente im Unterricht zu Nutze zu machen, damit die Schüler motivierter an den vermeintlich uninteressanten Unterrichtsstoff herangehen. Neue Unterrichtskonzepte sollen stärker motivieren, sollen den Unterricht attraktiver machen. Mehr Spaß am Lernen heißt die Devise!

Ganz abgesehen davon, was ich mir als Lehrer einfallen lasse, um auch den letzten Vollpfosten zu motivieren. Nach relativ kurzer Zeit wird sich der Gewöhnungseffekt einstellen. Ist es nicht vielmehr notwendig, junge Menschen dahingehend zu „unterrichten“, dass das Leben kein Wunschkonzert, kein Ponyhof ist? Dass es im Winter morgens dunkel ist. Dass der Schulranzen auch mal recht schwer sein kann. Dass ich mich in der Schule auch mal mit Themen befassen muss, die mir nicht wirklich Spaß machen. Goethes Faust zu lesen hat mir nicht wirklich Spaß gemacht. Shakespeare auf Englisch zu lesen auch eher nicht. Wie heißt noch mal das Wort in diesem Zusammenhang? Wie heißt das, nachdem sich so viele Mädchen in Afghanistan sehnen? Warte, ich hab’s gleich: Man nennt es Bildung, Schulbildung! Ich hatte schon zu Corona-Zeiten den Gedanken, dass wenn man die Schulen für immer abgeschlossen hätte, viele es gar nicht bemerkt hätten, und viele es super gefunden hätten. Bildung ist für viele in unserem Lande offensichtlich kein Gut mehr, kein Wert mehr, das es täglich wertzuschätzen gilt. Bildung erleben zu dürfen ist für sich allein Freude pur! In die Schule gehen zu dürfen, zu können, ist Freude pur! Und wenn uns das heutzutage abwegig erscheint, müssen wir uns Strategien einfallen lassen, die genau dieses Bewusstsein wieder in die Köpfe unserer Kinder bringen. Da fällt mir zum Beispiel die Assembly ein: In britischen Schulen treffen sich die Schüler jeden Morgen in der Aula zur Assembly. Dort werden Dinge bekannt gegeben, über Themen gesprochen, die anstehen, gemeinsam gesungen und auch gemeinsam gebetet. Ja, da kann ich zum Beispiel auch Gott (wenn ich an ihn glaube) dafür danken, dass ich das große Glück habe, in einer Gemeinschaft zu leben, die sich auf die Fahne geschrieben hat, alle ihre Bürger zu bilden. Allen Menschen Bildung zuteil werden zu lassen. Dass es eine Schulpflicht gibt. Ja, die Pflicht, sich Wissen in die Birne zu kloppen. Schön, dass meine Töchter lernen durften. Schön, dass unsere Söhne nicht schon als kleine Jungen an die Waffen gezwungen werden, statt in die Schule zu gehen. Schön, dass unsere Kinder nicht, statt in den Schulen geistig, in Fabriken körperlich unter schlimmsten Bedingungen arbeiten müssen Schön, schön, schön! Was gefälligst soll und muss ich noch für Beispiele bringen, damit auch wirklich jedem klar wird: Schulbildung ist eine Errungenschaft.

Anderes Thema? Das Kölner Ausländeramt nimmt vorerst keine Anträge auf Einbürgerung mehr an, hieß es in den Medien. Weil es zu wenig Personal gibt, hat sich nach Angaben der Stadt Köln ein Berg von etwa 8000 Bewerbungen für die deutsche Staatsbürgerschaft aufgetürmt. Termine gibt es erst wieder ab 2025. Nun will die Stadt Köln das Personal verdreifachen. Mal ganz abgesehen, dass es kein Geheimnis war, dass das neue Gesetz zur Einbürgerung kommen würde und 2015/2016 eine sehr starke Zuwanderung stattgefunden hatte, die Stadt also rechtzeitig hätte erkennen müssen, dass da etwas auf sie zukommt. Mal ganz davon abgesehen, woher soll denn das neue Personal akquiriert werden? Wo sind die denn? Wo sollen die an anderer Stelle abgezogen werden? Es wird doch überall gesucht. Ich hätte da einen Vorschlag: Gremien, in denen sich neue Unterrichtsmodelle ausgedacht werden. Ausschüsse, die sich Worte wie Gamification oder Framing ausdenken. Zirkel, die sich in Brüssel die Verordnung Nr. 1677/88 ausgedacht haben: Einfach auflösen! Uns von ihnen befreien und freistellen! Da kommt bestimmt einiges an, und jetzt benutze ich auch mal ein englisches Wort. Da kommt einiges an Manpower zusammen, genügend Personal. Was glaubst du, wie schnell da der Berg im Ausländeramt abgearbeitet ist – vorausgesetzt, die können überhaupt einer nützlichen Arbeit nachgehen.


Samstag, 15. Juni 2024

Kurzgeschichte "Zug der Hüte"

Diese Kurzgeschichte wurde veröffentlicht in der Anthologie "Mensch, wo schläfst Du?" anlässlich des Dt. Evangelischen Kirchentages in Bremen 2009, Book on demand, 2009.

Sie waren aus der Großstadt hierher gezogen: in dieses Dreihundert-Seelen-Kaff. Jedes Mal, wenn hier das Kirchenglöckchen bimmelte, wusste man, dass der liebe Gott wieder eine Seele zu sich in den Himmel gerufen hatte. Das würde sie ihren Eltern nie verzeihen! Mit fünfzehn in diese gottverlassene Gegend! Der letzte Bus fuhr um sechs und dann konntest du sehen, wie du wieder nach Hause kamst. In der Stadt waren die Busse und Bahnen bis spät in die Nacht gefahren. Und dann durfte sie sich noch nicht mal von Freunden nach Hause bringen lassen und Trampen war auch tabu. Wenn ihr Vater sie dann wenigstens abends abholen würde! Aber nein! Er habe auch ein Recht auf seinen Feierabend. Und dazu gehöre bei ihm eben ein Glas Rotwein. Dann könne er selbstverständlich aber nicht mehr fahren. Außerdem sei sie gerade mal fünfzehn. Wolle sie da etwa schon die Nacht zum Tag machen? Sie sehe ihre Freunde doch jeden Tag in der Schule. - In der Großstadt war das kein Problem gewesen. Da hatte sie sich noch um sechs für drei Stationen in die Bahn gesetzt und war um Neun wieder zu Hause gewesen.

...Hübsch gemacht, fein gemacht, rausgeputzt, aufgetakelt...

Und dann diese peinliche Nummer mit dem Haus! Sie konnte sich gar nicht erinnern, wann sie das letzte Mal - außer Weihnachten natürlich, da gehörte es irgendwie dazu - in der Kirche war. Und jetzt wohnten sie neben dem Dorfpfarrer! Oder schimpfte der sich Pastor? - Auch egal. Der wohnte in der anderen Doppelhaushälfte mit seiner Haushälterin. Auch krass, so ein Leben. Ob es stimmte, dass die Pastoren was mit ihren Haushälterinnen hatten? Die beiden  konnten froh sein, dass sie sich hatten. Auf dem freien Markt hätten die keinen abbekommen. Im Garten Sonnen oben-ohne war jetzt auch tabu. Allein die Vorstellung, dass der hinter der Gardine spannt, ekelhaft!

Sie steht hinter der Gardine: schreiten, wandeln, neue Hüte, heute ganz frivol mit Feder oder in frischem Lila, letzte Hoffnung, kess in die Stirn gezogen oder doch eher ein wenig unauffällig.

Ein einziges Mal war sie von einem aus der 13 nach Hause gebracht worden! Und schon wusste es das ganze Kaff. Hatten die eigentlich nichts anderes zu tun als zu tratschen? Dabei lief da gar nichts. Aber als sie am nächsten Nachmittag auf der Terrasse gelegen hatte, hatte diese Frau Wagner von der anderen Seite einfach über den Zaun getutet: "Na, neuer Freund?" Sie hatte einfach nicht reagiert, aber denkste, die Alte lässt nicht locker. "War schon spät, nicht, aber wenn deine Eltern dir das erlauben." "Schönen Tag noch, Frau Wagner", hatte sie gesagt und ihren Terrassensonnenplatz geräumt. Noch nicht mal Sonnen in manierlichen Shorts und Top war drin! Dieses ständige von wildfremden Menschen Ausgefragtwerden - es kotzte sie an!

Clara beobachtet: Sie stelzen und stöckeln. Mit und ohne Hut geht es sich gut. Neue teure Schuhe, die erstmalig eingelaufen werden, die Absätze eindeutig zu hoch, aber für diese Strecke geht es gerade so. In den älteren Sandälchen läuft es sich besser und mit der frisch aufgetragenen Schuhwichse können sie sich wieder sehen lassen.

Allein schon dieses Platt, das die Eingeborenen hier redeten. Das konnte doch keine Sau verstehen. Sie kam sich richtig blöde vor mit ihrem Hochdeutsch. Aber sie konnte nur Hochdeutsch. Sie hatte ja bis vor Kurzem nur in der Großstadt gelebt: Da hatte sie nachmittags einfach mal einen Bummel machen können, und wenn es nur der DM-Markt war und ein Labello, den sie sich kaufte! Und im Stadtpark hatte sie immer einen zum Quatschen getroffen. Wenn du von hier aus mit dem Bus zum Bahnhof in den nächst größeren Ort fuhrst, dich dann in die Bahn setztest und eine Ewigkeit unterwegs warst, kamst du nicht etwa in Paris an, sondern in einem Städtchen, in dem es einen DM-Markt gab - und einen Bahnhof.

Hinter der Gardine blickt die Jugendliche gebannt hinaus: Sie tänzeln und posen, sie lächeln und scherzen. Der Wind spielt mit ihren Röcken. Oh, là là! Ist die Länge nicht ein wenig zu gewagt, liebe Frau? Die jüngste sind wir ja nun auch nicht mehr. Oder gilt, je teurer das Stöffchen, desto kürzer das Röckchen? Die neue Frühjahrskollektion wird präsentiert - auf dem Laufsteg.

Und diese ganze Dorfjugend, die immer nur in Rudeln auftauchte: als Freiwillige Feuerwehr, als Junggesellenverein, als Schützenverein, zum Ostereier Schießen und zum Wählen der Maikönigin. Dabei ging es doch immer nur ums Saufen! Letztens hatte einer von denen im hoch besoffenen Kopp seiner Freundin einen Maibaum gestellt und war dabei vom Dach gestürzt. In der Großstadt gab es so was gar nicht. Bis jetzt hatte sie es deshalb auch nicht vermisst. Aber wenn du hier in dieser gottverlassenen Gegend abgestempelt bist und alles mitbekommst… na ja, mit denen hatte sie halt nichts am Hut.

Die, die nicht dazu gehört, verfolgt das Spektakel: Apropos Hut, auch ohne war gut: Dauerwellen, frisch gelegt, hoch toupiert und fixiert - mit kiloweise Haarspray drauf. Blonde Strähnen, und weil Frühling ist, die Strähnen direkt mal ein bisschen breiter. Der Pony, der hat heute Morgen am meisten Arbeit gemacht - steht ihr auch nicht schlecht, mal was Neues ausprobiert.

Clara hatte auch Kommunion gefeiert - in der Großstadt, normal halt. Aber auf dem Land- echt abgefahren. Da saß dann am Sonntagabend der Pastor im Wohnzimmer und wollte und wollte nicht gehen! Wenn`s das denn gewesen wäre: Ein Fliegenschiss im Vergleich zu Montag! 'Open House', wow, am Arsch der Welt, aber very international! Das ganze Wohnzimmer voller Menschen, mit denen sie sonst nichts zu tun hatten. Die ganze Straße, rauf und runter, feierte die Kommunion ihres Bruders. Von wegen 'my home is my castle': Auf dem Land nicht. Wenn du kein Außenseiter sein willst - und wer will das schon -, dann musst du so`n Scheiß mitmachen. Mama war nach der Kommunion tagelang nicht ansprechbar.

Und die Männer stehen vor der Kirche, im Kreis, rauchend, die Haare frisch gewaschen und sofort wieder mit Pomade zugeklebt, die jungen jedenfalls. Die alten tragen ihren Hut - und da läutet es auch schon, wird auch Zeit. Sie treten die Kippe aus. Wer hebt die eigentlich wieder auf? Da haben wir unsere Leute für!

Die Neue sieht zu: Keine Zeit mehr zum Schreiten und Wandeln. Der Laufsteg, der Weg von Zuhause zur Kirche ist wieder mal länger als eingeplant. Ohne Handtäschchen geht nichts: Das an den Kanten abgewetzte alte Täschchen, der Griff in der Hand der Uralten, die mit ihrem Kopftuch aussieht, als käme sie geradewegs vom Feld. Bei den Älteren schaukelt es am leicht gebeugten Arm, die Farben auch heller.

Wie die Queen Mom sieht sie aus, die Frau vom Schreiner, alteingesessen. Ja, ja, die stellt schon was dar, die gehört hier im Dorf zur Hautevolee! In der Großstadt wär' sie keiner Sau aufgefallen, aber hier im Dorf, da warst du wer - als Frau vom Metzger oder Schreiner oder Gattin des Bürgermeisters! Komisch, es hieß nie 'Gattin des Metzgers', immer nur 'Gattin des Zahnarztes' oder besser noch 'Zahnarztgattin'. Oder wurde die hier auf dem platten Land womöglich noch mit 'Frau Doktor' angesprochen? Zuzutrauen wäre das den Hinterwäldlern.

Das Glöckchen ruft, geschwind, geschwind! Platz nehmen heißt es jetzt. Möglichst weit hinten, man will ja viel sehen. Nicht, was da vorne abgeht, sondern in Ruhe die Frau Schmitz - ob die sich tatsächlich in ihrem Alter schon die Haare färben muss - oder den Tony, der bekommt auch schon langsam die Plät. Je weiter du in der Kirche vorne sitzt, desto mehr Kirch­gänger können über dich herziehen.

Früher waren sie sonntags doch auch nicht in die Kirche gegangen. Warum waren ihre Eltern plötzlich so scharf drauf? Nur wegen der anderen Leute? So eine Scheiße, selbst nicht gehen, aber die Tochter nerven. Das zählte doch wohl mehr als tausend Gottesdienstbesuche: Das eine war ja, dass sie sich das Haus mit dem Dorfpastor teilten, aber musste das Haus quasi neben der Kirche stehen? Da bist du rund um die Uhr in Gottes Bann - und bekommst alles mit - wie Kino, nur umsonst!

In der Kirche stört es dich nicht, wenn die Frau mit der breitesten Hutkrempe vor dir sitzt. Du weißt ja eh, was vorne passiert, oder es interessiert nicht. In das Handtäschchen muss ein Taschentüchlein passen und - das Wichtigste - ein wenig Geld für den Klingelbeutel. Stell dir vor, du gehst in die Kirche und hast kein Münzlein zur Hand. Das geht gar nicht. Da kannst du dich gleich in die erste Reihe setzen und laut schnarchen.

Und die Männer treten erst ihre Kippe aus, wenn das Glöckchen mahnt. Die Ehemänner, Vergewaltiger und Fremdgänger schleichen erst in das Gotteshaus, wenn sich die Tür zur Sakristei öffnet und der Pastor erscheint. Und sie werden danach die ersten sein, die vor der Kirche stehen - wieder mit der Kippe in der Hand. Und zwischenzeitlich wird der ein oder andere ein kleines Nickerchen gemacht haben - hinten, in der letzten und vorletzten Reihe, von seinen Kumpels links und rechts gestützt. Darum wird sich da hinten so gedrängelt. Du brauchst keine Angst zu haben, dass du schnarchst, die wecken dich schon, die knuffen dich schon in die Seite. Außerdem schnarchst du im Sitzen seltener. Der Schlaf des Gerechten ist auch bitter nötig: Gestern Abend ist es im Schützenhaus spät geworden - und danach noch mal ordentlich die Frau ran genommen.

Und dann, endlich, - sie haben es sich verdient - ziehen sie zum Frühschoppen, ausgeruht, wieder bei neuen Kräften, und ihre Frauen gehen nach Hause - ein bisschen in Eile wegen des sonntäglichen Mittagessens.

Und die Tochter, deren Eltern mit ihr und ihrem Bruder hierhin aufs Land gezogen sind, lauert wieder am Küchenfenster - den Eingang der Kirche im Visier. Da kam ja auch Anne aus der Kirche. Ach ja, die ging manchmal in die Kirche, ihrer Oma zuliebe. Danach gab `s dann ordentlich Sonntagsgeld. Das wäre vielleicht ein Deal!

Es ist kurz vor eins. Clara räumt gerade die Spülmaschine ein und schaut zufällig aus dem Fenster: Der kleine Mark läuft im Stechschritt  vorbei - Richtung Kneipe - seinen Vater holen- wenn er Glück hat, kann der sich noch alleine auf den Beinen halten.   

Mittwoch, 5. Juni 2024

Grün: Zeitverlängerung oder Stuhl?


Am Ende meines letzten Beitrags stand ich ja am Akademischen Kunstmuseum – per Foto. Du erinnerst dich an den Absperrzaun im Hofgarten? Quasi neben der Adenauerallee? Und da fiel mir in dem Zusammenhang ein Artikel in meinem SCHAUFENSTER ein, mit der Überschrift „Immer wieder Staus – Stadt nimmt nach Kritik erste Optimierungen vor“. Hauptsächlich geht es da um eine verbesserte Ampelschaltung zugunsten der Adenauerallee: Maßgeblich für die Länge der Grünzeit ist an dieser Stelle nicht der Kfz-Verkehr, sondern die Zeit, die Fußgänger und mobilitätseingeschränkte Personen benötigen, um die Straße sicher zu überqueren. Im Fall der Kreuzung Weberstraße/Zweite Fährgasse hat die Prüfung Spielraum ergeben, sodass die bei den Querstraßen eingesparte Grünzeit dem Verkehr auf der Adenauerallee zugeschlagen werden konnte. Die Grünzeit für die kreuzenden Straßen wurde folglich reduziert (klar, was du dem einen gibst, musst du dem anderen nehmen). Mit dieser Optimierung erhält die Adenauerallee tagsüber bis zu 17 Sekunden (holla, die Waldfee!) länger Grün, nachts ab 20:30 Uhr liegt die Grünzeitverlängerung bei 11 Sekunden, jeweils pro Umlauf. Damit können im Schnitt etwa acht Fahrzeuge mehr pro Grünphase die Kreuzung passieren. Interessant, nicht wahr?

Und wo ich jetzt gerade wieder bei der Adenauerallee bin. Was ist eigentlich aus dem Projekt „Bonn und Berlin verbinden“ geworden? Ist das quasi so gedacht, dass die Autofahrer auf Dauer mürbe gemacht werden, und dann „freiwillig“ die Adenauerallee ganz meiden? Ist das der Beginn der Umsetzung des Projekts „Radweg Deutsche Einheit“? Denn so hieß es doch in meinem SCHAUFENSTER unter den Lettern „Bonn und Berlin verbinden“: In den Haushaltsberatungen hat der Deutsche Bundestag Fördermittel für den „Radweg Deutsche Einheit“ beschlossen. Zum 25. Jahrestag der Deutschen Einheit fördert der Bund einen ländergrenzenüberschreitenden (holla, die Waldfee! Was für ein herrliches Partizip Präsens Aktiv!), einen ländergrenzenüberschreitenden Fahrradweg, um Bonn und Berlin miteinander zu verbinden.  

Eigentlich wollte ich aber noch beim Thema Kunst bleiben. Ich komm deshalb drauf, weil es neulich auch mal auf der Kölnstraße in meinem Bonner Norden auf dem Grünstreifen zwischen Fahrbahn und Fahrradweg recht künstlerisch zugegangen ist. Und weil ich vorher von einer Ausstellung mit dem Titel „Kunst in Umbruchzeiten“ im Kunstmuseum gelesen hatte. Ich mein, es ist ja heutzutage alles im Umbruch. Im Sport zum Beispiel. Wenn dir heute jemand sagt, dass er Fußball gespielt hat, weißt du nicht, ob er sich tatsächlich physikalisch aufgemacht und seine Wohnung verlassen hat. Draußen auf einem Fußballplatz war, oder ob er ein Onlinespiel gespielt hat. Oder anderes Beispiel. Dart. Zu meiner Zeit, wenn du da von jemandem gehört hast, der seine Freizeit in der Kneipe mit Dartspielen verbringt. War klar, der hat sein Leben nicht im Griff, Alkoholiker, vereinsamt, wahrscheinlich eher dick und vor allem kalkweiß. Du verstehst, von wegen fehlendes Sonnenlicht. Ein passionierter Dartspieler wäre jedenfalls nicht auf Anhieb meine erste Wahl für ein Date gewesen. Und heute? Heute ist es ein anerkannter Sport, es gibt sämtliche Meisterschaften, die du dir denken kannst. Gut, ja, an dem Figürchen von dem Gabriel Clemens, wie soll ich mich ausdrücken, kann man vielleicht noch ein wenig. Aber dass der sein Leben nicht im Griff hat, kann man beim besten Willen so nicht sagen. Der hat zum Beispiel für den WM-Halbfinaleinzug 113.000 Euro erhalten. Wenn du den dann punktgenau in dieser Zeit datest.

Oder Flippern. Da konntest du neulich lesen: Die besten deutschen Flipper-Spieler sind Teenager. So kann man jedenfalls das Endergebnis bei den jetzt zu Ende gegangenen Deutschen Meisterschaften in Gronau werten. Der 17-jährige Paul Englert sicherte sich den Titel, gefolgt vom drei Jahre jüngeren Lukas Ott. In der Finalrunde verwiesen sie Roy Wils (44) und Andreas Harre (61) auf die hinteren Plätze. Mehr als 250 Teilnehmer waren angetreten. Wenn zu meiner Zeit eine Mutter darüber gesprochen hat, dass ihr Sohnemann den lieben langen Tag im Keller am Flipper verbringt. Dann hat die dir ihr Herz ausgeschüttet. Dann hat die dir das nicht erzählt, weil sie so ungemein stolz auf ihren Prinzen war. Die hatte ein massives Problem mit ihrem Prinzen. Da hast du der natürlich geraten, das Ding sofort zu entfernen oder als Erpressungsmethode zu benutzen. Also quasi, Vokabeltest fünf, eine Woche kein Flippern mehr.   

Ich war ja aber eigentlich bei Kunst, bei Kunst im öffentlichen Raum, in der Kölnstraße. Und, klar, von performativer Kunst hast du auch schon gehört. Und wenn nicht, schau einfach ins Internet: Performative Künste vermögen Möglichkeitsräume zu eröffnen und Aushandlungsprozesse zu initiieren, die direkt auf soziale Felder und die in ihnen vorgefundenen Realitäten einwirken. Aktionistische und partizipative Prozesse nutzen Kunst als Impulsgeber für die Veränderung der Gesellschaft.

So, jetzt weißt du, wovon ich rede. Mensch, denk ich also, wie toll ist das denn, hier so was von Performatives. Was ich wieder so typisch fand, schon wenige Tage später fehlte die Hälfte der Installation. Den grünen Stuhl hatten sie geklaut. Was mich jedoch noch mehr verwirrte, war die Tatsache, dass nach einigen Wochen auch der Rest weg war. Bis ich das mal verstanden hatte, dass das einfach nur Sperrmüll war, der nach Wochen abgeholt wurde. Wahrscheinlich waren mindestens zwei „Künstler“ am Werk, die an dieser Installation beteiligt waren: Einer hat den Rollstuhl gestellt (ich entsann mich dann, dass der vorher schon allein da stand), der andere hat den grünen Stuhl auf dem Rollstuhl platziert. Und so gesehen war es dann doch eigentlich ein aktionistisch, partitiver Prozess.

Ach übrigens, ich war neulich mit meinem Traummann wieder mit dem Rädchen in, um und um Köln-Nippes herum unterwegs. Arbeitsauftrag für dich: Galerie „SichtARTen“ in der SechzigStr.3, der Biergarten „Schwimmbad“ und das „Kriescher“-Haus.

Mittwoch, 8. Mai 2024

"Achtung Rütschgefahr"


So, damit du dir nicht gar so passiv meine Zeilen reinziehst, damit die kleinen grauen Zellen überhaupt noch merken, dass sie nicht nur da sind, sondern auch gebraucht werden. Hier mal für dich ein Rätsel. Aber nicht fuddeln, kein Internet! Was hat der Fruhtrunk mit Aldi zu tun?

Und wo ich gerade wieder einmal bei meinem Lieblingsdiscounter bin (wobei, eigentlich sind es ja mittlerweile zwei Lieblingsdiscounter). Neulich war ich doch kurz davor, mich mal so was von mit, der Einkaufswagen schon randvoll, also quasi Totalausverkauf für dieses Produkt, als ich Gott sei Dank in allerletzter Minute feststellte. Ich stell mir nur vor, ich hätte das meinen Schulern ausgeteilt. Da wurde ich jetzt nicht so gemutlich in meinen vier Wänden sitzen. Womöglich wäre ich sogar eingefahren, säße ein. Auf jeden Fall hätten sie mich sofort aus dem Verkehr gezogen. Aber es hatte sich im Werbeblättchen folgendermaßen gelesen: Motivationssnacks – Soft-Happen, Soft-Herzen. Okay, ich gebe zu, bei Soft-Knöchelchen hätte ich fruher drauf kommen können. Egal, ist ja noch mal gut gegangen. Ich hatte halt übersehen, dass es auf der ganzen Seite des Werbeblättchens nur um Produkte für Hunde ging.

Eigentlich wollte ich aber uber etwas ganz anderes sprechen: Uber Kunst. Weil, das liegt mir schon lange am Herzen. Fur wen, fur wie viel Prozent der Menschheit sind denn bitteschön folgende Worte? „Ihre großformatigen, ungemein kraftvollen Gemälde unterlaufen die konventionellen Beziehungen von Vorder- und Hintergrund, Oberfläche und Untergrund, Bildfläche und Bildrand und eröffnen neue Vorstellungswelten innerhalb und außerhalb des Kunstwerks. In einem ergebnisoffenen, schöpferischen Prozess, in dem die Malerei performative Züge annimmt, überdenkt sie grundlegende Fragen, die die Geschichte der Malerei lange Zeit definiert haben.“ Und dann hältst du die Einladung eines Museums zur Eröffnung einer Ausstellung in der Hand und siehst, dass vier Redner zu Wort kommen werden. Und wenn du Pech hast, kommt einer von denen auf die Idee, sich jedes einzelne Kunstwerk vorzunehmen.

Da lob ich mir doch mal eine Vernissage in der Endenicher Burg, bei der ich neulich war. Ich hatte nichts anderes zu tun, Wetter super. Heißt, ich konnte ohne Ganzkörperkondom mit dem Rädchen fahren. Und ich hatte mich tatsächlich auf einen Vortrag einer Kunsthistorikerin eingestellt, die sich in aller Ruhe jedes Kunstwerk vorknupft. Deshalb hatte ich schon mal im Ausstellungsraum vorab selbstständig Hand an eine ungeöffnete Sektflasche gelegt, will sagen geöffnet. Du kannst dir sicherlich vorstellen, wie das ankam. Weil, das Gläschen Sekt musst du dir ja erst verdienen: Erst die Arbeit, dann das Vergnugen. Erst musst du die Rede über dich ergehen lassen, dann darfst du trinken. Ja, du hast naturlich Recht. Ich hätte zuhause schon mal leicht vorgluhen können. Nur leicht wegen Rädchenfahren. Und dann hätte ich, um dem Vortrag der Kunsthistorikerin gewachsen zu sein, bei Ankunft noch eben schnell ein Piccolöchen. Egal, die Zeit lief, Worte wurden gesprochen, als plötzlich, ich denk, ich seh nicht richtig, eine Putzfrau auftaucht. Also richtig mit Kittel (so was Hässliches, ich wusste gar nicht, dass es so was noch gibt), Staubtuch, Schrubber, das volle Programm. Die stellt diesen gelben Warnaufsteller „Achtung Rutschgefahr“ auf und fängt tatsächlich von hinten an, den Raum durchzufeudeln, während vorne gesprochen wird. Ich mir erst mal noch einen Sekt nachgeschenkt, die Flasche war ja schon entkorkt. Was soll ich dir sagen, ich hatte ja schon leicht einen hängen. Dachte kurzfristig, ich halluziniere. Die Putzfrau stellt das „Achtung Rutschgefahr“ um und erkennt plötzlich, dass sie quasi neben der Kunstlerin steht. Und sogleich fängt sie an, der Kunstlerin zu sagen, wie toll, wie herrlich sie deren Bilder und Figuren findet: „Sie glauben ja gar nicht, was unsereiner hier sonst so vorfindet. Fett in der Ecke, Dinge, wo du dich fragst, ist das Kunst oder der Feuerlöscher. Aber hier diese Figuren, so was von wunderbar. Und wo ich Sie gerade zu packen kriege, ich hätte da noch ein paar Fragen. Haben Sie kurz Zeit? Hier geht es eh noch nicht weiter.“ Und zu den Umherstehenden: „Noch ein bisschen müssen Sie sich gedulden. Safety first. Hier ist es noch nass.“ Und dann ging die Putzfrau in aller Ruhe mit ihren Fragen und der Kunstlerin durch die Ausstellung und es entwickelte sich quasi ein Kunstlerinnengespräch, dem alle ganz aufmerksam lauschten. Du ahnst es sicherlich schon. Die Putzfrau war nicht echt, der Boden nicht nass und die Kunstlerin war eingeweiht. Schau dir unbedingt das Video an – so was von witzig! Da siehst du, es geht auch mal anders: Vernissage mit der Putzfrau.

So, wie ist es jetzt? Hast du das Rätsel gelöst? Welches Rätsel? Hallo: Was hat der Fruhtrunk mit Aldi zu tun? Also erst einmal. Es heißt tatsächlich Fruhtrunk und nicht Frühtrunk. Ich hab mir den Spaß draus gemacht und alle Üs als Us geschrieben. Ich fands witzig. Ich komm deshalb drauf, weil es ja heute um Kunst geht. Und der Günter, der Günter Fruhtrunk ist ein Künstler, genauer gesagt ein Maler und Graphiker. Und der hat Folgendes abgesondert: „Zur Genüge ist ja bekannt, dass meine Intentionen, meine Augen etwas von der Schärfe der Konturen brachten, die bequemerweise aber fälschlich als Geometrie bezeichnet worden sind; die durch die Schärfe entstehenden Grenzirritationen und Schwingungen. In Wirklichkeit schlägt dies ja geradezu Geometrie mit einem Teil ihrer formalen Bedingungen auf ihrem eigenen Feld …“ Der Hammer, oder? Ach so, das Rätsel. In dem Leporello über Günter ist Folgendes zu lesen: 1970 entstand auch das ikonische blau-weiße Diagonalmuster der Aldi Nord Plastiktüte, das Fruhtrunk als Auftragsarbeit für den Aldikonzern entwarf.

Hast du dir vorher noch nie Gedanken drüber gemacht, stimmt’s? Jetzt weißt du es. Und wenn du mich in Düsseldorf auf der Kö mit einer Aldi-Plastiktasche flanieren siehst, dann weißt du, dass das so soll. Bleibt noch die Frage, vor welcher Kunst ich da oben auf dem Foto posiere. Zur Zeit gilt das noch nicht als Kunst, kann aber ja noch werden. Das ist der Absperrzaun am Akademischen Kunstmuseum im Hofgarten.


Mittwoch, 17. April 2024

Karussellpferde brauchen Seeluft

Ich sprach doch neulich über Schäden – im Allgemeinen und neurologisch und brückentechnisch im Speziellen. Wo ich aber so was von froh bin, und das muss man ja auch mal ehrlich, wie heißt es heute so schön, kommunizieren. Wo ich mich immer so was von freue, wenn bei Lidl oder Aldi ein Einkaufswagen „kaputt“ ist, also nicht angeleint ist, und ich den einfach ohne Chip nehmen kann. Und wo ich gerade beim Aldi bin. Es gibt ja schon einiges, wo ich mich frage, wie schafft das Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters, dass da bei mir ein Bedürfnis geschaffen wird, was es vorher noch gar nicht gab. Olivenschiffchen zum Beispiel. Hab ich zwei im Schrank stehen. Ich glaub, ich hab die erst einmal benutzt, hab mit meinen Fingern (ich weiß gar nicht, ob ich die mir vorher gewaschen habe) jede einzelne Olive in dieses schmale Gefäß aus weißem Porzellan gesetzt. Oder diese Pfannentrenner zum Schonen aufeinander liegender Pfannen. Kannst du noch so viel Werbung in deinem Werbeblättchen machen. Was gibt’s noch? Ach ja, die elektrische Pfeffermühle mit LED-Licht - auch toll! Was aber mit Abstand so was von an allererster Stelle steht, unfasslich so ein Schrott! Aber Hauptsache, es hat was mit USA zu tun.

Ich bin extra während meines Urlaubs im Februar am Dornumersiel mit dem Rädchen einige Kilometer gefahren, um mir das Teil von Nahem anzuschauen. Wobei ich jetzt auch dazu sagen muss, so hatte ich wenigstens ein Ziel. Unter uns, ich weiß beim besten Willen nicht, warum es zur Sommerzeit da so viele Menschen hinzieht. Gemessen an der immensen Anzahl an leeren Ferienwohnungen und der noch größeren Anzahl an geschlossenen Restaurants müssen da in der Hochsaison Trauben von Urlaubsgästen unterwegs sein. Also das Meer oder das, was du von ihm siehst, kann es jedenfalls nicht sein, warum du da hinfährst. Wobei, je nachdem wie klein deine Kinder oder Enkelkinder sind: Also dass die da ertrinken, eher unwahrscheinlich. Der einzige Grund, also die Luft dort am Dornumersiel muss so was von unglaublich gesund sein. So öde, wie das da ist. Da ist ja wirklich nichts. Und das genau scheint der riesige Vorteil dieser Gegend zu sein. Ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal: keine Wälder, wenig Flora, dafür viel Seeluft. So was von gesund muss da das Klima sein, wenn du Allergie hast oder Lunge – du oder dein Pferd. Weil, das haben wir dort viel gesehen: Pferdepensionen. Und damit das Pferd kein Heimweh kriegt, verbringen Herrchen und Frauchen (sagt man das so bei Pferden?) dort auch ihren Urlaub. Und die wollen natürlich abends auch einmal nett essen gehen – im Februar, so wie wir. Und da gab es jetzt von den vielen, vielen Restaurants nur drei, die geöffnet hatten: Mein Traummann und ich sind jeden Abend in das Restaurant „Dusend buddel huus“ gegangen. Was soll ich dir sagen: Das Gläschen Rotwein so was von preislich in Ordnung. Beim Blick in die Speisekarte ging dir jeden Abend das Herz auf. Was für eine Vielfalt an Fisch! An typisch norddeutschen Gerichten! Und rate mal, von wem das Restaurant geführt wurde. Genau, von einem Inder, und seine Frau war die Köchin.


Wo ich gerade bei Pferden war. Da konntest du ja neulich in der Presse Folgendes lesen:
Die Tierschutzorganisation PETA kritisiert die Darstellung von Tieren in Karussells, auch wenn sie nicht echt sind. Ein Medienwissenschaftler betrachtet die Diskussion kritisch. Pferde, Kamele oder Elefanten - der Ritt auf Tierfiguren gehört zu den Klassikern, wenn man einen Freizeitpark oder Jahrmarkt besucht. Das sieht PETA Deutschland kritisch: "Wir sind der Meinung, dass solche Karussellfiguren mit Tiermotiven die Vorstellung verstärken, dass Tiere als empfindungsfähige Wesen vermeintlich nur zu unserer Unterhaltung da sind."
PETA Deutschland ist eigenen Angaben zufolge landesweit die größte Tierschutzorganisation, die sich für die Rechte von Tieren einsetzt. Auf ihrer Homepage schreiben sie: "Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren, sie essen, sie anziehen, sie uns unterhalten oder wir sie in irgendeiner anderen Form ausbeuten." Der Vorstoß gegen Tierfiguren in Fahrgeschäften kam von PETA USA. Die Tierschutzorganisation hatte sich vergangene Woche an einen großen Hersteller gewandt, der unter anderem solche Karussellfiguren mit Tiermotiven produziert. Die Tierschützer hatten an das Unternehmen appelliert, auf solche Tierdarstellungen bei Fahrgeschäften zu verzichten. Alternativen für Tiermotive seien der Fantasie überlassen.
Yvonne Würz, Fachreferentin für den Bereich Zoo und Zirkus bei PETA Deutschland, sagt auf SWR-Anfrage: "Auch wenn es keine lebenden, echten Tiere auf den Karussells sind, die da leiden. Es transportiert trotzdem ein bestimmtes Bild in der Gesellschaft von unserem Umgang mit Tieren." In vielen Bereichen der Gesellschaft sei es immer noch so, dass Tiere ausgebeutet würden, etwa beim Elefantenreiten im Tourismus oder beim Einsatz von Pferden an Karneval.
Als Alternative zu Tiermotiven auf dem Karussell schlägt Yvonne Würz Fahrzeuge verschiedenster Art vor und Raketen, Raumschiffe und Sternschnuppen, auf denen man sitzen kann. Georg Spreuer vom Schaustellerverband Mainz erzählt, er habe erst mal in den Kalender schauen müssen, ob denn der erste April sei, als er von der Forderung erfahren habe. „Als nächstes kommen die Umweltschützer und verbieten die Motorräder und Autos auf dem Karussell, weil das Verbrenner sind. Wo kommen wir denn da hin?“. Ich lass das jetzt einfach mal auf dich wirken!

Ich hab total vergessen, dir zu sagen, von welchem neuen Produkt beim Aldi ich spreche. Ich mein, du ahnst es sicherlich schon. Ich hab ja nicht umsonst das Foto gewählt: der „NFL-Snackhelm – Zum Servieren von Chips, Dips und anderen Snacks, mit herausnehmbarer Schale und Eimer“. Was ich total toll fand: Als ich im Aldi im Dornumersiel war (die Super Bowl Live Übertragung war tags drauf am Sonntag – da hat Aldi geschlossen!), waren da noch viele, viele Restanten. Vermutlich ist keiner dieser bekloppten Snackhelme verkauft worden.

Sonntag, 14. April 2024

Vernissage mit der Putzfrau

Wie jetzt? Da wird noch gefeudelt und gewischt, obwohl die Besucher schon versammelt sind? Und dann will die Reinigungsfrau auch noch wissen, wie diese hyperrealistischen Bilder gemalt sind und warum eine verbrannte Skulptur hier ausgestellt ist! Künstlerin Birgit Brandt-Siefart erklärt geduldig, was es mit ihrer Kunst auf sich hat. Eine köstliche Überraschungs-Performance vom Feinsten - mit Adi Bennemann in der Rolle der begeisterten Putzfrau. So originell kann eine Ausstellungseröffnung sein...



Mittwoch, 27. März 2024

Ergänzung: Ertüchtigung des Standstreifens

Ja, ich weiß, hatte ich schon. Aber immerhin habe ich mir die Mühe gemacht und nach einem

Synonym für „Nachtrag“ gesucht. Weil, neulich hatte ich ja über das Kölner Husarenstück berichtet. Dass die uns Bonnern erlauben, auf der Adenauerallee, du weißt, worum es geht. Was war und bin ich da so was von froh, dass ich Folgendes in meinem SCHAUFENSTER lesen konnte: Verkehrsversuch in der Adenauerallee – die Stadt Bonn hat mit den Markierungsarbeiten für die Einrichtung des Verkehrsversuchs auf der Adenauerallee begonnen (wenn du jetzt ganz konzentriert bei der Sache bist, kümmere dich gefälligst selbst drum, ob es in oder auf der Adenauerallee heißt. Wofür hast du denn das Internet!). Die Arbeiten sollen im Laufe der nächsten Tage beendet sein. Ein Unternehmen wird für den Radverkehr in beiden Fahrtrichtungen eine Breite von 2,70 Meter (ich bin mir nicht sicher, ob das reicht. Weil, schau dir doch mal an, was neuerdings unter der Bezeichnung Fahrrad so alles unterwegs ist. Diese immer breiter werdenden Lastenfahrräder. Ganz zu schweigen von den Fahrradfähnchen, diese Sicherheitswimpel, die so was von eine Spannbreite haben. Also wenn du da zu knapp dran vorbei. Und dann muss ja auch jederzeit die Möglichkeit bestehen, dass zwei Fahrradfahrer nebeneinander fahren können). Also 2,70 Meter der jeweils rechten Fahrspur werden mit beleuchteten Leitbaken im Abstand von fünf bis zehn Metern (ja was denn nun? Da möchte ich bitte für mich Planungssicherheit, ganz genaue Zahlen!) sowie einer durchgezogenen gelben Markierung abgetrennt. Für den KFz-Verkehr bleibt eine Fahrspur mit einer Breite von 3,50 Metern. Die abgetrennte Spur wird mit Fahrradpiktogrammen versehen. Grundstückszufahrten, Einmündungen und Parkplätze bleiben erreichbar. (Gut, dass das noch mal erwähnt wird.) Zusätzlich werden Bushaltestellen und Ladezonen eingerichtet.

Was mir dazu einfällt, überall wo du hinguckst gibt es Arbeitskräftemangel und so Vieles liegt im Argen. So viele Baustellen, wo du denkst, geht’s da gar nicht weiter, erlebe ich das noch, dass die fertig werden? Könnte man da nicht, weißt du wie ich meine. Weil, im Zusammenhang mit dem Adenauerallee-Projekt scheint es ja genügend oder sogar zu viele Beschäftigte zu geben, so wie die on time sind. Könnte man die nicht geschickt abwerben und wo anders, wo es dringend notwendig wäre, einsetzen? Und was ja das Tolle wäre. Du hättest zwei Fliegen mit einer Klappe. Das Adenauerallee-Projekt bleibt selbstredend ein Projekt, aber eben für die Zukunft, und gleichzeitig geht es an anderer Stelle zügiger weiter. Apropos Arbeitskräftemangel. Überall brennt ja die Bude. Überall werden Quereinsteiger gesucht. Sogar fachfremd! Mir auch egal. Wobei ich mir da jetzt bei einer Operation am offenen Herzen schon jemand wünschen würde, der das schon mal gemacht hat oder zumindest mal zugeschaut hat – entweder live im Operationssaal oder Arztserie vom Sofa aus. Ich komm deshalb drauf, weil ich doch neulich auf der Internetseite einer neurologischen Gemeinschaftspraxis folgende Lettern las:  ACHTUNG: AKTUELLE STELLENANZEIGE - MFA und Mitarbeiter*in mit fachfremder Qualifizierung in Voll- oder Teilzeit und auch auf Minijob-Basis AB SOFORT GESUCHT. Da weißt du am Ende des Tages auch nicht hundertprozentig, ob du da mit jemandem gesprochen hast, dessen Aufgabe eigentlich Rezept- und Terminvergabe und Mail-Bearbeitung ist, oder mit dem Neurologen (wobei das nicht zwingend schlechter sein muss).

Wo ich gerade beim Neurologen bin. Du kennst das, vollkommen zusammenhangslos, und da kannst du dich noch so oft fragen, wie du da jetzt drauf kommst. Ich sag nur Synapsen. Ich muss gerade an meinen Hinnerk Schönemann denken (du weißt, ich mag den). Wie der zu seiner Kollegin in der Fernsehserie „Nord bei Nordwest“ sagt: „Wissen Sie, ich glaube, dass die Kekse bei Frau Christiane einfach einen Knick in die Synapsen gefaltet haben.“ Übrigens, da läuft er auch – wie bei der Marie Brandt. Ist aber langsamer als seine Kollegin. Und fragt die dann: „Machen Sie eigentlich Sport?“ Reg dich nicht auf, merk ich selber, kommt nicht richtig rüber, Stichwort Situationskomik.

Wo ich gerade bei neurologischen Baustellen, oder nenn es meinetwegen auch Schaden, war. Neulich ist ja tatsächlich mal was fertig geworden. Die erste neue Teil-Brücke der Autobahn A1 bei Leverkusen wurde eröffnet und für den kompletten Straßenverkehr, also auch für Lastkraftwagen, freigegeben. Was ich mich in dem Zusammenhang immer wieder frage, wenn ich auf der Autobahn unterwegs bin. Nicht, dass du mich falsch verstehst. Ich kann schon lesen. Beispiel: Hinweisschild roter Kreis, schwarze Hundert auf weißem Untergrund heißt ich darf nicht schneller als 100 fahren. Ob ich mich jetzt daran halte, andere Sache.

Aber was ich jetzt meine, ist dir sicherlich auch schon begegnet, das Hinweisschild „Brückenschäden“. Was genau mache ich denn mit dieser Information? Soll ich auf der Autobahn wenden und es anderenorts versuchen? Soll ich das Auto vor der Brücke abstellen und meine Reise weiter zu Fuß fortsetzen? Das einzige, was dieses Hinweisschild doch im Zweifelsfall schafft, ist, dass ich mir vor Angst in die Hose mache. Und wo ich gerade auf der Autobahn bin. Kürzlich las es sich dort auf einem Hinweisschild „Ertüchtigung des Standstreifens“. Da sag ich nur, da war aber mal jemand so was von gut drauf. War bestimmt ein Kölner, dem das eingefallen ist. Ein Kölner, verkleidet als Clown am Mittwoch vor Weiberfastnacht. Quasi noch kein Straßenkarneval, aber schon mal ein Straßenkarnevals-Hinweisschild. Die haben ja immer Grund, gut drauf zu sein. Wenn es nicht der Karneval ist, dann ist es ihr Fußballverein. Und das finde ich das Tolle an dem Kölner. Das ist dem quasi so was von egal, ob der 1. FC gewinnt oder verliert. Hauptsache, du hast eine Superjeilezick im Stadion mit allen anderen Fans, quasi Familie. Warum kriegen wir anderen das nicht hin, quasi Familie? Hallo, warum nicht an einem Samstagabend zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr? Quasi Lagerfeuer. Und was da ja noch so was von besser ist, als (wie) wenn der 1. FC spielt: Wir gewinnen auf jeden Fall! Beim deutschen Vorentscheid zum ESC 2024 konnte Deutschland gar nicht verlieren. Es gab viele gute und sehr gute Beiträge und wieder eine fulminante Barbara Schöneberger. (Ich persönlich war ja für den Ryk mit seinem Song „Oh Boy“). Aber vollkommen egal. Aber was genau soll diese späte Sendezeit 22:05 Uhr?

Nebenbei, den ESC schau ich mir natürlich auch an – wie die Kölner ihren 1. FC. Hauptsache Event, Hauptsache „Da simmer dabei“!