Also wirklich, das ging gar nicht! Es hätte so schön leise
in Bonn sein können! Weil, das war ja wirklich wie abgesprochen zwischen Bahn
und Post. Kaum wurde es wieder so unerträglich laut in Bonn durch die fahrenden
Züge, hat sich Gott sei Dank die Post unser erbarmt. Was war das einmal
angenehm, nicht jeden Tag diesen höllischen Lärm zu hören, diesen unerträglichen
Krach, dieses Gepolter. Endlich einmal Ruhe an den Briefkästen!
Es ist ja nicht nur dieses laute Abstellen des Fahrrads mit
Hilfe des Fahrradständers seitens des Postboten. Nein, auch das Öffnen des
Metallbriefkasten-Schlitzes und der anschließende Aufprall der Postwurfsendung
im Briefkasteninnern - eine Zumutung für die Ohren! Zwischen meinem Traummann
und mir lief es auch wieder besser, während die Post streikte. Weil, das muss
ich schon sagen. So sehnsüchtig ich ja täglich auf Werbung in meinem
Briefkasten warte, selbige ist auch oftmals Anlass für den einen oder anderen
Disput mit meinem Liebsten. Neulich zum Beispiel lag wieder mal vom
Studienkreis ein Brief im Briefkasten, adressiert "An die Eltern
schulpflichtiger Kinder". Da bin ich mir jetzt schon recht sicher, dass ich
definitiv kein halbes schulpflichtiges Kind mehr habe. Und da komm ich dann natürlich
schon ins Grübeln - und stelle meinen Schatz zur Rede. Mir fiel dann nämlich ein,
ich hatte das schon längst vergessen: Vor Jahren bot der Drogeriemarkt meines
Vertrauens mir immer mal wieder per Postwurfsendung günstig Pampers an. Da
hatten mein Traummann und ich auch schon eine klitzekleine Ehekrise, weil meine
Kinder schon so was von lange aus dem Windelalter raus waren. Damals hat mein
Geliebter mir das mit schlechter Kundendatei-Pflege seitens des Absenders
erklärt. Aber als mir jetzt neulich der Studienkreis Nachhilfe für meine
schulpflichtigen Kinder anbot, hab ich dann mal zurück gerechnet: Das käme
zeitlich schon hin!
Oder wenn im Briefkasten ein Brief mit der Adresse "An
die pflegenden Angehörigen im Haus" liegt, obwohl wir gerade mal keinen
Angehörigen pflegen. Da stelle ich mir natürlich schon die Frage, ob die den
Brief bei uns eingeschmissen haben, weil ich so schlecht aussehe, als ob ich
rund um die Uhr einen alten Menschen pflege, oder ob ich aussehe wie der
pflegebedürftige Mensch, der hier schlürfend ein und aus geht.
Apropos pflegebedürftige und, vor allem, ruhebedürftige
Menschen. Was haben die sich eigentlich dabei gedacht, die Verantwortlichen für
das Heißluftballon-Spektakel in den Rheinauen? Schätze mal, gar nichts. Haben
die tatsächlich gedacht, dass dieses Jahr das Ballonglühen so stattfindet wie
immer? Dass die Ballone sich mit ihrer durch die Brenner hell erleuchteten
Hülle im Takt der Musik bewegen? Doch wohl nicht! Wir Bonner sind da
mittlerweile auf einem so guten Weg (wohin eigentlich?) und da wollen wir doch
bitteschön nicht von abweichen! Gott sei Dank hatte nämlich die Stadt Bonn
kurzfristig vorher den Lärmpegel beim internationalen Ballonglühen reduziert.
Gut, jetzt war das Fauchen der Brenner lauter als die Musik - aber immerhin
schon ein Schritt in die richtige Richtung (in welche eigentlich?). Wenn wir
Glück haben, war das das letzte Mal, dass sich die internationale Ballonschickeria
hier hat blicken lassen. Weil, so stand's in meinem "Schaufenster"
geschrieben: Dieses Novum in der internationalen Ballonszene sorgte nicht nur
bei den Gästen für Unmut und Unverständnis.
Hallo, wir brauchen die internationale Ballonszene nicht! Als
ob wir nicht schon genug Internationalität hätten! Jeden Tag diese Unmengen von
Asiaten, die vor dem Beethoven-Geburtshaus rumlungern. (Kaum vorzustellen, was
hier noch angereist gekommen wäre, wenn das mit dem Festspielhaus geklappt
hätte!) Und dann lese ich doch zu meinem Entsetzen in meinem
"Schaufenster", dass das WCCB einsatzbereit ist. Schwuppdiwupp, eh
ich mich versehe, ist das jetzt einsatzbereit! Ich hab das gar nicht so
mitbekommen, dass das jetzt plötzlich so schnell ging! "WCCB ist
einsatzbereit" las ich in meinem "Schaufenster". Und 3000
städtische Mitarbeiter halfen beim Funktionstest! Mensch, da hatte der eine
oder andere Mitarbeiter ja mal eine wirklich sinnvolle konstruktive Aufgabe. Und
das immerhin einen ganzen Tag lang - dachte ich beim Lesen der Überschrift. Es
stellte sich dann aber beim Weiterlesen heraus, dass der Tag erst mittags mit
einem lecker (soll so) Mittagessen anfing, das die Abläufe in der Großküche auf
Herz und Nieren prüfen sollte. Und dann strömten die "Konferenzteilnehmer"
schnurstracks in die verschiedenen Säle, wo sie unter anderem die Qualität der
Audio- und Videoübertragung begutachteten. Da hat der eine oder andere doch
bestimmt mal für kurze Zeit das eine oder andere Äuglein geschlossen - was ja unter
anderem in Zukunft auch der Zweckbestimmung dieser Säle entspricht.
Ich bin ehrlich, ich hatte zwischenzeitlich schon die
Hoffnung, dass das so gewollt war. Also dass das WCCB gar nicht fertig werden
sollte. Dass die Verantwortlichen eingesehen hätten, dass zu viel Internationalität
ja auf Dauer auch nicht ruhig vonstatten gehen kann. Bonn war ja nun auch vor
der Fertigstellung des WCCB UN-Standort, und da ist dem einen oder anderen
Bonner vielleicht erst mal richtig aufgegangen, dass wir es mit 193
UN-Mitgliedsstaaten zu tun haben, die hier und jetzt bis in alle Ewigkeit ein
und aus gehen. Ja gerade die Bonner, die im Stillen gehofft hatten, dass unser maroder
Bonner Bahnhof einfach mal still und leise abgeschlossen wird, damit da kein
Zug mehr halten kann und auch nur einen lauten Besucher ausspuckt. Unser
Bahnhof, der dringend nach Instandsetzungsarbeiten schreit. Das wäre ja tatsächlich
eine Möglichkeit gewesen: den Bahnhof einfach stilllegen - wenn Bonn nicht
UN-Standort gewesen wäre! Stattdessen hieß es nun, Bonn könne es sich als
UN-Standort nicht leisten, seine Besucher auf solch einem Bahnhof zu begrüßen.
Dass einem da die UN in die Hacken läuft!
Gott, und was ist schon auf Dauer gesetzt? Ich mein, wenn
der Vermieter mir monatelang eine Wohnung ohne Wohnzimmer zumutet, dann kündige
ich irgendwann. Und so wäre ja die Hoffnung gewesen , dass die UN das ebenso
macht, wenn sie auf Dauer ihr Wohnzimmer, ihr WCCB, nicht beziehen kann. Also
quasi durch die Hintertür wieder rausekeln. Und wenn der letzte UN-Mitarbeiter
abgefahren ist, den Bahnhof zunageln.
Aber es ist ja jetzt alles doch anders gekommen. Am 7. Juni fand
die feierliche Eröffnung des Konferenzzentrums mit dem UN-Generalsekretär Ban
Ki-Moon statt, und das Wohnzimmer wurde eingeweiht - und das WCCB ist
einsatzbereit. Wahnsinn!
Bonn weiß eben, wo der Frosch die Locken hat!