Schon letztes Jahr war ich so was von traurig, dass ich
nicht deren Zielgruppe bin. Ich hab nämlich selten so eine vertrauensbildende Anzeige
in meinem "Schaufenster" gelesen. Da hieß es, es sei manchmal ein
Jammer. Da läge er seit Jahrzehnten herum, habe im Laufe der Zeit seinen Glanz
verloren, wirke abgenutzt und weise eventuell noch andere Schäden auf. Um
diesen würdelosen Zustand zu ändern, werde er bei ihnen zunächst in der Werkstatt
entstaubt, danach stünde eine gründliche Reinigung mit Wasser und Kernseife per
Hand an und anschließend werde er gegen Mottenbefall behandelt.
Spätestens beim Mottenbefall wurde mir dann doch klar, dass
ich da meinen Mann nicht abgeben konnte. Das Blöde ist nämlich, ich besitze
keinen Orientteppich. Wie gesagt, schon letztes Jahr hat mich die über fast
eine ganze Seite reichende Anzeige so was von in ihren Bann gezogen. Aber
dieses Jahr gibts für mich kein Halten mehr. So nett und so kompetent, wie die
Herren Kamran Makhdoumi und Ali H. Karimi da jetzt auch noch auf dem Foto rüberkommen
und mich einladen, mir selbst ein Bild von ihrer Arbeit zu machen. Das Problem
ist eben nur ... nicht einmal eine klitzekleine Brücke! Abgesehen davon, dass
ich die so sympathisch finde, dachte ich auch sofort daran, dass ich im
Gespräch mit denen direkt mal meine neu erworbenen Sprachkenntnisse anbringen
könnte. Meine zweiter Gedanke war selbstredend, die sprechen wahrscheinlich
besser Deutsch als ich.
Ich komm deshalb drauf, weil die Hamburger
Sprachwissenschaftlerin Frau Prof. Angelika Redder ja kürzlich meinte, dass wir
Deutsche nach Englisch, Französisch und Latein nun auch Arabisch, Persisch oder
Kurdisch lernen sollten. Der Zustrom von Flüchtlingen sollte nach ihrer Ansicht
zum Sprachenlernen ermuntern. Sie sagt: "Die Welt ist normalerweise
mehrsprachig. Wir sind in Deutschland lange Zeit Monolingualität gewöhnt
gewesen. Und ich halte es für eine Verarmung, die Monolingualität einfach nur
zu verschieben, hin zum globalen Englischen." Diejenigen, die neben ihrer
Muttersprache kaum Fremdsprachen gelernt hätten, sollten sich ein paar weitere (!)
aneignen. Ein Einheimischer könne einem Zuwanderer Deutsch beibringen, während
er von diesem zugleich Arabisch, Persisch oder Kurdisch lerne. Man müsse sich
ja nicht die kleinsten Stammessprachen schnappen.
Bislang habe das Lernen in der Schule als mühsam gegolten,
weil es um Sprachen ging, die die Schüler nicht direkt anwenden konnten.
"Nur wenn man dann in den Ferien nach Frankreich oder Spanien fuhr, konnte
man das wieder benutzen." Die Sprachen der Zuwanderer hätten dagegen einen
direkten kommunikativen Wert. Die bisher üblichen Sprachen müssten deswegen
nicht aufgegeben werden. Das zeigten viele Inder oder Afrikaner, die ganz
selbstverständlich vier- bis fünfsprachig seien. Sprachkenntnisse seien eine
Bereicherung. Wenn man nur ein bisschen verstehe, könne das schon helfen.
"Das nimmt auch Angst", zeigte sich Redder überzeugt.
Ich bin da so was von bei der Frau Redder. Deshalb bin ich auch
so was von angstfrei. Und das liegt sicher daran, dass wir Austauschschüler aus
Tschechien und Polen hatten - und ich selbstredend Tschechisch und Polnisch
gelernt habe. Und vor zwei Jahren haben wir als Gastfamilie Chinesen aufgenommen
- klar, kann ich Chinesisch. Und aktuell, keine Frage, lerne ich alle Sprachen,
die im nordafrikanischen Raum gesprochen werden.
Wie komm ich drauf, ach ja, die mich freundlich und
kompetent anlächelnden Herren von Orientteppich-Castell. Was ich auch gelesen
habe, in der riesigen Anzeige, dass man vorab einen Termin vereinbaren kann, zu
dem einer der beiden Teppichspezialisten zum Kunden ins Haus kommt, um
anschließend einen verbindlichen "Kostenanschlag" (so stand es in der
Anzeige im Juni 2015 (!), meinten die aber bestimmt nicht so), also einen
verbindlichen Kostenvoranschlag für die Reinigung zu erstellen. Da könnten wir dann
bei mir zuhause nett Konversation betreiben, vielleicht dass ich doch meine neu
erworbenen Sprachkenntnisse ... und der Teppich wäre mir dann justamente kurz
vorher gestohlen worden, oder so.
Aber wie gesagt, die sprechen wahrscheinlich besser Deutsch
als ich - oder der Kevin.
Apropos Kevin. Der freut sich sicherlich über das, was die
Frau Prof. Redder da von sich gegeben hat. Der hat ja immer schon gemeint, dass
die deutsche Sprache vollkommen überbewertet wird. Und jetzt hat der die
Angelika mit im Boot. Weil, auf Deutsch - oder so -verständigen kann der Kevin
sich ja allemal. Und statt jetzt sich noch weiter mit dem Deutschen
rumzuschlagen, soll der Kevin doch tatsächlich aus aktuellem Anlass sich die
Sprachen aneignen, die unsere Flüchtlinge sprechen. Und nur die Worte, die er
auch tatsächlich braucht, dafür aber in ganz vielen Sprachen. Ich finde das
ausgesprochen zielorientiert und zeitgemäß. Und mal ehrlich, wenn Kevins Mama
ihrer Tochter zuruft "Schantalle, geh nischt bei die Asis", dann
versteht doch die Chantal ihre Mama. Oder wenn der Mann über die Straße brüllt,
weil sein Auto zugeparkt ist, "Wem ist die Mopped?" und ein anderer
"Ich!" brüllt - absolut verständlich. Und wenn der Mann, der im
Unterhemd auf ein Kissen gestützt am offenen Fenster sitzt, seinen Kumpel auf
der Straße fragt "Eeeeeeey! Wo geeeeehse?" und der antwortet
"Pommes!", dann weiß der doch, was gemeint ist.
Wo wir schon mal dabei sind, was hat sich eigentlich die
deutsche Sprache dabei gedacht, dass es "ich bin gelaufen" aber
"ich habe gegessen" heißt? Als damals der Bayerntrainer Giovanni Trapattoni
nach einem Interview sagte "Ich habe fertig", haben wir den doch auch
verstanden, oder?