Ich hab so was von Rücken. Das kann ich keinem erzählen,
wie's dazu kam. Ich bin aber trotzdem zur Eröffnung der Ausstellung "Am
Horizont" von Thomas Huber gegangen. Weil, Sitzen geht gut. Und das kann
man ja in dem Auditorium vom Kunstmuseum Bonn recht nett (da war ich übrigens
noch nie!). Dort lauschte ich dann den vier Reden, wie es in der Einladung zu
lesen gewesen war. Insgesamt eine halbe Stunde und inspiriert noch dabei, da konnte
ich jetzt nicht maulen. Wobei, mit einem Gläschen Prosecco vorneweg und einem
zweiten in der Hand hört es sich einfach noch besser zu. Dabei fiel mir auf, das
war das erste Mal, dass ich bei einer Ausstellungseröffnung in einem Museum
war. Weil, der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier - und ich so was von besonders.
Und mit meinen 56 Jahren bin ich folgenden Deal gewohnt, ich kenn's nicht
anders: Ich nehme mir die Zeit, mach die Statistin und tu so, als ob ich mir
die Kunst, oder wie auch immer man es denn nun bezeichnen mag, anschaue. Und
dafür bekomme ich vom Künstler, oder wie auch immer man ihn nun bezeichnen mag,
eine Gläschen Sekt, im Notfall auch zwei, und - das ein oder andere Häppchen.
Gut, ja, ich hätte mir auch ein Gläschen kaufen können, aber ...
Apropos kaufen. Da merkt man mal wieder, Werbung ist einfach
alles. Wobei, da sagt neuerdings mein Rücken, jetzt ist Schluss. Das glaubt mir
keiner, dass für meinen desolaten Rücken die Werbung schuld ist. Wie komm ich
auf Werbung? Die Worte von dem Professor Berg, ich sag nur, Hut Schrägstrich
Hütin ab. Also wie der mir den Thomas Huber verkauft hat, wie der mir dessen
Werke ans Herz gelegt hat. Ich war so was von gespannt und motiviert, dass ich
glatt für kurze Zeit meinen Rücken vergessen habe und anschließend durch die
Ausstellung geschlendert bin. Lange bin ich allerdings nicht geblieben. Weil,
erstens - das tut mir jetzt ausgesprochen leid für den Herrn Huber, dass der Herr
Professor Berg die Latte so was von hoch gehangen hatte, und die Bilder da
jetzt für mich nicht rankamen. Aber zweitens brauchten die Bilder mich auch gar
nicht, die waren so was von mit sich selbst beschäftigt. Das fiel mir dann auch
wieder ein. Ich hatte nämlich vorher schon den Flyer zur Ausstellung studiert.
Und dort stand: Der Horizont dient als Metapher für eine Grenze zwischen
Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, und damit als Hinweis auf einen Diskurs, den
die Bilder über ihren eigenen Status führen. So stand's im Flyer.
Apropos Flyer. Apropos Bilder. Neulich stieß ich in meinem
"Schaufenster" auf zwei Bilder. Auf beiden sah man jeweils dieselbe
Frau einen Bierkasten heben. Darunter stand: Wer einen Kasten Bier
transportieren will, sollte beim Anheben mit geradem Rücken in die Knie gehen und
die Last beim Transport dicht am Körper halten. Auf dem ersten Foto macht die
Frau alles falsch, was frau nur falsch machen kann, und deshalb steht drunter:
Falsch! Auf dem zweiten Foto hebt sie den Bierkasten in vorbildlicher
Körperhaltung und deshalb steht auch drunter: Richtig! Zunächst einmal, ich
finde es so was von toll und bin auch ein Stück weit stolz, dass wir Frauen es
doch tatsächlich geschafft haben, uns so zu emanzipieren. Was für einen
Quantensprung bedeutet es für uns Frauen, dass die Frau auf dem Foto keinen
Wäschekorb mit dreckiger Wäsche trägt sondern einen Bierkasten - während ihr
Mann wahrscheinlich gerade seine Funktionssportkleidung mit einem Sport- und
Outdoor-Waschmittel wäscht.
Ich weiß jetzt nicht, ob das Zufall war. Weil, die
Überschrift zu dem dazugehörigen Artikel lautete: Haltung bewahren - Richtig
heben und damit Rückenschmerzen vorbeugen. Rückenschmerzen als Volkskrankheit: So
seien Erhebungen der Techniker Krankenkasse zufolge Rücken- und
Bandscheibenbeschwerden nach wie vor die Ursache für fast jeden zehnten Krankschreibungstag
in Deutschland. Die Probleme mit dem Kreuz würden heute vor allem durch
Bewegungsmangel hervorgerufen. Auch Übergewicht sei ein wichtiger Risikofaktor
für die Rückengesundheit. Beides trifft auf mich so was von nicht zu, aber wer
kommt denn drauf, dass ich mir an meinem "Schaufenster" fast einen
Bruch hebe? Wer kommt denn drauf, dass ich, bevor ich mein "Schaufenster"
aus dem Briefkasten hole, vorher sinnvollerweise einen Mix aus Dehn-,
Kräftigungs- und Koordinationsübungen absolviere? Ich jedenfalls nicht! Deshalb
hab ich jetzt so was von Rücken. Weil, in derselben Ausgabe meines
"Schaufensters" mit dem Artikel über Rücken lagen - hallo! - an die 20
Beilagen! An die 20 Werbeblättchen, und dabei war das Werbeblättchen meines
Lieblingsdiscounters noch nicht mal dabei! Gott sei Dank, sag ich da nur. Sonst
wär unser Verhältnis jetzt aber so was von getrübt. Die meisten Werbeblättchen
boten Möbel feil. Liebe Werbestrategen von Möbel Boss, Porta und Müllerland, ich
trage ja auch nicht mal eben einen Schrank alleine oder eine Küchenzeile! Liebe
Werbeverantwortliche von Höffner, Möbel Hausmann und Ostermann, ich bin mir
nicht sicher, ob Sie da Ihrem Arbeitgeber nicht einen Bärendienst erwiesen
haben. Weil, ich verbinde mit deren Namen jetzt meinen lädierten Rücken - und
das ist doch beim besten Willen nicht verkaufsfördernd!
Noch nie in meinem Leben habe ich mir Gedanken darüber
gemacht, wie viele Beilagen mein "Schaufenster" aushält, also wie
viele Beilagen in ein "Schaufenster" passen und man es trotzdem noch
vierteln kann. Zu keinem Zeitpunkt habe ich mir die Frage nach einer
eventuellen Beilagenbegrenzung physikalischer Natur gestellt. Hätte ich sie mir
gestellt, ich hätte unweigerlich zu dem Schluss kommen müssen: Ja, es gibt sie,
die Beilagenbegrenzung physikalischer Natur, lieber Herr Ostermann, liebe Frau Hausmann
und wie ihr alle heißt.
Wer es ja zur Zeit echt drauf hat mit seiner Werbung, ist
das LVR-Landesmuseum Bonn: Ich sag nur EVA's BEAUTY CASE. Dieses Plakat auf den
Litfaßsäulen hat mich so was von angesprochen! Und - sorry, Herr Huber - die
Ausstellung hält, was sie verspricht.