Es gibt in diesen Tagen solche Tage, da öffne ich die
Haustür nur, um mein SCHAUFENSTER aus dem Briefkasten zu holen. Und oftmals
kommt es in dieser usseligen Jahreszeit vor, dass ich mich endlich angepüngelt
habe und vor die Haustür trete - und vergessen habe, was ich draußen eigentlich
wollte. So lange dauert das, bis ich für's Fahrrad gegen Kälte, Regen und Wind
aufgerüstet bin.
Apropos aufrüsten. Las ich doch neulich in meinem SCHAUFENSTER
"Sicherheitsakademie NRW" (eingerahmt vom NRW-Wappen) und darunter in
kleineren Lettern "Keine Behörde des Landes NRW, Inhaber Joscha Czarnecki
- Wir bilden Zeitsoldaten aus".
Gut, dachte ich, warum nicht. Privatisierung scheint ja die
neue Zauberformel zu sein. Überall wird ja privatisiert oder zumindest darüber
nachgedacht. Aber dass jetzt die Ausbildung von Soldaten in privater Hand
liegen soll, ging mir dann doch irgendwie zu weit. Ich hab dann noch mal mit
meinem Traummann (das kommt in letzter Zeit häufiger vor, das betreute Lesen!) die
Anzeige genau studiert und da hieß es dann weiter: Wir bieten eine
Weiterbildung zur Sicherheitsfachkraft mit Vorbereitung Sachkundeprüfung nach §
34 a der GewO. Wir bilden Zeitsoldaten aus. Weiterbildung für Berufsunfähige
und Arbeitslose. Sie erhalten eine schriftliche Einstellungszusage durch eine
Sicherheitsfirma.
Immerhin, beim zweiten Anlauf verstanden!
Das kenn ich aber auch ganz anders. Ich sag nur: "Seit
der Einwerbung des Exzellenzclusters 'Immuno-Sensation' im Rahmen der
Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder hat sich dieses Forschungsgebiet
an der Universität rasant entwickelt." Hab ich natürlich nicht gesagt,
sondern zitiert, den Rektor der Uni, den Prof. Michael Hoch. Ja, mein SCHAUFENSTER
fordert mich, und schon verbringe ich wieder den halben Tag draußen im Internet
bei Wikipedia. Darauf bin ich mittlerweile eingestellt (ich muss mich dafür ja nicht
extra warm anziehen).
Apropos einstellen. Hat die Beethovenhalle ja - den Betrieb
eingestellt. Deswegen in meinem SCHAUFENSTER der Artikel "Intermezzo im
WCCB". Das WCCB sei jetzt
Ersatz-Spielstätte für das Beethoven Orchester. Welch Glück, dass ich den
Artikel weitergelesen habe! Jetzt nicht wegen der Kosten der Interimslösung,
die mit rund 2,5 Millionen Euro zwar teuer werde, aber eine adäquate akustische
Qualität biete. Und auch nicht wegen der Information, dass ursächlich dafür verschiedene
Planungsunschärfen (obwohl, dieses Wort!) in der Vergangenheit seien. Nein,
hätte ich den Artikel nicht gelesen, wäre ich vermutlich um den Genuss
folgender Buchstabenkonstellation gekommen, hätte ich mich um den Spaß an
folgender Letterngruppierung gebracht: elektronische
Nachhallverzögerungsanlage! Die es aus zweierlei Gründen im WCCB nicht gibt. Erstens
hätte sie zusätzlich 1,8 Millionen Euro gekostet. Und zweitens wäre deren Sinn
zweifelhaft gewesen. Wäre doch die Beethovenhalle so gut wie fertig, wenn die
teure Anlage eingebaut gewesen wäre. Das macht Sinn. Viel Lärm um nichts - aber
allein schon wegen dieses Wortes hat es sich doch gelohnt!
Und ich kann nur hoffen, dass das im WCCB nicht immer alles
reibungslos läuft. Also dass sich zum Beispiel während eines Konzerts die
Hubpodeste selbstständig machen, wäre schon mal ein nettes Intermezzo. Oder
aber, ich komm drauf, weil ich über das "mechanische
Konzertzimmer" las. Dessen Bühne messe eine Tiefe von 14 Metern und eine maximale
Breite von fast 24 Metern. Eine Besonderheit sind die sogenannten Deckensegel,
die im Falle eines Brandes aus ihrer waagerechten Position in eine senkrechte
Position geklappt werden können, wodurch eine flächige Beregnung der Bühne mit
Löschwasser ermöglicht wird. Da kann ich nur hoffen (und ich stelle es mir auch
gerade vor), dass es da häufiger zu Fehlfunktionen kommt! Weil, wenn das im
WCCB immer alles reibungslos läuft, dann kriegst du die verwöhnten Liebhaber
der klassischen Musik doch nie mehr zurück in die Beethovenhalle! Ich mein,
wenn du dich zwischen New York und Wachsbleiche 16 entscheiden sollst - hallo! Die
werden sich so was von an den großen Saal des WCCB, an New York, gewöhnt haben,
dass die keine große Lust mehr auf eine Multifunktionshalle haben. Das wird
Monate dauern, bis die sich wieder umgestellt haben. Wenn da im WCCB jetzt aber
auch noch die elektronische Nachhallverzögerungsanlage (hab ich lang dran
gebastelt, dass ich das Wort noch mal verwenden konnte) eingebaut worden wäre,
den geneigten Musikgenießer hättest du doch in die Beethovenhalle hinein
prügeln müssen.
In diesen Tagen, wo mein SCHAUFENSTER recht viel über die
Beethovenhalle schreibt, muss ich zu meiner Schande gestehen, dass mich das
nicht wirklich tangiert, dass ich persönlich auch ohne könnte. Und natürlich frage
ich mich, warum der Zug, in dem die klassische Musik saß, immer an mir
vorbeigefahren ist. Es kann ja nicht nur daran liegen, dass das Nachschauen des
ein oder anderen Wortes, das ich in meinem SCHAUFENSTER lese und nicht verstehe,
immer mehr Zeit in Anspruch nimmt. Gut, das Werbeblättchen meines
Lieblingsdiscounters wird auch immer umfangreicher. Das allein kann's aber auch
nicht sein, warum ich höchstwahrscheinlich keinen wirklichen Unterschied
zwischen dem Beethoven Orchester und dem "1. Deutschen
Stromorchester" erkennen würde.
Ich glaub, ich muss da ganz ehrlich mit mir sein: Der Zug der
Klassik ist gar nicht an mir vorbeigefahren, der hat schon gehalten, aber ich
stand entweder am falschen Gleis oder hatte keine Lust einzusteigen!
Apropos Lust und lustig. Für mich gab's ja dafür das "1. Deutsche
Stromorchester": Sechs in knallgelbe Overalls gekleidete Menschen gingen
mit ernster Miene und selbstgebauten Instrumenten im LVR-Museum auf und ab. Mit
sphärischen Klängen bespielten sie dort die laufende Ausstellung "Eva's
Beauty Case"- und deren Besucher! Es ging ihnen nur darum, Aufmerksamkeit mit ihren
"Schneckenquadrofonen"zu erregen. Absurd und offensichtlich ohne
Sinn. Und genau so sollte das, nach dem Kölner Künstler und Leiter Rochus Aust.
Weil wir gerade bei Kunst sind, die Performance hieß "Hilde meets
Eva", einfach so, ohne Sinn - Kunst eben.