Wie gerne hätte ich zu Beginn des Jahres mit etwas Lustigem
begonnen, aber kaum hatte ich bei der Weihnachtsbaumentsorgungsaktion wieder mal
sämtliche Tannennadeln im Haus fein verteilt, da jagte auch schon eine
Aufregung die andere. Bis ich die Schmierereien an der Haustür wieder weg hatte
...
Ich hatte in meinem SCHAUFENSTER den Artikel "Markierungen
an der Hauswand - Geheimzeichen" gelesen. Zinken seien Geheimzeichen, die
schon seit dem Mittelalter als geheime Codes für die nonverbale Kommunikation
eingesetzt werden. Damals betraf dies nicht nur Gaunerbanden, sondern sämtliche
Angehörige des unteren Standes. Auch Bettler, Hausierer und Tagelöhner nutzten
Zinken, um nachfolgenden Standesgenossen Hinweise zu hinterlassen, wo sich ein
Vorsprechen wohl am ehesten lohnen würde. So riet zum Beispiel ein kleines mit
Kreide gezeichnetes Kreuz, sich fromm zu stellen. In der heutigen Zeit werden
die Symbole fast nur noch von organisierten Banden genutzt: Eine Vorhut spähe
ein Haus und dessen Bewohner aus. Sie beobachtet, ob es in einem Gebäude etwas
zu holen gibt und ob beispielsweise ältere Menschen oder alleinstehende Frauen
im Haus leben. Die gesammelten Informationen werden dann mit Hilfe der Gaunerzeichen
an die nachfolgenden Komplizen übermittelt, während die Kundschafter längst
weitergezogen sind. So warne zum Beispiel eine oberflächlich in die Haustür
geritzte, dünne Zickzack-Linie vor einem bissigen Hund.
Dieser Artikel hatte mich so was von in Alarmbereitschaft
gesetzt. Das ging so weit, ich mein, irgendwann fängst du an und siehst
Gespenster, in meinem Fall eben überall Gaunerzeichen. Drei Tage später brütete
ich in meinem Wochenend-SCHAUFENSTER dann stundenlang über einem abgebildeten Zeichen.
Ich wollte selbst herausbekommen, was er denn in Gaunerkreisen wohl bedeutete,
dieser Zinken. Es hat sich wieder mal bestätigt: Wer lesen kann und, vor allem,
von dieser Fähigkeit Gebrauch macht, ist ganz klar im Vorteil. So hieß es
nämlich in dem Artikel, ein Bergpiktogramm mit Schneeflocke - auf dieses alpine
Symbol sollten alle Autofahrer achten, die sich neue Winter- oder
Ganzjahresreifen kaufen wollen. Denn durch eine Änderung der Winterreifenpflicht
reiche es künftig nicht mehr aus, wenn die Reifen mit einer "M+S"-Kennzeichnung
versehen sind.
Und, verständlich, die Schmierereien an unserer Hauswand, dass
die mich so was von aus der Fassung gebracht haben. Die habe ich selbstredend akribisch beseitigt. Gut, bei näherer und, vor
allem, unbelasteter Betrachtung, also wenn ich mal in aller Ruhe drauf geschaut
hätte. Ich hätte auch den entgeisterten Blick meines Traummannes deuten können.
Ja, dann hätte ich natürlich erkannt, dass ich den Segen der Sternsinger zu Heilige
Drei Könige so was von entfernt hatte.
Das hatte selbst ich noch nicht geschafft, den Grund für
meine Angst so was von schnell zu ändern, quasi in einem Aufwasch. Bei mir
jetzt eher ein Abwasch von Kreidezeichen. Eben noch hatte ich Angst vor den
Zinken, die die Spur zu meinem Haus lenkten, und jetzt stand ich ohne Segen da.
Wenn du jetzt so ganz ohne Segen dastehst, dann liest sich die Überschrift in deinem
SCHAUFENSTER "Das Zuhause vor Einbrechern schützen" nicht gerade
unaufgeregt: Alle zwei Minuten wird in Deutschland eingebrochen. Einbrecher
machen keine Ferien. Ganz im Gegenteil, sie nehmen besonders Häuser ins Visier,
deren Bewohner offensichtlich in Urlaub sind.
Apropos Urlaub. Auch das stand auf meiner To-do-Liste;
einmal in Bonn als Tourist übernachten. Und da habe ich den Sechzigsten meines
Traummannes zum Anlass genommen. Was der aber nicht wusste. Wir haben uns an
einem Samstagmittag mit dem Rad aufgemacht, zünftig gekleidet, gerüstet für
mindestens 100 Tageskilometer und Übernachtung im Zelt. Was mein Traummann aber
nicht wusste, dass wir nach knapp sieben Kilometern schon am Ziel unserer Reise
waren: das Mariott Hotel. Da hat er aber so was von gestaunt - und die an der Hotelrezeption
auch. Weil, das konntest du denen schon ansehen, dass wir die ersten Gäste
waren, die je so sportlich mit dem Rädchen vorgefahren sind. Und bestätigt hat
es sich allemal, weil die uns für unsere Räder keinen Unterstellplatz anbieten
konnten, die also nachts mutterseelenallein vor dem Hotel standen.
Aber das nur so am Rande. Wo war ich stehen geblieben? Bei
den Einbrechern, die besonders Häuser ins Visier nehmen, deren Bewohner
offensichtlich in Urlaub sind. Vor diesem Hintergrund rät der
Hauseigentümerverein Haus & Grund jedem Urlauber, vor der Abreise das Haus
effektiv vor Einbrechern zu schützen. Es sei wichtig, dass das Haus bewohnt
aussieht. So sollten Freunde und Nachbarn zum Beispiel regelmäßig den
Briefkasten leeren, per Zeitschaltuhr sollten Rollläden betätigt und Lampen an-
und ausgeschaltet werden - das volle Programm eben. Und als ich dann noch unter
"Veranstaltungen" den Hinweis auf die Einbruchmesse für Haus und
Gewerbe las: Ich rüste so was von auf, auch wenn ich im Mariott nur kurzurlaube:
Meiner Brut werfe ich einen dicken Batzen Geld hinterher, damit die bei mir
jeden Abend Party macht. Was praktischerweise zur Folge hat, dass am anderen
Vormittag die Putzfrau Stund um Stund für teuer Geld die Bude wieder auf
Vordermann bringen muss - das Haus also belebt ist. (Was jetzt wohl praktisch
ist, meine Töchter leeren täglich den Briefkasten.) Vollkommen unabhängig davon
habe ich für meine Haustür aber auch einen eigenen Zinken entworfen. Neben der
Zickzacklinie für bissiger Hund gibt es da jetzt noch einen Zinken für
Maschinengewehr.
Es hat sich übrigens bei genauerem Hinschauen
herausgestellt, dass es sich um eine Einbruchschutzmesse handelte. Wo ich mich
quasi informieren kann. was sich aber - siehe oben - so was von erledigt hat.
Wie gesagt, ich hätte zu gerne nur Lustiges geschrieben. Und,
ja, ich weiß, "Hätte" ist die kleine Schwester von "Heul doch".