Mittwoch, 15. Januar 2025

Mehr raus als rein!


Wo ich ja neulich bei der Dubai-Schokolade war. Dass ich das noch einmal erleben würde! Ich weiß nicht, wie lange das her ist, als es noch kein Amazon gab, dreißig Jahre? Und dann bot neulich das Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters Selbige feil: Bis zu 60% sparen. Hol dir die Dubai-Schokolade! Tiefpreis-Highlight, 100-g-Packung 4,29 €. Ich mich also wie vor 30 Jahren in aller Frühe mit dem Rädchen aufgemacht, mich gewundert, dass die Straße in Richtung Lieblingsdiscounter nicht schon verstopft war. Komm da um 10 vor acht an, kein Mensch auf dem Parkplatz. Auch keine parkenden Autos, in denen je mindestens fünf Menschen hätten warten können. Ich sichere mir einen Einkaufswagen und stehe als Erste in der Schlange – und als Einzige. Okay, als um acht die Tür aufgeht, stehen hinter mir dann doch noch ein paar Kunden, aber das Feeling, es als Erste in den Laden geschafft zu haben, fehlt. Und dann weiß ich nicht, wo ich das Produkt meiner Begierde suchen soll. Es gibt ja mittlerweile eine Fülle von Sonderposten. Nachdem ich etwas  herumgeirrt bin, rufe ich quer durch den Laden in Richtung Kassiererin: „Wo gibt es denn die Dubai-Schokolade?“ Darauf sie: „An der Kasse!“ Und da habe ich erstmals wieder dieses Gefühl von vor vielen, vielen Jahren. Richtig, damals gab’s das richtig Wertvolle, das Limitierte auch nur an der Kasse.

Damals waren Wochen der Recherche vorausgegangen. Was müsste ein Notebook alles haben, um in die engere Wahl zu kommen? Die Eckdaten waren gesammelt und dann war es soweit: Aldi hatte Notebooks und sie erfüllten alle Anforderungen. Alles war von langer Hand geplant und jetzt in der Endphase sollte nichts mehr schief gehen. Ich als professionelle Barzahlerin hatte genügend Bargeld im Portemonnaie. Das Auto war voll getankt, der Zweitwecker gestellt. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Am Abend vorher wurde noch mal die Vor-Aldi-Stehzeit festgelegt. Das war ja immer so eine Gewissensfrage. Übrigens nicht nur im Aldi-Schlangen-Stehbereich. Auch wenn du für die Alternativkarnevalssitzung im Pantheon Karten haben wolltest, musstest du dir ein Zeitlimit setzen. Jetzt aber nicht nach hinten, sondern nach vorne. Denn sind wir mal ehrlich, auf der 100% sicheren Seite warst du nur, wenn du bereits ab Mitternacht vorm Aldi Wegelagerei betrieben hast. Das kam für mich persönlich jetzt aber nicht in Frage. Ich entschied mich für eine Nachtruhe von sieben Stunden. An diesem Morgen würde ich mir die Haare nicht waschen, auf Schmuck verzichten und Schuhe mit Klettverschluss anziehen. Das Einzige, worauf ich nicht verzichten wollte, war der Lippenstift. Auftragen des Lippenstifts, der schon strategischerweise am Vorabend in die Manteltasche gesteckt wurde, würde an der ersten roten Ampel stattfinden. Ich würde nur geringfügig abbremsen, sollte ein Fußgänger Anstalten machen, den Zebrastreifen zu überqueren. Ich würde für mich persönlich kurzfristig das Tempolimit von 50 (damals waren es noch 50, heute sind es 30!) auf 80 anheben. Und alle, die davon nichts mitbekommen hätten, würden mit Hilfe von ein ganz klein wenig Lichthupe zur Seite abgedrängt werden. Kurz gesagt, halb acht war machbar! Um Punkt halb acht biege ich also in den Aldi-Parkplatz ein. Hurra, meine Strategie hat sich gelohnt. Ich bin die Erste, habe die Qual der Wahl, aus welcher Einkaufswagenreihe ich meinen rausrupfe, und stelle mich vor die Eingangsglastür. Ganz entspannt verbringe ich die nächsten Minuten - vollkommen alleine. Um kurz vor acht trudeln dann immer mehr Leute ein. Mutig, mutig kann ich da nur bewundernd sagen. Die Nerven möchte ich haben. Da geht auch schon die Türe auf, und ich stürze mit meinem Einkaufswagen auf die erstbeste Verkäuferin zu und fordere fragend ein Notebook. Sie dreht sich ganz ruhig um, um mir mit einem Lächeln im Gesicht zu sagen: „Notebooks? Die gibt es morgen - an der Kasse."

Ich war ja aber neulich bei meinem Lieblingsdiscounter wegen der angesagten Dubai- Schokolade. Habe auf dem Weg zur Kasse noch zweimal Klopapier, à acht Rollen, in den Einkaufswagen geschmissen, weil Klopapier geht ja bekanntlich immer (wenn nicht zum Eigenbedarf, dann als Währung, quasi Zahlungsmittel auf dem Schwarzmarkt). Und bekam dann eine Packung Schokolade. Ich geb zu, die Freude hielt sich in Grenzen. Weil, weder vor mir noch hinter mir interessierte sich jemand für Selbige. Und da merkst du schon, wie primitiv der Mensch, im Speziellen ich, gestrickt ist. Die eine Sache ist die, dass du eine Tafel bekommst, aber die andere Sache ist die, dass der hinter dir keine mehr bekommt, weil du eben schneller warst! Und dann kam ich nach Hause, wie gesagt, die Freude hielt sich so was von in Grenzen, und mein Göttergatte teilte mir mit, dass es bei Lidl auch Dubai-Schokolade gab.

Was soll ich sagen, alles hat seine Zeit. Die Schlangen vor Aldi und, wo ich doch gerade bei Klopapier war, offensichtlich auch mein SCHAUFENSTER aus Papier. Schon lange hat keins mehr in meinem Briefkasten gelegen. Und so fühle ich mich ab und an schon ein wenig von der Außenwelt abgeschnitten. Und komm mir altem Menschen nicht mit E-Paper. Was soll das, E und Papier passt nicht zusammen, schließt sich geradezu aus!

Wo ich aber gerade bei Papier bin, bei echtem Papier: Was ich bei meinem SCHAUFENSTER an Papier vermisse, habe ich auf der anderen Seite zu viel an Papier. Und da hatte ich bis zum Ende des Jahres die Challenge am Laufen, mehr raus als rein zu tragen. Noch am Silvestertag lag ich mit einer knapp vorne – bis nachts vor der Haustür wieder eine stand. Ja, mein Göttergatte sieht das genau wie du – einfach wegschmeißen! Kann ich aber nicht! Deshalb habe ich in 2024 jedes Mal, wenn es darum ging, eine Flasche irgendwelchen Inhalts zu verschenken, daran gedacht. Okay, ich gebe zu, es gab weit häufiger weihnachtliche Motive, was in den Sommermonaten bei den Beschenkten erstaunte Blicke hervorrief. Aber Hauptsache, ich hatte sie aus den Füßen. Ich vergaß zu erwähnen, wovon die Rede ist, oder ahnst du es schon? Genau, ich spreche von den Flaschen-Geschenktaschen.

Donnerstag, 26. Dezember 2024

Ein Konvolut an guten Vorsätzen

 


Mein aktuelles Lieblingswort - Konvolut! 
Und weil ich gerade bei Lieblingswort bin. Einer meiner Lieblingssprüche ist ja auch: „Du gehst mir auf den Sack.“ Weil ich aber bis jetzt dachte, dass dieser Spruch nicht wirklich gesellschaftsfähig ist, dass es sich bei dem Sack um das Gemächt (auch so ein tolles Wort!) handelt, habe ich den Spruch nur in Ausnahmefällen benutzt und noch „auf den nicht vorhandenen“ hinzugefügt. Aber horch! Dieser Spruch stammt aus der Zeit, als es noch keine richtigen Türen gab. Stattdessen wurden Säcke vor den Türrahmen (der damals noch nicht so hieß) gelegt. Auf diese Sitte weist unter anderem der Ausspruch „Haben wir etwa Säcke vor der Tür?” hin. Witterungsbedingt wurden die Säcke natürlich auch nass und mussten getrocknet werden. Bei schönem Wetter legte der Hausbesitzer daher die Säcke in die Sonne. Die leeren Säcke wurden sorgfältig auf den meist kleinen Grundstücken ausgebreitet. Sie markierten auch die Grenzen zum Nachbargrundstück. Wenn nun jemand fremdes auf diese Säcke trat, hatte er damit schon die Grundstücksgrenze verletzt. Der Eigentümer des Hauses rief dann meist „Geh mir nicht auf den Sack!”, womit er zum Ausdruck brachte, dass der Fremde sich auf seinem Grundstück befand. Zudem waren die Säcke zu kostbar, als dass sie achtlos als Fußabtreter verwendet werden konnten. Wenn also heutzutage, wo es zum Glück anständige Türen gibt, jemanden sagt, dass ein anderer ihm nicht auf den Sack gehen soll, meint er damit, dass dieser ihn in Ruhe lassen soll. Meist hat dieser vorher durch sein Verhalten auch eine Grenze überschritten und fängt zu nerven an. - Weisse Bescheid, Schätzelein!


Ich war aber ja bei meinen Vorsätzen fürs neue Jahr. Deine Vorsätze kenne ich ja. Sport zum Beispiel. Da bietet dir das Werbeblättchen deines Lieblingsdiscounters (der ist ja nicht blöde, dein Lieblingsdiscounter, der kennt das ja mit deinen guten Vorsätzen). Und deshalb bietet der dir jedes Jahr im Januar sämtliches Sportgerät an. Obwohl der weiß, dass du vom letzten Jahr noch den Ruderergometer unausgepackt im Keller stehen hast. Das einzige, was du da an sportlicher Aktivität reingesteckt hast, war, selbiges Sportgerät erst einmal in den Keller zu wuchten, damit es nicht im Weg steht.

Oder auch so ein immer wiederkehrender Vorsatz von dir: fasten. Jedes Jahr dieselbe Prozedur. Im Januar fängst du an, wegen Vorsätze fürs neue Jahr und so – und schwächelst. Aber kein Problem, denkst du. Die zweite Möglichkeit, fastenmäßig einzusteigen, steht ja quasi schon mit dem moralischen Zeigefinger vor der Tür. Jetzt aber! Genau, die Fastenzeit. Und wenn du da den Einstieg verpasst hast, macht auch nichts. Denn aller guten Dinge sind bekanntlich drei: Ab jetzt zeigt dir die Bunte, wahlweise auch die Gala, wie du deine Bikinifigur in nur wenigen Wochen erreichst. Aber wenn du dich dann endlich durchgerungen hast, es mal mit dieser Diät zu probieren, stellst du fest, dass es bis zum Urlaub eh nur noch drei Wochen sind. Da lohnt es sich dann auch nicht mehr!

So, jetzt aber! Mein erster Vorsatz: Zum Thema Abtreibung werde ich erst einmal nichts mehr sagen, darüber ging es ja schon in meinem letzten Beitrag. Nur noch eins: Das Thema Abtreibung steht nach wie vor im Strafgesetzbuch, zwischen Mord und Völkermord. Das ist ein absolutes Unding! Dort muss es endlich raus!

Noch ein Vorsatz: Möglichst nichts mehr zum Thema Gendern schreiben. Nur noch eine witzige Geschichte. So las es sich in den Medien: Mit der Entscheidung, nur noch das sogenannte generische Femininum zu nutzen, will Rotenburgs Landrat Marco Prietz eine Debatte anstoßen. Regelmäßig müssen die allgemeinen Geschäfts- und Dienstvorschriften des Landkreises angepasst werden. Gemeinsam mit der Personaldezernentin Silke Fricke hat Landrat Prietz in dem Zuge beschlossen, dass es mit der rein männlichen Form nicht weitergehen könne. Denn mehr als die Hälfte der Beschäftigten in der Verwaltung und auch mehr als die Hälfte der Führungskräfte seien mittlerweile Frauen. "Mir sind Lesbarkeit und hohe Verständlichkeit wichtig. Deshalb bin ich kein Befürworter von Sonderzeichen. Auch immer beide Formen zu nennen, sorgt nicht dafür, dass man es besser versteht. Wir wollten daher nur eine Form nutzen." Personaldezernentin Silke Fricke sagt, die Resonanz der Belegschaft sei überwiegend positiv, vor allem von den Frauen in der Landkreisverwaltung. "Die fühlen sich nun besonders wertgeschätzt. Und alle Personen im Haus werden ja auch künftig weiterhin korrekt mit ihrem Geschlecht und ihrer dazugehörigen Amtsbezeichnung angesprochen." Hier gebe es also keine Probleme. In der Großen Straße in Rotenburg, der Fußgängerzone der Kreisstadt, wird die Entscheidung des Landrats mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis genommen. Er lehne jede Form von Gendern ab, sagt ein älterer Herr. Eine jüngere Frau beklagt hingegen, der Vorstoß ginge nicht weit genug. Denn non-binäre Personen würden ausgeschlossen. Vielen aber ist das Thema schlicht egal, oder es ist ihnen zu hoch gehängt und politisch aufgeladen. Nicht zufrieden ist ausgerechnet der Landesfrauenrat Niedersachsen. Für die Vorsitzende Barbara Hartung ist die Nutzung der rein weiblichen Form zu unpräzise. "Man kann die Einführung des Femininums als Ausgleich betrachten, als ausgleichende Gerechtigkeit nach Jahrhunderten des generischen Maskulinums. Es könnte sein, dass Männer merken und nachfühlen können, wie es ist, wenn 'Mann' mitgemeint ist. Aber als generelle Regelung würden wir das nicht befürworten. Wir plädieren für eine geschlechtergerechte Sprache, wo Frauen und Männer sichtbar werden." - Die Landfrauen, wie witzig!

Wie viele Vorsätze müssen es eigentlich sein, damit ich von einem Konvolut sprechen darf? Sicherheitshalber noch zwei. Im neuen Jahr weniger Dubai-Schokolade essen und mehr lüften. Von beidem hätte ich ja nichts mitbekommen, wenn es Tiktok und Instagram nicht gäbe. Beide Themen gingen ja so was von viral. Ein wenig stolz war ich da schon auf uns, uns Deutsche, wie die Influencerin ihren amerikanischen Followern einmal das richtige Lüften erklärt hat. Die Vereinigten Arabischen Emirate und wir - viral auf gleicher Höhe, Wahnsinn! 

Mittwoch, 4. Dezember 2024

“Papaya-Workshops” für Anfänger - Es muss nicht immer lustig sein


Kürzlich las es sich in den Medien folgendermaßen: "Es gibt keinen Raum für Kompromisse, wenn es um dieses wesentliche Recht geht, das alle Frauen von Geburt an besitzen: die individuelle Freiheit", sagt Melania Trump, Ehefrau von Donald Trump, mit Blick auf das in den USA hoch umstrittene Recht auf Abtreibung. Die individuelle Freiheit sei ein Grundprinzip, für das sie "ohne jeden Zweifel" eintrete. In einem zentralen Wahlkampfthema widerspricht sie damit ihrem Mann. "Warum sollte jemand anderes als die Frau selbst die Macht haben zu entscheiden, was sie mit ihrem eigenen Körper macht?", zitiert der Guardian. Das Recht einer Frau einzuschränken, eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden, sei dasselbe, wie ihr die Kontrolle über ihren eigenen Körper zu verweigern, heißt es von Melania Trump. Dieser Überzeugung sei sie schon ihr gesamtes Erwachsenenleben. "Das Grundrecht einer Frau auf individuelle Freiheit und auf ihr eigenes Leben gibt ihr die Berechtigung, ihre Schwangerschaft abzubrechen, wenn sie dies wünscht", ergänzt sie demnach in ihren Memoiren. Frauen müssten auf Grundlage ihrer eigenen Überzeugung über einen Kinderwunsch entscheiden - ohne "Druck der Regierung", so Melania Trump. Da muss ich jetzt einfach mal sagen: Hut ab, Melania, du hättest das Thema ja aussparen können. Hast du aber nicht. Danke!

Wo ich aber gerade bei dem Thema bin, da fallen mir die so genannten „Papaya-Workshops“ ein. Sei ehrlich, hast du noch nie was von gehört. Also Obacht! Im September 2023 las es sich im Bonner General-Anzeiger so: In Bonn stehen ungewollt Schwangere ziemlich allein da. In der Uniklinik soll erstmals ein Papaya-Workshop für Medizinstudierende stattfinden, damit sich mittelfristig mehr Mediziner zu Abtreibungen bereit erklären. Die Situation in Bonn ist angespannt. Papaya-Workshops sind Workshops, an denen grundlegende Kenntnisse zum Schwangerschaftsabbruch in Theorie und Praxis vermittelt werden können. In den Workshops werden verschiedene Methoden des Schwangerschaftsabbruches vorgestellt, inklusive deren Durchführung, Nebenwirkungen und Kontraindikationen. Anschließend können die Teilnehmer*innen den chirurgischen Schwangerschaftsabbruch (Vakuum-Aspiration) am Papayamodell praktisch üben. Die Papaya eignet sich durch Form, Größe und Textur sehr gut als kostengünstiges Modell der Gebärmutter. Das Lehrkonzept ist international bekannt und wissenschaftlich anerkannt (siehe Quellen). Dabei geht es nicht darum, dass die Studierenden den Eingriff anschließend beherrschen. Vielmehr soll eine erste Annäherung an das Thema ermöglicht und eventuelle Berührungsängste abgebaut werden.

Und dann kannst du weiter lesen: “Papaya-Workshops” wurden zunächst in den USA angeboten, bis sie dann erstmals in Deutschland 2015 von den Medical Students for Choice Berlin angeboten wurden. Mittlerweile erfreuen sie sich an vielen medizinischen Fakultäten großer Beliebtheit. Und weiter heißt es: Als Doctors for Choice freut es uns, dass in immer mehr Städten studentische Arbeitsgruppen (z.B. Medical Students for Choice; Kritische Mediziner*innen) gegründet werden, die sich mit dem Thema Schwangerschaftsabbruch beschäftigen. Da die Verbesserung der Aus- und Weiterbildung ein Kernanliegen von Doctors for Choice ist, ist uns die Zusammenarbeit mit diesen Gruppen sehr wichtig. Ganz konkret heißt das beispielsweise im Rahmen der “Papaya-Workshops”: Die Organisation wird von den studentischen Arbeitsgruppen übernommen, während Ärzt*innen von Doctors for Choice die Workshops mit ihrer praktischen Expertise anleiten. So wird ein evidenzbasierter, niedrigschwelliger, wertneutraler Austausch auf Augenhöhe ermöglicht https://msfcberlin.com/kritik/.

Holla, die Waldfee, was sag ich denn dazu? Erstmals nach Deutschland in 2015 und schon fast 10 Jahre später in Bonn angekommen. Wahnsinn! Seit Oktober 2023 gilt: Der Schwangerschaftsabbruch soll im Medizinstudium gelehrt werden. Doch die Umsetzung läuft schleppend. In Hamburg nimmt eine Gruppe von Studierenden die Sache nun selbst in die Hand, heißt es in den Medien. Wenn ich bedenke, wie viel Unsinn wir so was von schnell aus den USA übernehmen, und bei diesem Thema dauert es so lange. Ja, es geht so was von schleppend voran, dass sich die Studenten nun selbst drum kümmern. Mir fällt da auch in dem Zusammenhang wieder der Prozess gegen eine Frauenärztin aus München ein. Ihr wurde vorgeworfen, sie würde auf ihrer Website Werbung für Abtreibung machen. Sie hingegen sagte, sie würde lediglich darüber informieren, dass sie in der Lage sei, Abtreibungen vorzunehmen. Letztendlich hat sie den Prozess gewonnen, aber wieso überhaupt …?

Ich sag nur, tolle, perfide Strategie: Wenn etwas im Medizinstudium nicht gelehrt wird, kann man es auch nicht als Gynäkologe durchführen! Was ich sagen möchte, schauen wir nicht auf die Republikaner, schauen wir nicht auf Trump. Lasst uns doch einfach mal vor der eigenen Haustür kehren!

Wo ich jetzt gerade bei der Papaya, bei der Gebärmutter bin. Ich bin mir neuerdings gar nicht mehr so sicher, ob wir überhaupt noch von einer Gebärmutter sprechen dürfen. Statt Muttermilch („Breastmilk“) sollen Hebammen und Ärzte ja gemäß neu eingeführter Sprachpolitik zukünftig „Milch vom Menschen” („Human Milk“) oder „Milch vom stillenden Elternteil“ zu sagen. Weil erst kürzlich hat eine Hebamme ihren ersten Herrn entbunden, also einen Gebärvater. Ich erklär’s dir: Ein Mann, gefangen im Körper einer Frau, hatte sich entschlossen, auch körperlich ein Mann zu werden. Vorher wollte und ist er aber erst einmal schwanger geworden. Bei der Geburt hatte er schon keine weiblichen Brüste mehr, war also schon auf dem Wege zu einem männlichen Körper …

Übrigens: Jeder Mann ist doch gefangen im Körper einer Frau – zumindest für neun Monate, bis zu seiner Geburt. J

Dienstag, 5. November 2024

Tamara im grünen Bugatti


Ja, ich weiß, das Thema kaltes Spritz-Getränk ist durch – für dieses Jahr. Ja, es ist draußen kalt,  und im Hunsrück war es dieser Tage auch kalt, üsselig und vor allem nebelig. Deshalb aber noch diese kleine Anekdote: Mein Göttergatte und ich waren mit unseren Rädchen auf dem Schinderhannes-Radweg im Hunsrück unterwegs. Es war so was von nebelig und so was von nasskalt, dass ich mir noch zwei Plastiktüten (du kennst diese durchsichtigen, kleinen Plastiktüten aus der Obstabteilung bei meinem Lieblingsdiscounter.) über die Socken gezogen habe. Kein Schwein unterwegs und natürlich, wie so oft neuerdings, nichts zum Einkehren. Apropos Einkehren. Das hast du ja in heutigen Zeiten immer öfters: Entweder hat ein Restaurant geschlossen, weil es von montags bis mittwochs immer geschlossen, sprich Ruhetag hat. Oder aber das Restaurant hat geschlossen, obwohl Freitag ist, weil es für immer geschlossen hat. Oder aber es stimmt eigentlich alles, wenn nicht gerade Betriebsferien wären. Oder aber es hat geöffnet und es ist so voll, dass du keinen Platz bekommst, weil du nicht reserviert hast. Oder du bekommst einen Platz und merkst erst bei der Bestellung, nachdem um dich herum jetzt wirklich jeder Platz besetzt ist, dass du den Kellner so was von anschreien musst, damit der dich versteht.

Oder Metzgereien in kleineren Ortschaften: Früher haben mein Göttergatte und ich uns auf unseren Fahrradtouren morgens aufgemacht in dem sicheren Wissen, dass wir vormittags auf jeden Fall an einer Metzgerei vorbeikommen und dort ein Leberkäsebrötchen kaufen würden (und ich bereits mittags schon einmal die Möglichkeit hätte, zwischen mehreren kalten Spritzgetränken zu wählen).

Apropos kaltes Spritzgetränk. Ich fahre ja eigentlich immer noch auf dem Schinderhannes-Radweg im Hunsrück, im üsseligen Herbstwetter, um mich herum nur Nebel. Aber auch ohne Nebel, na ja, Hunsrück eben, Natur pur! Da tut sich doch plötzlich rechter Hand ein kleines Häuschen, ein kleines Bistro auf. Und was geht mir da sofort durch mein Köpfchen? Genau: Bestimmt schon lange tot oder Betriebsferien oder einer von sechs Ruhetagen … Trotzdem, wir werden langsamer, sehen innen ein kleines Lichtlein, oder ist der Wunsch der Vater des Gedankens? Wir halten an, sehen keinen Gast, aber eine Menschenseele hinter der Theke. Haben den Türgriff in der Hand und, klar, es tut sich nichts, geschlossen! Wäre ja auch einfach mal schön gewesen! Und tatsächlich  ist es auch einfach mal schön! Weil, bitteschön, nicht drücken, ziehen! So, aber was nun bestellen? Weil eigentlich fröstle ich ja, Grog steht aber nicht auf der Karte, dafür aber Limoncello-Spritz. Ich schwanke, meine Füße immer noch kalt, immer noch in Plastiktüte, da sagt doch die Bedienung ganz freundlich:“ Ich lasse die Eiswürfel einfach weg. Der Prosecco ist ja kalt genug.“ Hallo, was für eine geniale Idee! Der Prosecco war tatsächlich kalt genug. Und was das Tolle an der Sache war. Du kennst das doch auch, dass du dich manchmal fragst, ob zwischen dem Haufen an Eiswürfeln überhaupt noch Platz für die Promille ist. Nicht so bei diesem Limoncello-Spritz: Das Volumen, was da jetzt an Eiswürfeln fehlte, hat sie mit Limoncello aufgefüllt. Ich muss dir nicht sagen, wie warm es mir da während des Trinkens uns Herz wurde, und das nicht nur metaphorisch! Was glaubst du, wie schnell ich danach in die Pedalen getreten bin! Ich vergaß, ich habe dir noch gar nicht gesagt, wie das Bistro heißt und wo genau es ist: „Gleis 3“ in Pfalzfeld.

Wo ich aber gerade beim Einkehren bin, bei Restaurants. In Kastellaun waren wir abends in einer netten Pizzeria. Na ja, da kannst du es kaum vermeiden, dass du die Bestellung vom Nachbarstisch mitbekommst. Und da war es wieder: das Thema Sonderwünsche. Habe ich da irgendetwas nicht mitbekommen? Gehört es mittlerweile zum guten Ton, kein Gericht, aber auch wirklich kein Gericht so zu bestellen, wie es auf der Speisekarte angegeben ist? Und ich spreche jetzt nicht davon, dass jemand keinen Knoblauch haben möchte. Nein, statt Kroketten sollen es Fritten sein, statt Rosenkohl ein Schüsselchen Rotkohl, statt … ich könnte die Liste endlos verlängern. Mit welchem Käse ist das Gratin überbacken? Stammt das Salz aus dem Himalaya und handelt es sich auch tatsächlich um Kristallsalz? Wurde es auf den tibetischen Hochebenen von Hand geerntet? Möglichst unter großen Mühen von armen tibetischen Waisenkindern? Den Fragen und Wünschen sind keine Grenzen gesetzt! Ich war sowieso schon dabei, mich fremdzuschämen, als die Gästin zum Schluss ihrer Bestellung noch ausdrücklich darauf hinwies, die Pizza solle bitteschön recht kross gebacken werden. Der junge Mann, der die Bestellung aufnahm, verzog keine Miene. Respekt! Hallo! Jetzt auch noch dem Koch sagen, wie er seine Pizzen backen soll! Geht’s noch? Da hast du auf der einen Seite den Gast, der das mit dem „Der-Kunde-ist-König“ aber dermaßen zu weit treibt. Was du aber auf der anderen Seite hast, sind Sterne-Restaurants, in denen der Koch der König ist. Wo es sogar soweit geht, dass ich mit meinem Göttergatten nicht die Teller tauschen darf. Wie wir das eigentlich immer machen: Im Café bestellen wir immer zwei verschiedene Tortenstücke und tauschen nach der Hälfte. Und so erzählte es eine Freundin: Anlässlich eines Geburtstages hatten ihr Mann und sie sich ein edles Restaurant gegönnt. Und hatten wie immer zwei unterschiedliche Gerichte bestellt, um die Vielfalt der teuren Küche genießen zu können. Nachdem sie bezahlt hatten, erwartete der Kellner sie am Ausgang mit den Worten:“ Wir bedanken uns für Ihren Besuch. Beehren Sie uns aber bitte nie wieder!“

Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, möglichst ohne allzu viele Sonderwünsche alt zu werden. Ich finde, je mehr Sonderbehandlung Menschen von ihren Mitmenschen erwarten, desto älter wirken sie, desto verschrobener wirken sie. Was ich aber irgendwann einmal in einem Restaurant bestellen werde: Zwiebelkuchen ohne Zwiebeln. Mal sehen, ob ich da dann doch ein feines Lächeln auf das Gesicht meines Gegenübers zaubern kann.

Falls du dich fragst, was das hier alles mit der Tamara zu tun hat. Die Socken, die du auf dem Foto siehst, die mitleiderregend in Plastiktüten stecken, sind so was von Designersocken: Von der Tamara de Lempicka. Titel:“ Tamara im grünen Bugatti“

Mittwoch, 16. Oktober 2024

Ich habe mit den Toten gesprochen

Ich bin immer noch beim Aperol. Nein, keine Angst, gerade schlürfe ich keinen, ich kann auch mal eine halbe Stunde ohne. Aber thematisch bin ich noch bei Selbigem. Du erinnerst dich, ich war ja bei Preisvergleichen Bonn mit dem Rest der Welt. Und jetzt kommt’s. Ich sag nur Schweiz. Was fällt dir da zuerst ein, abgesehen von der Tatsache, dass dieses Land mit seinem Bankgeheimnis sich so was von daneben benimmt? Genau, teuer wie Sau. Der Schweizer macht in Österreich Urlaub und kauft in Deutschland ein. Aber horch: In Brunnen am Vierwaldstättersee hab ich in der Apero-Bar einen Aperol Spritz für 9 Franken getrunken. Eine super Location! Und dazu gab es zwei Schälchen Käsebällchen. Du liest richtig, zwei. Weil kaum hatten mein Göttergatte und ich uns die erste Schale so was von schnell intravenös reingezogen (du kennst das? Wenn solch Nahrungsergänzungsmittel an einem Stück ist, so was von lecker!), stand auch schon die zweite vor uns. Und das Paar, das diese Bar betreibt, so was von sympathisch! Wir waren an unserem vorletzten Abend dort und kamen ins Gespräch, erzählten auch, dass das unser vorletzter Abend in Brunnen sein würde. Am letzten Abend waren wir wieder da und ich „kippte“ meine letzten Franken als Münzen auf die Theke. Dafür bekam man – das wussten wir - laut Getränkekarte einen Aperol und ein großes Bier. Und dann würde es noch für ein kleines Bier für meinen Göttergatten reichen. Während wir genüsslich die Käsebällchen schnabulierten, stellte er vor meinen Göttergatten ein großes Bier und vor mich einen kleinen Aperol mit der Bemerkung: „Das Leid kann ich mir nicht ansehen.“ Wissentlich, dass wir nie mehr kommen würden!

So, ich glaube, Thema Kaltgetränk ist erst mal durch – natürlich nur thematisch! Wo ich aber gerade bei der Schweiz bin. Mit was man dieses Fleckchen Erde ja aber auch noch verbindet, das sind das Bergpanorama, die Bergseen, saftige Bergwiesen und grüne Almen. Ich komm deshalb drauf, weil neulich las es sich in meinem SCHAUFENSTER folgendermaßen: Nur noch halb so viele Abfuhrtermine – Änderung der mobilen Grüncontainerabfuhr. Nachdem der saisonale Service der mobilen Grüncontainerabfuhr seit seinem Start am 1. März nicht planmäßig angeboten werden konnte, wird das Intervall ab sofort reduziert. Die neuen Anfahrtszeiten werden wie folgt organisiert: Standorte, die bisher wöchentlich angefahren wurden, werden alle 14 Tage angefahren. Standorte, die bis zum letzten Jahr alle 14 Tage angefahren wurden, werden nun alle 4 Wochen bedient. So können alle Bonner alle vierzehn Tage beziehungsweise alle vier Wochen ihr Grüngut an den gewohnten Sammelstellen entsorgen. Die bonnorange AöR bittet außerdem alle Bonner, zusätzlich das ebenfalls kostenlose Angebot der stationären Grüncontainer auf Friedhöfen zu nutzen und ggf. hier Grüngut anzuliefern. – Was für eine geniale Strategie, dachte ich mir. Welch schlauer Stratege unter den Entscheidungsträgern im Stadthaus hat sich das ausgedacht? Wenn übergangslos aus wöchentlich alle 14Tage geworden wäre. Wenn aus 14 Tagen von jetzt auf gleich vier Wochen geworden wären: Welch großen Aufschrei hätte es gegeben! Aber so, wenn die Alternative eher nie gewesen wäre. Ja, da freust du dich ja jetzt so was von, dass überhaupt noch abgeholt wird. Es ist eben alles eine Frage der Relation.

Als ich diese Zeilen las, erinnerte ich mich, dass es vor Jahren auch mal eine mobile Grüncontainerabfuhr am Bonner Berg neben den Sportstätten gab. Für den alten Mann in unserer Nachbarschaft gerade noch einigermaßen mit Schubkarre zu erreichen. Dreimal gegangen, da hingen ihm die Arme aber so was von auf dem Boden! Dann wurde das gesamte Areal umgebaut, mit Schranke und so, rechtliche Gründe, neue Plattierung, die für solch ein Fahrzeug nicht geeignet sei: Die Abfuhrstelle gab es nun nicht mehr. Die nächste mobile Abfuhrstelle war für den alten Mann mit Schubkarre absolut zu weit. Was also machen? Du kannst natürlich auch immer dein Auto anschmeißen. Der alte Mann hat aber kein Auto. Deshalb hat der alte Mann sich damals für sein Fahrrad extra einen Anhänger gekauft, um die Grünabfälle mit dem Fahrrad zum stationären Grüncontainer auf dem Nordfriedhof zu bringen. Letztens erzählte er, er schaffe es kräftemäßig nicht, um den ganzen Friedhof herumfahren. Deshalb fahre er immer ganz langsam, schnell könne er ohnehin nicht mit der Last fahren, über den Friedhof. Gleichzeitig würde er dann immer bei einem alten Freund Halt machen, der vor einigen Monaten verstorben sei. Er, der alte Mann, sei letztens von einem Friedhofsmitarbeiter dazu angehalten worden, abzusteigen.

Ich habe mich daraufhin mal kundig gemacht, bei der Stadt. Die schrieb mir Folgendes: Friedhöfe sind Orte des Gedenkens und des Erinnerns. Jeder hat sich auf den Friedhöfen der Würde des Ortes und der Achtung der Persönlichkeitsrechte der Angehörigen und Besucher entsprechend zu verhalten. Auf Friedhöfen ist es darum unter anderem nicht gestattet, die Wege mit Fahrzeugen aller Art und Sportgeräten (zum Beispiel Fahrrädern, Rollschuhen, Inline-Skatern, Skateboards) zu befahren (vgl. § 5 (3) a. der Satzung der Bundesstadt Bonn über das Friedhofs- und Begräbniswesen). Ausnahmen davon gelten ausdrücklich nur für unter § 5 (4) Friedhofssatzung genannten Gründen. Die Entsorgung von Gartenabfällen an den dafür vorgesehenen Sammelstellen der bonnorange AöR gehört eindeutig nicht dazu. An den Zugängen der Friedhöfe wird ausdrücklich darauf hingewiesen. Zuwiderhandlungen können mit Geldbußen bis zu 500 € geahndet werden. Die Mitarbeitenden auf den Friedhöfen sind angewiesen, Menschen, die auf Friedhöfen ordnungswidrig handeln, auf diese Verstöße hinzuweisen.

Dazu meine Meinung: Es ist ein Unterschied, ob jemand mit seinem Rad über den Friedhof düst, oder ein alter Mann langsamst mit dem Rad seinen Grünabfall ordnungsgemäß wegbringt. Ich habe mit einigen Toten, die ich zu Lebzeiten kannte, Zwiesprache gehalten. Und nein, sie fühlen sich nicht von diesem alten Mann belästigt. Im Gegenteil! Wie schön und unverzichtbar, dass er etwas für unser Mikroklima tut!

Und als Steuerzahlerin: Selbstredend muss das Angebot kostenlos sein. Wir wollen doch nicht ernsthaft die Menschen bestrafen, die durch ihren Garten, ihre Gartenarbeit für ein gesundes Klima sorgen. Wir wollen doch nicht wirklich, dass wir demnächst auf grüne Steine schauen statt auf grüne Wiesen, grüne Gärten. Und vor allem wollen wir nicht, dass Menschen demnächst einfach ihre Grünabfälle wild in der Natur entsorgen oder auf die Straße werfen.

Und manchmal gilt es auch, eine Verordnung zu verifizieren – wenn man mit der Zeit geht.


 

Mittwoch, 25. September 2024

Ich bin auf den Pfau gekommen!


Ich hatte dir ja versprochen, dass ich noch mal auf dieses unendliche Leid zu sprechen komme. Dieses Leid, das mich so was von in Österreich verstört hat, mir quasi an jedem Haus in Österreich entgegenschrie. Ich vermute, es wäre dir genau so ergangen wie mir. Ich habe mir allerdings schon früh morgens einen gepichelt, weil ich ja ahnte, was wieder auf mich zukommen würde: Überall wo du hingucktest– nur Blut! Egal ob nach links oder nach rechts, wo du auch hinschautest: Überall hing Jesus. Und da verstehst du schon, dass das mit dem Entgegenschreien jetzt metaphorisch gemeint ist. Weil schreien kann der ja nun nicht mehr. Der ist ja tot. Hängt am Kreuz, der Jesus. Überall hängt er am Wegesrand, der Jesus am Holzkreuz. Schon das schlichte Holzkreuz stürzt dich ja in tiefste Depression. Was aber unendlich traumatisierender ist: der aus vielen Wunden grell rot blutende Jesus, wenn der Jesus blutüberströmt dargestellt ist. Ich kann nur sagen, was bin ich froh, von wegen Gnade der späten Geburt, dass ich mit dessen Tod nun wirklich nichts zu tun habe.

Du siehst, ich bin gedanklich noch immer in den Sommerferien. Und da gilt es für mich noch zwei weitere Themen abzuarbeiten. Mein Traummann und ich hatten uns so was von fest vorgenommen, in den Sommerferien den Panorama-Radweg von Olpe über Wipperfürth nach Wuppertal zu radeln. Dazu musst du natürlich erst einmal mit dem öffentlichen Personennahverkehr, also mit Bussen und Bahnen, nach Siegen kommen. Was ja von Bonn aus kein allzu großes Problem sein sollte – dachte ich. Vom Bertha-von-Suttner-Platz mit der 66 nach Siegburg und dann mit der RE 9 bis Siegen – denkste. Da hieß es auf deren Seite: „Aufgrund von Brückenarbeiten kommt es von Montag, 29.07.2024, 18:00 Uhr bis Samstag, 03.08.2024, 07.00 Uhr zu Einschränkungen bei der Linie RE 9. Die Züge dieser Linie fallen zwischen Köln Hbf und Siegen Hbf aus.“ Angeboten wurde Schienenersatzverkehr. Mit dem Rädchen? Blöde Frage! Das hieß also erst einmal für uns, auf das Ende der Brückenarbeiten zu warten. Weil das Wetter aber ja auch immer ein Wörtchen mitzureden hat, visierten mein Göttergatte und ich den Donnerstag nach Beendigung dieser Bauarbeiten an. Will sagen, samstags sollte es dann mit der RB 48 von Wuppertal nach Bonn geschmeidig zurückgehen.

Eigentlich aus purer Langeweile klickten wir nun die RB 48 an, mit der wir, ich wiederhole mich, geschmeidig von Wuppertal nach Bonn fahren wollten. Und da las es sich folgendermaßen: „Aufgrund der angespannten Personalsituation, die durch eine Vielzahl von Baumaßnahmen noch verschärft wird, kommt es auf der Linie RB 48 zwischen dem 20.07.2024 und 12.09.2024 zu einem reduzierten Fahrplan. Die Fahrplanreduzierung betrifft nur den Abschnitt zwischen Köln Hbf und Bonn Hbf/Bonn-Mehlem. Montags bis freitags entfallen die in der Hauptverkehrszeit zusätzlich verkehrenden Fahrten zwischen Köln Hbf und Bonn Hbf. Fahrten mit dem Start- bzw. Zielbahnhof Bonn-Mehlem verkehren wochentags regulär. Die Linie RB 48 verkehrt damit wochentags zwischen Köln Hbf und Bonn Hbf im Stundentakt. An den Wochenenden entfallen alle Fahrten zwischen Köln Hbf und Bonn Hbf/Bonn-Mehlem. Hinweis: Ab dem 13.09.2024 wird es aufgrund von Baumaßnahmen zu weiteren Einschränkungen auf der Linie RB 48 kommen. Weitere Informationen zu diesen Baumaßnahmen folgen. Zusätzlich fallen am 25.07.2024 noch Fahrten auf dem gesamten Laufweg aus. Aufgrund eines kurzfristigen Personalausfalls kommt es auf der Linie RB 48 leider vorübergehend zu Einschränkungen. Es kommt zu Ausfällen auf Teilstrecken sowie zu Ausfällen auf dem gesamten Laufweg. Alternative Reisemöglichkeit: Bitte nutzen Sie einen der Folgetakte.“ Glaube mir, ich hab dir schon vieles erspart! Was soll ich sagen, die Sommerferien sind, wie du weißt, zu Ende und wir haben diese Fahrradtour nicht gemacht.

Anderes Thema, zweites Thema. Ich weiß nicht, hast du dir mein Foto genau angeschaut? Wenn ich mich ja mit irgendetwas so was von auskenne, dann sind es die Preise für einen Aperol Spritz. Überhaupt für alkoholische Spritz-Getränke. Da ist ja neuerlich der RHEINPAVILLON einer der angesagtesten Plätze in Bonn. Unterhalb vom Alten Zoll quasi Füße in den Rhein halten und dabei einen Aperol schlürfen. Und nachdem das da so gut läuft, ist der BIERGARTEN ZUM RHEINBLICK aufgewacht und hat sich da bestuhlungsmäßig aber so was von ausgebreitet. Also quasi Konkurrenz. Wo sie sich beide aber so was von einig sind: Der Aperol kratzt bei beiden ganz dolle an der 9-Euro-Marke und es gibt weder ein paar Chips noch ein Schüsselchen Nüsschen in genau der orange Farbe wie der Aperol. Ja, ich weiß, Blick aufs Siebengebirge. Den sollte man aber nicht allzu überbewerten. Wie komm ich auf die Chips und die Nüsschen, fragst du dich jetzt sicherlich?

Anderenorts ist man da so was von ganz nah bei mir: In Lienz zum Beispiel gab es zum Aperol ein Schälchen mit Paprikachips. Du verstehst? Gleiche Farbe. Ich liebe so was: Fünf Paprikachips kosten die quasi nichts, aber so was von Augenschmaus für mich, so was von Kundenbindung! Die Krönung aber in Soest (schau noch mal aufs Foto!). Ich weiß gar nicht, wo ich da anfangen soll. So was von reingesteigert bin ich. Also, im Café Fromme ist das Thema „Pfau“ angesagt. Und was habe ich getrunken? Genau, einen Pfauenspritz. Der ist mit Pflaumenlikör. Was aber der Hammer ist, der Pflaumenlikör ist mit Glitter, mit Pfauengold! Du merkst, ich bin so was von reingesteigert. Weil, damit nicht genug! Auf dem Tischchen stand eine leere Flasche Pfauengold mit Pfauenfedern. Und es gab einen Maismix zum Knabbern dazu. In einer güldenen Schale in Pfauenform - und das für, jetzt der Preis: 8,50 Euro!

Was ich damit sagen will. Okay, der Blick auf den Rhein und das Siebengebirge – ein Traum. Und dass wir in der Fußgängerzone in einem Ladenlokal deutschlandweit das erste öffentliche Klo haben. Klar, das wirkt sich auch auf die Attraktivität der Stadt aus und mithin auch auf den Preis für einen Aperol. Aber dazu fünf Paprikachips gereicht – die Asiaten hätten einen neuen Hotspot auf ihrer To-do-Liste!

Mittwoch, 4. September 2024

Bonn - mit einer Klorollenlänge vorn!


Ich hatte dir ja neulich von meinem Urlaub in Österreich erzählt. Und dass die Italiener nach Österreich kommen, weil es dort billiger ist. Hallo, mein Göttergatte und ich auch! Das Tortenstück für meinen Göttergatten: 3,50 Euro, wenn du im Café sitzt. Und mein Aperol 4,50 Euro! Da überlegst du nicht lange, wenn du gefragt wirst, ob’s noch einer sein darf.

Wobei, ich bin ehrlich. Einen gewissen Alkoholpegel hat’s auch schon gebraucht bei unseren Radtouren. Und wenn ich noch ehrlicher bin, es hätte auch nicht geschadet, wenn ich mir schon am frühen Morgen einen hinter die Binde gegossen hätte. Weil so nüchtern, kaum zu ertragen das viele Blut, dieses stille Leiden. Und du kannst nichts dagegen machen!

Apropos nichts machen, also Urlaub, Sommerferien. Damit keine Langeweile aufkommt, putze ich mich ja während der Sommerferien einmal durchs ganze Haus, von oben nach unten, von links nach rechts: Schwerpunkt Fenster. Hab ich so noch nicht gesagt, aber dir sag ich’s mal ganz im Vertrauen. Ich putze meine Fenster nur einmal im Jahr. Ja, du hast richtig gelesen, nur einmal im Jahr, im Juli. Für weitere Male sehe ich einfach keinen Sinn: Irgendwann im Herbst beginnt es zu dunkeln. Dann kommt sowieso die Zeit, wo du froh bist, dass es dunkel ist, damit du endlich wieder Kerzen anzünden kannst. Im Frühjahr überleg ich ganz kurz, ob das mit dem Frühjahrsputz mit mir etwas zu tun hat. Verneine das dann aber schließlich, weil es immer noch zu dunkel ist. Und wenn es dann jahreszeittechnisch so langsam heller wird, dann hält mich der Pollenflug aber so was von davon ab. Du weißt, wovon ich spreche? Dieses Gelb? Was aber so was von blöde ist, wenn ich dann im Juli die Fenster putze. Du glaubst es nicht: Vögel fliegen mit Brachialgewalt gegen die Fenster und sind so was von verdutzt, dass sie gerade ihrem Verenden beiwohnen. Apropos Sterben. Ich sagte schon, diese Ohnmacht, die wir in Österreich empfunden haben. Und du kannst nichts machen. Bist zur Untätigkeit verdammt.

Wo ich in den Sommerferien mehr freie Zeit hatte, also quasi Langeweile in ihrer positivsten Ausprägung. Wenn du mal das Problem hast, völlig runterzukommen, empfehle ich dir den Film „Perfect Days“. Im Internet steht zu dem Film: Perfect Days (dt.: „Perfekte Tage“) ist ein deutsch-japanischer Spielfilm von Wim Wenders aus dem Jahr 2023. Das Werk zeigt den Schauspieler Kōji Yakusho in der Rolle eines Toilettenreinigers. Perfect Days wurde beim Internationalen Filmfestival von Cannes im Mai 2023 uraufgeführt. Im Jahr 2024 folgte eine Oscar-Nominierung als bester internationaler Film für Japan. Hirayama arbeitet als Toilettenreiniger in Tokio. Er scheint mit seinem einfachen Leben zufrieden zu sein. Er folgt einem strukturierten Alltag und widmet sich in seiner Freizeit seiner Leidenschaft für Musik und Bücher. Auch hegt Hirayama eine Vorliebe für Bäume und fotografiert diese. Und das geht zwei Stunden lang so, immer derselbe Tagesablauf – quasi täglich grüßt das Murmeltier.

Wo ich gerade bei öffentlichen Toiletten bin. Du weißt, ich hatte Zeit, und deshalb konnte ich mal in Ruhe Reschke-TV genießen. Und da ging es neulich um öffentliche Toiletten und Bushaltestellen, und dass die oftmals von der Firma Ströer  bewirtschaftet werden. Wobei ich ja dachte, dass öffentliche Toiletten von meinen Steuern unterhalten werden. Aber schau, es geht da um etwas ganz anderes: Ströer ist ein Konzern mit Sitz in Köln, der vor allem in Deutschland in den Bereichen Außenwerbung, Onlinewerbung, Dialogmarketing, E-Commerce tätig ist. Im Bereich der Außenwerbung, der als der wichtigste der Unternehmensgruppe gilt, vermarktet und betreibt sie Werbeflächen und Stadtmöblierungselemente in Straßen und an Plätzen sowie an Gebäuden und Verkehrsmitteln. Zu diesen Werbeflächen und -installationen zählen beispielsweise Plakatwände, Litfaßsäulen, Groß-Uhren, City-Light-Poster oder Public-Video-Screens. Und offensichtlich platzieren die auch Werbung an öffentlichen Toiletten. - Und da gibt es dann Deals zwischen Ströer und Stadt: Du darfst Werbung betreiben und dafür bist du für die öffentlichen Toiletten zuständig. Krass, oder? Schau dir einfach mal Reschke-TV an! Blöder wirst du davon jedenfalls nicht.

Wo ich gerade bei öffentlichen Toiletten bin. Neulich bummle ich in der City durch die Sternstraße und stehe plötzlich in einem Geschäft und sofort vor einem Drehkreuz. Mein erster Gedanke: wie auf dem Klo an einer Autobahnraststätte. Mein zweiter: Ich stehe tatsächlich vor einer Schranke zu einem öffentlichen Klo. Hatte ich so noch nicht erlebt, eine öffentliche Toilette in einem Ladenlokal in der Fußgängerzone. Im Internet las es sich dann auch folgendermaßen: Sanifair testet öffentliche Toiletten in Bonner Innenstadt. In der Bonner City sollen die öffentlichen Toiletten sauberer werden. Sanifair hat dort ein Pilotprojekt gestartet: seine erste Toilettenanlage in einer deutschen Innenstadt. Normalerweise vermutet man in der Bonner Sternstraße eine Boutique oder ein anderes schickes Geschäft. Doch in der Innenstadt gibt es jetzt in bester Lage eine Toilettenanlage von Sanifair. Ja wenn das mal kein Alleinstellungsmerkmal für Bonn ist!

Du kennst das. Da fragst du das Internet und es schlägt dir automatisch auch noch andere Fragen vor. So hieß eine Frage: Wie geht man auf eine öffentliche Toilette? Antwort: Benutztes Toilettenpapier gehört in das WC. Vor dem Spülen am besten den Toilettendeckel schließen. Anschließend den Toilettendeckel öffnen und mit einer Toilettenbürste Restverschmutzungen entfernen. Die Spülung nach dem Schließen des Toilettendeckels erneut betätigen.

Was ich mich da gefragt habe: Wie viel Prozent unserer Mitbürger muss man das tatsächlich erklären. Und, gibt es einen Unterschied bei der Benutzung einer privaten Toilette?

Ach ja, die Präsenz des Leidens, das immer wiederkehrende Verstörende, der Grund, warum ich mir morgens schon einen gepichelt habe. Die Ohnmacht, die du jedes Mal verspürst. Was soll ich dir sagen? Ich erzähl’s dir nächstes Mal.