Nur nebenbei, Weihnachten ist vorbei, Silvester ist
gelaufen, die Sternsinger sind durch (bis ich das mal geschnaggelt habe, dass
das gar keine echte Kreide ist, sondern ein vorgefertigter Druck) und - ich
hatte bis jetzt noch keine Weihnachtsfeier im Kreise der Kollegen. Ich komm
deshalb drauf, weil, ich weiß noch, wie ich Ende November vor meinem Kulturraum
Auerberg ein Plakat von dem Thilo Seibel sah. Darauf lud er mich zu seinem
politischen Jahresrückblick ein. Und mein erster Gedanke damals: Oh Gott,
Dezember, Weihnachtsfeier und Co. lassen grüßen. Da kommt mir der Thilo aber so
was von ungelegen! Wobei mir natürlich schon klar war, dass du einen
Jahresrückblick nicht unbedingt Ende Juni machen kannst - es sei denn, du
nennst dein Programm Halbjahresrückblick.
Ich habe dann aber doch mal einen Blick in meinen
Terminkalender geworfen und, siehe da, an diesem Termin (im Dezember!) nichts!
Okay, nichts auf den ersten brillenlosen Blick. Was nichts heißen muss. Weil,
mittlerweile liegt bei uns in jedem Zimmer mindestens eine Brille und neben der
Waschmaschine zusätzlich eine Lupe, mit der ich die Dosierungsanleitung auf dem
Waschpulver lese, so klein, wie das da drauf steht. Was aber auch zusätzlich
unpraktisch ist, nicht jede Brille, die so rumliegt, hat die aktuellen Werte. Ich
habe momentan 2 Dioptrien, aber es liegen auch immer noch die Brillen mit 1,5 Dioptrien
herum. Aus einem ganz einfachen Grund: Sie sehen so was von chic aus. Die habe ich
mir ja nicht umsonst jeweils passend zum Outfit gekauft. Ich kann mich einfach
nicht von denen trennen! Und außerdem ist es ja auch ein Unterschied, ob ich mich
zwischen dem Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters und meinem SCHAUFENSTER
entscheiden muss. Wobei, die beiden kann ich ohne Brille auseinander halten. "Tipps
gegen die Sturzgefahr", die recht großen Lettern in meinem SCHAUFENSTER
gingen auch noch ohne Brille. Aber die Überschriften über den einzelnen
Abschnitten, da brauchte ich dann schon die 1,5 Dioptrien. "Stolperfallen
eliminieren" zum Beispiel hat mich total interessiert und dann habe ich
eine Brille mit 2 Dioptrien aufgesetzt, um die Zeilen darunter lesen zu können.
Da hieß es, Räume, die mit zu vielen Möbeln vollgestellt sind, bergen für alte
Menschen ein zusätzliches Unfallrisiko. Was war ich da noch mal im Nachhinein
froh, dass wir, um den möglichen Flammen des lichterloh brennenden Adventskranzes
und Tannenbaumes kein Futter zu geben,
mehr oder weniger kein Mobiliar mehr besitzen!
Was ich aber eigentlich sagen wollte, auch mit Brille in optimaler
Dioptrienstärke: kein Termin, gähnende Leere, kein Termin an einem Samstag. Und
da bin ich jetzt ehrlich, das geht so was von nicht! Mir fiel dann aber auch
ein, warum der Dezember doch nicht so voll war wie gedacht. Weil, ich weiß
nicht, wie es Ihnen ergeht? Weihnachtsfeiern finden neuerdings entweder schon
im November statt, weil es ja im Dezember dann zu eng wird, oder im Januar oder
Februar. Da kann es dann natürlich auch schon mal zu Gerangel mit dem
Straßenkarneval kommen - im Februar oder März. Was mich jetzt nicht wirklich
stört. Ich persönlich habe überhaupt kein Problem, als Weihnachtsbaum am
Karnevalssamstag mein Weihnachtsessen zu genießen.
Ich war jedenfalls bei Thilo Seibel und was ich jedem nur
empfehlen kann: vorher gründlich ausschlafen - und danach eine Woche Urlaub
nehmen. Ich war durch, mich konnte man auswringen, so viel Politisches hoch
dosiert. Was ja zusätzlich das Schlimme dabei ist, so brillant witzig der Thilo
das mir auch serviert hat, es sind ja Wahrheiten. Aber gut, politisches
Kabarett eben, das wusste ich vorher.
Wie witzig er über Politiker wie Doofprinte, die
Hundekrawatte und das Söder spricht. Mit welch leichter Ernsthaftigkeit er uns
das Psychogram von der Frau gibt, die den Satz des Jahres formulierte. Mit
welch brutaler Witzigkeit er uns die Ereignisse mit ihren Personen in Chemnitz
vor Augen führt, allen voran die Mutti aller Probleme, die diese Worte sprach
(und hier sächselt der Thilo!): "Hase, du bleibst hier!" Und mit
welch grausamer Lustigkeit er über den "Mord aus Versehen" in der
saudiarabischen Botschaft spricht. Was aber den Herrn Seibel zu einem Genie auf
seinem Gebiet macht: Eben ist er noch in Ankara bei dem zersägten Journalisten
und keine zwei Minuten später in Kitzbühel zur Eröffnung der Skisaison. Wo die
Skifahrer bei 21 Grad den Hang auf eigens durch Snowfarming konserviertem
Schnee hinunterfahren - und daneben stehen Wanderer in Shorts auf grünen
Wiesen. Und wo ich gerade im Süden bin: Wenn er dem österreichischen Kanzler
Kurz eine Frau wünscht, die mit Nachnamen Schluss heißt und auf einem
Doppelnamen besteht. Wenn er die Raucherzonen auf deutschen Bahnsteigen, die
mit gelben Streifen gekennzeichnet sind, mit einer Urinzone im Schwimmbecken
vergleicht, schlägt er, was mich betrifft, gleich zwei Fliegen mit einer
Klappe. Erstens finde ich es einfach nur witzig und zweitens kann ich ganz kurz
durchatmen, bevor es dann weiter mit Trump und Co geht. Auch eine schöne Idee
vom Herrn Seibel, das präventive Seufzen, nicht das Seufzen im Nachhinein,
sondern im Vorhinein: Es wird einmal eine gute Zeit mit Angela Merkel gewesen
sein.
Was freut sich da das Futur II, dass das auch mal zum Zuge
kommt!
Was das Tolle ist, in diesem Jahr kommt der Thilo Seibel
wieder, am 30. November, in meinen Kulturraum Auerberg. Ich habe schon eine
Eintrittskarte gekauft und Urlaub eingereicht für danach, zur Rekonvaleszenz.