Mittwoch, 10. Januar 2018

Ein Maschinengewehr kommt selten allein

Wie gerne hätte ich zu Beginn des Jahres mit etwas Lustigem begonnen, aber kaum hatte ich bei der Weihnachtsbaumentsorgungsaktion wieder mal sämtliche Tannennadeln im Haus fein verteilt, da jagte auch schon eine Aufregung die andere. Bis ich die Schmierereien an der Haustür wieder weg hatte ...

Ich hatte in meinem SCHAUFENSTER den Artikel "Markierungen an der Hauswand - Geheimzeichen" gelesen. Zinken seien Geheimzeichen, die schon seit dem Mittelalter als geheime Codes für die nonverbale Kommunikation eingesetzt werden. Damals betraf dies nicht nur Gaunerbanden, sondern sämtliche Angehörige des unteren Standes. Auch Bettler, Hausierer und Tagelöhner nutzten Zinken, um nachfolgenden Standesgenossen Hinweise zu hinterlassen, wo sich ein Vorsprechen wohl am ehesten lohnen würde. So riet zum Beispiel ein kleines mit Kreide gezeichnetes Kreuz, sich fromm zu stellen. In der heutigen Zeit werden die Symbole fast nur noch von organisierten Banden genutzt: Eine Vorhut spähe ein Haus und dessen Bewohner aus. Sie beobachtet, ob es in einem Gebäude etwas zu holen gibt und ob beispielsweise ältere Menschen oder alleinstehende Frauen im Haus leben. Die gesammelten Informationen werden dann mit Hilfe der Gaunerzeichen an die nachfolgenden Komplizen übermittelt, während die Kundschafter längst weitergezogen sind. So warne zum Beispiel eine oberflächlich in die Haustür geritzte, dünne Zickzack-Linie vor einem bissigen Hund.
  
Dieser Artikel hatte mich so was von in Alarmbereitschaft gesetzt. Das ging so weit, ich mein, irgendwann fängst du an und siehst Gespenster, in meinem Fall eben überall Gaunerzeichen. Drei Tage später brütete ich in meinem Wochenend-SCHAUFENSTER dann stundenlang über einem abgebildeten Zeichen. Ich wollte selbst herausbekommen, was er denn in Gaunerkreisen wohl bedeutete, dieser Zinken. Es hat sich wieder mal bestätigt: Wer lesen kann und, vor allem, von dieser Fähigkeit Gebrauch macht, ist ganz klar im Vorteil. So hieß es nämlich in dem Artikel, ein Bergpiktogramm mit Schneeflocke - auf dieses alpine Symbol sollten alle Autofahrer achten, die sich neue Winter- oder Ganzjahresreifen kaufen wollen. Denn durch eine Änderung der Winterreifenpflicht reiche es künftig nicht mehr aus, wenn die Reifen mit einer "M+S"-Kennzeichnung versehen sind.

Und, verständlich, die Schmierereien an unserer Hauswand, dass die mich so was von aus der Fassung gebracht haben. Die habe ich selbstredend  akribisch beseitigt. Gut, bei näherer und, vor allem, unbelasteter Betrachtung, also wenn ich mal in aller Ruhe drauf geschaut hätte. Ich hätte auch den entgeisterten Blick meines Traummannes deuten können. Ja, dann hätte ich natürlich erkannt, dass ich den Segen der Sternsinger zu Heilige Drei Könige  so was von entfernt hatte.

Das hatte selbst ich noch nicht geschafft, den Grund für meine Angst so was von schnell zu ändern, quasi in einem Aufwasch. Bei mir jetzt eher ein Abwasch von Kreidezeichen. Eben noch hatte ich Angst vor den Zinken, die die Spur zu meinem Haus lenkten, und jetzt stand ich ohne Segen da. Wenn du jetzt so ganz ohne Segen dastehst, dann liest sich die Überschrift in deinem SCHAUFENSTER "Das Zuhause vor Einbrechern schützen" nicht gerade unaufgeregt: Alle zwei Minuten wird in Deutschland eingebrochen. Einbrecher machen keine Ferien. Ganz im Gegenteil, sie nehmen besonders Häuser ins Visier, deren Bewohner offensichtlich in Urlaub sind.

Apropos Urlaub. Auch das stand auf meiner To-do-Liste; einmal in Bonn als Tourist übernachten. Und da habe ich den Sechzigsten meines Traummannes zum Anlass genommen. Was der aber nicht wusste. Wir haben uns an einem Samstagmittag mit dem Rad aufgemacht, zünftig gekleidet, gerüstet für mindestens 100 Tageskilometer und Übernachtung im Zelt. Was mein Traummann aber nicht wusste, dass wir nach knapp sieben Kilometern schon am Ziel unserer Reise waren: das Mariott Hotel. Da hat er aber so was von gestaunt - und die an der Hotelrezeption auch. Weil, das konntest du denen schon ansehen, dass wir die ersten Gäste waren, die je so sportlich mit dem Rädchen vorgefahren sind. Und bestätigt hat es sich allemal, weil die uns für unsere Räder keinen Unterstellplatz anbieten konnten, die also nachts mutterseelenallein vor dem Hotel standen.
Aber das nur so am Rande. Wo war ich stehen geblieben? Bei den Einbrechern, die besonders Häuser ins Visier nehmen, deren Bewohner offensichtlich in Urlaub sind. Vor diesem Hintergrund rät der Hauseigentümerverein Haus & Grund jedem Urlauber, vor der Abreise das Haus effektiv vor Einbrechern zu schützen. Es sei wichtig, dass das Haus bewohnt aussieht. So sollten Freunde und Nachbarn zum Beispiel regelmäßig den Briefkasten leeren, per Zeitschaltuhr sollten Rollläden betätigt und Lampen an- und ausgeschaltet werden - das volle Programm eben. Und als ich dann noch unter "Veranstaltungen" den Hinweis auf die Einbruchmesse für Haus und Gewerbe las: Ich rüste so was von auf, auch wenn ich im Mariott nur kurzurlaube: Meiner Brut werfe ich einen dicken Batzen Geld hinterher, damit die bei mir jeden Abend Party macht. Was praktischerweise zur Folge hat, dass am anderen Vormittag die Putzfrau Stund um Stund für teuer Geld die Bude wieder auf Vordermann bringen muss - das Haus also belebt ist. (Was jetzt wohl praktisch ist, meine Töchter leeren täglich den Briefkasten.) Vollkommen unabhängig davon habe ich für meine Haustür aber auch einen eigenen Zinken entworfen. Neben der Zickzacklinie für bissiger Hund gibt es da jetzt noch einen Zinken für Maschinengewehr.

Es hat sich übrigens bei genauerem Hinschauen herausgestellt, dass es sich um eine Einbruchschutzmesse handelte. Wo ich mich quasi informieren kann. was sich aber - siehe oben - so was von erledigt hat.

Wie gesagt, ich hätte zu gerne nur Lustiges geschrieben. Und, ja, ich weiß, "Hätte" ist die kleine Schwester von "Heul doch". 

Freitag, 15. Dezember 2017

Auf einen Cappuccino bei meinem Lieblingsdiscounter?

Schwuppdiwupp, eh du dich versiehst, kramst du schon wieder die guten Vorsätze raus, die du dann doch nicht umsetzt. Geht mir ja ebenso!
Seit Jahren zum Beispiel springt mich regelmäßig in der dunklen Jahreszeit in meinem SCHAUFENSTER die Werbung für die Ladies Night im Pflanzencenter an: Partystimmung und fetzige Tanzmusik zwischen Grabschmuck und Pflanzendekoration für den Advent. Oder Lustwandeln mit einem Gläschen Prosecco inmitten von Erika und der immergrünen Strauchveronika - hatte ich mir für dieses Jahr fest vorgenommen.

Was ich mir auch vorgenommen hatte - mich bei meinem Lieblingsdiscounter auf einen Cappuccino neben die Kasse zu setzen. Wie las es sich doch so schön in meinem SCHAUFENSTER? Eröffnung einer "Filiale der Zukunft": Das neue Einrichtungskonzept mit warmer Filialatmosphäre und klarer Warenpräsentation steht für einen weiteren Schritt in Richtung Zukunft. Zur Ausstattung gehören eine Coolbox mit Snacks und Getränken, eine Sitzgelegenheit hinter dem Kassenbereich und digitale Screens mit Informationen über aktuelle und kommende Angebote. Auch ein Kaffeeautomat ist Teil der neuen Ausstattung. Ich bin ehrlich, ich weiß nicht, ob ich das in meinem Alter trotz guten Vorsatzes noch hinkriege. Ich verbinde mit meinem Lieblingsdiscounter Abarbeiten einer Einkaufsliste und Rudelwühlen in Sonderposten. Ja, mein Lieblingsdiscounter war Kriegsschauplatz vieler Ellenbogenkämpfe um die richtige Konfektionsgröße in der richtigen Farbe. Und danach Anstehen - garantiert immer an der falschen Kasse - und den eigenen Einkauf nach hinten sichern. Da fällt mir bei der Gelegenheit ein, ich wollte schon immer mal bei Wikipedia reinschauen ...

Warentrenner heißen die Dinger. Was ich da wieder alles gelernt habe: Ein Warentrenner, auch Warentrennstab, -trennholz, -teiler, -separator, Kassentrenner, Kundentrenner, Warentrennbalken oder Kassentrennstab genannt, ist ein stabähnliches Gebilde von etwa 30 cm Länge, das in Supermärkten dazu benutzt wird, die auf dem Förderband eines Kassenarbeitsplatzes liegenden Waren verschiedener Kunden voneinander zu trennen.
Gebräuchlich sind Warentrenner in Gestalt gerader Prismen mit rechteckigen oder dreieckigen Grundflächen; auch Querschnitte von dreistrahlig sternförmiger Form sind verbreitet. Im niederdeutschen Sprachraum findet sich die Bezeichnung Miendientje (zu Deutsch in etwa "Meindeinchen" oder "Meins-Deins"), welches aus den niederdeutschen Wörtern mien und dien ("mein" und "dein") besteht. Das Wort umschreibt somit die Trennung der eigenen Waren auf dem Kassenband von der Ware eines anderen Kunden. Es wurde zudem im Jahre 2010 vom Institut für niederdeutsche Sprache (kurz INS) zum 'aktuellsten plattdeutschen Wort des Jahres' gekürt. In der Schweiz ist für den Warentrenner mit dreieckigem Querschnitt auch der Begriff Kassentoblerone verbreitet.

Mit dieser umfassenden Information wäre ich jetzt eigentlich schon zufrieden gewesen, hätte es nicht weiter geheißen: Handhabung, ein Warentrenner im Einsatz. Der Kunde entnimmt den Warentrenner einer schienenförmig entlang des Warentransportbandes verlaufenden Ablage und platziert ihn zwischen seinen Waren und denen seiner Vorgänger bzw. Nachfolger. Beim Kassierer angekommen, wird der Warentrenner von diesem wieder auf die Schiene gelegt und entgegen der Laufrichtung des Bandes zurück in Richtung der nachfolgenden Kunden geschoben. In der Schweiz erwarten Kunden gemäß einer nicht repräsentativen Umfrage, dass der vorherige Kunde den Warentrenner zur Trennung seiner Waren von denen des nächsten Kunden platzieren soll. In Deutschland dagegen ist es eher umgekehrt, dort platziert der nachfolgende Kunde den Warentrenner zur Abtrennung seiner Produkte von denen seines Vorgängers. Es gilt aber auch dort als Geste der Höflichkeit, den Warentrenner hinter die eigenen Waren zu legen.

Soll mir recht sein, dass mein Verhalten als Geste der Höflichkeit angesehen wird. Weil, ich bin ehrlich, bei mir hat das mit Höflichkeit auch nicht im Entferntesten etwas zu tun. Ich sichere mich einfach gerne nach hinten ab. Einfach den Rücken frei haben, darum geht's doch. Und je nachdem, wie der Typ hinter mir aussieht, lege ich auch gerne einmal zwei Warentrenner hinter meine Artikel. Einfach auf der sicheren Seite sein! Nicht, dass der hinter meinem Rücken meinen veganen Brotaufstrich mit seiner Schweinshaxe vertauscht, der Prolet!
Und dass ich da jetzt noch danach hinter dem Kassenbereich neben einem Kaffeeautomaten sitze und eine Tasse Kaffee genieße, während der sich womöglich neben mich setzt - ich kann's mir beim besten Willen auch nicht im neuen Jahr vorstellen!

Aber ich habe auch Vorsätze in die Tat umgesetzt. Einer meiner Vorsätze für das nun zu Ende gehende Jahr war zum Beispiel, mich den neuen Herausforderungen des Alltags zu stellen. Hab ich getan! Ich habe mich der Herausforderung gestellt und selbstständig, ganz ohne Hilfe, ein Paket in der Packstation meines Vertrauens zurückgegeben. Was hab ich mich darüber gefreut, vollkommen ohne Hilfe!

Apropos Kaffee und gefreut. Worüber ich mich auch sehr gefreut habe: Der Schornsteinfegermeister meines Vertrauens hat mir eine Kaffeetasse geschenkt! Und das Tolle daran ist, auf der Tasse steht "Schornsteinfegermeister" und darunter Vor- und Nachname meines Glücksbringers und zum Glück beide Telefonnummern, Festnetz und mobil. Solch ein Prachtexemplar fehlte mir gerade noch in meiner Sammlung! Womit ich bei einem weiteren Vorsatz bin - fürs kommende Jahr: Tassen ausmisten!

Mittwoch, 22. November 2017

Die Helene und der Ulrich - mein ganz persönliches Dreamteam

Kürzlich las es sich in meinem SCHAUFENSTER folgendermaßen: Fallstricke bei Hoverboards. Sie ähneln den schon länger bekannten Segways, verfügen aber über keine Lenkstange. Diese selbstbalancierenden Elektro-Einachser werden per Gewichtsverlagerung in den Füßen beschleunigt und gesteuert. Doch sind sie im Straßenverkehr auch erlaubt? Der ARCD klärt auf: "Hoverboards gelten laut Straßenverkehrs- Zulassungsordnung (STVZO) als Kraftfahrzeug. Sie sind also grundsätzlich zulassungspflichtig. Bisher können sie für den Straßenverkehr dennoch nicht zugelassen werden, da sie keiner Fahrzeugklasse zuzuordnen sind und Zulassungsvorschriften wie Sitz, Lenkung, Bremsen, Beleuchtung und Spiegel nicht erfüllen", sagt ARCD-Pressesprecher Josef Harrer. ( Wo Sie Recht haben, haben Sie Recht, Herr Harrer. Das ist mir auch schon aufgefallen, dass Boards im Allgemeinen keinen Sitz haben.) "Was heißt das für die Benutzer? Die Boards dürfen nur auf abgegrenzten, nicht öffentlichen Grundstücken benutzt werden. Sonst drohen eine Geldbuße und ein Punkt in Flensburg. Oft sind sich Käufer von Hoverboards und Co. nicht bewusst, dass sie mit der Nutzung im Straßenverkehr gegen das Gesetz verstoßen. So ein Board bräuchte eigentlich eine KFZ-Versicherung. Wegen mangelnder Zulassungsfähigkeit ist ein solcher Versicherungsschutz allerdings derzeit nicht möglich. Wer dennoch mit einem Elektrokleinstfahrzeug im Straßenverkehr unterwegs ist, macht sich strafbar. Sach- und Personenschäden muss der Nutzer außerdem aus eigener Tasche bezahlen, denn die private Haftpflicht greift in solchen Fällen nicht. Was viele ebenfalls nicht wissen: Kinder unter 14 Jahren dürfen solche Elektrokleinstfahrzeuge nicht fahren, da neben einer Pflichtversicherung auch ein Führerschein nötig ist. Wer ein Hoverboard nutzen möchte, sollte also unbedingt auf eigenen Grundstücken fahren. Sonst kann es gefährlich und teuer werden", rät Harrer.

Ob der Vater, der auf einem Hoverboard stehend den Kinderwagen schob, wusste, dass er sich so was von in der Illegalität fortbewegt? Und wenn ja, so was von ein schlechtes Vorbild für den Säugling! Wenn ich die Zeilen richtig verstanden habe, dann dürfte der mit seinem Hoverboard nur in seinem Garten über den Rasen hoppeln. Jetzt hast du so ein Gerät, machst darauf eine extrem coole Figur und keine Sau sieht dich - auch blöde. Oder anders: Wie uncool ist das denn bitteschön? Im Garten oder im Hinterhof, wo dich keiner sieht?
    
Apropos uncool. Ich komm deshalb drauf, weil, mit dem coolen Rüberkommen meinerseits auf der Feier meiner Tochter hat ja nicht wirklich geklappt. Ich hab für mich persönlich einfach noch mal bei Wikipedia reingeschaut, was cool denn eigentlich genau bedeutet. Und da heißt es: Der Begriff cool wird einerseits zur saloppen Bezeichnung einer besonders gelassenen oder lässigen, nonchalanten, kühlen, souveränen, kontrollierten und nicht nervösen Geisteshaltung oder Stimmung genutzt. Und andererseits ist cool als jugendsprachliches Wort zur Kennzeichnung von als besonders positiv empfundenen, den Idealvorstellungen entsprechenden Sachverhalten (ähnlich wie „geil“) gebräuchlich im Sinne von schön, gut, angenehm oder erfreulich. Zudem ist das Wort – je nach Milieu und Altersstufe – extrem vielseitig einsetzbar."

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hängt es immer vom Umfeld ab, ob etwas cool oder uncool ist. Wie wahr! Neulich zum Beispiel waren mein Traummann und ich bei ganz, ganz dolle lieben Freunden eingeladen. Und wie wir so in netter Plauderrunde zusammensitzen, merke ich an, dass ich zu Helene Fischer gehe. "Wohin gehst du?" "Zu einem Konzert von Helene Fischer." Totenstille. Heißt nicht, dass allerseits überlegt wurde, wer denn nun diese Dame sei. Nein, bedeutete, dass man genau wusste, um wen es sich handelte. Nach wenigen Sekunden hatte man sich gefangen und dann, als ob man sich vergewissern wolle, als ob mein Traummann die Situation retten könne, die Frage: "Jochen, gehst du mit?" "Nein." Ich hatte den Eindruck, wäre mein Traummann mitgegangen, mein Fauxpas wäre vielleicht gerade noch mal so durchgegangen. So aber distanzierte der Geliebte sich öffentlich von mir. Kein "Leider schon alles ausverkauft, bis auf diesen einzigen Platz",  keine spontane Solidarität wie " Sind wohl auch tolle Tänzer von Circe du Soleil dabei" oder "Fünf Konzerte  hintereinander in der Lanxess-Arena, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen". Nein, nur ein Nein. (Ich bin ehrlich, nach fast einem halben Jahrhundert kamen mir erstmalig Zweifel, ob dies wirklich mein Traummann war.) Was es wohl für sich hatte, dass ich so vollkommen alleine dastand. Der Abend war gerettet, die Schieflage behoben. Denn es war doch so was von offensichtlich. Man hatte sich vergewissern wollen, dass in diesem Raum nur eine Person saß, die, nun ja, ein wenig aus der Art geschlagen ist. Es ist nicht cool, auf ein Helene-Fischer Konzert zu gehen. Anderenorts wurde ich gefragt, ob das Ticket mir geschenkt worden sei. Dabei schwang keinesfalls mit, um was für ein tolles Geschenk es sich denn dabei handele. Sondern vielmehr Mitleid, dass man sich ja seine Geschenke nicht aussuchen könne

Und wo ich gerade beim Coolen bin. Ich fand die Aktion vom Ulrich Kelber toll. Vor der Bundestagswahl fuhr ich morgens mit dem Rad über die Victoriabrücke - vorbei an drei in einigen Metern Abstand hintereinander stehenden jungen Menschen, die Plakate hochhielten. Auf dem ersten Plakat stand: Bonn ist doch schön, oder? Auf dem zweiten: Dann nicken Sie doch mal! Das dritte fragte nach günstigem Wohnraum. Und dann stand da der Herr Kelber, im Regen, stand da und wartete, dass man ihn ansprach. Das hat mir gut gefallen! Ich habe extra gewendet und bin noch mal dran vorbeigefahren und habe ganz dolle genickt. Ich schreib deshalb darüber erst jetzt, nach der Bundestagswahl, damit es nicht heißt, ich hätte die Wahlen manipuliert. Ich wollte nicht den Fehler machen und in dieselbe Ecke wie der russische Geheimdienst gestellt werden, von wegen Wahlmanipulation - bei den Menschenmassen, die meinen Blog lesen.

Apropos Fehler. Wenn ich in meinem Leben etwas noch mal anders entscheiden könnte, ich ginge zu allen fünf Konzerten! 

Mittwoch, 1. November 2017

Gänseblümchen für den Verstand - kein Witz!

Wikipedia: Ein Pop-up (von englisch to pop up, „plötzlich auftauchen“) ist ein Element einer grafischen Benutzeroberfläche. Typischerweise „springen“ Pop-ups auf und überdecken dabei andere Teile der Benutzeroberfläche.
Wie ich so inmitten Pop-up-Luftmatratzen und Pop-up-Zelt im Garten auf dem Rasen lag (zur Erinnerung, ich hatte mich wochenlang nur von Kirschen, Gurke und Wassermelone ernährt und mir obendrein abends Hochprozentiges ...), sprangen da so was von zusammenhangslos Bildschirmfenster in meinem Kopf auf. In meinem Fall wurde da jetzt gar nichts überdeckt, da gab es nur gähnende Leere auf der Gehirnoberfläche.
Mein Blick fiel auf unseren Komposthaufen. Da tauchte plötzlich der kleine Artikel "Kompostieren im eigenen Garten" meines SCHAUFENSTERS vor meinem geistigen Auge auf, poppte quasi auf. Dort hieß es, Bonner Gartenbesitzer könnten ab sofort von einem neuen Beratungsangebot der bonn-orange profitieren. Geschulte ehrenamtliche Kompostberater informieren Interessierte über die Möglichkeiten, selbst im Garten zu kompostieren. So könne aus Garten- und Bioabfall leicht wertvoller Humus selbst erzeugt werden. Der eigene Kompost verbessere die Bodeneigenschaften und führe wichtige Pflanzennährstoffe zurück in den Kreislauf.
Ich hatte ein Ziel, für das es sich zu leben lohnte. Wenn ich je wieder zu Kräften kommen sollte, würde ich ehrenamtliche Kompostberaterin. Ich hoffte zutiefst, dass die bewusst das generische Maskulinum verwendet hatten und auch Frauen als Ehrenamtliche zuließen. Und wenn ich dann demnächst schon mal am beraten wäre, gäbe es auch gleich noch einen Tipp gratis obendrauf, den ich selbstredend auch aus meinem SCHAUFENSTER habe. Der Praxistipp lautet: Schutzhandschuhe nur so lange tragen, wie es nötig ist, und bei der Arbeit die Stulpe am Ende umklappen. Denn Handschuhe nützen nichts, wenn bei der Arbeit die Flüssigkeiten, vor denen man sich schützen will, am Arm herunter oder gar in den Handschuh laufen. Wieder einer dieser genialen Tipps, die mir mein Leben so was von erleichtern! Ich mein, man riechts ja auch meilenweit gegen den Wind, wenn in der Straße die grünen Tonnen geleert wurden. Dieses Pflanzliche in unterschiedlichen Verwesungsstadien. Wenn du da mit den Handschuhen jetzt mit Kompostieren zugange bist und dir die Suppe in die Ärmel hoch bis zu den Achseln läuft.

Apropos laufen. Wenn ich eins im Moment so was von nicht konnte, dann war es laufen. So schlapp fühlte ich mich. Und wie ich da so erschöpft auf dem Rücken im Gras lag, zwischen all den Gänseblümchen, poppte der Artikel meines SCHAUFENSTERS über Selbige auf. Kaum jemand wisse, dass man die Blüten der Gänseblümchen gut essen könne. Sie eignen sich als Beigabe zum Salat oder als Verzierung auf einer leckeren Suppe und schmecken auch in einem herzhaften Quark. Man könne sie auch in Öl dünsten und damit viele Speisen verfeinern. Gänseblümchen haben aber nicht nur einen leckeren, leicht nussigen Geschmack, sondern sind auch sehr gesund, denn sie enthalten viel Vitamin C, Magnesium und Eisen. Außerdem könne man aus den Gänseblümchen einen gesunden Tee aufgießen und eine wundheilende Salbe machen. Weiter hieß es, dass den kleinen Gänseblümchen früher von den Menschen magische Kräfte nachgesagt wurden. So dachte man beispielsweise, dass eine Gänseblümchenkette, die man um den Hals trägt, Glück und Verstand bringen würde. Was soll ich sagen, die Gänseblümchen haben mich gerettet. Im Liegen habe ich mich über sie her- gemacht und bin wieder zu Kräften gekommen.

Als ich dann wieder einigermaßen aufrecht stehen konnte, habe ich sofort diese Salbe zubereitet und auf die Stellen geschmiert, die ich mir vom tagelangen Liegen auf dem Rasen wund gelegen hatte. Was aber auch ein toller Tipp war - und vor allem so was von neu für mich: Gänseblümchen-Eiswürfel. Man gebe in die Eiswürfelform in jedes Fach zusammen mit Wasser ein Gänseblümchen mit hinein und lege die Form wie gewohnt ins Eisfach. Ich hab das sofort ausprobiert und es sieht so was von toll aus. Mal etwas ganz Neues, für mich.

Apropos neu. Was auch ganz neu für mich war, war folgender Witz: wäre, wäre, Fahrradkette. Ich dachte, es sei ein Witz - und war von meiner Tochter auf deren Geburtstagsparty eingeladen. Na ja, und da wollte ich als Mutter mal ganz cool rüberkommen und habe diesen Witz gebracht. Was jetzt nicht wirklich witzig war, die jungen Leute wussten gar nicht damit umzugehen - mit dem Witz und der alten Frau. Weil, die sind halt ab und an im Internet unterwegs und haben mir dann erzählt, dass das kein Witz sei. Dass dieser Spruch von Lothar Matthäus und schon ein wenig länger bekannt sei. Wenn ich den ganzen Abend über einfach meinen Mund gehalten hätte, einfach nur freundlich gelächelt hätte, ich wäre weitaus cooler rübergekommen: hätte, hätte, Fahrradkette. Ich kann dem Lothar nur dringend raten, nur noch mit Gänseblümchenkette um den Hals aus dem Haus zu gehen, ob des Verstandes.

Ich für meinen Teil trage seit Neuestem jedenfalls eine um den Hals und zusätzlich einen Gänseblümchenkranz auf dem Kopf. Weil mein SCHAUFENSTER schreibt, dass ich mit Selbigem auf dem Kopf nicht von einer Fee entführt werde. Und nächstes Jahr werde ich die ersten drei Gänseblümchen, die ich im Frühjahr entdecke, essen, damit ich das ganze Jahr vor Krankheiten geschützt bin. So stand es geschrieben in meinem ...


Wovor ich jetzt noch Angst habe. Ich hoffe zutiefst, dass meine Nachbarschaft ob der Gemengelage in meinem Garten, ob dieser vollkommen unübersichtlichen Situation an materiellen und immateriellen Pop-ups, sich nicht nachgerade in ihrem ästhetischen Empfinden gestört fühlte, und da jetzt noch eine Klage auf mich zukommt.

Mittwoch, 4. Oktober 2017

Pop-down - wäre auch mal eine Idee

"Vor dem Urlaub langsam zur Ruhe kommen", so las es sich in meinem SCHAUFENSTER. Wer bei der Arbeit unter großem Druck stehe, werde häufig im Urlaub krank. Die Anspannung im Beruf bringe den Organismus dazu, Reserven bereitzustellen, erklärte Psychologe Roland Raible. Fällt die Belastung weg, müsse sich der Organismus nicht mehr anstrengen. Der Körper ist dann anfälliger, die Widerstandskraft schwächer. Das kann sich mental, aber auch körperlich auswirken. "Die Leute machen sich, wenn sie entspannen, gewissermaßen frei für Krankheiten." Vorbeugend rät der Psychologe, regelmäßig Pausen bei der Arbeit einzulegen und nicht stundenlang am Stück durchzuarbeiten. Wer verreist, sollte sich davor Zeit geben, langsam zur Ruhe zu kommen. Starker Stress bis unmittelbar vor einer langen Autofahrt oder einem Flug sei nicht gut für den Körper.

Ich wusste das gar nicht, dass außer mir so viele Menschen mein SCHAUFENSTER lesen. Weil, ich hab mich natürlich schon des Öfteren gefragt, dieses einige Stunden einfach mal Durcharbeiten kommt ja zunehmend für den ein oder anderen nicht mehr in Betracht. Da waren die einfach viel früher besser informiert als ich. Ich werde mich da jetzt natürlich auch dran halten. Was jetzt natürlich blöde ist, wenn du im Schuldienst arbeitest: Kaum sind die Sommerferien zu Ende, da muss ich quasi schon nach zwei Wochen wieder damit anfangen, längere Arbeitspausen einzulegen. Sonst schaffe ich das ja nicht bis zum Herbstferienanfang. Und so setzt es sich ja fort. Und wenn dann nach den Osterferien der Mai mit seinen Feiertagen und Brückentagen kommt. Wenn ich es mir recht überlege, lohnt es sich nach den Osterferien eigentlich überhaupt nicht mehr, den Schulalltag wieder aufzunehmen.
Wie gesagt, ich wusste das gar nicht, dass ich schon viel früher mal hätte einen oder zwei Gänge runterschrauben sollen. Wobei, wenn ich offenen Auges, also in meinem Umfeld, wenn man's weiß. Ich hätte da auch selbst drauf kommen können, wo sich doch so viele Menschen daran halten, nicht allzu lange an einem Stück zu arbeiten, um dann übergangslos in den Urlaub zu gehen. Womit ich jetzt meine Probleme habe, ist mit der Phrase "wohlverdienter Urlaub".

Apropos Urlaub und Ferien. Für meinen Urlaub im kommenden Jahr habe ich schon einmal das ein oder andere Utensil käuflich erworben. Also was sich in dem Bereich ja getan hat. Letztes Jahr habe ich doch tatsächlich meinen Flieger verpasst, weil ich zu lange bebraucht habe, mich in die immer größer werdende Produktpalette von Sonnenschutz-Produkten einzuarbeiten. Ich bin ja zu einer Zeit herangewachsen, als Sonnenstrahlen noch keinen Hautkrebs verursacht haben. Gut, taten sie schon, aber es hatte sich so noch nicht herumgesprochen. Als dann aber von wissenschaftlicher Seite durchsickerte, das mit dem Hautkrebs, hat sich der ein oder andere mit Sonnencreme eingerieben, Ich auch. Ja, und dann hatte ich es letztes Jahr, dass ich, verdammt noch mal, wie sollte ich aber auch. Man kann's keinem erzählen. Andere kaufen sich zum Zwecke der Selbstverteidigung Pfefferspray, ich hab mir dermaßen die Sauerei ins Auge gesprüht bei dem Versuch, die Creme aus dem Behältnis zu drücken. Woher sollte ich denn aber auch wissen, dass es mittlerweile Sonnensprays gibt.

Was ich aber eigentlich erzählen wollte, ich habe für den nächsten Sommerurlaub mein Equipment aufgestockt. Das war aber auch so was von verlockend! Die neue Zauberformel lautet Pop-up. So was von im Kommen, ach, was sag ich, angekommen. Egal ob Luftmatratze, Schlafsack oder Strandmuschel, alles Pop-up. Habe ich alles sukzessive bei meinem Lieblingsdiscounter erstanden. Zu der Strandmuschel hatte es in meinem Werbeblättchen geheißen: Pop-up-Strandmuschel, sekundenschnell aufgebaut - einfach auspacken und werfen, entfaltet sich von selbst. Da soll einer nicht schwach werden! Ich habe dann auch das gesamte Equipment im Garten einmal ausprobiert. Was jetzt aber das Blöde war, gut, es stand auch nicht drin. Mein Werbeblättchen hatte mir tatsächlich nicht versprochen, dass das Einpacken genau so einfach gehen würde. Wie kriegst du jetzt die Sachen wieder so eingepackt, dass du sie transportieren kannst? Bei mir braucht's Minimum einen 7,5-Tonner, wenn ich mich nächstes Jahr in den Urlaub aufmachen will. Ans Fliegen brauch ich erst gar nicht zu denken. Ich hab da Tage im Garten zugebracht, mit viel Körpereinsatz. Und das, wo es mir gesundheitlich nicht gut ging, weil ich ja viel zu spät mit dem Nichtstun während der Arbeitszeit angefangen hatte.

Was wohl aber auch noch hinzukam, dass ich mich körperlich so was von schwach fühlte. Ich hatte in meinem SCHAUFENSTER den netten, kleinen Artikel "Kirschen: Gesunde Schlankmacher" gelesen. Der Sommer sei auch die Zeit der Kirschen. Doch Kirschen seien nicht nur ein wohlschmeckender, aromatischer und frischer Genuss - sie seien zudem reich an gesundheitsfördernden Wirkstoffen. Die roten Früchte enthalten die Vitamine A, B1, B2, B6 und C sowie die Mineralien Kalzium, Magnesium, Mangan, Phosphor und Eisen. All diese Nährstoffe kommen zum Beispiel dem Aufbau von Knochen und Zähnen zugute. Die Früchte bestehen zu mehr als 80 Prozent aus Wasser, daher gelten sie zu Recht als "Schlankmacher". 100 Gramm von diesem Obst weisen gerade einmal rund 55 Kilokalorien auf. Aufgrund all dieser positiven Eigenschaften würden Kirschen häufig als eine Art Alleskönner gelobt: Sie schmecken gut, sie sind sehr gesund und machen obendrein nicht dick. Was will frau mehr?

Was jetzt wirklich blöde war. Ich hab halt außer Kirschen nur noch Gurken und Wassermelonen gegessen. Und das hab ich schon bemerkt. Was nutzt es dir, dass die Kirsche deine Knochen gut versorgt, wenn du so schwach bist, dass du dich gar nicht mehr aufrappeln kannst. Was auch noch erschwerend hinzukam, in dem Artikel hatte es geheißen, dass sich aus weichfleischigen Süßkirschensorten ansprechende Kirschwasser brennen lassen. Kein Wunder, dass ich den ganzen Sommer über inmitten meines upgepoppten Equipments auf dem Rasen liegend verbracht habe, im Delirium: tagsüber nur Wassermelone, Gurke und Kirschen und abends Hochprozentiges. 

Mittwoch, 13. September 2017

Sichtschutz als Selbstschutz

Ich hatte es wirklich in Betracht gezogen. Weil, als ich nach zwei Wochen Urlaub nach Hause kam, lagen da die allseits bekannten Briefkasten-Häufchen: ein recht ansehnlicher Stapel Sekretariat, ein gigantischer Berg Werbeblättchen, eine Ansichtskarte und zwei SCHAUFENSTER. Und weil der Stapel Sekretariat ein hübsches Sümmchen an Arbeit versprach, wollte ich. Zumal ich beim flüchtigen Durchblättern durch die Überschrift "Balkonien ist kein rechtsfreier Raum" darin bestärkt wurde, nichts Wesentliches zu verpassen. Ob auf dem Balkon oder im Garten alles erlaubt sei, was gefalle, ohne Rücksicht auf andere? Selbstredend nicht! Und dann die Lettern "Grillen: Wenn der Rauch für Zunder sorgt" und "Ruhestörung: Wenn die Nacht zum Tag wird": Hallo, das wissen wir jetzt aber!

Ich fühlte mich so was von ermutigt, meine angelaufenen SCHAUFENSTER ungelesen wegzuschmeißen, blieb dann aber an den Worten "Sonnenbaden: Wenn wenig Stoff viel Ärger macht" hängen: Gegen ein vollkommen geruchs- wie geräuschneutrales Sonnenbad auf dem Balkon oder der Terrasse könne aber wohl keiner etwas einzuwenden haben? Solange ich alle Körperteile bedecke, an denen andere Anstoß nehmen könnten, stehe dem nichts entgegen, schränkte der Rechtsanwalt ein. Wer hingegen eine nahtlose Bräune bevorzuge, solle sie sich entweder an besser geschützten Orten als dem Balkon oder Garten holen oder einen entsprechenden Sichtschutz anbringen. Andernfalls könnte - zumindest bei schamhaften Nachbarn - schnell ein Bußgeld drohen. Ich schließe aus diesen Zeilen, dass es diese Fälle schon gegeben hat. Und meine jetzt nicht die Personen, die sich in ihrem Garten oben ohne sonnen. Sondern die Nachbarn, die sich daran stören. Zu meiner Zeit (als ich eine junge Frau war) war es vollkommen in Ordnung, sich im Freibad auf der Decke oben ohne zu sonnen. Das ist heute undenkbar! Stattdessen muss heute mein Nachbar damit einverstanden sein, dass ich mich auf meiner Terrasse oben ohne sonne? Auf der anderen Seite sehe ich im Straßenbild immer häufiger Mitmenschen von unfasslicher Leibesfülle mit so was von drallen Popos in knatschengen, hauchdünnen Leggings - ohne entsprechenden Sichtschutz für mich, wie der Anwalt sich ausdrückt. Was für eine verkehrte Welt - für mich!

Und wo ich gerade beim Sichtschutz bin. Las ich doch neulich in meinem SCHAUFENSTER "Jeder Dritte wäscht sich nicht die Hände": Bei der Handhygiene scheine es hierzulande Nachhilfebedarf zu geben. Das zeige eine repräsentative forsa-Umfrage. Ein weiteres Ergebnis der Umfrage sei, dass sich besonders viele Menschen vor bestimmten Gegenständen im öffentlichen Raum ekeln. Aus hygienischen Gründen (aus welchen auch sonst?) ist 87 Prozent der  Befragten die Berührung mit öffentlichen Toiletten besonders unangenehm. Knapp jeder Zweite fasst Haltegriffe in Bussen und Bahnen sowie Handläufe von Rolltreppen und Treppengeländer ungern an. Auf der Ekel-Skala folgen Griffe an Einkaufswagen mit 37 Prozent vor Tastaturen an Geldautomaten mit 28 Prozent. Auffällig sei, dass Frauen sich durchgängig häufiger ekeln als Männer.

Ja, und so möchte ich als Frau der Ekel-Skala meinen persönlichen Favoriten hinzufügen. Früher bot mir mein Lieblingsdiscounter Erdbeeren und Kirschen abgepackt an. Heutzutage liegen die Kirschen lose und jeder darf sich die gewünschte Menge selbst mit einem Schäufelchen portionieren. Erst neulich habe ich mir wieder zwei Schäufelchen Kirschen gegönnt. Und was macht die Vollpfostin neben mir? Sie drückt auf den Kirschen herum, bevor sie dann mit der Hand (!) Kirschen in ihre Tüte packt, wohlweislich nicht die, die sie vorher bearbeitet hat. Ich habe mich so was von nachgerade geekelt. Zuhause habe ich meine Kirschen so lange unter kochend heißes Wasser gehalten, bis sie verbrannt waren. Hallo, selbst wenn das Obst einwandfrei ist, wenn aber jeder Tuppes seinen schmutzigen Fingernagel in die Schale bohrt, um den Reifegrad zu prüfen - nachgerade ekelig! ("nachgerade"  - ein Wortakrobat meines SCHAUFENSTERS hat mir mal wieder ein tolles Wort zur Adoption geliefert!)

Wo wir gerade bei Hygiene sind. Neulich las es sich in meinem SCHAUFENSTER folgendermaßen: "Reisetipps für gute Mundhygiene. Zahnbürste und Zahnpasta gehören so selbstverständlich ins Reisegepäck wie Geldbörse, Scheckkarte und Personalausweis. Doch reichen Zahnbürste und Zahnpasta für eine gute Mundhygiene unterwegs tatsächlich aus?" Und schon stand mir der Angstschweiß auf der Stirn. Auf Reisen könnten sich die Bedingungen für die Ausbreitung von Bakterien stark von denen im Alltag zu Hause unterscheiden. So fördere feuchtwarmes Klima die Ausbreitung von Keimen. Ein Tipp zur Verhinderung von Infektionen an Zahnfleisch und im Mund sei, die Zahnbürste nicht mit anderen zu teilen, um die Übertragung von Infektionskrankheiten zu vermeiden. Und nachgerade spüre ich die Mundfäule. Auf unserer letzten Fahrradtour stellte ich nämlich am ersten Abend fest, dass ich meine Zahnbürste vergessen hatte, und hab deshalb die Bürste meines Traummannes, ich darf gar nicht drüber nachdenken!
Ich hab mir zwar am nächsten Tag eine eigene gekauft, aber weiter hieß es in dem Artikel: "Zahnbürste nach dem Putzen an einem offenen Ort stehen lassen, damit sie rasch trocknet, denn auf feuchten Bürsten breiten sich Keime schneller aus." Und wieder ekele ich mich nachgerade, weil, hallo, auf unseren Fahrradtouren radeln wir jeden Tag weiter. Ich mag gar nicht daran denken, weil neulich hatte mein Traummann von wegen effizienter Platzausnutzung die Zahnbürsten kurzerhand in seine Turnschuhe gesteckt und dann in eine Plastiktüte.

Ich hätte vielleicht doch die beiden während des Urlaubs angesammelten SCHAUFENSTER ungelesen wegschmeißen sollen, rein aus Selbstschutz. Dann könnte ich mich jetzt weiterhin ohne Unrechtsbewusstsein auf meiner Terrasse oben ohne sonnen und wäre nicht total auf meine Mundschleimhaut fixiert.


Mittwoch, 23. August 2017

Wo wir gerade beim Thema sind

Mir ist das jetzt zu blöde. Seit Wochen versuche ich, natürlich ist das immer schöner mit toller Überleitung ...
Natürlich ist das unmöglich, wenn du in der Runde sitzt, ein angeregter Austausch über Urlaube im Gange ist und du dann einwirfst: "Apropos Kreuzfahrten, ich hatte letztens meine Darmspiegelung." So ganz ohne Überleitung geht das nicht. Beim besten Willen, du kannst nicht das Wörtchen apropos voranschicken und hoffen, dass es passt. Und wenn alle über ihre Erfahrung bei der Darmspiegelung sprechen und du einwirfst "Wo wir gerade bei Spiegelungen sind, letztens war ich auf einer Kreuzfahrt im Mittelmeer, traumhaft, wie sich abends der Sonnenuntergang im Wasser spiegelte" geht das auch nicht. Zumal das vollkommen andere Themen sind. Ich hab mal bei Wikipedia reingeschaut und da stand: Das Wort Apropos [aproˈpo:] bezeichnet eine aus dem Französischen (à propos = „zu dem Vorgebrachten“) stammende Formulierung, um eine Aussage mit – meist nicht sofort erkennbarem – Bezug zum aktuellen Gesprächsthema anzukündigen (etwa: „wo wir gerade beim Thema sind…“).

Ich hab das neulich versucht, mit dem Thema, das mir so was von am Herzen liegt. Selbst die bei Wikipedia sprechen ja von einem Bezug, der meist nicht sofort erkennbar ist. Und in meinem Blog erwähnte ich den fulminanten Trinkwasserspender auf dem Bonner Marktplatz. Eigentlich wollte ich dann (apropos Spenden) aufs Münster zu sprechen kommen, für das ich als Steinpatin einen Stein gespendet habe. Wollte dann (apropos Münster) auf die zukünftigen Bonn-Besucher hinweisen, die demnächst vor verschlossenen Pforten stehen. Und (apropos Besucher) neulich las ich in meinem Hotelzimmer folgende Information meines Hotels: "Die anderen Gäste zuliebe ..." So war der Plan. Ich hab das dann aber gelassen, wirkten zu konstruiert, die Überleitungen. Überleitungen müssen ein gewisse Leichtigkeit haben. Bei total unterschiedlichen Themen allemal. Aber auch beim selben Thema kannst du nicht, es muss einfach schon irgendwie passen. Wenn in der Runde gerade eine ihr Herz ausschüttet, dass ihr Sohnemann zum dritten Mal die Klasse acht der Hauptschule wiederholt, kannst du auch nicht sagen: "Wo wir gerade beim Thema Schule sind, mein Sohn hat ein Abi mit 0,7 hingelegt." Selbst wenn's thematisch passt, kann's vollkommen unpassend sein.

Oder die Nachbarin, Alter irgendwo zwischen 70 und 80,  erzählt dir unter Tränen, dass ihre Mutter kürzlich im Alter von 105 Jahren gestorben ist. Und auf dein Nachfragen erfährst du, dass die Verstorbene bis zum Schluss noch so was von geistig fit war und friedlich eingeschlafen ist. Ja, ich geb zu, es fällt einem schwer, herzliches Beileid zu wünschen. Vielmehr möchte man die alte Waise beglückwünschen, dass die Verblichene keinen Krebs hatte, nicht an Demenz litt und keine Schmerzen hatte, als der liebe Gott sie zu sich rief. Was aber auch noch hinzukommt, du bist unter Zeitdruck. Trotzdem, da kannst du nicht sagen: "Apropos Geist aufgeben. Ich habs was eilig, mein Fliesenwischer hat nämlich seinen Geist aufgegeben. Gott sei Dank bietet mein Lieblingsdiscounter aber gerade diese Woche aktuell Bad- und Fliesenwischer nebst zwei Ersatzbezügen für den Fliesenwischer feil. Ich hoffe, dass ich noch einen bekomme. Schönen Tag noch." Selbes Thema, Geist aufgeben, aber total daneben! Gute Überleitung geht anderes.

Ganz ohne Überleitung: Früher gabs in meinem SCHAUFENSTER die Rubrik "Leserbarometer, die Frage der Woche". Hab ich immer gern gelesen. Wenn's das noch gäbe, hätte ich die vom SCHAUFENSTER gebeten, sich doch bitte einmal folgender Thematik zu widmen. Was mich nämlich tierisch ärgert: Wenn mein Traummann und ich auf unseren Fahrradtouren unterwegs sind, machen wir uns immer recht früh morgens auf. Und weil für meinen Traummann der Tag mit einem Frühstück beginnt, buchen wir immer die Übernachtungen  mit Frühstück und frühstücken um 7:00. Weder ist für mich das Frühstück der Inbegriff von Urlaub, noch regt sich um diese Uhrzeit in meinem Inneren ein Gefühl, das ich im weitesten Sinne, wenn schon nicht Hunger, so doch Appetit nennen könnte. Aber was tut frau nicht alles für ihren Traummann. Und so sitze ich dann ihm gegenüber und bemühe mich, wenigstens ein Brötchen zu mümmeln. Weil ich aber weiß, dass mich der Hunger am späten Vormittag einholen wird, schmiere ich mir ein zweites Brötchen und nehme es, eingewickelt in eine Serviette, aus dem Frühstücksraum.

Was jetzt mein Problem ist, und da habe ich bis jetzt auch noch keinen Verhaltenstherapeuten gefunden, der mir da weiterhelfen kann. Was jetzt mein Problem ist, ich komme mir dann immer vor wie ein Schwerstverbrecher, wie der mieseste Bodensatz in der Verbrecherhierarchie. Erst neulich las es sich in einem Hotelzimmer in Südlohn folgendermaßen: "Die anderen Gäste zuliebe bitten wir Sie, keine Speisen und Getränke aus dem Frühstücksraum mitzunehmen". Abgesehen davon, dass es "den anderen Gästen zuliebe" heißen muss, warum habe ich gerade in Hotels, wo ich für das Frühstück einen stolzen Preis bezahle, immer das Problem, dass ich mich dermaßen schlecht fühle, wenn ich mein Brötchen raus schmuggle? Dabei gibt es zunehmend immer mehr liebe Mitmenschen, die vertilgen zum Frühstück im Frühstücksraum so viel wie ich nicht in einem ganzen Jahr. Da könnte doch dann auch ein großes Plakat hängen, auf dem steht: Unserer Preisgestaltung für das Frühstück liegt ein durchschnittlicher, unter medizinischem Gesichtspunkt, gesunder, maßvoller Verzehr von Lebensmitteln zugrunde. Da lob ich mir doch solche Übernachtungen wie neulich in einem Privathaus in Ahaus. Dort bekamen wir unser Frühstück aufs Zimmer serviert. Alles, was auf dem Tablett lag, war nur für meinen Traummann und mich. Ich werde jetzt verstärkt mal einen Verhaltenstherapeuten suchen, der das mit mir durchzieht, dass ich mit einem geschmierten Brötchen hoch erhobenen Hauptes den Frühstücksraum verlasse.