Mittwoch, 2. August 2017

Es wird zunehmend enger für das männliche Ego

Endlich Sommerferien - und der Wasserwagen der Stadtwerke Bonn lädt uns zu einem erfrischenden Glas Wasser auf dem Münsterplatz ein. Wobei, ich hab mich letztens gefragt, ob der da eigentlich jeden Tag steht. Ich hab schon mal gedacht, ob die das demnächst einstellen, mit dem Wasserwagen, jetzt, wo auf dem Marktplatz der Trinkwasserspender eingeweiht wurde. Was ich persönlich jetzt nicht toll fände. Ich wähl nämlich immer, man kann ja mit oder ohne Gebitzel, mit oder ohne Bläschen im Wasser, und ich wähle immer mit Bläschen. Vielleicht brauchen die demnächst aber auch den Stellplatz für die neuen Steine fürs Münster. Apropos Münster und Blasen. Selbst wenn der Wagen dort demnächst rund um die Uhr steht, ich komm da lange nicht mehr hin. Ich hab so was von Blasen an den Füßen. Seitdem ich wusste, dass das Münster für Jahre schließt, bin ich natürlich täglich in Selbiges. Hab jede Führung mitgemacht, bis die Führer sich von mir schon gestalkt fühlten und mir mit Hausverbot gedroht haben. Was mich natürlich nicht im Geringsten abgehalten hat, weil ja eh jetzt für alle das Hausverbot gilt. Von mir aus kann's jedenfalls jetzt mit den Bauarbeiten losgehen, ich habe fertig mit dem Münster.
Sommerferien, Zeit der Entspannung, neue Kräfte sammeln, den Stress hinter sich lassen. Früher hieß das für meinen Traummann und mich auch mal ein Stündchen länger morgens schlafen. Die Zeiten sind vorbei. Zum einen wegen der senilen Bettflucht, zum anderen aber auch. Wir zwei Hübschen machen uns ja dann mit dem Rädchen auf. Und je später wir uns aufmachen, desto mehr Mensch ist unterwegs: der Rennfahrer im feschen Ganzkörperkondom, der dir beim Überholen die Haut vom Ellenbogen abschmirgelt. Die älteren Herrschaften, die in ihrem Leben noch nie Fahrrad gefahren sind, sich aber im hohen Alter von jetzt auf gleich auf ein E-Bike gesetzt haben. Der Hund und sein Herrchen, beide in trauter Eintracht nebeneinander. Was nicht weiter stören würde, wären die beiden nicht durch eine Hundeleine miteinander verbunden, die sich quer über die gesamte Wegesbreite spannt. Und dann die fußläufigen Mitmenschen, die als Großgruppe allen Ernstes der Meinung sind, alle miteinander nebeneinander promenieren zu dürfen. Und was neulich vor mir herfuhr: ein Mann mit Kinderwagen. Was jetzt so nichts wirklich Spektakuläres wäre, hätte er nicht ...

Ich mein, als Mann wird's ja zunehmend schwerer mit deiner Daseinsberechtigung. In allen Bereichen. Im Beruf sowieso, ich sag nur Frauenquote. Aber auch sonst wird's zunehmend enger. Weil, was kann ein Mann, ein deutscher Mann wirklich gut? Fällt mir jetzt als erstes das Autofahren ein. Aber wenn ich das richtig verstanden habe und das mit der Technik so weitergeht, fährt sich ja ein Auto bald von selbst und parkt sich selbst ein. Das wären ja in der Konsequenz paradiesische Zustände auf der Autobahn. Das tut mir schon leid für das männliche Ego. Keine Lichthupe, kein zu nahes Auffahren, kein Abdrängen von der Straße, kein Reinquetschen vor mir, nur weil ich einen Meter Sicherheitsabstand zum Auto vor mir habe.
Was die meisten Männer Gott sei Dank aber auch noch gut können: Grillen. Und das können die deshalb so gut, weil sie es ganz häufig machen. Zu meiner Zeit (denken muss man sich ja bei dieser Phrase so etwas wie "als ich noch jung war" oder "als du selbst schuld warst, wenn du eine Fünf geschrieben hattest, und nicht dein Lehrer"), zu meiner Zeit hast du nur im Sommer gegrillt. Das Wort Wintergrillen gab's damals noch nicht. Wenn heutzutage irgendwo im Universum Außerirdischen das Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters per Zufall in die Hände fiele, es gibt nur ein Thema: Grillen. Vom Gasgrill Silverline, 3-flammig,  über den Säulengrill bis hin zum Campinggrill "Explorer" und den Grill- und Feuerkorb. Und auf den Bildern hantiert immer ein Mann am Grill! Und da bin ich jetzt ehrlich, in meinen Mantel komm ich im Zweifelsfall von alleine rein, aber ein auf den Punkt gegrilltes Kotelett, da bin ich so was von unemanzipiert. Zumal ja auch in so einem Kotelett viel Zeit hinter dem Grill steckt. Aber auch hier ist ja der Fortschritt am Start. Gibt es doch, wie ich meinem Werbeblättchen entnehme, das "BBQ Premium" Funk-Grillthermometer mit den fünf Garstufen rare, medium rare, medium, well, und well done und Timer mit Alarmfunktion bei Erreichen der Zieltemperatur. Und da fiel mir auch wieder der Artikel in meinem SCHAUFENSTER ein: Immer beliebter werden digitale Grillthermometer. Die kleinen Geräte verfügen über Temperaturfühler, die direkt am Fleisch befestigt werden. Via Bluetooth übermitteln die Thermometer den aktuellen Garzustand an ein Smartphone oder Tablet. Der Vorteil: Grillmeister müssen nicht mehr durchgehend am Grill stehen, um den Zustand des Fleisches zu kontrollieren. Insbesondere für Technikfans eine tolle Sache. Hallo, da denk ich, der Mann hat für mein Würstchen stundenlang hinter dem Grill gestanden, womöglich noch geschwitzt wie ein Schwein. Und dann stellt sich heraus, der hat zwischenzeitlich im kühlen Wohnzimmer Fußball geguckt. Wie ich schon sagte, es wird eng für den Mann. Auch da wird er nicht mehr gebraucht.

Apropos brauchen. Und da dachte ich jetzt eben neulich, als vor mir ein Mann mit einem Kinderwagen. Da brauchen wir nach wie vor die Männer, die Väter, die sich bei der Aufzucht der Brut einbringen - wie der Mann vor mir auf dem Fahrradweg. Der schiebt den Kinderwagen tapfer durch die Gegend. Das dachte ich aber auch nur. Weil, was mir schon auffiel, der stand auf einem Skateboard und machte keine Anstalten, ein wenig zur Seite zu gehen, damit ich an ihm vorbeikam. Ist ja auch eine sportliche Herausforderung, auf einem Skateboard stehend einen Kinderwagen zu schieben. Bis mir dann mein Traummann mal wieder die Welt erklärt hat. Dass das kein Skateboard sei, sondern ein Hoverboard, also quasi ein Segway ohne Stange. Und als Stange diente der Kinderwagen. Nichts mit körperlicher Anstrengung und so, nein, der Mann bewegte sich mit Elektrokraft!      


Mittwoch, 28. Juni 2017

Nur eine schlichte Säule, aber ein Knopfdruck für das ganz große Ganze

Neulich die "Erste Meldung" in meinem SCHAUFENSTER: Bereits im siebten Jahr in Folge erzielt die Region Bonn Übernachtungsrekorde seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1986. 2016 knackte die Stadt Bonn erstmalig die 1,5 Millionenmarke. Ich sag nur, lass uns das mal tüchtig feiern, weil, neulich denk ich, mit meinem Hörvermögen geht's auch bergab. Da sagten sie doch im Radio, unser Münster werde bald für zwei Jahre geschlossen. Die Ohren funktionieren noch so was von gut! Dann wird's ab dem 24. Juli aber eng für den Touristen: das Haus der Geschichte und das Münster geschlossen. Gut, wir haben jetzt schon mal unseren neuen Kreisverkehr am Alten Friedhof und Beethoven geht ja immer. Wobei, das müssen die Touristen ja vielleicht gar nicht mitbekommen, dass das Münster für so lange Zeit geschlossen ist.

Also wenn ich jetzt demnächst eine Besuchergruppe durch Bonn führe, beginne ich meine Führung mit Beethoven. Nicht sofort am Beethovenhaus. Nein, ich versammle uns alle erst einmal unter der Ampel am Bertha-von-Suttner-Platz, wo es dann rechts rein zum Beethovenhaus geht. Das ist ja so was von spektakulär, wenn bei Grün Beethovens Konterfei erscheint. Da kann ich mit meiner Gruppe einige Grünphasen abwarten (damit die Zeit vergeht) und jedes Mal so was von in Ekstase geraten, wenn der Kopf wieder erscheint. Und wo wir dann gerade an einer Ampel stehen, erzähle ich ein wenig über uns Deutsche, über die Hygieneampel und was es mit der so auf sich hat. Und wenn ich merke, dass der ein oder andere Besucher mir sowieso nicht zuhört, weil er auf seinem Smartphone unterwegs ist, erkläre ich auch noch, was eine Ampelkoalition ist. Irgendwann wird jemand aber Pipi machen müssen, und dann bietet sich das Beethovenhaus an. Jetzt nicht nur zum Pipi machen, sondern auch wegen der Kultur. Anschließend geht's weiter Richtung Marktplatz, an der Namen-Jesu-Kirche vorbei und, wenn wir Glück haben, sie geöffnet ist, auch in Selbige hinein. Und wenn es dann gerade Donnerstagnachmittag ist, lade ich meine Gäste zu einem Konzert mit Beethovens Werken ein, zu einem ganz besonderen Klangerlebnis. Musikalisch beseelt verlassen wir die Kirche, halten uns weiter links und erreichen den Marktplatz.

Und, von wegen geschlossenes Münster, es gilt auch hier, möglichst viel Zeit zu verbrennen.
Apropos Zeit verbrennen. Wo ich gerade mit meiner Besuchergruppe auf dem Marktplatz stehe. Da erzählte mir doch neulich eine Bekannte, sie habe sich vor einiger Zeit mit einer Freundin auf dem Marktplatz verabredet. Irgendein Event, deshalb eine riesige Menschentraube, viele Buden und Stände. Die Freundin habe die GPS-Koordinaten ihres Standorts, das Fußgängernavi sei bis auf fünf Meter genau, sehe natürlich aber keine Bierbänke und Weinstände, deshalb habe sie Stunden später zusätzlich ein Foto von ihrer Blickrichtung geschickt, und dann sei es aber auch schon zu spät gewesen, um gemütlich bei einem Glas Wein zu plaudern. Ich weiß noch, wie die mich angeschaut hat, als ich ihr sagte, ich hätte mich einfach vor "Allermann" verabredet.

Wie komm ich drauf? Ach ja, Marktplatz. Wenn ich merke, dass noch einiges an Zeit ins Land gehen muss, geh ich ans Wasser. Erfuhr ich doch durch mein SCHAUFENSTER, welch Bereicherung für unsere Stadt: Oberbürgermeister Ashok Sridharan und Bezirksbürgermeister Helmut Kollig haben einen öffentlichen Trinkwasserspender auf dem Marktplatz eingeweiht. Im Beisein von Vertretern der Deutschen Marktgilde und der Stadtwerke Bonn, die die Aufstellung ermöglicht haben, füllten sie symbolisch die ersten Trinkflaschen. Der Wasserspender in der Nähe des nördlichen Treppenabgangs der Tiefgarage Markt besteht aus einer schlichten Säule , aus der auf Knopfdruck Wasser fließt. Er steht allen Bonnern kostenlos zur Verfügung. Sie können sich dort mit frischem Trinkwasser versorgen oder auf dem Bonner Wochenmarkt erworbenes Obst waschen, um es direkt vor Ort zu verzehren. Die Installation geht auf eine Initiative der Arbeitsgruppe Innenstadtgestaltung zurück und wurde im September 2015 von der Bezirksvertretung Bonn beschlossen. Die Kosten für die Anschaffung und Aufstellung des Wasserspenders von 5.500 Euro haben die Deutsche Marktgilde als Betreiber des Bonner Wochenmarktes und die Händler des Wochenmarktes übernommen. Der Oberbürgermeister dankte den Partnern für ihre Unterstützung bei der Aufstellung des Brunnens, vor allem auch auf Grund der sozialen Komponente des Projektes. Denn mit der Installation schließt sich die Stadt Bonn der Idee der Organisation Join the Pipe an. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, die Trinkwasserversorgung weltweit zu verbessern. Für jede Trinkwasserstation, die in Europa aufgestellt wird, finanziert sie ein Wasser- und Hygieneprojekt in einem Entwicklungsland. Normalerweise versuche ich ja, die Inhalte aus meinem SCHAUFENSTER zusammenzufassen, aber hier ist es mir nicht gelungen. Es war aber auch jeder Aspekt so was von wichtig, ich konnte einfach nichts kürzen. Hallo, das Wasser fließt auf Knopfdruck! Und, hätt' ich's nicht gewusst, ich hätte einfach nur einen Wasserspender vor mir gesehen. Aber jetzt, dieses Wissen um das Eingebundensein in etwas ganz Großes.

Ja, auch mir ist klar, dass ich nicht länger als drei Stunden vor dem Wasserspender zubringen kann. Irgendwann ist alles Obst vertilgt und genug getrunken, und ich dirigiere meine Besuchergruppe weiter Richtung Münster. Was jetzt wirklich blöde wäre, wenn bei all dem Wassergetrinke einer Pipi müsste. Weil, Wasserspender schön und gut, aber es muss ja dann auch auf der anderen Seite wieder raus. Und da wäre es jetzt wirklich touristenfreundlich, wenn die öffentliche Toilette auf dem Remigiusplatz intakt wäre. Wie ist denn eigentlich der Stand beim Interessenbekundungsverfahren (ich liebe dieses Wort!)? Ich hätte so was von Interesse an einer intakten öffentlichen Toilette. Meine Besuchergruppe und ich sind zwischenzeitlich am Münsterplatz angekommen, bewegen uns Richtung Münstereingang und - schade, zu spät, zu lange am Wasserspender gestanden, zu häufig den Knopf gedrückt, ärgerlich: Es ist 19:00 Uhr und das Münster hat nur bis18:45 Uhr geöffnet. Wie gesagt, das muss ich denen doch gar nicht auf die Nase binden, dass das Münster ... 

Mittwoch, 7. Juni 2017

Wahlen, Werbung und Wargel - oder heißt es Spargel?

Was für eine aufregende Zeit liegt da hinter mir! Jetzt muss aber mal wieder Ruhe einkehren. Zwei Wahlen, zweimal ein Kreuzchen setzen, sich entscheiden. Als ich den Umschlag mit den amtlichen Unterlagen zum Bürgerentscheid geöffnet hatte - holla, die Waldfee, sag ich da nur! Steuerklärung, Organspendeausweis und Testament, alles in Einem, sind dagegen ein Fliegenschiss. Ich hab die Vielzahl von Zetteln erst einmal zum Anlass genommen und meinen Schreibtisch aufgeräumt. Dann hab ich alles nebeneinander auf Selbigen gelegt: die Abstimmungsbenachrichtigung zum Bürgerentscheid "Kurfürstenbad bleibt!" am 21. 4. 2017, auf der Rückseite der Abstimmungsschein, den Stimmzettel für den Bürgerentscheid "Kurfürstenbad bleibt" in der Bundesstadt Bonn am 21. April 2017, den Stimmzettelumschlag in einem hellen Grün ohne Sichtfenster (!), den Briefumschlag "Rückantwort Bürgerentscheid" in einem alarmierenden Gelb mit Sichtfenster und  das Merkblatt für die Durchführung des Bürgerentscheides "Kurfürstenbad bleibt!" mit fünf Arbeitsschritten.
Schon die Versicherung an Eides statt zur Abstimmung hat Fragen aufgeworfen. Weil, ich hatte extra meine drei erwachsenen Töchter gebeten, dabei zu sein, wenn ich da was ausfülle und unterschreibe, also quasi betreutes Abstimmen. Ich war mir unschlüssig, ob ich persönlich versichere oder eine Hilfsperson, in meinem Falle drei Hilfspersonen. Und dann war ich mir nicht sicher, ob es sich hier um ein geheimes Entscheiden handelt, meine Töchter also gar nicht wissen dürfen, was ich ankreuze. Allein diese Diskussion hat meine Brut so was von Nerven gekostet, dass die nach Stunden von dannen gezogen sind mit den Worten "Das Kreuz kannst du ja wohl ohne uns setzen". Klar, kein Problem - dachte ich. Aber als ich dann auf dem Stimmzettel die Abstimmungsfrage las "Soll das Kurfürstenbad erhalten, wieder nutzbar gemacht und saniert werden? Ja oder Nein?", fragte ich mich plötzlich, wo ist eigentlich das Kurfürstenbad in Bad Godesberg? Als Auerbergerin weiß ich das gar nicht.

Überhaupt, es kam halt eins zum anderen, der grell gelbe Umschlag mit Sichtfenster, auf dem hinten noch mal Punkt für Punkt - ich hab's erst einmal vor mir hergeschoben. Hatte immer wieder Wichtigeres zu tun, als meinen Stimmzettel auszufüllen. Und als es dann endlich ans Ankreuzen ging, als ich mich mental dazu in der Lage fühlte, war die Frist abgelaufen. Was aber auch noch dazu kam, ich war mir sicher gewesen, dass das Prozedere sowieso noch mal wiederholt werden müsste. Weil, einmal sprachen sie vom 21. April und einmal vom 21. 4. Also wenn das kein Formfehler ist, der zur Ungültigkeit eines Bürgerentscheids führt! Außerdem hatte ich den Eindruck, dass der Kleber auf dem Briefumschlag mit Sichtfenster in dem alarmierenden Gelb unzureichend klebte.

Es hat mich schon geärgert, dass ich das nicht gebacken bekommen habe, mich zwischen Ja oder Nein zu entscheiden. Zwei Möglichkeiten, hallo! "Sie haben eine Stimme. Bitte nur "Ja" oder "Nein" ankreuzen, sonst ist Ihre Stimme ungültig". Und dann noch die Hilfe meiner Liebsten dabei! Was wäre das schon mal für eine tolle Vorbereitung gewesen für die Landtagswahl am 14. Mai. Jetzt hatte ich natürlich schon Bammel; wie würde das dann erst im Wahllokal ablaufen? Das musst du ja ganz alleine durchziehen, in der Wahlkabine. Und da geht's sich nicht so einfach mit Ja oder Nein. Nein, da stellten sich 31 Parteien zur Wahl! Gott sei Dank hatten die mir ja im Vorfeld mit ihren Wahlplakaten Hilfestellung geleistet.

Ich weiß auch nicht, was mich da in der Wahlkabine geritten hat. Ich hab doch tatsächlich, ich mein, wie blöd kann der Mensch denn sein. Wie ich da so der Reihe nach die Parteien durchgehe, sehe ich doch quasi jeweils deren Wahlversprechen vor meinem geistigen Auge. Ich war ja vorher mit dem Fahrrad die Kölnstraße runter, dann an der Kreuzung am Landeskrankenhaus rechts auf den Kaiser-Karl-Ring und über die Victoriabrücke geradelt. Was die da für riesige Plakatwände an der Kreuzung aufgestellt hatten! Da las es sich doch zum Beispiel auf einem Plakat "Weniger Stau". Wobei, wenn man mich fragt, hat doch keine Partei ernsthaft den Plan, den Stau abzuschaffen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Parteien das gar nicht wollen - weniger Stau. Weil, warum sonst würden die genau da ihre riesigen Wahlplakate aufstellen, wenn sie nicht wüssten, dass an der Stelle der Autofahrer täglich ganz dolle lange staut und sich dabei die Wahlslogans in sein Hirn brennen. Victoriabrücke ja genau so. Aus demselben Grund hingen da auch so viele (auf Kopfhöhe, damit es noch enger wurde!), weil da auch ordentlich gestaut und gestanden wird. Ich persönlich bin mit dem Fahrrad zu Fuß über die Brücke und habe mich wieder mal in Lebensgefahr begeben. Nein, ich habe mir einmal die Wahlversprechen akribisch aufgeschrieben. Das hätte ich mal besser nicht tun sollen! Weil, wie ich da jetzt in der Wahlkabine stehe und die einzelnen Parteien durchgehe, habe ich quasi, also das, was ich beim Bürgerentscheid zu wenig, hab ich da zu viel. Ich hatte bei jeder Partei deren Wahlversprechen im Kopf, also weniger Stau, mehr Sicherheit, weniger Hass, Bildung für alle, faire Löhne. Will ich alles haben. Und ich hab dann im Eifer des Gefechtes den Wahlzettel mit so etwas wie einem Fragebogen verwechselt. So eine Art Wünsche-Erfüller-Bogen - und hab halt hinter ganz vielen Parteien mein Kreuzchen gesetzt.

Apropos Werbung. Wer ja in diesen Zeiten ganz ohne Werbung auskommt, ist der Spargel. Kein Wunder, enthält er doch viel Kalium, die Vitamine B1 und B2, Folsäure und Vitamin C und E dabei! Was jetzt mich betrifft, ich kann auch nicht ununterbrochen nur Grünkohl essen. Man ist ja recht viel allein, bei Kohl - der Blähungen wegen. Da ist Spargel schon komfortabler. Auf dem Klo bin ich eh allein. Man mag die Parteien nicht immer auseinanderhalten können, weil alle einem alles versprechen. Dagegen der Spargel, der hat da so was von ein Alleinstellungsmerkmal! Was wohl der geballten Kombination von bis zu 35 Duftstoffen geschuldet ist, insbesondere die schwefelhaltigen Verbindungen und seine Asparagussäure. Wie ich schon erwähnte, man besucht ja doch meist allein die Toilette.

Donnerstag, 18. Mai 2017

Oben pfui, unten hui

Neulich las es sich in meinem SCHAUFENSTER in einem Artikel so: Erster Eindruck zählt - mit Home-Staging Immobilien besser verkaufen. Vor dem Verkauf einer Immobilie gestalten sogenannte Home-Stager die Räume wohnlich. Das Ziel dahinter: den bestmöglichen Preis für das Objekt zu erzielen. Die Expertin Iris Houghton braucht dafür nicht viele Utensilien aus ihrem Fundus: Ein paar Kissen in der Sitzecke, ein passender Beistelltisch, eine Leselampe sowie ein Bild an der Wand und Pflanzen auf der Fensterbank - so schnell verwandelt die Home-Stagerin einen leeren Raum in ein gemütliches Wohnzimmer. Home-Staging bringe das Potential einer Immobilie zum Vorschein und mache ihre Schokoladenseite sichtbar.
Nicht, dass ich jetzt Bonn als Ganzes verkaufen wollte, aber gesetzt den Fall - mit ein paar Kissen wäre es da momentan nicht getan. Von wegen erster Eindruck!
Also wenn du in Bonn am Hauptbahnhof ankommst, hallo! Gehst du am Haupteingang raus, da wird gerade der riesige Gebäudekomplex gegenüber entkernt. Gut, wenn die urbane Seele, die urban soul, mal fertig ist, der Hammer! Ich hab nämlich mal unter "urban soul /cross architecture" geschaut: wenn das realiter nur halb so toll wird wie deren Animation.
Aber nicht jeder Bonn-Besucher, der aus dem Bahnhofsgebäude tritt, hat ja diese Vision im Kopf - eher keiner!
Sollte der geneigte Bonn-Besucher sich nun aus Versehen nach links entlang der Bahngleise Richtung Victoriabrücke aufmachen wollen, man bringe ihn davon ab - notfalls mit Gewalt. Der Anblick Selbiger ist zur Zeit nun wirklich nicht schön. Auch wenn ein Bridge-Stager dort ein paar frische Blümchen hinstellte, für den ersten Eindruck. Trotzdem denkst du, gleich bricht sie über dir zusammen. Gut, die wird eben momentan saniert und wenn dann mal in der Zukunft  der Lichterhimmel  über der neuen Viktoriabrücke. Wenn zwischen den vier hohen Masten, die an den Brückenauf- und -abfahrten stehen und eine Art Tor zur Stadt darstellen sollen, ein Lichterbaldachin mit LED-Leuchten - Wahnsinn, das Foto damals auf der Titelseite meines SCHAUFENSTERS, so was von futuristisch! Aber nicht jeder, der jetzt gerade Bonn besucht, hat ja diesen tollen Himmel in der Zukunft vor Augen - eher keiner.
Hauptsache, ich weiß, dass das irgendwann mal ganz dolle schön wird - vor allem so was von großstädtisch! Das Wichtigste ist ja schon da: der Kreisverkehr! Leider nicht wirklich einer Weltmetropole angemessen, nicht zweispurig. Es ist nur ein kleiner Kreisverkehr geworden, also einspurig mit einer fest eingefassten Kreisinsel. Wobei, es hätte noch provinzieller daherkommen können, in Gestalt eines Minikreisverkehrs. Dessen Durchmesser liegt gerade mal zwischen 13 und 22 Metern und die Kreisinsel darf von Bussen und Lkw überfahren werden. Ich überleg grad', ein kleiner Kreisverkehr hat mindestens einen Durchmesser von 26 Metern. Wenn man da jetzt die Spuren nur unmerklich verschmälert (ich mein, darauf verstehen wir uns ja, wie man an der Victoriabrücke sieht), wenn man die Spuren ein klein wenig schmaler macht, könnte man glatt zwei Spuren draus machen.

Ich bin jetzt mit meinen lieben Gästen nicht extra den Kreisverkehr abgegangen. Nein, ich habe meine Schritte auf die Poppelsdorfer Allee gelenkt. Wir sind gemütlich Richtung Poppelsdorf flaniert, haben rechts und links die schmucken Häuser wirken lassen. Und als wir unter den Bäumen hervortreten, hallo, ist das Dach vom Poppelsdorfer Schloss eingerüstet. Gut, kann ich jetzt auch verstehen, das Schloss ist ja ein altes Gebäude und deshalb ist da eine Sanierung wohl mal notwendig.

Apropos Dach. Apropos alt. Was ich nicht verstehen kann, ich sag nur: oben pfui, unten hui. Ich mein es genau so herum. Was ist das denn, bitteschön? Das Glasdach vom Haus der Geschichte wird erneuert? Und da lese ich doch, das sei schon seit der Eröffnung des Museums im Jahr 1994 bei starkem Regen undicht. Und jetzt seien auch noch einzelne Glaselemente gerissen. Hallo, was für eine unfassliche Schlamperei. Pfusch am Bau. Und vor allem, wer bezahlt das? Für mich ist das Haus der Geschichte ein neues Gebäude. Und das Dach muss komplett erneuert werden, weil's da rein regnet? Ich fass es nicht. Aber die aktuelle Ausstellung "Geliebt. Gebraucht. Gehasst. Die Deutschen und ihre Autos" unten neben der Dauerausstellung, die zur Zeit geschlossen ist, so was von hui! Und weil ich gerade beim Wasser bin: Man betritt die Ausstellung  durch eine Waschstraße, "in der zum Glück kein Wasser fließt" - zitiere ich mein SCHAUFENSTER. Das mag wohl stimmen, dass das so gedacht ist, ohne Wasser, also trocken, aber ob's von ganz oben, vom Dach ...

Apropos neues Gebäude. Klar, auf den ersten Blick bin ich selbstredend für das neue Schwimmbad. Das neue Schwimmbad in Dottendorf soll ja das Frankenbad ersetzen. Dann kann die Weltelite der Synchronschwimmerinnen nie mehr im Frankenbad empfangen werden! Mein Hauptargument! Und weit genug vom Stadthaus ist Dottendorf allemal! Ich kann da aber wirklich nur hoffen, weil, mit großen Bauprojekten tut sich ja der Bonner (ich benutze jetzt "Bonner" selbstredend als generisches Maskulinum) an sich schwer. Ich kann nur hoffen, dass das nicht so ein Desaster wird, wie damals mit dem WCCB. Dass das endlose Jahre dauert, bis das neue Bad steht, und die Bonner mittlerweile das Schwimmen verlernt haben. Aber ein Schwimmbad als neues, großes Bauprojekt, da sind wir auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Also wenn, dann denke ich, ist ein Schwimmbad am ehesten als Bauvorhaben für uns Bonner geeignet - wassertechnisch gesehen. Der Schürmann-Bau stand ja damals auch unter Wasser. Beim Jahrhundert-Hochwasser wurde das Fundament unterspült, weil bei den Bauarbeiten auf einer Länge von 38 Metern eine Schutzwand vergessen worden war. Und ins Haus der Geschichte regnet's oben rein. Also Wasser wäre ja jetzt nicht wirklich fehl am Platz, in einem Schwimmbad.

Mittwoch, 26. April 2017

Vom Stadthaus über die Skyline von Dubai bis hin zum Frankenbad

Was mir neulich mal wieder so ganz drastisch aufgefallen ist: Ich bin schon lange nicht mehr so richtig mit Genuss tief in das Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters eingetaucht. War schon lange nicht mehr "lost in paradise", im Einkaufsparadies. Eben noch offerierte mir mein Werbeblättchen Außenlichterketten und jetzt wird mir ein Kreativ-Frühjahr-Sommer-Bastelsortiment feilgeboten. Aber auch sonst, merke ich, hat sich zwischenzeitlich viel getan. Es gibt jetzt Mini-Backformen mit und ohne Pin. Bis ich das mal geschnaggelt hatte, dass das nichts mit einer Geheimnummer zu tun hat!

Oder Loafer. Ich las "bequeme Loafer" und dachte, dass da keiner noch mal drüber guckt, bevor so ein Werbeblättchen gedruckt wird. Es heißt ja wohl Läufer. Tut es nicht - so heißen. Ich hab dann mal wieder beim Inder im Netz vorbei- und auch reingeschaut und stellte fest, dass "to loaf" faulenzen, trödeln, herumlungern heißt. Nun frage ich mich, was ich dafür denn extra Schuhe brauche. Das kann ich doch auch ohne. Ich werde jetzt natürlich mal verstärkt draußen drauf achten, ob die Menschen, die so herumlungern, solche speziellen Schuhe tragen. Dann würde es ja schon helfen, wenn man die denen einfach auszöge. Zerrissen hat's mich allerdings erst beim Wort Pyramidenbeutel, "Wohlfühltee im Pyramidenbeutel" - hallo, geht's noch!

Wo ich gerade bei Pyramiden bin. In meinem Werbeblättchen lag auch ein Reklamezettel für Reisen. New York, Dubai, alles dabei. Ach, guck mal, dachte ich, in welchem Zusammenhang hab ich denn neulich Dubai gehört. Und dann fiel es mir wieder ein. Bei "Deutschland sucht den Superstar" kämpften die Bewerber um den Recall in Dubai. Ich weiß noch, wie ich damals dachte, was für eine atemberaubende Kulisse, was für eine atemberaubende Location, dieses Dubai mit seiner Skyline.
Und zur selben Zeit las ich in meinem SCHAUFENSTER die Lettern "Weltelite kommt nach Bonn": Am Wochenende treffen sich im Bonner Frankenbad die besten Synchronschwimmerinnen der Welt. Seit mehr als einem Vierteljahrhundert hat sich der Wettbewerb zu einer festen Größe im Wettkampfkalender etabliert. Auch in diesem Jahr werden wieder zahlreiche Nationalmannschaften an den Start gehen. Spontan dachte ich, da fährt der ein oder andere Vollpfosten nach Dubai, und bei uns wird in einer abgeranzten Location die Weltleistungselite empfangen. Ich bin dann aber extra noch mal mit dem Fahrrad zweimal ums Frankenbad  gefahren - und kann's nicht fassen. Hallo, es sieht schlimmer aus, als ich es in Erinnerung hatte.
Vor gefühlt hundert Jahren habe ich in der Altstadt gewohnt. Damals hattest du für die Körperpflege drei Möglichkeiten. Entweder du hattest in deiner Altbauwohnung eine Mobildusche, oder du kanntest einen, der eine Mobildusche hatte, oder du gingst zur Ganzkörpersäuberung ins Frankenbad. Und in den letzten Jahrzehnten bin ich konsequent älter geworden - und das Frankenbad auch! Warum muss in solch einer Location die Weltelite empfangen werden? Das ist mir so was von peinlich. Apropos peinlich. Was mir auch peinlich wäre, ich kann nur hoffen, dass die Schwimmerinnen direkt vom Hotel gegenüber ins Hallenbad getrieben werden und hinter ihnen das Hallenbad abgeschlossen wird. Weil, wenn wir Pech haben, entdeckt die ein oder andere Wettkampfteilnehmerin, während sie sich die Füße vertritt, unsere Skyline, das Stadthaus.

Apropos Skyline und Location. Vielleicht hab ich's ja jetzt endlich klar im Kopf, dass ich
"Zum Lachen auf die andere Rheinseite" muss, wie mein SCHAUFENSTER einen Artikel überschrieb. Ich bin ehrlich, bis jetzt habe ich es noch nicht ein einziges Mal über den Rhein geschafft - zum Lachen. Aber in meinem Alter fängst du erst dann wieder ganz von vorne an, wenn nichts mehr vom Alten übrig ist. Wenn du genau weißt, dass alles in Schutt und Asche liegt - so wie jetzt mein Pantheon. Und um mich der Realität zu stellen, damit ich es auch nicht verdrängen kann, habe ich mich zum Spreng-Brunch einladen lassen und habe von einem Dach in der Südstadt der Sprengung beigewohnt. Und wie ich da so auf dem Dach hocke ...
Wir schreiben die Anfangsjahre der ersten alternativen Karnevalssitzung "Pink Punk Pantheon". Eine kabarettistische Parodie auf alkoholseligen Sitzungskarneval und Humba-Humba-Täterrää-Gemütlichkeit - und ich bin dabei. Anfangs ein absoluter Geheimtipp, der sich schon bald zur absoluten Kultveranstaltung entwickelt. Welch riesengroße Freude habe ich damals jedes Jahr empfunden, wenn ich nach langem Anstehen an der Vorverkaufskasse bei Hertie (!) Eintrittskarten ergattert hatte. Und wenn dann am Vorstellungstag nach Stunden des Wartens endlich die Türen geöffnet wurden, sich die Warteschlange in den Saal ergoss, man sich für den eindeutig besten Tisch entschieden hatte, welch Husarenstück!

Ja, und dann waren mein Traummann und ich einmal auf einer dieser 80er Partys, freitags nach der eigentlichen Veranstaltung. Also nach der allerletzten Zugabe, nachdem auch die letzten Zuschauer rausgeschubst, Tische und Stühle weggeräumt sind. Für meinen Traummann und mich also zu nachtschlafender Zeit. Einmal, vor langer Zeit, haben wir es durchgezogen und uns zum Tanzen aufgemacht. Und wieder eine lange Warteschlange! Was wir zwei Hübschen bis heute nicht verstanden haben: Alle mussten ihren Ausweis vorzeigen, nur wir nicht.

Irgendwann habe ich das Pantheon, die ehemalige Location, aus den Augen verloren - und jetzt ist es mir abhanden gekommen. Was ich mir jetzt so gedacht habe, als ich tags darauf am Zaun stand und auf den Schutt blickte: Das Pantheon war ja gar nicht im Hochhaus, sondern im Nebengebäude und da sogar im Keller. Hätte das da nicht einfach bleiben können? Egal, zu spät. Das neue Hochhaus wird auf jeden Fall viel höher und wird unsere Skyline so was von aufwerten.

Mittwoch, 5. April 2017

Krebs an Petersilie oder lieber doch an Grünkohl?

Ich komm deshalb drauf, weil mein SCHAUFENSTER sich ja schon recht viele Gedanken über meine Gesundheit macht. Seitdem ich im Stadthaus war, hab ich so was von Nacken und hohen Blutdruck. Früher bin ich ins Stadthaus, hab eine Nummer gezogen, mich in den Wartebereich gesetzt, habe die Nummer auf der Anzeige mit meiner verglichen und wusste, wie viele Menschen vor mir dran waren. Beispiel: Ich hatte die Nummer 104 und die Tafel zeigte 87, dann galt das Pling-Pling  sechzehn Mal nicht mir. Ich konnte also völlig tiefenentspannt erst einmal in meiner Bunten lesen, bevor ich anfing, mich auf die Anzeigetafel zu konzentrieren.
Hallo, und neuerdings? Neuerdings vereinbart frau einen Termin per Mail. Mein Termin wurde per Mail bestätigt und ich wurde sogar noch an selbigen erinnert. Im Dienstleistungszentrum angekommen stellte ich fest, Mauern und hohe Abgrenzungen sind tatsächlich wieder hochmodern: Warum muss der Wartebereich mit hohen Stellwänden abgeteilt sein, über die ich nicht schauen kann? Viele Menschen im Wartebereich und ich setzte mich auf den freien Stuhl direkt am Eingangsbereich. Und schon nach wenigen Sekunden wurde mir klar, warum der frei gewesen war. Wer ist denn auch so blöde und setzt sich dorthin, wo er sich bei jedem Pling-Pling dermaßen den Nacken verrenken muss? Ich. Was nämlich das Blöde ist, die Nummern werden nicht mehr der Reihenfolge nach angezeigt. Nach Nummer 5106 kommt heute nicht mehr automatisch 5107! Nein, da kann jetzt 2509 oder ...! Ich musste also bei jedem Pling-Pling zur Anzeigetafel schräg hochschauen! Ich sage nur Nackenstarre und Puls bis Halskrause. Und das trotz Termin 20 Minuten lang. Aber Hauptsache, die hatten mich an meinen Termin erinnert.
   
Ich komm wegen der Schaufensterkrankheit drauf. Nicht etwa meine SCHAUFENSTER-Lesesucht. Nein, als ich da so im Dienstleistungszentrum wartete, entsann ich mich des Artikels über die "Schaufensterkrankheit" in meinem SCHAUFENSTER "Medizin im Zentrum, die Gesundheits-Serie in Zusammenarbeit mit dem Gemeinschaftskrankenhaus Bonn": Unterstützung für Gefäße, von der Halsschlagader bis zur Fußarterie. Da wurde der Dr. Jürgen Remig gefragt, ob Erkrankungen an den Gefäßen denn immer mit Schmerzen verbunden seien. Und darauf hat der geantwortet: "Nein! Gerade das Bauchaortenaneurysma, also eine Erweiterung der Bauchschlagader, verursacht keine Schmerzen. Das ist besonders heimtückisch, weil ein unbehandeltes Aneurysma lebensgefährlich ist. Die Bauchaorta liegt tief im Bauchraum und führt sehr viel Blut. In den Aussackungen sammelt sich ein Blutpfropf, der immer weiter wächst. Unentdeckt reißt das Gefäß irgendwann und der Mensch verblutet innerlich in kürzester Zeit." Und vorher hatte der Dr. Remig  gesagt, Risikofaktoren für Gefäßkrankheiten seien Bluthochdruck und mangelnde Bewegung. Man denkt erst dran, wenn man's liest - das mit der Bauchaorta. Aber dann weiß man's ja. Und wie ich da so im Wartebereich, abgetrennt hinter hohen Stellwänden, Nackenbereich total verkrampft, Blutdruck auf 160 - die Angst sitzt halt tief .
Es wäre auf eine Panikattacke hinausgelaufen, hätte ich nicht  in meinem SCHAUFENSTER den Artikel "Keine Panik! Uni-Medizin für Sie" gelesen. Das Gefühl der Angst sichere evolutionsgeschichtlich gesehen das Überleben. Doch was, wenn es uns nicht nur schütze, sondern regelrecht zur Belastung werde? Aus diesem Grund lud das Universitätsklinikum Bonn zum Informationsabend "Keine Panik! - Angsterkrankungen mit Psychotherapie bewältigen" ein. Wobei ich mir jetzt dann doch mal gedacht habe, hätte ich in meinem SCHAUFENSTER nicht den Artikel über die Bauchaorta gelesen, hätte ich die Information über das Panik-Patienten-Kolloquium erst gar nicht gebraucht!

Wo ich gerade beim Thema Gesundheit bin. Neulich las es sich in meinem SCHAUFENSTER folgendermaßen: "Krebs aktiv vorbeugen" lautet das Motto, unter dem Experten des Centrums für Integriete Onkologie (CIO) und der Deutschen Krebshilfe beraten. Jährlich erkranken in Deutschland rund 500.000 Menschen neu an Krebs. Doch warum entsteht Krebs? Welche Faktoren senken das Risiko, welche erhöhen es? Wissenschaftler schätzen, dass etwa die Hälfte aller Krebsfälle durch einen gesünderen Lebensstil verhindert werden könnte." Mir scheint das  Motto "Krebs aktiv vorbeugen" gefährlich gewählt. Impliziert es doch fatalerweise, dass ich demnächst, wenn ich die Diagnose Krebs erhalte, überlege, ob ich eventuell zu wenig Petersilie gegessen habe. Ob ich ein wenig zu passiv im Vorbeugen war. Wobei, wenn ich es mir recht überlege, bin ich ja was aktives Vorbeugen angeht so was von am Start. Ich sage nur Grünkohl! Da hatte mir ja mein SCHAUFENSTER schon vor Wochen zu geraten - wegen der Folsäure und der Antioxidantien. Doch, es ist schon ein ungemein gutes Gefühl, auf der sicheren Seite zu sein. Zu wissen, dass man keinen Krebs bekommt.

Wo wir gerade beim  aktiven Vorbeugen sind. Da hieß es neulich in meinem SCHAUFENSTER "Bei Verkehrsunfällen: Schaulust aktiv bekämpfen": Neugierige Gaffer behindern bei Verkehrsunfällen oft die Rettungskräfte bei ihrem Einsatz. Einige fotografieren oder machen sogar Handyfilme. Die Möglichkeit, Fotos und Filme im Anschluss im Internet zu verbreiten und dafür Anerkennung durch hohe Klickzahlen zu bekommen, habe es früher nicht gegeben. Um der Schaulust aktiv entgegenzuwirken, rät der Verkehrspsychologe, aktiv den Drang zu unterdrücken, sich dazuzustellen. Man solle sich etwa klar sagen: "Ich habe da nichts verloren, Hilfe ist da, ich gehe weiter meinen Weg." Am besten sei es, durch eigenes Verhalten ein Vorbild abzugeben und weiterzugehen oder an der Unfallstelle vorbeizufahren." Ich stelle mir gerade den dazu passenden Menschen vor. Liest der eigentlich, kann der überhaupt lesen und kennt der das Wort Vorbild? Egal, auf jeden Fall sollte man ihn aktiv ganz dolle bestrafen!   

Mittwoch, 15. März 2017

Strunzblöd hat Konjunktur - und der Feldweg

Neulich bei meinem Lieblingsdiscounter an der Kasse bei den Schnittblumen: Die Profimama entdeckt die Tulpen. Ihr Kleinstkind vorne im Einkaufswagen ist gerade mal in der Lage aufrecht zu sitzen. "Soll Mama Blumen mitnehmen?" "..." "Schatz, was meinst du, soll die Mama Blumen kaufen?" "..." "Sag doch mal, Klara, Schatz, soll die Mama Blumen kaufen?" "Nein." "Och Schatz, die Mama hat aber Lust, Blumen zu kaufen. Schau doch mal, wie schön die sind, die Tulpen." "Nein." "Welche Farbe sollen wir denn nehmen?" "..." "Hilf doch mal der Mama." "..." " Schau mal, es gibt gelbe und weiße und rote Tulpen." "..." "Welche soll Mama denn nun nehmen?" "Rot." "Papa mag aber lieber gelbe Tulpen. Dann nehmen wir einen schönen gelben Tulpenstrauß." Kein Scherz meinerseits, echte, harte Realität. Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder, Klara hat schon im Mutterleib die Relativitätstheorie erklärt bekommen und ich war an der Kasse zufälligerweise Zeugin, als dem Wunderkind spielerisch das Stilmittel der rhetorischen Frage nahegebracht wurde. Oder - die Frau ist einfach nur strunzblöd.

Apropos strunzblöd. Ich komm deshalb drauf, weil ich neulich in meinem SCHAUFENSTER  in großen Lettern "Volksbegehren: Zurück zu G9?" las. Da hieß es, in NRW starte das Volksbegehren "Abitur nach 13 Jahren an Gymnasien - Mehr Zeit für gute Bildung, G9 jetzt!". Ziel sei es, dass an Gymnasien in NRW das Abitur wieder nach einer Regelschulzeit von 13 Jahren abgelegt werde. Die Eintragungslisten für das Volksbegehren lägen vom 2. Februar bis 7. Juni aus. Obwohl in dem kurzen Artikel gleich dreimal wiederholt wird, um was es geht, verstehe ich es nicht, weil ...
Nordrhein-Westfalen, wir schreiben das Jahr 2013. Das Rad, das Rad der Bildung, wird neu erfunden. Nunmehr machen Abiturienten schon nach acht Jahren Abitur und nicht wie bisher nach neun. Vorbei G9, es lebe G8! Als Hauptgrund für die Einführung der verkürzten Schulzeit wird die zu anderen Ländern vergleichsweise lange Dauer der Schulzeit angeführt. Hurra, nun holen wir auf, tun es unseren Nachbarn, den Niederländern, gleich! Was jetzt natürlich wirklich blöde ist, im Jahr des ersten G8-Durchlaufs, also im Jahr 2013, machen nun zwei Jahrgänge gleichzeitig Abitur: die letzten G9er und die ersten G8er. Man spricht vom Doppeljahrgang. Angst und Panik halten Einzug in den Schulalltag. Wird der Ausbildungsmarkt auf diesen Doppeljahrgang eingestellt sein? Eltern parken ihre Kinder für ein Jahr im Ausland, um dem Doppeljahrgang zu entfliehen. Und die, die hier bleiben, haben zusätzlich zum Nachmittagsunterricht verstärkt Nachhilfe. Viele Abiturienten entfliehen nach dem Abitur dem Ansturm auf die Hörsäle, indem sie irgendwo in Afrika Straußeneier in A ausbuddeln und in B wieder einbuddeln. Das Wort Turbo-Abi wird geboren. Großer Druck lastet auf vielen Schülerschultern: Es gilt, die eigene Angst in den Griff zu bekommen, aber auch die am Rad drehenden Eltern zu ertragen. All das lassen die jungen Menschen im Jahr 2013 in NRW über sich ergehen.
Was jetzt wirklich blöde war, damals wusste keiner der Verantwortlichen für G8 , dass das Schulsystem der Niederlanden überhaupt nicht mit dem unseren zu vergleichen ist. Dort gehen die Kinder schon mit vier in die Grundschule und die dauert sechs Jahre, um nur ein Beispiel zu nennen. Ich habe  mich damals nur gefragt, und frage es mich bis heute, warum wir uns nicht die Niederlanden als Vorbild nehmen, wenn es um die Bekämpfung des Krankenhausvirus geht. Und warum wir bei den Themen Abtreibung und Sterbehilfe so gar nicht über den Tellerrand, über die Grenze zu den Niederlanden schauen. Was auch dumm gelaufen ist, damals, keiner der Entscheidungsträger hatte die Idee, dass es möglicherweise ernsthafte rechtliche Probleme geben könnte, wenn ein junger Mensch schon mit 17 Abitur macht, also noch nicht volljährig ist. Blöd auch, damals hatte kein Verantwortlicher den Gedanken, dass möglicherweise der Nachmittagsunterricht zu Problemen führen könnte.

Hat wirklich niemand daran gedacht?  Und das wäre jetzt die Herausforderung für unsere Klara an der Kasse bei den Tulpen. Ist die Frage "Hat niemand diese Bedenken gehabt?" eine Frage oder eine rhetorische Frage? Denn entweder waren die damaligen überbezahlten Entscheidungsträger strunzblöd oder sie wussten, was sie taten, und hielten mich für strunzblöd, als sie mir mit den Nachbarländern kamen. Und da weiß ich jetzt beim besten Willen nicht, was ich besser finde. Ich stell mir nur mal vor, wenn das jetzt mit dem G9 durchkommt, G8 also ein Versehen war, der Doppeljahrgang also quasi nicht hätte sein müssen. Wenn all diese jungen Menschen, die man damals verarscht hat, wenn die den damaligen Verantwortlichen mal einen Besuch abstatten würden. Für mich ist der Fall selbstredend klar: Hinter all dem Hin und Her stehen die Schulbuchverlage. Denn die sind die eigentlichen Gewinner, wenn alle paar Jahre wieder das Bildungsrad neu erfunden wird.

Wo ich gerade bei strunzblöd bin. "Dumm wie 10 Meter Feldweg" klingt toll, finde ich. Kannte ich gar nicht! Ich hab nämlich mal unter Synonyme für strunzblöd nachgeschaut. Und da stellte ich zweierlei fest. Erstens gibt es strunzblöd gar nicht, ist quasi meine Eigenkreation. Es gibt nur strunzdumm. Und zweitens gibt es dort eine riesige Auswahl an Synonymen für strunzdumm - die man ja aber bei so viel Blödheit auch braucht.

Apropos Blödheit. Und da bin ich meinem SCHAUFENSTER so was von dankbar, dass es  mich da abholt, wo ich stehe - nämlich am Geldautomaten der Bank meines Vertrauens. Wo ich gerade Geld abhole, mit meiner Karte. Die PIN habe ich natürlich auf einem Zettel im Portemonnaie notiert - und zur Sicherheit noch mal auf der Karte selbst. Und da lese ich jetzt doch, soll man nicht, öffnet dem Missbrauch Tür und Tor, sagt die Margot Schneider, Leiterin Sicherheitsmanagement für Zahlungsverkehr bei der Euro Kartensysteme GmbH. Wenn sich der Tipp von der Margot nicht mal genau so als falsch herausstellt wie damals die Entscheidung für G8!