Donnerstag, 25. Dezember 2014

Bertha von Suttner und der Japaner

Doch, ich bin ehrlich, anfangs war es schon schwer. Ich hatte ganz verlernt, mein Freizeitzeitfenster (das Wort klingt jetzt irgendwie blöd) selbstständig zu gestalten. Während der Fußball-WM war da eine ganz klar vorgegebene Struktur - und plötzlich dieses tiefe Freizeitloch. Ich kann nur sagen, Gott sei Dank lagen die Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters im Briefkasten. Ich wüsste nicht, wie ich das in den ersten Tagen ohne die geschafft hätte! Die Gefahr bestand ja durchaus! Sie klemmten zwar im Briefkastenschlitz - aber DRAUßEN. Weil, so wie das zeitweise geschüttet hat - ich hab die einzelnen Seiten dann erst einmal trocken gefönt und soweit es ging mit Tesafilm geflickt. Da war ich schon eine ganze Zeit lang mit beschäftigt, von der Straße, was ja super war.

Allein schon dieser eine Sonderposten hat mich über den ersten WM-freien Abend gerettet: "Pfannenschutz, 3er-Set oder Glastellerschutz, 8er-Set". Ich hab dann in aller Ruhe meine Küchenschränke durchforstet, ob da jetzt Handlungsbedarf besteht. Weil, ich bin jetzt 54 und wollte noch mal vollkommen neu definieren, ob ich weiter die Glasteller einfach unreflektiert ineinander stelle oder ob da meinerseits Kaufbedarf besteht. Zumal die Größe individuell kürzbar ist und - das ist selbstredend ein schlagkräftiges Kaufargument - die Dinger bis zu 40 Grad waschbar sind. Wobei, ich wüsst' jetzt gar nicht, aus welchem Grund ich die einzelnen Schutzteile (weil Schutz gibt's nur im Singular) waschen sollte. Ich persönlich staple in meinem Schrank ausschließlich saubere Teller. Kann natürlich auch einfach aus dem Grund sein, weil der Deutsche einfach gerne wäscht, egal warum, Hauptsache waschbar.

Oder "Fudge Cake". Gab's als Sonderposten. Hätte ich sonst einfach das Bildchen angeguckt und fertig. Aber ich hatte ja massig Zeit, die es totzuschlagen galt. Ich hab's dann mal im englischen Wörterbuch nachgeschlagen: Also "blöd daherreden" oder "Quatsch" passte nicht zu "cake". Blieb nur noch "Fondant". Glücklicherweise kannte ich dieses Wort auch nicht, und so blätterte ich nun im Duden und fand als Übersetzung "(Konfekt aus) Zuckermasse". Wieder was gelernt.

Doch, so langsam bin ich wieder im Alltagstrott. Dabei hat mir auch das SCHAUFENSTER geholfen. Das hab ich natürlich auch ausführlichst studiert. Zum Beispiel den Bericht über die Ausstellung im Foyer des Stadthauses über das Leben und Wirken der Bertha von Suttner. Die mit ihrem Roman "Die Waffen nieder" weltberühmt wurde und 1905 als erste Frau den Friedensnobelpreis erhielt. Und da fiel mir auch wieder das Denkmal für sie ein! Daran bin ich auch schon viele Male einfach so vorbeigeradelt - ohne anzuhalten! Und das in Zeiten wie diesen, wo an jeder Ecke auf unserem Planeten zu den Waffen gegriffen wird. Als die Sonne dann endlich wieder heraus kam, bin ich extra an die Ecke Bertha-von-Suttner-Platz/Sandkaule gefahren und habe mir das Denkmal angeschaut - zusammen mit einigen Japanern.

Wenn ich demnächst wieder Zeit überbrücken muss und es in Strömen regnet, will ich auch noch einmal in Ruhe überlegen, ob ich für eine Anti-Rutschfolie im Kühlschrank Verwendung habe.
Bin ich froh, dass mein Lieblingsdiscounter mich so auffängt!