Donnerstag, 25. Dezember 2014

Der 60-sekündige auf- und abschwellende Heulton der Sirenen ertönt nicht, wenn die Bonner Ehrengarde zum Oktoberfest einlädt

Halloween im Maritim - wäre schön gewesen. Ich hab's einfach nicht geschafft. Der Tag müsste halt mehr Stunden haben. Dabei wollte ich die im Maritim immer schon mal fragen, warum die Hotels in ihren Stellenanzeigen einerseits deutsche Zimmermädchen, andererseits aber Roomboys oder Cleaner suchen. Das hätte sich jetzt so was von angeboten, wenn ich sowieso da gewesen wäre. Aber lassen wir das. Um es mal so auszudrücken: Der Konjunktiv II und ich sind nicht die allerdicksten Freunde. Der Indikativ ist mir da weitaus sympathischer. Da weiß ich, was ich habe, bin ich auf der sicheren Seite. Bin ich demnächst aber sowieso, auch ohne. Weil, statt im Kameha Grand oder Maritim abzutanzen, hat's mich wieder mal zu einer Ladies Night hingezogen. Wobei, genauer gesagt, war's eine Women's Night beim Baumarkt meines Vertrauens. Das hatte mit Lady und Gläschen Sekt aber so was von nichts zu tun. Weil hier ging's tatsächlich zur Sache: Ich sag nur, ich hab Laminat und Fliesen verlegt - im alten Flanellhemd!

Und jetzt gibt's sowieso kein Halten mehr für mich - seitdem ich im Schaufenster von dem Führerschein gelesen habe. Jetzt bin ich im Flow und zieh das durch! Jeder braucht ja was Eigenes. Früher war es das Jodel-Diplom, heute ist das der Führerschein für die Kettensäge: Bietet die Stadtförsterei für Privatleute zur Bearbeitung von Brennholz an. In dem Kurs lerne ich den sicheren Umgang mit dem gefährlichen Arbeitsgerät und erwerbe den Motorsägenführerschein nach Vorgaben des Landesbetriebs Wald und Holz. Holla, die Waldfee! Den § 7 der 32. Bundesimmissionsschutzverordnung kenne ich selbstredend jetzt auch in- und auswendig. Hab ja jetzt den Führerschein. Sollten sich die Angler in Bad Honnef mit ihrem akustischen Biss-Signal vielleicht auch mal zu Gemüte führen! Davon abgesehen, im Schaufenster war letztens aber auch eine Tabelle, aus der der geneigte Lärmimmissions-Verursacher punktgenau ablesen konnte, an welchem Wochentag und zu welcher Tageszeit er sich nicht nur in der Nachbarschaft mit seinem motorbetriebenen Gartengerät ganz dolle unbeliebt macht, sondern sich auch so was von in die Illegalität begibt. Mir persönlich ist das vollkommen egal, weil, wenn ich draußen nicht mehr sägen darf, verleg ich halt drinnen in der Küche Teppichboden - und reiß ihn wieder raus. Das geht allemal recht leise von statten. 

Apropos 'leise von statten': Wenn ich tatsächlich Halloween Zeit gehabt hätte, wäre ich auf den Alten Friedhof gegangen. Da gab's nämlich wieder eine Führung. Diesmal zum Thema "Die Ursprünge von Halloween - Symbole auf Grabstätten". Um 19 Uhr ging's los und man sollte Taschenlampe, Martinslaterne oder Kerze mitbringen. Das war doch mal ne tolle Idee! Schade, so viele Events anlässlich Halloween und ich hab Rücken und Knie vom Laminat Verlegen.

Aber ich will nicht kümen. Letztens ist mir genau das Gegenteil passiert: Also, ich hatte nichts Besonderes vor und habe etwas Tolles erlebt. Samstags fuhren mein Traummann und ich mit dem Fahrrad in die Stadt - wie immer ein paar Punkte auf dem Stadtzettel zum Abarbeiten. Punkt eins, Nadeleinfädler bei Kastenholz. Da hab ich vielleicht geguckt, als die Verkäuferin mir original das gleiche Ding auf die Verkaufstheke legt, was bei mir nach gefühlten hundert Jahren kaputt gegangen war. Also dass es da nach wie vor nur dieses pisselige Blechding gibt. Punkt eins abgehakt, Abstellen der Fahrräder am Beginn der Bonngasse und weiter zu Fuß in selbige - wie der Japaner. Mein Ziel war aber nicht Beethovens Geburtshaus, sondern laut Punkt zwei meines Stadt-Erledigungszettels Promod - wo ich jedoch nie ankam. Als wir nämlich an der Kirche vorbeikommen, herrscht davor ein ungewohnt lebhaftes Treiben. Menschen betreten und verlassen das Gotteshaus. Und plötzlich stehen wir in der Kirche, sind überwältigt vom überbordenden Blau und Gold , bestaunen den hölzernen Altar, und ehe wir uns versehen, nehmen wir an einer einstündigen Führung teil, erfahren den Grund für die prächtigen Farben, erfahren die Geschichte über das Holz ... Als wir die Kirche verließen, war der Nachmittag alt, die Sonnenstrahlen gelangten schon lange nicht mehr in die Fußgängerzone. Wie lange mussten wir in der Kirche gewesen sein? Als Bonner hatten wir die Namen-Jesu-Kirche betreten und als Touristen verließen wir sie. Was für ein schönes Erlebnis - ungeplant, kein Termin im Kalender.

Dieser Katastrophenalarm in der Nacht am letzten Oktoberwochenende war ja auch nicht geplant. Im Schaufenster habe ich dann später gelesen, was da so zu beachten ist - im Ernstfall: "Suchen Sie geschlossene Räume auf und nehmen Sie ggf. Passanten auf." Ich stell mir jetzt nur vor, der Rosenmontagszug zieht an unserem Haus vorbei und die Sirenen beginnen zu heulen ... Was läge da näher, als alles daranzusetzen, sämtliches Vitamin B zu aktivieren, um in die Bonner Ehrengarde aufgenommen zu werden. Da hätte ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens ginge ich Rosenmontag selbst mit im Zug und könnte mir aussuchen, in welchem schmucken Haus ich bei Katastrophenalarm gerne einmal eine Zeit lang verweilen möchte. Und zweitens hätte ich im Oktober immer einen zusätzlichen Anlass, mein Dirndl zu tragen. Die hatten nämlich zünftig mit Dirndl und Krachledernen zum Oktoberfest ins Zeughaus eingeladen. Da muss ich jetzt allerdings zugeben, kommt mir der Konjunktiv gerade zupass. Aber selbst im Selbigen ist dieses Szenario kaum zu ertragen.

Also bis jetzt, der Herbst ... Ich muss direkt aufpassen, dass ich trotz Kettensäge und Laminat noch genug Zeit für das Studium meines Werbeblättchens habe.